Die Corona-Partei MFG schickt ihren Obmann Michael Brunner in das Rennen um die Präsidentschaftswahl. Der spricht über die faschistische Verschwörungserzählung „Great Reset“ und will alle Parteien in Österreich abschaffen.
In der Corona-Szene ist Michael Brunner eine große Nummer. Außerhalb dieser Szene kennt den Rechtsanwalt wohl kaum jemand. In aktuellen Umfragen steht er bei um die sechs Prozent. Doch geht es nach der Corona-Partei Menschen Freiheit Grundrechte (MFG), dann soll ihr Obmann Michael Brunner der nächste österreichische Bundespräsident werden.
MFG-Kandidat Brunner ist Strafverteidiger in Wien. Politisch tauchte der 61-jährige erstmals rund um die Corona-Pandemie auf. Er wurde Mitbegründer der „Rechtsanwälte für Grundrechte – Anwälte für Aufklärung“ – eines Zusammenschlusses von rund 50 Anwält*innen, die sich auf die Verteidigung der Corona-Szene spezialisiert haben.
Danach beteiligte sich Brunner im Februar 2021 auch an der Gründung der MFG und wurde ihr erster Obmann. Nach eigenen Angaben war er davor nie Mitglied einer Partei. Auf seiner Anwaltsseite nennt Brunner als seine Schwerpunkte Mietrecht, Speditionsrecht, Schadenersatz, Amtshaftung und „COVID-19 Maßnahmen“.
Dazu heißt es, aufgrund der „Vielzahl von COVID- Anfragen“ würden „telefonische COVID-Auskünfte“ nicht mehr erteilt werden. Ob das so stimmt, kann natürlich unabhängig nicht überprüft werden. Doch für Brunner und seine Mitstreiter könnte die Pandemie kein schlechtes Geschäft gewesen sein.
Irgendwelche Zahlen
Als Mitgründer und Obmann der MFG reproduziert Brunner die Erzählungen der Corona-Szene. So behauptet er bei einem Auftritt im steirischen Feldbach im Mai: „Sicher ist diese Impfung ebenso nicht.“ Und dann: „Im April [2022] gab es laut EMA 1,6 Millionen Impfschadensfälle, davon rund 25.000 tödlich.“ Die EMA ist die Europäische Medizinagentur (EMA), veröffentlicht hat die Aussage die Doku „Wunderbare Schwurbler“. Woher Brunner seine Zahlen hat, ist allerdings gänzlich unklar.
Denn tatsächlich zeigt die Datenbank der EMA ausschließlich Verdachtsfälle von Nebenwirkungen bei einer Abgabe von Arzneimitteln. Das ist etwa der Fall, wenn es einen zeitlichen Zusammenhang zwischen medizinischen Problemen und einer Impfung gibt.
EMA widerspricht
Wenn also eine kürzlich geimpfte Person mit 98 Jahren ins Spital kommt und dort an Multiorganversagen stirbt, wäre ein zeitlicher Zusammenhang gegeben. Deshalb hat das aber noch lange nichts mit der Impfung zu tun. Das erklärt auch die EMA auf meine Anfrage genauso.
Bei Betrachtung der Daten sei wichtig zu beachten, so Sprecherin Zala Grudnik, dass es sich um medizinische Ereignisse handeln würde, „die nach der Impfung beobachtet wurden, aber die nicht unbedingt mit dem Impfstoff zusammenhängen oder durch ihn verursacht werden“. Die EMA-Seite würde eben „nicht die Gesamtzahl der gemeldeten Fälle mit tödlichem Ausgang“ angeben. Daher, so Grudnik, „sind die in vielen Artikeln und Social-Media-Beiträgen kursierenden Daten in der Tat falsch“. Eine Anfrage an die MFG, woher Brunner seine Zahlen hat, wurde nicht beantwortet.
Wie rechts ist Brunner?
Doch nicht jeder Schwurbler muss offen rechts sein – mit der wichtigen Einschränkung, dass die „Logik“ der meisten Verschwörungserzählungen (samt geheimen Mächten im Hintergrund) den Antisemitismus in sich trägt wie die Wolke den Regen. Die MFG als Partei positioniert sich aktuell programmatisch nicht rechtsaußen. Bei Obmann Brunner – wie auch bei anderen Funktionär*innen – sieht das allerdings etwas anders aus.
