Ex-FPÖ-Mann Gerald Grosz kündigt eine Kandidatur zur Bundespräsidentschaftswahl an. Seit Jahren wird er von Ö24 massiv gepusht. Wer ist Grosz – und welche Rolle spielt der Fellner-Konzern?
- Eine Recherche von Michael Bonvalot
Gerald Grosz poltert los. Manche würden glauben, „dass die Gesundheitspolitik nur aus einem klitzekleinen Virus besteht“. Jetzt aber sei endgültig der Zeitpunkt gekommen, dass wir „nicht mehr über Corona diskutieren“. Zeitweise überschlägt sich die Stimme des Mannes mit der Brille fast, so aufgebracht ist er, als er im TV-Studio spricht.
Corona ist dabei keineswegs das einzige Thema des 45-jährigen „Polit-Bloggers“, wie Ö24 ihn nennt. Oft geht es gegen Flüchtlinge, dann gegen Tempolimits, dann gegen Klimaschutzmaßnahmen. Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig nennt Grosz „Schnitzelgesicht“, die Grünen sind für ihn – in klassisch rechter Diktion – immer nur die „GrünInnen“.
Die Metoo-Debatte kommentiert Grosz mit einer rassistischen Tirade gegen „kulturfremde Bereicherer“. Die weiblichen Opfer und ihre Unterstützer*innen verhöhnt er gleichzeitig als „#metoo EmpörerInnen“, „hauptberufliche Opfer des Geschlechterkrieges“ und „KampfemanzInnen“, die sich in ihrer „Opferrolle“ suhlen würden. Derzeit gibt Grosz besonders gern den Putin-Versteher.
Hunderttausende Klicks
Doch heute geht es um die Pandemie. Minutenlang dauert die Tirade, wenn Grosz sich über Corona-Schutzmaßnahmen empört. Oder wie Grosz es nennt: „Den Wahnsinn der letzten zwei Jahre“, den „Maskenfetischismus“. Spricht da ein dubioser Blogger, der auf Youtube schon lange gesperrt wurde und jetzt auf einschlägigen Mini-Plattformen sein Glück versucht? Der Verdacht liegt nahe.
Doch tatsächlich wurde das Video mit den Tiraden von Grosz am 19. April vom Privatsender Oe24.TV veröffentlicht. Bereits sechs Tage später hat es allein auf Youtube fast 130.000 Aufrufe.
Es wird noch lange nicht das Ende sein: Ein Video aus der gleichen Serie vom August 2021 hält inzwischen allein auf YouTube bei rund 620.000 Aufrufen.
Grosz will Bundespräsident werden. Oder doch nicht.
Offenbar bestärkt von dieser Reichweite kündigt Grosz jetzt sogar den – erneuten – Schritt in die extrem rechte Politik an. Bundespräsident wolle er bei der Wahl im Herbst werden, erklärt Grosz am 13. April via Facebook und Twitter. Sein – sicher gar nicht billig von Donald Trump abgekupferter – Slogan: „Make Austria Grosz again“.
Die Ankündigung der Ankündigung
Wobei sich Grosz noch eine etwas seltsame Hintertür offen lässt: „Ich werde am Dienstag, den 21. Juni 2022 meine Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten bekannt geben“, schreibt er auf Facebook und Twitter. [Fehler im Original.] Real kündigt der Ö24-Mann also an, dass er eine Kandidatur ankündigen wird.
Entweder ein Marketing-Gag. Oder Grosz will ausloten, wie die Chancen und das Feedback auf seine Ankündigung sind. Auf eine Anfrage an die Österreich-Gruppe, wie das Boulevard-Medium zur Kandidatur von Grosz steht und ob er als Kandidat zur Bundespräsidentschaftswahl weiter Protagonist der Sendung sein könne, kommt keine Antwort.
