Nächste Verhandlung wegen des rechten Angriffs auf das Wiener EKH. Das Verfahren wird vertagt, der politische Hintergrund bleibt weiterhin unerwähnt.

[Erstveröffentlichung: Vice] Nächster Prozesstag wegen des Angriffs auf das linke Kulturzentrum EKH durch braune Unsterblich-Kameraden. Wiederum sitzen nicht nur die mutmaßlichen Rechtsextremen auf der Anklagebank, sondern auch zwei Gewerkschafter, die sich gegen den Angriff verteidigt hatten. Ein angeklagter Rechter fehlt wegen eines Auslandsaufenthalts, sein Verfahren wird ausgeschieden.

Nach einer kurzen Verhandlung wird das Verfahren auf den 20. April vertagt. Die Anklage beschränkt sich bei sechs der sieben rechten Angeklagten weiterhin auf Hausfriedensbruch, obwohl es zahlreiche Indizien auf einen geplanten Angriff mit politischem Hintergrund gibt.

Beim Betreten des Stiegenhauses verletzten die Angreifer den Gewerkschafter Rudolf F., der eine Schädelprellung, eine leichte Gehirnerschütterung und eine Rissquetschwunde erlitt.

Rückblende: am 27. Oktober 2013 griffen rund 30 Neonazis das linke Kulturzentrum EKH an . Sie drangen in das Haus ein, wo gerade Mitglieder der Gewerkschaftsfraktion „Kommunistische Gewerkschaftsinitiative International“ (Komintern) bei einem Frühstück saßen. Beim Betreten des Stiegenhauses verletzten die Angreifer den Gewerkschafter Rudolf F., der eine Schädelprellung, eine leichte Gehirnerschütterung und eine Rissquetschwunde erlitt. F. konnte noch einen Warnruf absetzen, bevor er niedergeschlagen wurde. Die GewerkschafterInnen eilten ihrem Kollegen zu Hilfe und konnten die Nazis vertreiben. Die Komintern- AktivistInnen riefen die Polizei und konnten neun mutmaßliche Angreifer festhalten, die sie den eintreffenden BeamtInnen übergaben. Sieben von diesen Angreifern stehen nun vor Gericht.

Die große Überraschung kam allerdings in Folge: auch zwei Gewerkschafter wurden wegen Körperverletzung angeklagt, obwohl sie selbst die Polizei verständigt hatten. Im Gegenzug wurden sechs der sieben mutmaßlichen rechten Angreifer ausschließlich wegen Hausfriedensbruch angeklagt. Gerade einmal einer der Rechtsextremen, Claudio P.-W., musste sich wegen Körperverletzung verantworten. Staatsanwalt Kronawetter ging überraschenderweise nicht von einem geplanten Angriff aus.

Selma Schacht von Komintern sieht in den Anklagen „den klassischen Fall einer Täter-Opfer-Umkehr“.

Käthe Lichtner von der „Offensive gegen Rechts“, dem antifaschistischen Bündnis, dem auch die Komintern angehört, erinnert daran, dass Kronawetter bereits in früheren politischen Verfahren, etwa jenem gegen Josef S . mit einer Verhandlungsführung aufgefallen wäre, die sich tendenziös gegen AntifaschistInnen gerichtet hätte. Kronawetter wurde bei der Fortsetzung des Prozesses nun übrigens durch Staatsanwalt Böhm ersetzt.

Selma Schacht von Komintern sieht in den Anklagen „den klassischen Fall einer Täter-Opfer-Umkehr“. Sie sagt, dass Kronawetter die politische Komponente des Falls völlig außer acht gelassen hätte.

Sie kritisiert auch, dass Kronawetter die Rechtsextremen nicht nach dem Verbotsgesetz angeklagt habe, schließlich hätten ZeugInnen gesehen, dass die Angreifer die Hand zum Hitlergruß gehoben hätten. Gleichzeitig sei die Anklage gegen die beiden antifaschistischen Gewerkschafter durch die Prozesskosten auch eine bedrohliche finanzielle Belastung für die Komintern, die daher ein Spendenkonto eingerichtet hat.

Die Angreifer konnten eindeutig der Neonazi-Hooligan-Gruppe „Unsterblich“ zugeordnet werden, die dem neonazistischen „Blood&Honour“-Netzwerk zugerechnet wird. Unter den Angeklagten sind zentrale Figuren der Unsterblich-Truppe, etwa Stefan Herbert S., Claudio P.-W. und Mihaly K. Mihaly K. gilt auch als österreichischer Repräsentant von Ultras Sur, einer faschistischen Fangruppierung von Real Madrid.

