Offiziell wird beim Sternsingen für Kinder und „Menschen in Not“ gesammelt. Tatsächlich wandern enorme Summen in den Bau von Kirchen, die Ausbildung von Priestern und in Bibel-Lesekreise.

Machen wir einen kurzen Test. Was denken Sie, denkst Du, wofür die Spenden an die Sternsinger:innen verwendet werden? Nicht lange nachdenken, einfach frei heraus! Ich habe diese Frage auch in meinem Freund:innenkreis gestellt. Einige Antworten: „Kinder in Afrika“, „Entwicklungshilfeprojekte“, „Spendenaktion für sozial Benachteiligte“. Oder einfach nur „Karitative Projekte“.

Teils löste meine Frage erste Zweifel aus. Eine Freundin etwa schrieb mir: „Ich hoffe, irgendwas gegen Kinderarmut und Welthunger.“ Anfang des Jahres werden wieder tausende Kinder in Österreich und Deutschland an Haustüren klopfen. In diesem Jahr in Österreich übrigens zum 70. Mal.

Bild: Michael Bonvalot

Manchmal gibt es sogar noch ein kleines Ständchen dazu – dann werden Spenden gesammelt. Viele Menschen tun sich besonders schwer, den Kindern zu widerstehen. Und so wandern die Münzen und Scheine in die Sammelbüchsen. Doch viele Menschen werden vermutlich sehr überrascht sein, wohin diese Spenden fließen.

Bibelarbeit, Kirchenbau, politische Lobbyarbeit

Denn tatsächlich wandern enorme Spendensummen aus Österreich an Projekte, die viele Spender:innen wohl eher überraschen dürften: Unterstützt werden etwa die „Bibelarbeit“ in Afrika und Südamerika, der Bau von Kirchen oder die Tätigkeit von Bischofskonferenzen.

Auszug aus der Projektliste 2022.

Weiteres Geld fließt für politische Lobbyarbeit der katholischen Kirche. Viel Geld gibt es auch für Ausbildungsprogramme für Priester und Schwestern („in geistlicher Begleitung und Leitung von Exerzitien“).

Mehr für Priester und Schwestern als für ganz Ghana

So dürfte die Ausbildung von Priestern, Schwestern und Lai:innen in Asien bei den Sternsing-Spenden der größte Einzelposten überhaupt sein. Dafür gab es zwischen 2016 und 2022 fast eine halbe Million Euro (wer es ganz genau wissen will: € 490.063) . Allein im Jahr 2022 wurden € 120.014 überwiesen. Es ist übrigens damit das einzige Projekt auf der gesamten Liste mit über € 100.000 Förderung.

Bild: Michael Bonvalot

Zum Vergleich: In das Schwerpunktland Ghana ging im gleichen Jahr für alle neun geförderten Projekte weniger Geld, dort waren es insgesamt nur € 116.417. Das alles geht aus den Projektlisten von 2016 bis 2022 hervor, die ich ausgewertet habe. Zahlen für 2023 sind nicht verfügbar.

Geld für die Zeitung der Jesuiten

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Medienarbeit – und damit auf der Rekrutierung neuer Anhängerinnen. Allein die Jesuiten in Nicaragua erhielten für ihre Zeitung zwischen 2016 und 2022 rund € 90.000. Dass gerade die Jesuiten gefördert werden, kommt dabei doch überraschend. Immerhin soll der Orden selbst ein Milliardenvermögen halten, auch Papst Franziskus ist übrigens Mitglied.

Die Universität der Jesuiten in Managua, der Hauptstadt von Nicaragua. Bild: Chenanhe, Lizenz

Die Wirtschaftszeitschrift Trend meldete etwa 2013, dass die Jesuiten unter anderem Anteile am US-Flugzeughersteller Boeing halten würden. Samt Beteiligung am internationalen Rüstungsgeschäft. Ob der Orden diese Spenden aus Österreich also tatsächlich nötig hat, darf durchaus hinterfragt werden.

Mehr als eine halbe Milliarde Euro

Das sogenannte Sternsingen ist eine Aktion der Katholischen Jungschar. Die ist verantwortlich für die sogenannte Dreikönigsaktion (DKA), also das Sternsingen. Nach Angaben der Jungschar wären im vergangenen Jahr 85.000 Sternsinger:innen unterwegs gewesen, um Spenden zu sammeln. Fast alle Spenden-Sammler:innen sind Kinder und Jugendliche.