Ö24 baut sich seine Figuren auf
Die Ankündigung dieser Kandidatur mag für die breitere Öffentlichkeit ziemlich absurd wirken. Doch in einschlägig extrem rechten Kreisen in Österreich, aber auch in Deutschland, ist Grosz tatsächlich durchaus beliebt. Seine Popularität verdankt er dabei so gut wie ausschließlich dem Medienkonzern Österreich des Fellner-Clans. Der Konzern hat ihn regelrecht aufgebaut.
„Fellner! LIVE“ und „Das Duell“ heißen die beiden wichtigsten Ö24-Plattformen für den Rechtsaußen-Blogger. Dort darf Grosz regelmäßig seine dubiosen Positionen von sich geben. Seinen Konterpart bei diesen Auftritten gibt Sebastian Bohrn Mena.
Der war einst SPÖ-Kandidat, dann ging er zur „Liste Jetzt“ rund um Peter Pilz. Beides hat nicht geklappt – bei der inzwischen verblichenen Liste Pilz/Jetzt folgte sogar ein Prozess vor dem Arbeitsgericht.
Verteilte Rollen
Auf Ö24 ist es zwischen den beiden offensichtlich ein Spiel mit verteilten und genau festgelegten Rollen. Grosz gibt den „Rechten“, Bohrn Mena den „Linken.“ Die Moderation wird entweder vom Familien-Patriarchen Wolfgang Fellner selbst übernommen, der wegen sexistischer Übergriffe seit Längerem massiv in der Kritik steht.
Alternativ zum alten Fellner übernehmen entweder Ö24-Journalistin Isabelle Daniel oder sein Sohn Nikolaus die Moderation. Der ist inzwischen auch einer der Geschäftsführer der Mediengruppe.
Die Aufgabe der Moderation beschränkt sich dabei in vielen Fällen darauf, stumm zuzuhören – oder nochmals anzuheizen. So ist es auch bei den Corona-Tiraden von Grosz im Auftritt vom 19.April, wo „Moderator“ Nikolaus Fellner minutenlang ohne Reaktion danebensitzt.
Grosz profitiert enorm
Für Grosz hat sich die Ö24-Präsenz jedenfalls enorm ausgezahlt. Vor allem auf Facebook steigt seine Reichweite seitdem rapide. Erstmals geht seine heutige Facebook-Seite 2014 mit dem Namen „Wir wollen die alte Bundeshymne wieder“ ans Netz. Eine rechte Kampagnen-Seite also.
Doch im Dezember 2016 wird die Seite auf einmal in „Gerald G. Grosz“ umbenannt. Das zeigt die Angabe zur Seitentransparenz auf Facebook. Viel los ist zu Beginn nicht auf der Seite, wie eine Auswertung zeigt, die mir vorliegt. Es gibt kaum Interaktionen.
Der Wind dreht sich, als 2018 auf Ö24 erstmals „Das Duell“ auf Sendung geht – zu Beginn noch mit dem Politikberater Rudi Fußi als „linkem“ Gegenpart zu Grosz. Der tritt allerdings nach wenigen Sendungen im November 2018 ab.
Facebook-Likes für Grosz schießen nach oben
Der Österreich-Konzern setzt die Sendung schnell neu auf, Bohrn Mena wird als nächstes Gegenstück zu Grosz inszeniert. Und ab Jänner 2019 gehen die Interaktionen auf der Facebook-Seite von Grosz dann steil nach oben.
Ebenfalls rasant wachsen die Likes für die Seite. Waren es Ende 2018 noch weit unter 100.000 Likes für die Grosz-Seite, sind es inzwischen bereits über 300.000. Auf Twitter folgen Grosz ebenfalls über 30.000 Personen.
Ich habe die Österreich-Gruppe gefragt, ob sie glaubt, dass sie Grosz geholfen hat, Reichweite für sich und seine Social Media Auftritte zu generieren. Antwort erhalte ich keine.