So erklärt er bei seiner Rede in Feldbach: „Wir müssen den Parteienstaat insofern völlig neu ordnen und reformieren, dass es eines Tages keine Parteien mehr gibt, sondern nur das Volk, das regiert.“ Der Kampf gegen den „Parteienstaat“, es ist eine klassische Losung weit rechter Bewegungen. Denn ohne Parteien wäre völlig unklar, wie eine demokratische Willensbildung zu Stande kommen soll – und ob das überhaupt gewünscht ist.
Gründer einer Pseudo-Gewerkschaft
Zu dieser sehr seltsamen Vorstellung von demokratischer Willensbildung passt auch die Pseudo-Gewerkschaft FAN (Freie Arbeitnehmer Österreich), die die MFG im Herbst 2021 gegründet hat. Verantwortlich für die Gründung ist laut MFG auch hier wieder Michael Brunner.
Das Programm der FAN ist derzeit mehr als dünn. Wenig überraschend geht es fast ausschließlich um COVID. Sogar das Thema Diskriminierung wird einschlägig zweckentfremdet mit der Forderung: „Keine Diskriminierung aufgrund Herkunft, Geschlecht und Gesundheitszustandes/Impfstatus“. Bei den Themen „Faire Gehälter“ und „Arbeitsrechte“ dagegen gibt es bisher keine einzige Forderung. Freundlich formuliert ist das gerade in der aktuellen sozialen Krise reichlich seltsam für eine angebliche Arbeitnehmer*innen-Vertretung.
Ob sich Brunner als selbstständiger Rechtsanwalt, mutmaßlich mit Angestellten, tatsächlich als Gewerkschaftsführer eignet, darf insgesamt infrage gestellt werden. Auch die Selbstdarstellung der FAN wirft diese Frage auf: „Wir sind Arbeiter, Angestellte, freie Dienstnehmer und Unternehmer“, heißt es dort. Die FAN verstünde sich „als Bindeglied zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern“. Nach einer kämpferischen Gewerkschaft im Sinne der Beschäftigten klingt das nicht.
Faschistische Verschwörungserzählungen
Auf manchen Ebenen gibt sich Brunner liberal. So spricht er sich in einem Interview mit der weit rechten Plattform „Report24“ für das Recht auf Abtreibung und gegen die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare aus. Gleichzeitig ist natürlich bemerkenswert, dass Brunner durch dieses ausführliche Interview keinerlei Berühungsängste zu rechten Propaganda-Schleudern zeigt.
Auffällig wird Brunner dann auch bei einem anderen Thema. So sieht er eine „gewaltige Veränderung in den Systemen“, es gäbe die „Chance zu einem Great Reset in die ganz andere Richtung“. Der Great Reset ist eine klassisch faschistische Verschwörungserzählung. Sie behauptet im Wesentlichen, dass kapitalistische Eliten insgeheim den Kommunismus umsetzen wollten. Dass das – freundlich formuliert – nicht wahnsinnig logisch ist, sei dahingestellt. Doch es ist beachtlich, mit welcher Selbstverständlichkeit Brunner mit dem einschlägigen Begriff „Great Reset“ um sich wirft.
Freimaurer verbieten, Regierung entlassen
Apropos Verschwörungen: Gegenüber Report24 lässt sich Brunner auch ausführlich über die Freimaurerei aus. Politiker*innen, die Mitglied bei den Freimaurern wären, dürften „kein politisches Amt bekleiden“, so Brunner. Der Verein sei nicht transparent. Nun gibt es tatsächlich eine Vielzahl von Vereinen, deren internes Leben für die Öffentlichkeit nicht völlig klar ist.
Auch Burschenschaften gehören dazu. Doch es fällt auf, dass Brunner sich gerade die Freimaurer herauspickt – eine Gruppierung, die immer wieder im Focus extrem rechter Verschwörungserzählungen steht. Schon die Nazis hatten entsprechend Stimmung gemacht mit dem Slogan der „jüdischen Freimaurerei“.
Als seine „erste Amtshandlung“ als Bundespräsident, nennt Brunner übrigens die „Entlassung der gesamten Bundesregierung“. Es müssen nicht unbedingt Sympathien für die türkis-grüne Bundesregierung vorhanden sein, um die diktatorische Schlagseite zu erkennen.
Der Artikel wurde am 25.08.2022 um das Report24-Interview aktualisiert.
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