Aktuell gibt es in Österreich in vielen Orten rassistische Mobilisierungen. Viele Augen richten sich auf Wien. Doch viel größer sind in Relation zur Bevölkerung die Mobilisierungen in kleinen Orten – die oft nur regional bekannt werden. Was ist da los?

Fast jede Woche marschieren aktuell extreme Rechte über die Ringstraße in Wien. Vorangetragen werden Banner mit Parolen wie „Grenzen dicht“. Es ist sind die Aufmärsche der vormaligen Corona-Szene. Angeführt und organisiert wurden diese Aufmärsche zwar schon seit Pandemie-Beginn von der innerparlamentarischen (FPÖ) und außerparlamentarischen extremen Rechten. Doch inzwischen geht es nicht einmal mehr scheinbar um COVID-19: Nun sind daraus offen rassistische und faschistische Aufmärsche geworden.

An den Aufmärschen in Wien beteiligen sich weiterhin bis zu 1000 Personen. Doch in Relation zur Bevölkerung sind die Mobilisierungen in kleinen Orten meist viel relevanter. So gab es etwa allein in den letzten Wochen Aufmärsche gegen geflüchtete Menschen unter anderem in St. Georgen im oberösterreichischen Attergau sowie in Kindberg und Leoben in der Steiermark. Organisiert werden diese lokalen Aufmärsche meist von lokalen Politiker:innen. Doch auch die extrem rechte (vormalige) Corona-Szene spielt weiterhin mit.

Der Corona-kranke Corona-Marschierer

Nehmen wir Amstetten, eine Stadt mit rund 23.000 Einwohner:innen in Niederösterreich. Dort soll Mitte Dezember gegen den „Bevölkerungsaustausch“ marschiert werden. Es ist eine Parole, die eindeutig aus dem faschistischen Spektrum stammt. Aufgerufen für den Aufmarsch wird vom regionalen Corona-Aufmarsch-Organisator – der übrigens im Dezember 2021 selbst so schwer an Corona erkrankt war, dass er ins Spital von Melk eingeliefert werden musste.

Mobilisiert für solche Aufmärsche wird dann vor allem auf dem Netzwerk Telegram. Und zwar genau über die Kanäle, die für die Corona-Mobilisierungen entstanden sind. Änderungen waren dabei nicht notwendig: Auf diesen Kanälen wird seit Beginn durchgehend und laufend extrem rechte Propaganda verbreitet.

Wo die Szene die rassistischen Aufmärsche nicht selbst organisiert, beteiligte sich an Mobilisierungen durch andere Kräfte. Ein Beispiel dafür ist der Aufmarsch gegen geflüchtete Menschen Ende Oktober in St. Georgen in Oberösterreich. [standpunkt.press war vor Ort, hier könnt ihr unseren Bericht lesen!] Aufgerufen hatte der ÖVP-Bürgermeister, gekommen war unter anderem eine Abordnung der neofaschistischen Gruppe Identitäre. Ebenfalls präsent: Die lokale rechte Corona-Szene der „Attergauer Montagsspaziergänge“.

Ähnlich die Situation in Kindberg in der Obersteiermark. Dort waren am 5. November SPÖ und KPÖ (!) gemeinsam mit ÖVP und FPÖ gegen die Unterbringung von geflüchteten Menschen marschiert. Jetzt hat – wenig überraschend – die extreme Rechte das Thema übernommen: Am 15. Dezember rief die FPÖ zur Kundgebung gegen das geplante Flüchtlingsquartier auf. Hauptredner: FPÖ-Obmann Herbert Kickl.

Auch bei einem Aufmarsch gegen Flüchtlinge in Leoben am 26. November hatte die FPÖ laut der Kleinen Zeitung mit Generalsekretär Michael Schnedlitz einen prominenten Redner geschickt. Und die Bilder beim Bericht des ORF Steiermark aus Kindberg zeigen dann, wen solche Protest anziehen.

Etwa die Gruppe „direktdemokratisch“ des Corona-Marsch-Organisators Martin Rutter mit einem Banner über die faschistische Verschwörungserzählung „Great Reset“. Oder eine Truppe mit einem Transparent samt Slogan aus dem Milieu der neofaschistischen Gruppe Identitäre. SPÖ und KPÖ hatten diesen Boden aufbereitet.

Die Corona-Szene selbst ist aktuell in zwei Flügel gespalten: Einerseits die Fraktion um Rutter („direktdemokratisch“) samt der neofaschistischen Gruppe Identitäre. Diese Fraktion kontrolliert die meisten der wichtigen Telegram-Kanäle und hat dadurch einen deutlichen Vorteil bei den Mobilisierungen. Auf diese Fraktion setzt auch die FPÖ: Führende blaue Politiker:innen mobilisieren für deren Aufmärsche und sprechen dort.

Andererseits gibt es die Fairdenken-Truppe rund um Hannes Brejcha, die vor allem in Wien und Oberösterreich eine gewisse Gefolgschaft besitzt. Bei Brejcha marschieren auch die neonazistischen Alpen-Donau-Strukturen („Corona-Querfront“). Als Redner trat hier bereits mehrmals Ex-FPÖ-Obmann und Ibiza-Video-Star Heinz-Christian Strache auf.

Die Spaltung der beiden Fraktionen war vermutlich vor allem persönlich und taktisch bedingt. Im Hintergrund könnte es auch darum gehen, wer die Spenden kassiert. Politisch aber gibt es kaum Unterschiede zwischen beiden Fraktionen. Die zentralen Themen: Rassismus, Russland, faschistische Verschwörungserzählungen wie „Great Reset“.

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Bei den Aufmärschen geht es auch in Wien schon lange nicht mehr um die Pandemie. So steht der nächste Aufmarsch der Rutter-Fraktion unter dem Slogan: „Festung Europa, macht die Grenzen dicht“. Das ist eine seit langem bekannte zentrale Parole der neofaschistischen Gruppe Identitäre.

Das alles ist kein Unfall und keine unvorhersehbare Entwicklung. Es ist logisch und folgerichtig. Entgegen manchen verharmlosenden Erzählungen und auch Medienberichten hatten extreme Rechte, Neonazis und FaschistInnen die Corona-Aufmärsche in Österreich nicht etwa unterwandert. Diese Kreise haben die Aufmärsche sie von Beginn an organisiert und angeführt.

Wer es wissen wollte, konnte es wissen

Und nun wenden sich die faschistischen Organisator:innen Kernthemen ihrer Agenda zu. Identitären-Gesicht Martin Sellner hatte diese Strategie bereits 2021 angekündigt. Alle anderen Themen seien „nur insofern wichtig“, als sie helfen würden, den angeblichen Bevölkerungsaustausch ins Zentrum zu rücken. Wer es wissen wollte, konnte es wissen.

Was nach der Pandemie wohl bleiben wird: Eine faschistische Rechte, die in Österreich gelernt hat, auf die Straße zu gehen. Netzwerke, Strukturen und Organisationen sind entstanden. Alle, die bei den extrem rechten Corona-Aufmärschen mitmarschiert sind, sind mitverantwortlich.

Dieser Artikel wurde am 17.12. umfangreich ergänzt und aktualisiert.

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