Allein 2023 kamen bei der Spendensammlung nach Angaben der DKA stolze € 19,2 Millionen zusammen. Seit den Anfängen der Dreikönigsaktion 1954/55 seien es sogar € 520 Millionen gewesen. Über eine halbe Milliarde. Das ist verdammt viel Geld. Doch was passiert damit?

Für „Menschen in Not“?

Wohin das Geld geht, entscheidet ein sogenanntes „Interdiözesane Komitee der Katholischen Jungschar“, schreibt DKA-Sprecher Georg Bauer auf meine Anfrage. „Dieses Gremium, das aus diözesanen Jungschar-Vertretern/innen und Leitungspersonen der Bundesebene gebildet wird, trifft die Entscheidung über die Projektfinanzierungen“, so Bauer.

Mehr als eine halbe Milliarde Euro Sternsing-Spenden. Bild: DKA

Die DKA schreibt, mit diesem Geld würden „Menschen in Not“ unterstützt. Und genau das wird auch in der Öffentlichkeit auf- und ab getrommelt. In der Presseankündigung für die Sternsingeraktion 2024 heißt es etwa, die Spenden-Sammler:innen würden sich „für ein würdiges Leben im globalen Süden“ einsetzen.

Geworben wird mit Kindergesichtern

Auf der Homepage der Organisation gibt es dazu auch eine eigene Rubrik mit dem Titel „Welche Hilfsprojekte werden gefördert“. Dort ist etwa die Rede von der Stärkung von Kindern und Jugendlichen, der Stärkung von Menschenrechten und von Sozialprojekten. Erst ganz am Schluss wird darauf hingewiesen, dass auch katholische „Pastoralprogramme“ gefördert würden.

Projektwerbung der DKA. Screenshot

Mit eigenen Artikeln und Bildern besonders hervorgehoben werden etwa Projekte für die Unterstützung von indigenen Völkern in Brasilien oder für Straßenkinder in Bolivien. In Indien wird ein Projekt namens „Schule statt Kinderarbeit“ beworben. Merken wir uns an dieser Stelle übrigens diese drei Länder.

Wem hilft Sternsingen?

Die Projekte, die die Jungschar/DKA in ihrer Werbung besonders hervorhebt, stellen allerdings tatsächlich nur einen kleinen Ausschnitt der gesamten Tätigkeit der Organisation dar. Insgesamt 500 Projekte seien es nach Angaben der Jungschar. Die Spenden dafür seien allesamt ein „wirksames Mittel gegen Armut und Ausbeutung“.

So wirbt die Dreikönigsaktion: „Für Kinderrechte, Fahrrad, Klos“. Bild: DKA

Doch: Ist das wirklich so? Die Gesamtliste aller Projekte zu finden, ähnelt einer Rätselrallye. Auf der Homepage der Dreikönigsaktion ist gerade einmal die Projektliste für 2022 hier zu finden. Allerdings erst über mehrere Klicks und als PDF. Also nicht wahnsinnig nutzer:innenfreundlich, vermutlich wird sich das kaum jemand ansehen. Verfügbar ist nur diese eine Projektliste – ältere Listen sind überhaupt nicht mehr veröffentlicht.

Auf der Suche nach den Projektlisten

An dieser Recherche arbeite ich bereits seit 2020. Damals hatte ich erstmals bei der DKA um die Zusendung der Projektlisten ab dem Jahr 2000 gebeten. Bekommen hatte ich die Projektliste für 2019, die Zusendung früherer Listen hat mir DKA-Sprecher Georg Bauer angekündigt. Eingetroffen sind sie nie.

Inzwischen habe ich alle Projektlisten zwischen 2016 und 2022 gefunden und ausgewertet. Es war enorm viel Arbeit. Alle diese Listen stehen übrigens am Ende des Artikels zum Download bereit. Die Liste für 2023 ist noch nicht verfügbar. Und diese Auswertung zeigt ein etwas anderes Bild, als es die Jungschar öffentlich zeichnet.