Bis unter die Dusche
Wer die sozialen Medien von Grosz beobachtet, erkennt dabei schnell: Es ist ein permanenter Doppelpass mit dem Österreich-Konzern. Laufend teilt der Rechtsaußen-Mann Artikel aus Ö24, damit generiert er hohe Klickzahlen für den Medienkonzern. Ö24 hat somit naturgemäß ein enormes Interesse daran, ihn weiter zu pushen.
Denn je größer die Reichweite von Grosz, desto mehr Klicks für die Fellners. Und Klicks sind die harte Währung aller Online-Auftritte, die sich über Werbung finanzieren. Wenig ist Ö24 und Grosz bei ihrer Gier nach Klicks dabei zu peinlich oder dumm.
Dafür gibt es zwei Millionen Presseförderung
So ist es Ö24 etwa am 7. April dieses Jahres ernsthaft einen Bericht wert, dass Grosz in der Dusche mit nacktem Oberkörper „Oh Sole Mio“ in seinen Duschkopf singt. Der Artikel geht online, ein 30-Sekunden-Video des trällernden Grosz inklusive. Jubeltitel der bahnbrechenden Recherche: „Grosz begeistert mit Duschvideo: ‚Die Welt ist traurig genug'“.
Allein die TV-Sender der Fellner-Mediengruppe erhalten übrigens 2022 insgesamt zwei Millionen Euro Steuergeld als Förderung. Und Grosz teilt weiter eifrig auf Facebook. Natürlich profitiert auch er: Denn im Gegenzug unterstützt Ö24 auch Gerald Grosz.
Eine Hand wäscht die andere
Als Grosz im Juni 2021 ein Buch mit dem Titel „Freiheit, ohne Wenn und Aber“ veröffentlicht, ist das Österreich etliche Jubelartikel- und Videos wert. So berichtet Ö24 etwa Anfang Juni 2021 über das neue „Herzensprojekt“ von Grosz.
Auch auf „Fellner Live“ darf sich der Ex-BZÖ-Obmann ausführlich über seine Ergüsse auslassen. Wohl nicht zuletzt deshalb schießen offenbar auch die Verkaufszahlen in die Höhe. Und auch das ist dem Boulevard-Blatt wieder einen eigenen Artikel wert.
„Gerald Grosz führt Bestseller-Liste an“, titelt Ö24 etwa am 28. Juli 2021 begeistert. Erschienen ist das Buch von Grosz übrigens im weit rechten Grazer Ares Verlag, der zur einschlägigen steirischen Verlagsgruppe Leopold Stocker gehört. Sowohl Grosz wie der notorisch bekannte Verlag werden von der Gratis-Werbung auf Ö24 vermutlich enorm profitiert haben. Offensichtlich kein Problem für den Fellner-Konzern.
Rechter Doppelpass
Es erinnert an die frühere Symbiose zwischen der Kronenzeitung und Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache: „Wenn Strache einen normalen Bericht von uns auf Facebook teilt, dann merken wir, das haut die Quote auf das 1,5-Fache hoch. Und umgekehrt kriegt er natürlich auch mehr Traffic, wenn wir ihn pushen“, sagte Ex-Krone.at-Chefredakteur Richard Schmitt einst zum Magazin „Fleisch“.
Später wollte Strache dann sogar ein gemeinsames Medienprojekt mit Schmitt aufbauen, heute ist Schmitt Chefredakteur des rechten Exxpress. Dazwischen war er, die Welt ist klein, Chefredakteur bei Ö24.at. Und die Beziehungen zwischen Ö24 und Grosz weisen zumindest sehr ähnliche Muster auf wie die damalige Strategie von Schmitt und Strache.
Ein gescheiterter Ex-Politiker
Ob Grosz seinen aktuellen Slogan „Make Austria Grosz again“ auch in einen möglichen Wahlkampf verwenden würde, muss natürlich noch offen bleiben. Doch zumindest das „Grosz again“ ist tatsächlich sogar weit stimmiger, als die Auftritte des scheinbar systemkritischen Rechtsaußen-Blogger vermuten lassen.
