Für den Bau der Stadtautobahn in Wien-Hirschstetten wurden bereits hunderte Bäume gefällt. Ein 14-jähriger Schüler hat jetzt ein eindringliches Video veröffentlicht, wo er dieses Baum-Massaker zeigt. Christian Bunke hat mit ihm gesprochen.
Es ist ein bedrückender Vorher-nachher Vergleich. Ein Foto zeigt die Süßenbrunner Straße in Hirschstetten im Sommer. Bäume formen eine Allee. Sattes Grün dominiert das Bild. Ein zweites Foto zeigt dieselbe Stelle ein halbes Jahr später: Die Bäume sind großteils verschwunden, zurück bleibt eine Wüste.
„Die Zerstörung von Hirschstetten“ hat der 14-jährige Mario sein knapp zweiminütiges Video genannt. Mit seiner Mutter Nora lebt er 200 Meter von der Route der geplanten Stadtstraße entfernt. Als am 1. Februar Hundertschaften der Polizei gemeinsam mit der Berufsfeuerwehr die Baustellenbesetzung vor der U2-Station Hausfeldstraße gewaltsam räumten, wurden nicht nur die von den Besetzer:innen errichteten Holzbauten vernichtet.
„Mich hat das traurig gemacht“
Zeitgleich ging es auch 400 Bäumen entlang der geplanten Route der Stadtstraße an den Kragen. „Mich hat das traurig gemacht“, sagt Mario. „Die Bäume haben mich immer auf meinem Schulweg begleitet. Sie haben mir das Gefühl gegeben, hier zu Hause zu sein. Jetzt kommt hier eine riesige Baustelle und die halbe Allee ist weg. Es wird dadurch noch mehr Lärm geben. Und die Gegend wird verschandelt.“
Die Fotos der Bäume kommen aus dem Sommer des vorhergehenden Jahres, sagt Mutter Nora. „Es handelt sich um Bäume, die schon lange im Rodungsverzeichnis für die Stadtstraße aufgeführt waren. Ein Anrainer hat sie fotografiert. Die Fotos, die das Gelände nach der Rodung zeigen, sind am Wochenende des 19. und 20. März entstanden.“ Mario ergänzt: „Wir wollten Erinnerungsfotos haben. Meine Mutter hatte dann die Idee, sie auszudrucken und sie im Protestcamp der Klimaschützer:innen in der Anfanggasse aufzuhängen. Das gab dann den Anstoß für das Video.“
Für Nora waren die Wochen seit den Baumfällungen, die übrigens weiter andauern, ein „echter Trauerprozess“, der nach außen aber schwer vermittelbar gewesen sei. „Viele meiner Arbeitskolleg:innen konnten nicht verstehen, warum uns das so betroffen hat.“ Das hat die Veröffentlichung des Videos geändert. Innerhalb weniger Stunden erzielte es über 2.000 Zugriffe. „Das Video hat wirklich eine große Betroffenheit bei Leuten ausgelöst, die es sich angeschaut haben“, erzählt Nora. „Es hat viele positive Reaktionen gegeben.“
„Ein Orden für den Täter“
Vor allem zerstört der Film den von der Stadt Wien verbreiteten Mythos, wonach in Hirschstetten und der Donaustadt angeblich die gesamte Lokalbevölkerung hinter dem Projekt Stadtstraße steht. Diese Auffassung wird vor Ort vor allem aus dem SPÖ-Umfeld massiv verbreitet. So forderte im Anschluss auf den Brandanschlag auf die Baustellenbesetzung in der Hirschstettener Straße der ehemalige Donaustädter Sektionschef Herbert Steyrer auf Facebook: „Ein Orden für den Täter“. Zur Erinnerung: Der Brandanschlag hätte fast das Leben mehrerer Besetzer:innen gefordert.
Solche Ansagen scheinen auch Teile des rechtsextremen Spektrums zu befeuern. Am 10. März berichtete der Telegram-Ticker der „Lobau bleibt“ Bewegung, dass das Camp in der Hirschstettener Straße mit Nazisymbolen beschmiert worden sei. Unter anderem haben bislang unbekannte Täter:innen ein selbst gebasteltes Hakenkreuz vor Ort hinterlassen, wie Bilder zeigen, die die Klimaschützer:innen veröffentlicht haben.
Derweil muss sich die Nachbarschaft mit den kommenden Auswirkungen der Stadtstraße befassen. „Sie wird eine große Schneise durch unsere Wohngegend ziehen“, sagt Nora. „Bislang konnte ich gemeinsam mit meinem Sohn mit dem Rad zum Badeteich radeln. Bald steht die Stadtstraße im Weg, und wir müssen durch einen Tunnel radeln.“ Das habe auch ökologische Auswirkungen: „Wir haben ohnehin große Probleme mit Wind und Sturm. Die Bäume haben einen gewissen Schutz geboten. Jetzt sind sie weg. Wir hätten eigentlich nochmal so viele Baumanpflanzungen wie die 400 gefällten Bäume gebraucht.“
Noras Fazit : „Das alles lässt mich ohnmächtig und fassungslos zurück. Ich hoffe, dass möglichst viele Menschen dieses Videos zu Gesicht bekommen, damit sie sehen was hier los ist, und damit unsere Betroffenheit wahrgenommen wird.“
_____________________
Mein Name ist Michael Bonvalot, ich bin der Herausgeber des stand.punkt. Ich hätte eine Bitte an Dich!
Die Artikel auf dieser Seite sind ohne Paywall für alle Menschen frei lesbar – und es wird hier auch niemals eine Paywall geben. Alle Menschen sollen die Inhalte auf dieser Seite lesen können, egal, wieviel Geld sie haben. Damit das möglich bleibt, brauche ich Deine Hilfe!
Wenn Du dieses Projekt gut findest, wenn Dir diese Arbeit etwas wert ist – dann bitte ich Dich um Deine Unterstützung! Besonders freue ich mich, wenn Du unsere Arbeit monatlich unterstützen möchtest. Nur so können wir planen und diese Arbeit professionell fortsetzen!
Schon ab 5 Euro im Monat kannst Du einen wichtigen Beitrag leisten – Damit noch mehr Menschen Journalismus mit Meinung und Haltung lesen können.
• Spendenkonto – monatlich/einmalig:
IBAN: AT64 1420 0200 1026 2551
BIC: BAWAATWW
Easy Bank, 1100 Wien
Kontoinhaber: Michael Bonvalot
(Bitte die Mailadresse als Verwendungszweck, damit ich Dich bei technischen Fragen erreichen kann!)
• Kreditkarte und Paypal – monatlich/einmalig: