Die Machtkämpfe in der SPÖ sind erneut voll ausgebrochen. Warum das zu erwarten war. Und wie lange sich Parteichef Babler noch halten kann.

Lange hat es nicht gedauert. Der rechte Flügel der SPÖ rund um den burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil schießt scharf gegen den linken Parteichef Andi Babler. Der mächtige Wiener Bürgermeister Michael Ludwig hat seine Unterstützung für Babler offenbar zurückgefahren. Und jetzt kriselt es auch noch in der Gewerkschaft.

Während die FPÖ in allen Umfragen stabil auf Platz eins steht, demontieren Teile der SPÖ ihren eigenen Parteichef. Der burgenländische Landeshauptmann Doskozil hatte nach seiner Niederlage gegen Babler am Parteitag im Juni 2023 eigentlich angekündigt: „Für mich ist das Kapitel Bundespolitik damit ein für alle Male abgeschlossen.“ Der Vorsatz hielt nicht einmal ein Jahr.

Der rechte Flügel formiert sich

Schon prescht Doskozil wieder mit Anti-Flüchtlings-Aussagen vor – ein offensichtlicher Versuch, die aktuellen SPÖ-Schwerpunkte Umverteilung und Sozialpolitik abzuschießen. Auch aus Niederösterreich und Tirol gibt es immer wieder Kritik an Babler. Die Führungen der beiden Landesorganisationen hätten lieber den rechten Ex-Polizisten Doskozil als Parteichef gesehen. Aus diesen Kreisen wird nun ventiliert, der niederösterreichische SPÖ-Landeschef Sven Hergovich solle doch statt Babler Parteivorsitzender werden.

Bild: Michael Bonvalot

Den Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer nennt die konservative Presse nicht zu Unrecht den „Anti-Babler“. Und tatsächlich: Waffenbesitzer und Ex-Porsche-Besitzer Dornauer samt Partnerin Alessia Ambrosi von der postfaschistischen Partei Fratelli D‘Italia ist das genaue Gegenteil des bodenständigen Ex-Fabrikarbeiters Babler.

Konflikte in der Gewerkschaft

Und nun sind auch noch Konflikte in und mit der Gewerkschaft ausgebrochen. Der mächtige Gewerkschafter und Nationalratsabgeordnete Josef Muchitsch geriet mit Babler aneinander. Muchitsch ist nicht nur Vorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz. Was medial oft vergessen wird: Er ist auch Vorsitzender der gesamten Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen im ÖGB.

Gewerkschafter:innen am 1. Mai vor dem Wiener Rathaus. Bild: Michael Bonvalot

Muchitsch richtete Babler via Kleine Zeitung aus, der solle sich von links weiter in die Mitte bewegen – denklogisch kann das nur heißen: Nach rechts rücken. Babler dürfe „nicht als Schreckgespenst der Wirtschaft dastehen“, so Muchitsch. Mit der Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung auf 32 Stunden hätte die SPÖ den „Bogen überspannt“. Für einen Gewerkschafter doch sehr überraschende Äußerungen.

Verbündete und Gegner

Auch Vermögensteuern – einem zentralen Slogan von Babler – erteilte Muchitsch eine Absage („Neiddebatten“). Im Gegenzug lobte er Milliardäre wie den verstorbenen Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz oder Bautycoon Hans Peter Haselsteiner als „die Willigen“ aus der Unternehmenswelt.

Diese sollten zu Verbündeten gemacht werden. Seine Personenauswahl ist auffällig: Mateschitz hatte seinem rechtsdrehenden Sender ServusTV via Aussendung sofort die Schließung angekündigt, nachdem dort 2016 kurzfristig die Gründung eines Betriebsrats angekündigt worden war. Haselsteiner ist die zentrale Gründungsfigur der neoliberalen NEOS und hat sie mit großen Summen finanziert.

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Zwischen den Zeilen dürfte es beim Konflikt Muchitsch-Babler aber auch um innere gewerkschaftliche Auseinandersetzungen gehen. Auf der einen Seite der parteiintern als links geltende ÖGB-Vorsitzende Wolfgang Katzian, der aus der Gewerkschaft GPA kommt. Auf der anderen Seite die Fraktion rund um Muchitsch. Es geht nicht zuletzt um Posten, etwa jenen des Sozialministers in einer künftigen Regierung. Offiziell wurde die Auseinandersetzung zwischen Muchitsch und Babler inzwischen für beendet erklärt. Doch die zugrunde liegenden Konflikte sind weiterhin vorhanden.

Es rumort in Wien

Währenddessen gibt es auch in der mächtigen Wiener Landesorganisation eine für Babler problematische Entwicklung. Wiens Bürgermeister Ludwig hatte Babler am Parteitag im Frühjahr 2023 noch unterstützt. Doch im Oktober 2023 verkündete er seinen Rückzug aus dem Bundesparteivorstand. Der Politologe Peter Filzmaier nennt das – nachvollziehbar – eine „negative Symbolik“ und ein „Signal für Konflikt“. Es gibt allerdings auch eine andere Deutung für den Rückzug: Gut möglich, dass Ludwig am Parteitag im November 2023 stellvertretend für Babler vom rechten Flügel mit einem schlechten Ergebnis abgestraft worden wäre.