Denn Gerald Grosz hat in Österreich bereits eine lange Geschichte als gescheiterter extrem rechter Systempolitiker. Die ersten politischen Sporen verdient sich Jung-Gerald in seinem steirischen Heimatsbezirk Deutschlandsberg im FPÖ-Nachwuchs „Ring freiheitlicher Jugend“ auf.
Dann geht es für ihn in der FPÖ recht schnell weiter nach oben. Die blaue Truppe unter ihrem damaligen Obmann Jörg Haider wächst rasant, überall in der Partei wird dringend Personal gesucht.
Haider-Buberl
„Haiders Buberltruppe“ wird zum Synonym für eine ganze Generation von jungen extrem rechten Neoliberalen. Haider und einiger seiner Buben sind gleichzeitig – klassisch neoliberal – auch enorm offen für krumme Geschäfte.
In der FPÖ macht Grosz in dieser Zeit schnell Karriere. Bereits sehr jung, mit Anfang 20, wird er parlamentarischer Mitarbeiter der damaligen FPÖ-Abgeordneten Herbert Haupt und Beate Hartinger. Der gern geschleckt und exzentrisch auftretende Grosz könnte schon damals optisch gut in dieses Buberl-Milieu gepasst haben.
FPÖ-Ministerin Hartinger-Klein kriegt im Parlament die Krise, während sie die Streichung des Feiertags am Karfreitag rechtfertigen will. Tipp für die Ministerin und andere Neoliberale: Die Arbeit, die schaffen die arbeitenden Menschen. pic.twitter.com/gtLF5jojQ8
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) February 28, 2019
Als Haupt ab dem Jahr 2000 unter Schwarz-Blau I zum Vizekanzler und Sozialminister aufsteigt, steigt auch Grosz auf: Er wird dessen Pressesprecher und persönlicher Sekretär. Auch die FPÖ-Abgeordnete Beate Hartinger wird später noch bekannt werden: Unter Schwarz-Blau II wird sie ab 2018 Sozialministerin.
Grosz: Neoliberal gegen die Armen
Bekannt wird Ministerin Hartinger – inzwischen Hartinger-Klein – unter anderem im Juli 2018 mit ihrem Ausspruch, dass in Österreich 150 Euro plus Miete im Monat zum Leben reichen würden. Grosz verteidigt diese Aussage auf seinem Blog.
Er „sage klar und deutlich: Ja!“ zum Statement von Hartinger-Klein. Das Statement gab sie übrigens – die Kreise schließen sich – in einem Interview mit Wolfgang Fellner auf Ö24. Wer die 150-Euro-Frage anders sehen würde, würde laut Grosz „hysterisches Geschnatter“ von sich geben. Für ihn selbst stellt sich als Ex-Nationalratsabgeordneten und Ö24-Diskutanten die Frage der Armut persönlich wohl eher wenig.
Offenbar versucht Ex-FPÖ-Sozialministerin Hartinger-Klein, ihre offizielle Seite auf Facebook noch zu Geld zu machen. Die Seite ist mittlerweile komplett ohne politische Inhalte. Stattdessen sei "ein unabhängiger Blog für Essen, Reisen und österreichische Kultur vermarktbar". pic.twitter.com/aWDPJ58Bgs
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) September 25, 2019
Apropos neoliberal: Auch die Corona-Aussagen von Grosz passen in dieses Schema. Es sei der Zeitpunkt gekommen, „dass wir alle Maßnahmen zurückfahren“, behauptet er am 19. April auf Ö24.
Covid-19 solle laut Grosz betrachtet werden als „Risiko jedes einzelnen Menschen persönlich, daran zu erkranken oder auch nicht“. Wie diese persönliche Entscheidung in einer Pandemie ablaufen soll und was besonders gefährdete Risikogruppen tun sollen? Das erklärt der rechte Blogger nicht.