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Ziemlich heilig

Nun ist es tatsächlich so, dass sich auf den Listen zahlreiche soziale Projekte finden. Etwa die Unterstützung von Schulen oder Krankenhäusern. Die Namen deuten gleichzeitig meist bereits darauf hin, dass es sich hier explizit um katholische Einrichtungen handelt: Sehr viele Einrichtungen sind nach Heiligen benannt (St. Peter, St. Albert, etc.). Dementsprechend wird vermutlich auch die Ausrichtung sein.

So scheint es etwa eher unwahrscheinlich, dass Frauen in katholischen Krankenhäusern eine Schwangerschaftsunterbrechung durchführen lassen können. Für eine Handelsschule in der Demokratischen Republik Kongo gab es übrigens Unterstützung beim Ankauf für „Bücher für Liturgie“.

Katholische Rekrutierung

Und selbstverständlich dienen gerade katholische Schulen auch ganz aktiv der Missionierung für die katholische Kirche. Dort wird nicht zuletzt der Nachwuchs rekrutiert. Teils wird die Missionsarbeit auch nicht einmal verborgen: Besonders viel Sternsinger-Geld geht etwa an die südamerikanischen Yarumal-Missionare.

Die sind neben Südamerika auch in Afrika und Asien aktiv. Die Missionsarbeit der Gruppe in Afrika war der DKA zwischen 2016 und 2022 rund € 450.000 Sternsing-Spenden wert. Diese Missionare gehören damit sogar insgesamt zu den größten Spendenempfängern der DKA. Auf der Instagram-Seite der Missionare wird etwa das Video eines Pilgermarschs über sieben Kilometer gezeigt. Mit dabei sind kleine Kinder.

Ein Werbebild der Yarumal-Missionare aus Kenia. Bild: Screenshot Instagram

Apropos Missionierung: Auf den Philippinen wurde 2022 etwa die Publikation „Missionsarbeit mit indigenen Völkern“ gefördert. Ein paar Jahre davor, 2016, gab es auch noch Geld für ein Austauschprogramm von Theologiestudierenden zwischen Wien und Manila.

Bibelarbeit und ein Bibelkongress

Auch für Bibel-Kurse wird viel Geld locker gemacht: Allein für „Bibelarbeit“ in verschiedenen afrikanischen Ländern wurden ab 2016 über € 160.000 Spendengelder überwiesen.

In Brasilien – einem der Länder auf unserer Merkliste – waren es weitere rund € 120.000 für „Bibelarbeit“. In Bolivien (Merkliste!) flossen rund € 34.000 für die „Produktion von theologischen Bildungsmaterialien“. Im Libanon wurde sogar ein „Bibelkongress“ gefördert, in Ägypten die Vervielfältigung der Zeitschrift „Dossiers de la Bible“.

Geld für Priester und Ordensschwestern

Ebenfalls auffällig viel Sternsing-Geld geht in die Ausbildung von Priestern, Schwestern und katholischem Laienpersonal. Da ist nicht nur die bereits erwähnte knappe halbe Million Euro für die „Förderung der Ausbildung von Priester, Schwestern und Lai/innen aus Asien“. Zusätzlich wurde zwischen 2016 und 2022 auch noch die „Ausbildung von Schwestern in geistlicher Begleitung und Leitung von Exerzitien“ mit über € 130.000 Spendengeldern gefördert.

Auszug aus der Projektliste 2021.

Nochmals extra Geld floss dann für die „Ausbildung von asiatischen Ordensfrauen“ sowie die Ausbildung von Ordensfrauen speziell in Vietnam. Auch in Indien und Brasilien – zwei Ländern auf unsere Merkliste – gibt es Geld für Priester und Ordensschwestern. Vor allem in Indien wird dabei seit Jahren kräftig investiert.

Auch Priester aus Salzburg profitieren

Über € 250.000 Sternsing-Geld flossen in den vergangenen Jahren für die Ausbildung von Priesterseminaristen sowie Ordensschwestern- und Brüdern nach Indien. Geld gab es übrigens auch für die „Belebung des Ordenslebens in Lateinamerika und der Karibik“

Ein wenig Geld fiel übrigens sogar für Priester und Ordensleute in Österreich ab: Denn ebenfalls gefördert wurde in den Jahren 2016 und 2017 der „Heimaturlauberfonds für Priester und Ordensleute“ der Diözese Salzburg.