Doch im Kern geht es bei all diesen Diskussionen um die inhaltliche Ausrichtung der Partei. Und gleichzeitig um die künftige Regierung. Der rechte Flügel hätte gerne eine Koalition mit der ÖVP oder sogar mit der FPÖ. Bau-Gewerkschafter Muchitsch ist dafür ein gutes Beispiel. Der hatte einst gemeint, eine „generelle Ausgrenzung“ der FPÖ sei „strategisch falsch“.

Aktuell kann Muchitsch vor allem einer Koalition mit der ÖVP „viel abgewinnen“, wie er zur Kleinen Zeitung sagt. Auch die Führung der Wiener Landespartei würde gerne mit der ÖVP koalieren. Allzu linke Forderungen im Wahlkampf könnten da störend wirken.

Bablers strategisches Problem

Bei den parteiinternen Vorwahlen im Frühjahr 2023 hatten jeweils rund ein Drittel für Babler, Doskozil und die damalige Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner gestimmt. Rendi-Wagner hatte dabei eine Fraktion des Partei-Establishments hinter sich – vor allem die Führung der Wiener Landesorganisation und Teile der Gewerkschaft. Die andere Fraktion ging mit Doskozil, darunter die Führungen mehrerer Landesorganisation. Babler dagegen war der Kandidat des linken Teils der Basis gewesen.

Am Bundesparteitag bekam Babler schließlich nur deshalb eine Mehrheit, weil ein großer Teil des Rendi-Wagner-Lagers zu ihm überging. Doch das waren meist keine Stimmen für ihn. Das waren Stimmen gegen Doskozil. Und damit ergibt sich jetzt ein enormes strategisches Problem.

Babler hat in der Partei keine politische Mehrheit. Weder am Bundesparteitag, noch im Bundesparteivorstand noch in der Parlamentsfraktion. Gegenwärtig hat die SPÖ 40 Abgeordnete im Nationalrat. Wenn darunter zehn tatsächlich überzeugte Babler-Fans wären, wäre das schon sehr viel. Auch darum wird sein Programm immer mehr abgeschliffen.

Nach den Wahlen droht ein parteiinterner Putsch

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Im Juni finden in Österreich die Wahlen zum EU-Parlament statt, im September wird dann der neue Nationalrat gewählt. Nach den EU-Wahlen wird es für die SPÖ vermutlich wenig zu feiern geben. Eine Ablöse von Babler so kurz vor der Nationalratswahl ist dennoch unrealistisch. Die Probleme in der SPÖ werden wohl nach der Nationalratswahl beginnen.

Maiaufmarsch in Wien. Bild: Michael Bonvalot

Wenn die ÖVP sich unmittelbar danach auf eine Koalition mit der FPÖ festlegt, könnte Babler unabhängig vom SPÖ-Ergebnis erst einmal gerettet sein. Babler wäre ein wortgewaltiger und für viele sozial glaubwürdiger Oppositionsführer gegen Schwarz-Blau, das könnte auch der rechte Parteiflügel so sehen.

Abmontiert für die ÖVP

Es gibt aber auch die Möglichkeit einer Abrechnung nach der Wahl. Entweder, weil die SPÖ ein sehr schlechtes Ergebnis eingefahren hatte und nun ein Schuldiger gesucht wird. Oder, weil eine Regierungsbeteiligung mit ÖVP oder FPÖ möglich scheint und Babler im Weg steht. Eine Koalition mit der FPÖ ist wohl unrealistisch, das würde die SPÖ zerreißen.

Doch eine Koalition mit der ÖVP scheint für viele in der SPÖ zunehmend attraktiv – die SPÖ versteht sich in ihrer DNA grundsätzlich als Regierungspartei. Wenn nach der Wahl eine Regierung mit der ÖVP winkt, könnten sich die Wiener Parteiführung und der Muchitsch-Flügel der Gewerkschaft sehr schnell mit der rechten Doskozil-Fraktion verbünden. Damit hätte Babler keine parteiinterne Mehrheit mehr. Als mögliche Alternative wird immer wieder Wiens Finanzstadtrat Peter Hanke genannt.

Wie kommt Babler da raus?

Ein warnendes Beispiel für Babler ist die britische Labour-Party. Auch dort war mit Jeremy Corbyn 2015 ein Linksoppositioneller in einer Basiswahl zum Parteivorsitzenden gewählt worden. Danach begannen permanente Querschüsse aus dem rechten Parteiflügel. Schließlich montierte ihn das rechte Parteiestablishment 2020 als Vorsitzenden ab, inzwischen wurde Corbyn sogar aus der Partei ausgeschlossen. Eines von Corbyns größten Probleme: Er hatte nie überzeugende Mehrheiten in den Gremien gehabt.

Auch für Andi Babler ist es aktuell eine äußerst schwierige Situation. Er muss permanent Rücksicht auf die Befindlichkeiten und Fraktionen in der SPÖ nehmen – damit wird sein linkes und sozialreformerisches Programm immer weiter aufgeweicht. Schon vor seiner Wahl zum Vorsitzenden hatte Babler eine Kampagne für neue Beitritte zur SPÖ gestartet. Hier weiter dran zu bleiben und diese neuen Mitglieder auch zu aktivieren, ist für ihn auch vermutlich die einzige Sicherheit: Denn langfristig wird Babler nur eine starke eigene Fraktion stützen, die politisch voll auf seiner Seite steht.

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