Ein Haider-Jünger
Doch bleiben wir noch kurz beim Aufstieg von Grosz. Denn als die FPÖ unter Schwarz-Blau I beginnt, sich komplett zu zerlegen, muss sich auch Grosz entscheiden. Obmann Haider war mit seinen Sprachrohren in der Regierung in Konflikt geraten, die Partei spaltet sich mehrfach. (Wer sich an Schwarz-Blau II zwischen 2017 und 2019 erinnert fühlt: Ja.)
Grosz entscheidet sich und bleibt stramm auf Seite Jörg Haiders. Das macht sich vorerst für ihn auch bezahlt: Ab 2008 ist er Nationalratsabgeordneter der Haider-Abspaltung „Bündnis Zukunft Österreich“ (BZÖ), schnell wird er auch Generalsekretär der neuen Rechtsaußen-Partei.
Das tote Pferd reiten
Als sich allerdings Bündnis-Obmann Haider im Oktober 2008 als Märtyrer gegen Tempolimits und für mehr Alkohol am Steuer endgültig aus der Politik verabschiedet, ist schnell klar, dass die FPÖ-Abspaltung keine Zukunft haben wird. Zu ähnlich ist die Abspaltung dem Original. Die meisten Funktionär*innen gehen schnell zu den Blauen zurück. Doch Grosz versucht, das tote Pferd zu reiten.
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Zwei Jahre, zwischen 2013 und 2015, ist er dann sogar selbst Obmann des inzwischen endgültig verendeten BZÖ. Im selben Jahr, als er die Obmannschaft übernimmt, outet sich Grosz auch offiziell, nachdem er sich mit seinem Mann verpartnert. Seine eigene Partei hatte 2009 im Parlament noch mit großer Mehrheit gegen die Möglichkeit der Verpartnerung für Homosexuelle gestimmt.
Der Stifter der „Dr. Jörg Haider Medaille“
Grosz war bei dieser Abstimmung einer von nur zwei Abweichlern in der ansonsten traditionell homophoben BZÖ-Fraktion. Das hindert den Rechtsaußen aber offensichtlich nicht daran, wenige Jahre später den Parteivorsitz der homophoben Truppe zu übernehmen. Doch immer deutlicher zeigt sich: Nach dem Abtritt Haiders ist mit dem BZÖ einfach nichts zu holen.
Schließlich gibt Grosz den Parteivorsitz und die Partei auf – und inszeniert sich in Folge neu als rechter Polit-Blogger für den Fellner-Konzern. Die blauen Wurzeln aber sind bis heute unverkennbar: So sitzt Gerald Grosz etwa weiterhin im Vorstand des Vereins „Dr. Jörg Haider Gesellschaft“. Als wahrer Haider-Jünger hat er gar eine eigene „Dr. Jörg Haider Medaille“ gestiftet.
Für Haider und Strache …
Aufgabe der Gesellschaft: „Die politisch-philosophische und menschliche Hinterlassenschaft Jörg Haiders humanitär und intellektuell zu sichern, auszubauen und weiter zu entwickeln“. 2018 verleiht Grosz die Medaille übrigens an Ex-FPÖ-Chef und Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache. „Humanitär und intellektuell“. Strache.
Jörg Haider nennt Grosz bei dieser Gelegenheit gar einen „Giganten der Republik“, wie die APA damals berichtet. In weiterer Folge baut sich Grosz zunehmend auch potentielle Kundschaft in Deutschland auf. So fungiert er etwa als Korrespondent für den „DeutschlandKurier“.
…. und die deutsche extreme Rechte
Es ist eine einschlägige extrem rechte Online-Plattform. Erstmals das Licht der Öffentlichkeit erblickte der DeutschlandKurier kurz vor der deutschen Bundestagswahl 2017. Da tauchte eine Printausgabe mit gleichem Namen auf einmal in enorm hohen Auflagen auf. Offiziell unabhängig, doch mit Positionen ganz im Sinne der AfD.
Alles kein Problem für Ö24. Der Sender des umstrittenen Wolfgang Fellner hat sich mit Grosz offenbar ganz bewusst und gezielt einen rechten Meinungsführer aufgebaut. Sebastian Bohrn Mena gibt als „Linker“ dabei die notwendige Kulisse, damit der Schein gewahrt bleibt.