Zwar nur mit einigen hundert Euro. Dennoch ist es beachtlich, dass die Diözese Salzburg auf Spenden der Sternsinger:innen-Aktion zurückgreift.

Religionslehrer:innen als „Menschen in Not“?

Wenn von „Menschen in Not“ die Rede ist, werden vermutlich die wenigsten Spenderinnen an die Ausbildung von Priestern oder Katechist:innen denken. Zweiteres sind Personen, die beispielsweise als Religionslehrer:innen fungieren oder auf die Taufe vorbereiten. Und da ist sie wieder, die Missionierung! Apropos Religionsunterrricht: In Brasilien (Merkliste!) wurde 2022 auch „pädagogisches Material für Religionsunterricht an öffentlichen Schulen“ mit Sternsing-Geld finanziert.

Bild: Michael Bonvalot

Doch zurück zu den Katechist:innen! Für entsprechende Ausbildungen wurden in den letzten Jahren aus der Dreikönigsaktion allein nach Tansania rund € 90.000 Spendengelder überwiesen. Und wenn dann genug neue Schäfchen rekrutiert wurden, wird natürlich auch gleich eine Kirche gebaut.

Neue Kirchen für die neuen Schafe

Und auch das wird dann kräftig mit Sternsing-Spenden unterstützt: Über € 170.000 flossen in den Neubau einer Kirche sowie den „Kapazitätenaufbau“ einer Diözese in Tansania. In diesem Staat im Osten Afrikas steht die katholische Kirche übrigens in einem deutlichen Konkurrenzkampf mit anderen Religionen.

Etwa mit weiteren christlichen Strömungen, dem Islam, traditionellen Religionen und dem Hinduismus. Da kämpfen also viele Gruppen um neue Schafe. Wie praktisch, wenn dann Geld aus Österreich fließt. Ähnlich ist der religiöse Konkurrenzkampf im afrikanischen Mosambik.

Bild: Michael Bonvalot

Und auch dort floss österreichisches Geld für den Bau einer katholischen Kirche. Geld für den Ausbau von Pfarren ging auch nach Kamerun und in die Demokratische Republik Kongo. Es ist offensichtlich, dass mit Sternsing-Spenden missioniert wird.

Theologische Ausbildungen

Ebenfalls locker dürfte das Spendengeld sitzen, wenn es um theologische Ausbildungen geht. Besonders auffällig sind die hohen Summen, die so ins mittelamerikanische Nicaragua fließen: Für verschiedene – oft theologische – Ausbildungsprogramme wurde in den letzten Jahren die beachtliche Summe von über € 700.000 überwiesen.

Einer der Programmtitel: „Theologisches Bildungsprogramm für Führungspersönlichkeiten“. Nochmals oben drauf kommt dann die bereits erwähnte Unterstützung für die Zeitung der Jesuiten.

„2000 Jahre sind genug“ – Aufschrift auf einer Kirche in Wien. Bild: Michael Bonvalot

Der mutmaßliche Charakter vieler Programme wird dabei erst über eine mehrjährige Auswertung deutlich. So gingen zwischen 2017 und 2019 jeweils € 20.007 für ein „Bildungsprogramm für Jugendliche und Frauen im ländlichen Raum“ nach Nicaragua. Ab 2020 gibt es dieses Programm nicht mehr. Dafür aber ein ganz ähnlich benanntes Programm für die diesmal „theologische Fortbildung“ für „Frauen und Jugendliche im ländlichen Raum“.

„Pfarrliches Bildungsprogramm für Jugendliche“

Und Nicaragua ist nicht das einzige Beispiel. Geld für einschlägige Ausbildungen fließt etwa auch nach Bolivien (Merkliste!), Myanmar („Pfarrliches Bildungsprogramm für Jugendliche“), nach Peru oder auf die Philippinen. Und auch Guatemala steht auf dieser Liste.

Das mittelamerikanische Land ist übrigens gleichzeitig das Schwerpunktland der DKA für die Sammlung in diesem Jahr. Heuer würde in Österreich „für Starthilfen für Jugendliche in Guatemala gesammelt“, schreibt die Religionsabteilung des ORF. Samt Kontonummer der DKA am Schluss.