Auch einer der Zeugen beim Prozess, der per Video aus Spanien zugeschalten wird, gehört Ultras Sur an und war laut seiner ersten Zeugenaussage bei jener Gruppe, die am Angriff auf das EKH beteiligt war. Warum er selbst nur als Zeuge und nicht als Beteiligter geführt wird, bleibt unklar.

Zwei der sieben Angeklagten, Robert M. und Andre R. behaupteten allerdings, mit der ganzen Sache eigentlich kaum zu tun zu haben und tatsächlich Fans des Lokalrivalen Rapid zu sein. Das antifaschistische Projekt „ Recherche Wien“ hingegen geht von einem Naheverhältnis der beiden zu Unsterblich aus.

Dass die beiden Rapid-Fans sind, wäre dazu tatsächlich auch kein Widerspruch, denn über den Zusammenschluss „Eisern Wien“ sind die Rechtsextremen der beiden Wiener Großklubs bestens vernetzt. Auch beim letzten Wiener Derby sind auf beiden Seiten Rechtsextreme aufgetaucht.

Vertreten werden die rechten Angeklagten im Unsterblich-Prozess von Rechtsanwalt Philipp Winkler. Laut einem Prozessbericht soll Winkler bei den letzten beiden Verhandlungstagen am 16. und 17. September 2014 fragwürdige Kommentare von sich gegeben haben. Die AutorInnen des Berichts sprechen sogar von „ rassistischen Äußerungen„.

Service Crew wiederum ist jene Band, von der das Lied „Eisern Wien“ stammt, also der Schlachtruf der Rechtsextremen von Austria und Rapid.

Winkler hatte in der Vergangenheit auch die Verteidigung für Jürgen Kasamas übernommen, einen Neonazi, der im März 2009 Albrecht M. brutal totgetreten hatte. Für Kasamas, der so wie Unsterblich dem Blood and Honour-Netzwerk zugerechnet wird , hat es laut Berichten auch Solidaritäts-Konzerte in der rechtsextremen Szene gegeben, bei denen unter anderem die Wiener Band Service Crew auftrat. Service Crew wiederum ist jene Band, von der das Lied „Eisern Wien“ stammt, also der Schlachtruf der Rechtsextremen von Austria und Rapid.

Auch nach dem Angriff auf das EKH waren die rechten Hooligan-Kameraden weiterhin äußerst umtriebig. Der österreichische Ableger von Pegida war ein gemeinsames Projekt verschiedener rechtsextremer Fangruppen mit Unterstützung einschlägiger burschenschaftlicher Milieus. Beim Wiener Aufmarsch von Pegida beobachtete auch der Rechtsextremismus-Experte Wolfgang Purtscheller sowohl bekannte Burschenschafter und ältere Neonazis wie bekannte Vertreter von Unsterblich und Eisern Wien.

Im Zuge der Pegida-Aufmärsche in Wien und Linz kam es zu zahlreichen Übergriffen gegen AntifaschistInnen.

Auch beim diesjährigen Akademiker-Ball der rechtsextremen Burschenschaften sollen laut „Offensive gegen Rechts“ Unsterblich-Hooligans in der Wiener Innenstadt AntifaschistInnen attackiert haben.

Laut „Recherche Wien“ gibt es auch eine Reihe von Bindegliedern zwischen dem Umfeld von Unsterblich und den Burschenschaften, etwa der bereits erwähnte Mihaly K. oder auch Alexander Ch, ehemals Generalsekretär des österreichischen Rechtsanwaltskammertags, der auf Bildern gemeinsam mit Neonazigrößen wie Gottfried Küssel und Franz Radl zu sehen ist.

Das Verfahren wird schließlich nochmals vertagt, denn eine psychologische Sachverständige wurde vom Unsterblich-Anwalt angezweifelt. Der nächste Prozesstag ist der 20. April. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie, handelt es sich hier doch um den Geburtstag von Adolf Hitler, der in der rechtsextremen Szene gern und ausführlich gefeiert wird. Es bleibt abzuwarten, wer am wahrscheinlich letzten Prozesstag am 20. April 2015 feiern wird.

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