Öl- und Gaskonzerne versammeln sich von 27. bis 29. März in Wien zur „European Gas Conference“. Klimaschützer:innen kündigen Blockaden an. Hier findet ihr alle Fragen und Antworten zur Konferenz.

  •  Von Michael Bonvalot und Christian Bunke

Gas ist ein buchstäblich schmutziges Geschäft. Bei der Verbrennung von Gas entstehen klimaschädliche Gase – vor allem Kohlendioxid, aber auch Methan. Ein enormes Problem für die Erderwärmung und damit für die Klimakrise.

Umweltschützer:innen fordern daher den möglichst raschen Ausstieg aus Gas. Das allerdings wäre eine schlechte Nachricht für die Gewinne der Öl- und Gaskonzerne. Die suchen stattdessen nach Mitteln und Wegen zur Steigerung ihrer eigenen Profite – auch in Wien.

Von 27. bis 29. März wollen einige der weltweit größten internationalen Energiekonzerne in Wien bei der “European Gas Conference” zusammenkommen. Klimaschützer:innen haben sich dagegen im Bündnis „Block Gas“ zusammengeschlossen und kündigen Proteste an. (Alles über die geplanten Protesten haben wir hier für dich aufgeschrieben!)

Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten zur Konferenz!

Wer soll an der Konferenz in Wien teilnehmen?

Unter den teilnehmenden Energie-Multis sind etwa Shell, BP, die deutsche RWE, TotalEnergies und EDF aus Frankreich, die italienische Eni, Vattenfall aus Schweden oder die norwegische Equino. Das geht aus der Teilnehmerliste hervor, die uns vorliegt. Es sind einige der einflussreichsten und größten Konzerne der Welt.

Veranstalter der Konferenz ist das globale Energie-Netzwerk „Energy Council“, als Co-Gastgeber tritt der österreichische teilstaatliche Energiekonzern OMV auf. Ebenfalls mit dabei ist die ÖVP-nahe Raiffeisenbank, ein wichtiger finanzieller Player in Ost-und Südosteuropa. Apropos Finanzen: Auf der Teilnehmerliste für Wien steht auch der Finanzkonzern Blackrock.

In der breiteren Öffentlichkeit ist BlackRock kaum bekannt – doch bei Recherchen wird der Konzern völlig zu Recht regelmäßig mit Superlativen beschrieben. „Der größte Finanzakteur auf der Erde“, wird der Konzern in einer Dokumentation des TV-Senders Phoenix genannt. „Der mächtigste Konzern der Welt“, beschreibt die deutsche Journalistin Heike Buchter, die ein Buch über Blackrock verfasst hat. Mehr über Blackrock hat Michael Bonvalot hier für euch aufgeschrieben.

Auch die EU-Behörden sind hochrangig vertreten, etwa mit Matthew Baldwin, stellvertretender Direktor für den Bereich Energie in der EU-Kommission. Oder mit Tudor Constantinescu, Chefberater für den Bereich Energie in der EU-Kommission. Die Wege von den großen Energiekonzernen zur EU werden bei der Konferenz in Wien also kurz sein.

Worüber soll in Wien diskutiert werden?

Auf der Konferenz wird es vor allem darum gehen, welche Infrastrukturen die Branche in den kommenden Jahren gerne für ihr Weiterbestehen hätte. Ein riesiges Thema dabei ist Flüssigerdgas, auch bekannt unter der englischen Abkürzung LNG (Liquefied Natural Gas). Der gesamte erste Tag auf der Konferenz ist für Flüssigerdgas reserviert.

Bisher kam Gas in Europa vor allem aus Russland – doch nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine könnten die USA ein zentraler Player im Geschäft werden. LNG wird mit riesigen Schiffen über den Atlantik gebracht. Zu den ökologischen Problemen, die Gas bereits insgesamt hat, kommen dann noch die ökologischen Folgeschäden des Schiffstransports dazu.

Welche Projekte würden die Gaskonzerne gerne umsetzen?