„Treue in der Ehe oder Enthaltsamkeit“

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Nach Guatemala floss bereits in den vergangenen Jahren Geld. Etwa für die Unterstützung der katholischen Basisgemeinden, für „nachhaltige Landwirtschaft in vier Pfarren“, für Menschenrechtsarbeit oder für ein Soforthilfeprojekt nach Überschwemmungen. Geld gab es auch für ein „theologisches Bildungsprogramm“. Und dann gibt es wieder Programme, die speziell herausstechen.

Etwa die „Reduktion der Schwangerschaften von Minderjährigen durch Bewusstseinsbildung“. Dafür wurden 2022 insgesamt € 29.207 aus Österreich überwiesen. Ein ähnliches Programm fördert die DKA übrigens auch auf den Philippinen. Nun ist eine solche Reduktion selbstverständlich erstrebenswert. Doch die Frage ist hier wohl eher der Weg als das Ziel.

Der deutsche „Jugendbischof“ Stefan Oster (Alter: 58) erklärte etwa 2019 beim Weltjugendtag im mittelamerikanischen Panama: Die Kirche würde Programme fördern, in denen Menschen „entweder Treue in der Ehe oder Enthaltsamkeit leben“.

Aufbau von Kirchenstrukturen in Brasilien

Groß beworben wird auf der Seite der DKA auch ein Projekt aus Brasilien (Merkliste!). Das Ziel: Die Unterstützung „für indigene Völker im Regenwald“. Die Schlagwörter: Gesundheitsversorgung sicherstellen“, „Zweisprachige Bildung sichert indigene Kultur “ oder „Sicherung der Landrechte“. Insgesamt wurden in Brasilien im Jahr 2022 laut der Aufstellung der DKA 40 Projekte gefördert, Gesamtsumme: € 720.850,82.

Das am höchsten geförderte Einzelprojekt mit € 48.014 trägt den Namen „Stärkung und Begleitung der Guarani-Kaiowá“. Die Guarani-Kaiowá sind ein indigenes Volk, das im Südwesten von Brasilien lebt, das wirkt also nachvollziehbar – wobei „Begleitung“ natürlich auch bedeuten könnte, dass christlich missioniert wird. Es gibt noch weitere Projekte mit Bezug zur indigenen Bevölkerung. Doch einige andere hoch geförderte Projekte in Brasilien fallen auf.

Etwa eine „Aus- und Weiterbildung zu Glaube und Politik“ für € 30.007. Ein Blick in frühere Projektlisten zeigt: Für dieses Projekt wurden seit 2019 bereits über € 120.000 überwiesen. Oder die „Stärkung von Zivilgesellschaft und Kirche durch Bildungsprogramme“, für die allein 2022 insgesamt € 30.407 flossen.

Nach einem Dammbruch … wird eine Wallfahrt gefördert

Besonders auffällig in Brasilien ist auch die Unterstützung nach einem Dammbruch im Jahr 2019. Es könnte sich um den Dammbruch in Brumadinho handeln, bei dem im Jänner 2019 mindestens 270 Menschen gestorben sind. Hier zu unterstützen, das ist natürlich eine gute Sache.

Und so fließen 2019 auch € 5007 als Soforthilfe. Exakt die gleiche Summe fließt dann auch im nächsten Jahr. Allerdings für eine „Diözesane Wallfahrt ein Jahr nach Dammbruch“. Doch ab 2020 kommen auch große Summen. Über € 60.000 werden bis 2022 überwiesen. Doch nun für die „intensive pastorale Begleitung nach Dammbruch“.

Bild: Michael Bonvalot

„Pastoralbegleitung“ oder auch „Seelsorge“, das bedeutet im Wesentlichen: Die übliche Tätigkeit der Katholischen Kirche. Der Begriff selbst kommt vom lateinischen Wort „Pastor“, also Hirte. Oberste Hirten sind der Papst und die jeweiligen Bischöfe. Substantielle Beträge fließen in Brasilien übrigens auch in Medientrainings für Kirchenmitarbeiter:innen. Rund € 110.000 Sternsing-Spenden gab es dafür zwischen 2016 und 2022. Kein Einzelfall.

