Rechtskräftige Niederlage vor dem Oberlandesgericht Wien für Identitären-Gesicht Sellner gegen Michael Bonvalot. Sellner wollte 2000 Euro für einen Identitären-Tarnverein, das ging gewaltig schief. Der extreme Rechte bleibt jetzt auf hohen Kosten sitzen.
- Von Michael Bonvalot, Herausgeber des stand.punkt
Der Artikel wurde nach dem Urteil des Oberlandesgericht Wien umfassend aktualisiert.
„Die klagende Partei ist schuldig“, der beklagten Partei die Verfahrenskosten zu ersetzen. So hat das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien am 13. April in einem Verfahren zwischen Identitären-Gesicht Martin Sellner und mir entschieden. Nachdem Sellner gegen das Urteil in Berufung gegangen war, hat nun auch das Oberlandesgericht Wien am 20. Juni für mich entschieden. Es ist keine Berufung mehr möglich, das Urteil ist rechtskräftig.
Sellner hatte mich geklagt – doch laut Urteil muss mir das Gesicht der neofaschistischen Gruppe Identitäre nun fast 3000 Euro an Verfahrenskosten ersetzen. Soviel hatte meine Verteidigung durch die Medienrechtsanwältin Maria Windhager gekostet. Sellner hat sich durch die Berufung dabei ins eigene Fleisch geschnitten: Allein durch die Berufung sind meine Anwaltskosten nochmals um über 400 Euro gestiegen, die Sellner jetzt decken muss. Dazu bleibt der extreme Rechte vollständig auf seinen eigenen Anwaltskosten sitzen und muss insgesamt die Kosten des Verfahrens tragen.
Worum geht es?
Sieg vor dem Zivilgericht
Seit August 2020, also seit mittlerweile fast zwei Jahren, läuft ein Rechtsstreit zwischen Sellner und mir. Dabei geht es um meine Vorort-Reportage von einem Aufmarsch der Gruppe Identitäre am 7. März 2020 vor der griechischen Botschaft in Wien sowie den Protesten gegen diesen Umzug. Ich hatte in einem Tweet vor Ort auf Basis mehrere Zeug*innenaussagen, unter anderem durch einen Polizisten, von einem Angriff der Identitären am Wiener Karlsplatz geschrieben.
Nach weiteren Recherchen vor Ort zeigte sich aber, dass die Auseinandersetzung zunächst von anwesenden Antifaschist*innen ausging. Ich hatte die erste Darstellung daher bereits sechs Minuten später in einem weiteren Tweet relativiert. Dennoch hat mich Sellner sowohl strafrechtlich wie zivilrechtlich geklagt. Zivilrechtlich hat das Gericht jetzt gegen den extremen Rechten entschieden.
Strafrechtlich hatte die Sache noch anders ausgesehen. Das Verfahren ging bereits im Mai 2021 rechtskräftig verloren, nachdem ich mich entschieden hatte, gegen das Urteil erster Instanz nicht zu berufen. Es war eine Abwägung der Chancen und Kosten: Die Auseinandersetzung am Karlsplatz hatte mehrere Minuten gedauert, es ging zwischen den Antifaschist*innen und den extremen Rechten hin und her. Eine erstgerichtliche Beweiswürdigung ist grundsätzlich schwer bekämpfbar.
Das Urteil im Prozess Sellner vs Bonvalot kam sehr überraschend. Das Gericht hat einzig Sellners Darstellung geglaubt, unserer nicht. Mehreren Zeug*innenausagen und Fotos wurde vor Gericht kein Glauben geschenkt. Eine Berufung ist leider dennoch wenig aussichtsreich. 1/ pic.twitter.com/Lr1cQE9G6m
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) June 11, 2021
Zahlen für ein Identitären-Zentrum? Sicher nicht.
Vor dem Zivilgericht ging es nun aber um die Frage, was rechtlich vor dem Einreichen der Klage durch Sellners Anwalt Lukas Friedl passiert war. Ausgangspunkt war ein Schreiben von Friedl im August 2020 mit einer Aufforderung: Ich solle die Aussage zu widerrufen, dass Sellner an einem Angriff mit Pfefferspray auf eine Kundgebung der Sozialistischen Jugend teilgenommen hätte.
Dieser Aufforderung bin ich dann auch nachgekommen. Kein Thema: Ich hatte ohnehin nie behauptet, dass Sellner angegriffen hatte. Das hat jetzt in Hinblick auf meinen Widerruf auch das Oberlandesgericht Wien in seiner Urteilsbegründung ausdrücklich bestätigt: Ich hätte „sogar ausdrücklich“ hervorgehoben, dass ich nicht behaupten würde, „dass der Kläger (selbst) damals angegriffen habe“.