Denn das „Duell-Format“ funktioniert offensichtlich nur mit einem Gegenpart. Erst mit diesem Format können die extrem rechten Positionen von Grosz ihr Massenpublikum erreichen.
„Ein bezahlter Job“
Bohrn Mena selbst sieht darin kein Problem. Auf die Kritik, dass die Auftritte mit Grosz dessen Reichweite pushen würden, entgegnet Bohrn Mena: „Ich werde dafür bezahlt meine Meinung zu sagen bzw. zu schreiben, das finde ich jetzt nicht sonderlich problematisch“. Selbst wählen würde er Grosz nicht.
Dazu würde er mit diesen Formaten Menschen erreichen, die er „in anderen Medien nie erreichen würde“. Es sei eben „ein bezahlter Job“, schreibt er mir. Auch auf Twitter antwortet Bohrn Mena auf die Frage, warum er sich das eigentlich antun würde, Ende Februar ganz lapidar: „Ich werde bezahlt dafür“.
Ich werde bezahlt dafür.
— Sebastian Bohrn Mena (@sbohrnmena) February 26, 2022
Die Kappe um knapp 30 Euro
Auch bei Gerald Grosz dreht sich einiges um Geld. Er hat inzwischen sogar einen eigenen Web-Shop aufgesetzt. Zu kaufen gibt es dort etwa ein T-Shirt mit Verunglimpfung der Klima-Aktivistin Greta Thunberg oder eine rote Baseballkappe – Marke Trump – mit der Aufschrift „Make Austria Free Again“. Kostenpunkt: Jeweils satte 29,90 Euro.
Und gleichzeitig holen Grosz wie Bohrn Mena aus ihren gemeinsamen Auftritten raus, was möglich ist. So wollten die beiden im April und Mai sogar gemeinsam durch Österreich und Deutschland auf Tour gehen.
Gemeinsame Tournee
Die billigsten Tickets kosteten laut Werbeankündigung schlanke 41,90 Euro. Das eigene VIP-Ticket gab es um 78 Euro. Sogar ein Buch zur Show ist erschienen. „In jeder Trafik und im Supermarkt“ sei es erhältlich, freut sich Bohrn Mena auf Twitter. Auch auf dem Büchlein prangt die Ö24-Werbung.
Der Show-Charakter der Auftritte wird mit der geplanten Tour ebenso endgültig offensichtlich wie die gemeinsamen kommerziellen Interessen. Denn die beiden brauchen einander naturgemäß, damit das Konzept funktioniert. Die geplante Tour wird dann aber doch kurzfristig abgesagt.
Werbetour für die Präsidentschaftswahl
Offizieller Grund: Der Krieg in der Ukraine lasse es nicht zu, dass die Veranstaltungsreihe „in der geplanten Form stattfindet“. So zumindest heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme von Grosz und Bohrn Mena, die mir ihre Agentur übermittelt.
Die Tournee würde 2023 nachgeholt, so die Agentur. Ob Grosz und Bohrn Mena aber insbesondere in Deutschland tatsächlich Hallen gefüllt hätten, muss offenbleiben. Denn auf meine Frage, wie denn der Kartenverkauf gelaufen wäre, erhalte ich keine Antwort mehr.
Es ist grundsätzlich eine schlechte Idee, öffentlich mit weit rechten Figuren zu debattieren – du bist Cover für ihre Propaganda. Aber gemeinsam für viel Geld auf Tour zu gehen – inklusive VIP-Tickets um 78 Euro – das ist next level an Kohle machen ohne Grenze und Moral. pic.twitter.com/iPm3zPnCUp
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) December 26, 2021
Doch drehen wir die Überlegung weiter: Was wäre gewesen, wenn es keinen Krieg gegeben hätte? Und natürlich, wenn genug Karten verkauft worden wären? Dann wäre die gemeinsame Tournee nicht anderes gewesen als ein Vorab-Wahlkampf für Grosz – wo der auch noch Geld für seine Auftritte erhalten hätte.
