Die Sozialdemokratie schwenkt in der Flüchtlingsfrage auf einen Law-and-Order-Kurs um. Seit Tagen werden von SPÖ-Seite Verschärfungen gegen Flüchtlinge gefordert. Auch Wiens Bürgermeister Michael Häupl vertritt die neue Linie.

[Erstveröffentlichung: Vice] Als die ersten Flüchtlinge aus Ungarn im September 2015 am Wiener Westbahnhof ankamen,hatte die rot-grüne Stadtregierung noch Flugblätter mit den Worten „Bei uns sind Sie sicher“ verteilen lassen. Nun klingt das ganz anders.

In der Krone spricht Bürgermeister Michael Häupl am 16.01. davon, dass die „Zahl der Flüchtlinge reduziert werden“ müsse. Es sei eine „tatsächliche Grenzsicherung nötig“. Zu den Kriegsflüchtlingen aus Syrien sagt Häupl lapidar: „Ich hab den Krieg in Syrien nicht begonnen. Und ich hab auch niemanden eingeladen.“ Im selben Artikel fordert Bundeskanzler Werner Faymann „mehr Grenzkontrollen und Abschiebungen“.

Häupl und Faymann wählen die Krone gern für strategische Botschaften—und wie es scheint, gibt es gerade einen strategischen Schwenk in der SPÖ. Am 8. Jänner hatte die SPÖ Kärnten mit einen 7-Punkte-Plan gegen Flüchtlinge begonnen, der sofort von SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid begrüßt wurde (und wohl mit der Bundespartei akkordiert war).

Flüchtlinge sollen nach den SPÖ-Plänen ihre Asylanträge künftig nur noch an „Hotspots“ an den EU-Außengrenzen stellen dürfen. Menschen, die es bis nach Österreich geschafft haben, müssten somit künftig sofort wieder abgeschoben werden. Auf Basis welcher Gesetze an diesen Hotspots dann über das Schicksal der geflüchteten Menschen entschieden würde, ist unklar. Die EU-Länder haben eine sehr unterschiedliche Entscheidungspraxis, manchmal wird gar von einer „Schutzlotterie“ gesprochen. Die SPÖ-Vorschläge enthalten auch noch weitere Härten: Menschen sollen künftig schneller abgeschoben werden, Flüchtlinge sollen künftig Sachleistungen statt Geld bekommen und es soll verstärkt Rückführabkommen geben.

Der nächste im Reigen der sozialdemokratischen Politiker, der sich zum Thema zu Wort meldete, war Bundeskanzler Werner Faymann. Vergangenen Dienstag kündigte er mehr Abschiebungen und verstärkte Grenzkontrollen an: „Wir werden prüfen, wie wir Wirtschaftsflüchtlinge abhalten und wie wir diejenigen, die kein Asyl bekommen, schneller rückführen können. Dabei müssen wir auch bei den diversen Rückführungsabkommen konkreter werden und sie in der Praxis besser umsetzen.“

Ebenfalls angekündigt hat Faymann, wie davor schon die SPÖ Kärnten, sogenannte Rückführabkommen. Der Hintergrund: oftmals können Menschen nicht abgeschoben werden, weil es keine Abkommen mit den Herkunftsländern dieser Menschen gibt. Das betrifft vor allem sogenannte „Failed-States“,etwa Libyen, wo es nach dem Krieg der NATO gegen das Regime von Muammar al-Gaddafi zwei Regierungen gibt und die Terrormiliz IS starke Stellungen hält. Wie vertretbar es ist, jemanden in Bürgerkriegsgebiete wie Libyen, Somalia oder Afghanistan abzuschieben, wird in Faymanns Überlegungen nicht thematisiert.

Am 18.01. legte Bundeskanzler Faymann in einem Interview mit Österreich dann nochmals nach und kündigte scharfe Grenzkontrollen an. In diesem Interview sprach er sogar davon, dass Österreich das Schengener Abkommen ausgesetzt habe, das den freien Personenverkehr regelt, und wieder Ausweise an den EU-Grenzen kontrolliert würden.