Vor allem für Flüssigerdgas braucht es teils völlig neue Infrastruktur: So ist etwa erst im Dezember 2022 im deutschen Wilhelmshaven ein riesiges Flüssiggasterminal eröffnet worden. Statt also auf erneuerbare und klimaschonende Energieformen zu setzen, wird Gas als Energieform zementiert

Bild: Thanasis Papazacharias

Auch weitere Gas-Ausbauprojekte sollen auf der Konferenz besprochen werden. Etwa die fast 1000 Kilometer lange „Trans Adriatic Pipeline“ (TAP), die durch Griechenland und Albanien unter dem Mittelmeer nach Italien führt. Diese Pipeline ist die Verbindung zur „Trans Anatolian Pipeline“ (TANAP). Die TANAP führt über die Türkei und Georgien zu den Gasfeldern in Aserbaidschan.

Was hat das mit dem Krieg im Kaukasus zu tun?

Bereits im August vergangenen Jahres fuhr EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in die aserische Hauptstadt Baku. Dort hat die konservative Politikerin medienwirksam ein Absichtsabkommen mit Präsident Ilham Alijew über neue Gaslieferverträge mit Aserbaidschan unterzeichnet. „Ein PR-Coup“ für Diktator Alijew, wie die Wiener Zeitung treffend festhielt.

Immerhin führt Alijew, der eng mit der Türkei verbündet ist, laufend militärische Aggressionen gegen den Nachbarstaat Armenien. Offensichtlich kein Problem für die EU, wenn es um Gaslieferungen geht.

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Welche Rolle spielt die OMV?

Auch Österreich war in der Vergangenheit übrigens an solchen Deals beteiligt: Die Pipeline „Nabucco“ sollte von Aserbaidschan zum OMV-Terminal im niederösterreichischen Baumgarten führen. Das Projekt wurde aber 2013 eingestellt und stattdessen die TAP priorisiert. Ausschlaggebend waren strategische Gründe, die Menschenrechtslage in Aserbaidschan dürfte eher keine Rolle gespielt haben.

Aktueller dagegen sind andere Interessen der OMV: Über seine rumänischen Tochter OMV Petrom will der Konzern bereits seit längerem Gasvorkommen im Schwarzen Meer erschließen. Auf der Gas-Konferenz ist dann auch Christina Verchere als Rednerin angekündigt, CEO von OMV Petrom.

Für die Bewältigung der Klimakrise müsste der Gasverbrauch eigentlich drastisch beschränkt werden. Das gesamte Programm der Konferenz zeigt: Die Energie-Konzerne wollen das Gegenteil.

Wissen die Gaskonzerne nicht, dass es eine Klimakrise gibt?

Natürlich wissen sie das. Aber der Profit regiert. Das ist auch nichts Neues: Die Branche ist eng mit der Öl-Industrie und der Petrochemie verknüpft, ihre Geschichte ist durch Kolonialkriege und Umweltzerstörung geprägt. In der Logik des Kapitalismus suchen die Energie-Konzerne nach Mitteln und Wegen zur Steigerung ihrer Gewinne. Nicht umsonst ist mit Blackrock ein transnationales Finanzunternehmen als Konferenzteilnehmer angekündigt.

Seit Beginn des Ukrainekriegs haben die Aktionär:innen der Gasbranche weitere Milliardengewinne eingefahren. Gleichzeitig entfalten die Energiekonzerne aufwendige Lobby-Aktivitäten in Brüssel, um zu verhindern, dass die EU die Gaspreise deckelt. Überall leiden Menschen unter den dramatisch steigenden Gaspreisen. Bei der Konferenz in Wien ist währenddessen ein „Champagner Roundtable“ angekündigt.

Ein Tag auf der Konferenz ist für das Thema Wasserstoff reserviert. Ist das die Lösung?

Die Gas-Konferenz in Wien läuft insgesamt über drei Tage. Offiziell ist die Gas-Konferenz selbst aber nur zwei Tage angesetzt. Der dritte Tag ist als „Europäische Wasserstoff-Konferenz“ angekündigt.