Viel dreht sich um Geld
Wie gut oder schlecht die beiden Protagonisten jenseits der Kamera miteinander können, ist von außen natürlich nicht zu beurteilen. Doch als Bohrn Mena sein Tierschutz-Volksbegehren propagieren will, postet er auf Facebook auch ein äußerst freundliches Selfie mit Gerald Grosz. Der postet das gleiche Bild auch auf seiner eigenen Seite.
Umwelt- und Tierschutz-NGOs wie der Verein gegen Tierfabriken (VGT) äußern gleichzeitig massive Kritik an diesem Volksbegehren. Dessen Forderungen seien völlig unzureichend gewesen. Auch das Finanzgebaren von Bohrn Mena wird thematisiert. Scharfe Kritik kommt etwa von VGT-Obmann Martin Balluch.
Vorwurf der Käuflichkeit
Der wirft Bohrn Mena rund um dessen für Mitte Mai geplanten Kongress „Konsumdialoge“ zum wiederholten Mal öffentlich vor, „käuflich“ von Unternehmen der Massentierhaltung zu sein. Bohrn Mena schreibt mir dazu, es würde sich um „unwahre bzw. krass verzerrte Vorwürfe“ handeln. Eine Klage allerdings fände er nicht sinnvoll. Das würde der Sache schaden.
Die Liste der Redner*innen und Partner auf dem Kongress ist allerdings für den ehemaligen Organisator eines Tierschutz-Volksbegehrens tatsächlich bemerkenswert: Versammelt sind so gut wie alle großen Dachverbände der Massentierhaltung in Österreich.
Apropos Auftritt: Wie lange Grosz und Bohrn Mena überhaupt noch gemeinsam auftreten werden, ist derzeit ungewiss.
Was Ö24 für kritisch hält
Sollte Grosz aus der Ankündigung tatsächlich eine Kandidatur machen, dann würde das „Duell“-Format beendet, sagt Bohrn Mena. Es könnte aber auch eine andere Entwicklung geben: Denn seit einigen Monaten darf Gerald Grosz auf Ö24 sogar ganz ohne Gegendarsteller seinen Wortschwall loswerden. „Grosz Gesagt: Der kritische Blick“ heißt das neueste Ö24-Format.
Damit bringt der rechte Polterer seine einschlägigen Sprüche ohne irgendeine redaktionelle Einordnung einfach als Monolog in die Kamera. Oder wie Ö24 es nennt: „Polit-Blogger und oe24-Kolumnist Gerald Grosz kommentiert für Sie die Polit-Woche in seiner bekannt charmanten Art.“ Grosz übernimmt den Text auf Facebook dann wordident. Nochmals zur Erinnerung: Dafür bekommt der Sender Presseförderung.
Alles geht bei „Österreich“
Auch hier verschafft der Fellner-Konzern dem Haider-Verehrer ein Massenpublikum. Ein Video aus der Serie, das am 22. April online gegangen ist, hat vier Tage später bereits über 94.000 Aufrufe allein auf YouTube. Irgendwann könnte die Verlagsgruppe Österreich also zum Schluss kommen, dass Grosz alleine vermutlich deutlich billiger ist als Grosz und Bohrn Mena im Doppelpack.
Und offenbar schert sich bei Österreich inzwischen niemand mehr darum, auch nur den Anschein der kritischen Einordnung zu erwecken. Es könnte aber auch eine andere Entwicklung geben: Grosz kandidiert – und Österreich baut einen neuen rechten Polterer auf, der sich dann mit Bohrn Mena „duelliert“.
Oder alles bleibt beim Alten. Der Medienkonzern Österreich wird in jedem Fall profitieren. Die extreme Rechte wird weiter an Boden gewinnen. Und wir werden mit unserem Steuergeld bezahlen.
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