Katholische Medienarbeit als Spenden-Schwerpunkt

Denn die weltweite Unterstützung für katholische Medienarbeit scheint überhaupt ein zentraler Schwerpunkt der DKA zu sein. Das lässt sich aus den Projektlisten entnehmen. Auffällig dabei ist, dass dieser offensichtliche Förderschwerpunkt in den Werbematerialien für die breitere Öffentlichkeit einfach kein Thema ist.

Dabei fließen hier substantielle Summen. In Ägypten etwa wird seit Jahren der christlich-arabische Fernsehsender SAT-7 gefördert. Mit über € 450.000 Förderungen zwischen 2016 und 2022 ist der christliche TV-Sender sogar insgesamt einer der größten Geldempfänger der Sternsing-Aktion.

Fernsehen für „eine wachsende Kirche“

Die Vision dieses christlichen TV-Programms für die arabische Welt laut Eigendarstellung: „Eine wachsende Kirche im mittleren Osten und Nordafrika zu sehen“, die „zuversichtlich im christlichen Glauben und Zeugnis“ sein soll. Kurz und knapp: Hier handelt es sich um einen Sender für christliche Propaganda.

Sternsinger:innen mit der Fahne Kenias. Die DKA stellt das Bild unverpixelt zur Verfügung. Aufgrund des sensiblen Inhalts des Artikels habe ich es nachträglich verpixelt. Bild: DKA

Und SAT-7 ist kein Einzelfall. Mit oft substantiellen Summen werden etwa christliche Radiostationen in Kenia, Südsudan oder Uganda unterstützt.

Über € 100.000 für eine katholische Nachrichtenagentur

In Asien erhielt sogar die katholische Nachrichtenagentur UCANEWS ab 2016 zumindest rund € 120.000. Die bedankt sich so für Spenden: „Ihre Unterstützung ist wertvoll für die Medienmission der Kirche in Asien.“ Weitere rund € 170.000 fließen in internationale Programme zur Medienarbeit von kirchlichen Organisationen. Wohin dieses Geld konkret geht, lässt sich aus den Projektlisten nicht ableiten.

Und auch für die Publikation eines Buches mit dem Titel „Geweihtes Leben“ in Asien wurden 2022 über € 10.007 aus Österreich überwiesen. Worum es hier genauer geht, bleibt unklar. Doch der aktuelle Papst Franziskus ist Autor eines Buches mit diesem Untertitel.

Politische Lobbyarbeit der Katholischen Kirche

In den Projektlisten finden sich sogar Programme, die ganz unmittelbar die politische Stärkung katholischer Organisationen zum Ziel haben. So flossen etwa zwischen 2016 und 2022 insgesamt € 126.049 nach Südafrika. In ein Projekt mit dem Titel „Politische Bildungs- und Lobbyarbeit“ der Bischofskonferenz für das südliche Afrika.

Über andere Projekte wurde afrikanische Bischofskonferenzen mit weiteren rund € 180.000 finanziert. Ebenfalls beachtliche Summen gab es für die „Stärkung der katholischen Hochschuljugend“ in Afrika und Asien oder die weltweite „Stärkung der katholischen Bauern- und Bäuerinnenbewegung“.

Warum ist das alles so problematisch?

Was die Dreikönigsaktion mit ihren Spenden macht, ist selbstverständlich ihre Sache. Es ist eine katholische Organisation und sie verwendet ihre Spenden für katholische Zwecke. Unbestritten ist, dass die Dreikönigsaktion viele relevante Projekte fördert. Das werden vermutlich auch Verteidiger:innen der DKA einwerfen, nachdem dieser Artikel erschienen ist. Doch über diese Projekte spricht die DKA ohnehin selbst ausführlich.

Sternsinger:innen und ÖVP-Verteidigungsministerin Tanner bei der Sternsing-Aktion 2024. Die Kinder sind von mir nachträglich verpixelt. Bild: DKA

Das Problem dabei: Herausgestellt werden offensichtlich vor allem jene Projekte, die sich in der breiteren Öffentlichkeit gut verkaufen lassen. Die DKA wirbt etwa sehr gerne mit glücklich lächelnden Kindern. Doch mit Spendengeldern aus dem Sternsingen werden eben zu einem wesentlichen Teil auch katholische Organisierungs-Projekte finanziert. Und die werden in der Öffentlichkeit nirgends groß erwähnt.