Doch Sellner wollte nicht nur den Widerruf und die Anwaltskosten, sondern auch 2000 Euro für einen „Kulturverein Kreidfeuer“. Dabei handelt es sich allerdings keineswegs um einen harmlosen Kulturverein – sondern um den Trägerverein des steirischen Identitären-Zentrums „Kulturfestung“ in Markt Hartmannsdorf, einem kleinen Ort östlich von Graz. Ich habe keine Veranlassung gesehen, eine solche Zahlung an einen Tarnverein einer neofaschistischen Gruppe zu leisten. Deshalb habe ich die Klage riskiert – und nun vor dem Zivilgericht vollständig recht bekommen. Ein wichtiger Sieg.
Vor dem Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen wurde nun eine juristische Fragestellung verhandelt: Kurz zusammengefasst geht es darum, ob mein Angebot im Vorfeld der Klage, einen Unterlassungsvergleich gerichtlich protokollieren zu lassen, bereits ausreichend ist. Das ist der Rechtsstandpunkt, den meine Medienrechtsanwälten Maria Windhager und ich einnehmen und der nun auch vom Oberlandesgericht bestätigt wurde.
Sellners Klage war überflüssig, sagt das Gericht
Lukas Friedl dagegen, der oberösterreichische Rechtsvertreter von Sellner, behauptet, dass keine Unterlassungserklärung abgegeben worden sei. Das bloße Angebot würde nicht reichen. Zur Erinnerung: Den Widerruf hatte ich bereits freiwillig abgegeben.
Aus dieser scheinbaren juristischen Spitzfindigkeiten ergeben sich allerdings hohe Kosten: Denn wenn mein Vergleichsangebot bereits jede Gefahr zur Wiederholung einer Behauptung beseitigt hat, gibt es auch keinen Grund für die Klage von Sellner. Er hat alles, was er mit einer Klage erreichen kann, auch ohne diese Klage bekommen. Sellners Klage war damit überflüssig. So sehen das meine Anwältin und ich – und so sieht das auch das Oberlandesgericht Wien.
Für Sellner bedeutet das, dass er schuldig zum Ersatz der Kosten verurteilt wurde. Damit muss er mir insgesamt 2.950,71 Euro an Rechtsanwaltskosten ersetzen, die für mich angelaufen waren. Dazu bleibt er vollständig auf den Kosten für seinen eigenen Anwalt sitzen. Sellner muss seine Kameraden bereits via Telegram um Unterstützung im „Bonvalotverfahren“ fragen.
Danke für Deine Unterstützung!
Dieses Verfahren konne ich nur mit Deiner und Eurer Unterstützung führen. Ich muss in diesem – und ähnlichen Verfahren – oft hohe Kosten vorstrecken. Gegenwärtig etwa klage ich die Corona-Partei „Demokratische Familienpartei“ vor dem Straflandesgericht Graz. Ebenfalls vor Gericht bin ich aktuell gegen den Fellner-Medienkonzern Ö24, den ich wegen Verletzung von Bildrechten geklagt habe.
Auch gegen den Dosen-Sender „ServusTV“ bin ich kürzlich erfolgreich wegen Verletzung von Bildrechten gerichtlich vorgegangen. Schließlich habe ich vor Kurzem auch erfolgreich einen Nachwuchs-Kader der Gruppe Identitäre in Salzburg geklagt. In solchen Verfahren gibt es allerdings immer auch ein hohes Kostenrisiko, vor allem rechtlich komplexe Verfahren können auch verloren gehen.
Nachdem ich dieses Verfahren jetzt gewonnen habe, möchte ich Dir gerne anbieten, Dir Deine Unterstützung für das Zivilverfahren zurückzusenden. Falls Du das möchtest, schick mir bitte eine Nachricht über das Kontaktformular. Andernfalls würde ich Deine Unterstützung für die Kosten im Strafverfahren gegen Sellner und für meine anderen Prozesse verwenden.
An dieser Stelle nochmals vielen Dank an alle, die dieses und weitere Verfahren bereits bisher unterstützt haben und noch weiter unterstützen – und mir so dabei helfen, mich gegen Sellner und andere extreme Rechte, aber auch gegen Medienkonzerne, juristisch zur Wehr zu setzen!
• Spendenkonto – monatlich/einmalig:
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