Sogenannter „grüner Wasserstoff“ könnte möglicherweise tatsächlich Teil der Lösung sein – aber es ist auch kein Allheilmittel. So bezweifelt etwa der deutsche Naturschutzbund in einer Studie vom September 2022, dass grüner Wasserstoff tatsächlich nachhaltig ist: „Wasserstoff ist zur Erreichung der Klimaziele und tiefen Dekarbonisierung notwendig“, heißt es zwar in der Studie, über die das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) berichtet.

Gleichzeitig schreiben die Autor:innen der Studie aber auch, dass Wasserstoff nicht per se emissionsarm sei. Die Nachhaltigkeit würde stark von der Herkunft und der Produktionsroute abhängen. Kritisiert wird auch, dass für die Produktion von Wasserstoff enorme Mengen von Wasser notwendig sind. Das könne vor allem in wasserarmen Gebieten zu Problemen führen.

Vermutlich könnte auch nicht genug „grüner“ Wasserstoff hergestellt werden, um dem bestehenden Energiebedarf zu decken. Und das würde bedeuten, dass dann erst recht wieder auf „blauen“ Wasserstoff zurückgegriffen wird – zu dessen Herstellung Gas benötigt wird. Was die Gas-Branche natürlich freut.

Was müsste zusätzlich zur Umstellung auf Wasserstoff passieren?

Auch mit Wasserstoff müsste der gesamtgesellschaftliche Energieverbrauch drastisch gesenkt werden. Das müsste vor allem in der Industrie passieren, aber auch im Wohnbereich – etwa durch Sanierungen. Doch aktuell passiert das Gegenteil: Industrien setzen auf Wachstum, nicht auf Energiesparen. Es ist die Profit- und Wachstums-Logik des Kapitalismus.

Laut der Umweltorganisation „Global 2000“ hat die österreichische Gasbranche über Jahre sogar aktiv Lobbyismus betrieben. So wollte sie die thermische Sanierung von Wohnungen und den Austausch von Gasthermen durch erneuerbare Energieversorgung hintertreiben.

Ein Beispiel dafür, welche problematischen Folgen das hat, sind die Wiener Stadtwerke im Besitz der Stadt Wien. Offiziell will Wien eigentlich „Raus aus Gas“. Doch noch im März 2022 sei der Einsatz von erneuerbarem Gas für den Betrieb von Gasheizungen beworben worden. Das kritisiert der „Gas Greenwashing Report“ von Global 2000. Die Umweltschutzorganisation sagt: „Erneuerbares Gas ist und bleibt ein knappes und teures Gut, das für andere Anwendungen dringend gebraucht wird. Im Bereich der Raumwärme gibt es bessere klimafreundliche Alternativen.“

Bild: Rebecca Humann

In der Sanierungsdebatte gibt es auch einen wichtigen sozialen Aspekt, der oft untergeht: Gas wird heute in Österreich immer noch in sehr vielen Haushalten zum Heizen und/oder Kochen verwendet. Die sinnvolle und notwendige Umstellung würde also für sehr viele Menschen bedeuten, dass sie eine neue Heizung und einen neuen Herd benötigen. Bei Induktionsherden kommt dazu der Ankauf neuer Töpfe und Pfannen. Hier muss es entsprechende Forderungen geben, damit „Raus aus Gas“ nicht zur Armutsfalle wird.

Die globalen Energiekonzerne interessieren sich jetzt für Afrika. Was ist das Problem und welche Rolle spielt das für die Konferenz in Wien?

Die Frage, wie die fehlenden russischen Gasvorräte ausgeglichen werden können, spielt eine zentrale Rolle auf der Konferenz. Neben LNG, neuen Pipelines und der Erschließung neuer Felder rückt dabei auch der afrikanische Kontinent ins Interesse der Energiekonzerne – als eine neue „Tankstelle“ der EU-Staaten. Das könnte eine neue Runde (post-)kolonialer Ausbeutung einläuten.

Aktivist:innen wollen diese Konferenz allerdings nicht ohne Widerstand über die Bühne gehen lassen. Die Plattform „Block Gas“ kündigt zahlreiche Widerstandsaktionen an, für die auch international mobilisiert wird. Mehr über diese Aktionen findet ihr in Kürze auf standpunkt.press.
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