Um wieviel Geld geht es insgesamt?

Wie hoch der Gesamtanteil des hier beschriebenen Sektors an den Gesamtspenden liegt? Das lässt sich einfach nicht seriös sagen. Denn viele Projektnamen sind so unbestimmt, dass der tatsächliche Inhalt des Projekts nicht herauszulesen ist. Ein „Bildungsprogramm für Jugendliche“ etwa, das kann sehr viele und sehr unterschiedliche Dinge beinhalten. Ein Sprecher der DKA spricht mir gegenüber nach Erscheinen des Artikels von „fünf bis zehn Prozent“ der Gesamtspenden.

Das halte ich allerdings nach Auswertung aller Listen für sehr niedrig angesetzt – doch auch schon damit wäre sehr auffällig, dass diese Projekte in der Öffentlichkeitsarbeit nie erwähnt werden. Dazu sollte keinesfalls unterschätzt werden, dass die katholische Missionierung wohl auch insgesamt bei sehr vielen Projekten mindestens mitschwingen wird. Manchmal wird es eher hintergründig passieren – bei katholischen Radio- und Fernsehstationen ist es dann ohnehin ganz offensichtlich.

Was die Dreikönigsaktion dazu sagt

Ich habe für diesen Artikel selbstverständlich auch die DKA um eine Stellungnahme ersucht. Zuerst mit sehr umfangreichen Fragen. Nach einem Hinweis von DKA-Sprecher Georg Bauer auf knappe Zeitressourcen dann nochmals sehr knapp. Ich habe nur zwei Fragen gestellt.

„Inwiefern versteht sich das Sternsingen auch als Teil der katholischen Missionstätigkeit? Und warum werden die umfangreichen Zahlungen für Priesterausbildungen, Bibelarbeit, Kirchenbauten etc. in der Bewerbung nie erwähnt?“ Eine Antwort darauf ist bis heute nicht eingetroffen. Sollte die DKA doch noch reagieren, wird das natürlich entsprechend aktualisiert.

Update: Nach Erscheinen meines Artikels hat sich die DKA viaTwitter/X zu Wort gemeldet. Im Artikel würde es „hinten und vorne“ nicht stimmen. Ich hätte „von jährlich 500 Projekten willkürlich 3 Überschriften herausgenommen“. Dass die DKA hier Nebelkerzen wirft, ist offensichtlich. Alle Leser:innen können sich selbst davon überzeugen, dass ich in diesem Artikel nicht nur drei Überschriften herausgegriffen habe, sondern zahlreiche Projekte der DKA beschrieben.

In meiner Antwort an die DKA auf Twitter/X habe ich darauf hingewiesen, dass jeder Punkt in meinem Artikel faktisch korrekt und überprüfbar ist. Ich habe die DKA schließlich öffentlich gefragt: „Warum steht ihr nicht dazu, wozu ihr die Spenden auch verwendet?“ Darauf hat die DKA nicht mehr geantwortet.

Bei einem nachfolgenden Telefonat sagt ein Sprecher der DKA dann, dass die Organisation sich von mir falsch dargestellt fühlen würde. Doch auf meine Nachfrage bestätigt er, dass die Fakten in meinem Artikel stimmen.

Menschen sollten wissen, wofür sie spenden

In einem Werbevideo der Sternsinger heißt es: „Oft sind Menschen skeptisch, ob das Geld, das sie gespendet haben, wirklich bei den Projekten ankommt, die sie unterstützen wollen.“

Zu sehen ist im Video dazu der Jahresbericht der Katholischen Jungschar. Gezeigt werden dabei Artikel mit Überschriften wie „Sauberes Wasser für Gesundheit“, „Menschenrechte in Zeiten der Pandemie“ oder „Ernährungssouveränität in Zeiten von Corona“. Was im Video dagegen nicht gezeigt wird: Spendengelder für Priesterausbildungen, katholische Nachrichtenagenturen oder politische Lobbyarbeit.

Wer für die Projekte der Dreikönigsaktion spenden will, soll das tun. Doch alle Menschen sollten auch wissen, was mit ihrem Geld passiert.

Alle Projektlisten von 2016 bis 2022 zum Download:

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