Auch der neue Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil kann als klares Signal nach Rechts gewertet werden. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Doskozil im September 2015 bekannt, als er für die Aufnahme der aus Ungarn ankommenden Flüchtlinge zuständig war. Damals wurde er auch von vielen für eine humane Grundhaltung gelobt. Und tatsächlich positionierte er sich etwa im Kurier sehr klar: „Wenn ich an der Stelle eines Flüchtlings wäre – selbst wenn ich ein Wirtschaftsflüchtling wäre – und sehe, wie viel besser das Leben in Europa ist, würde ich auch flüchten. So würde jeder handeln. (…) Natürlich geht es darum, ein besseres Leben zu haben. Das ist für mich auch nichts Unehrenhaftes.“

Mittlerweile klingt auch das etwas ganz anders. Nun sagt er, dass „Wirtschaftsflüchtlinge“ kein Recht hätten, nach Österreich zu kommen und fordert „konsequentere Abschiebungen“. Auch Kanzler Faymann benennt die Rolle des neuen Verteidigungsministers eindeutig: „Sobald der neue Verteidigungsminister offiziell vorgestellt ist, wird sofort mit umfassenden Aktivitäten des Bundesheeres zur Sicherung der Südgrenze begonnen.“

Doskozil war im Vorfeld unter anderem von Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl forciert worden, der seit Juni einer rot-blauen Koalition vorsteht. Laut Kurier hat Doskozil im Jahr 2005 federführend an der Entwicklung des Fremdengesetzes der damals schwarz-blauen Bundesregierung mitgewirkt. Das Gesetz war damals hoch umstritten und führte auch in der SPÖ zu intensiven Debatten, bevor die Sozialdemokratie dann doch mit großer Mehrheit zustimmte.

Binnen einer Woche haben sich also Werner Faymann, Michael Häupl und die SPÖ Kärnten (mit Unterstützung der Bundespartei) mit Vorschlägen und Aussagen zu Verschärfungen gegen Flüchtlinge zu Wort gemeldet. Dazu kommt ein ehemaliger Fremdenpolizist als neuer Verteidigungsminister, der sich in seinen ersten Interviews ein klares Law-and-Order-Profil gibt. Es handelt sich hier offenbar um strategische und konzertierte Aussagen aus der Sozialdemokratie und somit um eine Kursänderung, wie Werner Faymann auch in seinem Interview mit Österreich bestätigt.

Ein Hintergrund des aktuellen Schwenks könnte die Sorge der SPÖ um die Bundespräsidentschaftswahl sein. Nach aktuellen Umfragen besteht die Möglichkeit, dass SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer es nicht einmal in die Stichwahl schafft. Der Grüne Alexander Van der Bellen schneidet derzeit weit besser ab als Hundstorfer. Die ÖVP hingegen zielt mit ihrem Kandidaten Andreas Khol klar auf FPÖ-Stimmen ab. Khol war ein zentraler Stratege der schwarz-blauen Regierung zwischen 2000 und 2006 war und positioniert sich auch jetzt im Wahlkampf als Sprachrohr für Österreichs Bürger“. Es ist also gut möglich, dass die Positionierung der SPÖ darauf abzielt, FPÖ-affine Stimmen für Hundstorfer zu sichern.

Eindeutig ist jedenfalls, dass der Wiener Wahlkampf vorbei ist. Und damit offensichtlich auch die relativ flüchtlingsfreundliche Positionierung insbesondere der Wiener Sozialdemokratie. Hatte es im September noch geheißen „Bei uns sind Sie sicher“, beginnt nun für MigrantInnen offenbar wieder verstärkt die Zeit der Unsicherheit.

Im Frühling, sobald das Wetter wieder Fahrten über das Mittelmeer zulässt, werden weitere Menschen vor allem aus den Kriegsgebieten Syrien, dem Irak und Afghanistan flüchten. Wenn die SPÖ dann ihre neue Linie der geschlossenen Grenzen hält, könnte es auch an Österreichs Grenzen Bilder geben, wie wir sie im Herbst 2015 in Ungarn und den Westbalkan-Staaten gesehen haben. Wie die Parteibasis der SPÖ und die Öffentlichkeit dann reagieren werden, bleibt abzuwarten.

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