Und: Die Mehrheit der Jugendlichen hat heute sogar mehr Angst vor dem Klimawandel als vor schweren Krankheiten oder vor dem Zerbrechen der Familie.

Österreichs Jugendliche denken politisch offenbar wesentlich fortschrittlicher als die Gesamtgesellschaft. Österreich sehen sie mehrheitlich als Einwanderungsland und befürworten eine multikulturelle Gesellschaft. Umweltverschmutzung und Klimawandel machen den Jugendlichen dagegen große Angst. Das zeigt eine neue Studie der Pädagogischen Hochschulen, die jetzt präsentiert wurde. Befragt wurden dafür mit Online-Fragebogen immerhin 14.432 Mädchen und Jungs im Alter von 14 bis 16 Jahren in ganz Österreich.

Große Mehrheiten für Flüchtlinge

Ganze 83% der Jugendlichen in Österreich stimmen der Aussage zu, dass alle Menschen durch das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen profitieren können (33% voll, 50% eher). 68% der Jugendlichen stimmen der Aufnahme von Geflüchteten zu (23% voll, 45% eher). Eigene Migrationserfahrungen erhöhen dabei die Empathie für Geflüchtete. Und wie bei Erwachsenen stehen auch unter Jugendlichen Frauen weiter links: Junge Frauen befürworten eine offene Gesellschaft noch einmal stärker als junge Männer.

Was sich aber auch unter Jugendlichen zeigt, ist das klassische Vorurteil, „die“ sollen sich „uns“ anpassen: 70% der jungen Menschen finden, dass Menschen, die nach Österreich kommen, sich an die österreichische Kultur anpassen sollten (34% voll, 36% eher). Tatsächlich aber ist eine solche „österreichische Kultur“ eine Fiktion: Junge Mitglieder einer Blasmusikkapelle im ländlichen Raum etwa haben klarerweise eine völlig andere Lebenswelt als junge Rapper in der Großstadt.

Doch insgesamt sind die Ergebnisse eindeutig – und spiegeln nochmals die massive Beteiligung von Jugendlichen an den Black-Lives-Matter-Protesten im Frühsommer 2020 wieder. Zehntausende, vor allem junge, Menschen sind damals zwischen Wien im Osten und Bregenz im Westen auf die Straße gegangen. Das zeigt: Die Werthaltungen, die die Mehrheit der Jugendlichen haben, sind auch auf der Straße mobilisierbar.

Angst vor dem Klimawandel

Besondere Angst haben die Jugendlichen zwischen 14 und 16 vor Umweltverschmutzung und Klimawandel. 40% der jungen Menschen macht die Umweltverschmutzung große Angst, weiteren 45% macht sie etwas Angst. Vor den Folgen des Klimawandels haben 36% große Angst, weitere 45% etwas Angst. Beachtlich auch hier die Geschlechterverhältnisse.

Während bei den jungen Frauen 45% große Angst haben, „dass die Folgen des Klimawandels bei uns bedrohlich werden“, sind es bei den jungen Männern nur 28%. „Etwas Angst“ haben bei den Mädchen weitere 43%, bei den Jungs 48%. Allerdings geben die jungen Männer bei allen Antworten, die das Wort „große Angst“ beinhalten, deutlich niedrigere Antworten – das könnte also auch etwas mit männlichen Rollenbildern zu tun haben („Ich hab keine große Angst“).

Jugendstudie Lebenswelten Österreich

Doch ingesamt sind die Ergebnisse eindeutig: Die Mehrheit der Jugendlichen hat heute sogar mehr Angst vor Umweltverschmutzung und Klimawandel als vor schweren Krankheiten oder davor, dass die eigene Familie zerbricht. Das gilt für Mädchen und Jungs. Auch hier zeigen die großen Klimastreiks und die Fridays for Future-Bewegung, dass die Jugendlichen auch bereit sind, für diese Themen massenhaft auf die Straße zu gehen.

Die eigenen Ängste stehen – logischerweise – auch in Zusammenhang mit verfügbaren Ressourcen und der Herkunft der Jugendlichen.  Bei Jugendlichen mit weniger ökonomischen Ressourcen sind materielle Ängste nochmals stärker ausgeprägt, bei Jugendlichen aus besseren finanziellen Verhältnissen sind diese Sorgen weniger stark.

Sind die Jugendlichen „konservativ“?

Viele Medien haben ihre Artikel zu dieser neuen Studie damit überschrieben, dass Österreichs Jugendliche „konservativ“ wären. Der Standard etwa hat die APA-Aussendung übernommen und titelt: „Österreichs Jugendliche neigen zu konservativen Werten“. Aus der Studie lässt sich das allerdings so nicht ablesen, es wirkt eher wie gezieltes politisches Framing.

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So sagte Bildungsminister Heinz Faßmann von der ÖVP bei der Präsentation der Studie: Werte wie sichere Arbeitsplätze und gute Partnerschaft hätten für die Jugendlichen einen hohen Stellenwert . Das sei eine „durchaus konservative Einstellung“. Was daran konservativ sein soll, weiß allerdings wohl nur ÖVP-Faßmann.

Vorrangige Wünsche an eine (zukünftige) Partnerschaft sind bei den Jugendlichen Verlässlichkeit (stimmt völlig: 93%) und gemeinsam Spaß haben (92%). Völlig nachvollziehbar. Einzig die freie Liebe ist scheinbar auf dem Rückzug: Treue wünschen sich 90 Prozent der Jugendlichen, das wird auch als Beleg für „konservative“ Einstellungen angeführt. Da wäre es allerdings sehr interessant gewesen, auch alternative Beziehungsmodelle abzufragen, etwa offene oder polyamore Beziehungen. Und: Die befragten Jugendlichen sind zwischen 14 und 16, also gerade am Anfang der sexuellen Reise. Da wird sich noch einiges tun.

Her mit dem schönen Leben!

Die Studie ist auch eine deutliche Antwort auf all jene, die gern über die „unpolitische Jugend“ jammern. Knapp die Hälfte der Jugendlichen sagen, dass sie an Politik interessiert sind (stark/etwas interessiert: 45%). Jungs zeigen sich dabei etwas häufiger interessiert als Mädchen (48 zu 42%) und Schüler*innen in höheren Schulen sind interessierter als jene in Pflichtschulen (51 zu 38%). Doch insgesamt: Das Interesse ist da.

Und besonders interessant: Die bedeutendsten Werte sind gemäß der Lebenswelt-Studie gute Beziehungen der Jugendlichen zu den für sie wichtigen Menschen (87 Prozent), sich für Freunde einsetzen (72 Prozent) sowie die Absolvierung einer guten Ausbildung (75 Prozent). Und: Das Leben in vollen Zügen zu genießen, ist für 68 Prozent sehr wichtig. Kohle machen tritt in den Hintergrund. Schlechte Nachrichten für die Fans des Neoliberalismus.

Österreichs Jugendliche denken deutlich fortschrittlicher als die Gesamtgesellschaft, wie diese Studie zeigt. Wenn die Linke erfolgreich sein will, sollte sie diese Jugendlichen abholen.

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