Der „Red Bull“-Sender ServusTV kauft immer neue Sportrechte. Zwischen den Übertragungen werden einschlägige politische Botschaften verbreitet. Dahinter steckt eine ausgeklügelte Strategie.

Gerade waren noch 22 Männer zu sehen, die einem Ball hinterherjagen. Frankreich hatte Belgien bei der Fußball-EM 2024 mit einem 1:0 aus dem Bewerb geworfen. Und nun kommen die Nachrichten auf ServusTV – auch hier geht es um Frankreich. Am Tag davor hatte die extrem rechte Partei RN den ersten Platz bei den Wahlen belegt.

In ganz Frankreich sind nun viele Menschen besorgt, sie gehen spontan auf die Straße. Auf ServusTV klingt das so: „Radikale Gegner der Rechtsnationalen“ würden auf den Straßen von Paris „randalieren“. Bei den Gegner:innen der extremen Rechten würden jetzt auch die „Packeleien“ beginnen, wie Moderator Hans Martin Paar behauptet.

Rechte kuscheln, Linke „randalieren“. Bildschnitt auf ServusTV.

Dazu liefert der Bericht eine eindeutige Bildsprache. Auf der einen Seite: Marine Le Pen und ihre fröhlich feiernden Anänger:innen. Auf der anderen Seite: Böse Linke, Tränengas und zerbrochene Flaschen.

Wie mit Bildern Politik gemacht wird

Parteichefin Le Pen bekommt auf ServusTV sogar einen O-Ton: Ins Mikrofon darf sie sagen, dass der Wahlerfolg der extremen Rechten „Millionen Menschen in Frankreich Hoffnung“ geben würde. Die Botschaft ist eindeutig. Dann folgt das nächste Spiel: Portugal gegen Slowenien.

Am nächsten Tag spielt Österreich gegen die Türkei. Vor der Spielberichterstattung: Die Nachrichten auf ServusTV. Düster heißt es, dass es bei Spielen mit türkischen Fans „immer wieder zu tumultartigen Szenen gekommen“ sei. Bildschnitt: Zuerst feiernde österreichische Fans im hellen Licht, einzeln oder in kleinen Gruppen. Fröhlich dürfen sie ihre Spielprognosen abgeben. Dann folgen die türkischen Fans – dargestellt werden sie als dumpfe Masse. Im eingespielten Beitrag ist es dunkel, dazu ist überall Polizei mit Blaulicht zu sehen.

Brot und Spiele

Dennoch erreicht ServusTV während der Fußball-EM ein Millionenpublikum. Denn der Sender aus Salzburg hat die Rechte für die Übertragungen in Österreich erworben – der öffentlich-rechtliche ORF muss sich als Sublizenz-Nehmer von ServusTV mit den Resten begnügen. Wer die Spitzenspiele im Free-TV sehen will, kommt also um den einschlägigen Sender nicht herum.

Aufgebaut wurde ServusTV mit dem Geld von Dietrich Mateschitz. Der steirische Milliardär war mit dem Vertrieb der Getränkemarke Red Bull reich geworden. Bevor er im Oktober 2022 verstarb, gehörten ihm 49 Prozent von Red Bull – die Mehrheit am Konzern hält mit 51 Prozent die thailändische Milliardärsfamilie Yoovidhya. Nach dem Tod von Mateschitz gingen seine Anteile auf seinen Sohn Mark über.

Bild: Michael Bonvalot

Ursprünglich war ServusTV ein Salzburger Regionalsender mit dem Namen „Salzburg TV“. Doch ab 2009 übernahm Milliardär Mateschitz und formte sich einen Fernsehsender nach seinen politischen und gesellschaftlichen Wünschen. Die einschlägige politische Berichterstattung von ServusTV ist dabei vor allem ein Spiegel der Ansichten des Konzerngründers. Über die politische Agenda von Mateschitz später noch mehr – bleiben wir noch kurz bei der Programmgestaltung.

Brot und Spiele sind wichtig in der Politik, das wussten schon die alten Römer:innen. Statt Brot bietet das Red Bull-Imperium inzwischen aufputschende Getränke. Für die Spiele sorgen immer neue Sportteams. Und weil Amphitheater aus der Mode gekommen sind, wird das moderne Spektakel per Satellit in die Haushalte und auf die Handys befördert. Dafür hält sich Red Bull den Salzburger Sender ServusTV. Doch der ist nicht nur im Sport engagiert, sondern hat auch eine einschlägige politische Agenda.

Propaganda, die sich als Satire tarnt

Besonders eindeutig fallen diese Botschaften regelmäßig im Wochenkommentar von Programmchef Ferdinand Wegscheider aus. Seine Sendung deklariert er geschickt als „Satire“ – und lässt unter diesem Deckmantel regelmäßig seine einschlägige Propaganda los. Während der Hochphase der Corona-Pandemie etwa lässt er Tiraden über angeblich unzureichend getestete Impfstoffe und „Menschen als Versuchskaninchen“ los.

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Dazu bedient er so ziemlich alle möglichen rechten Propaganda-Themen: Egal ob es um die Pandemie, um die Migration oder um die Klimakrise geht, Wegscheider ist verlässlich mit dabei. Wo er sich dagegen Sorgen macht? „Wir müssen aufhören, die, die auf Missstände hinweisen, als Nazis zu bezeichnen“, sagt er in einer seiner Sendungen.

„Faktenwidrige Behauptungen und verschwörungstheoretische Codes“

Von FPÖ-Chef Herbert Kickl gibt es lobende Worte für ServusTV. Auf Facebook schreibt Kickl etwa, dort würden „auch Experten zu Wort kommen, deren Einschätzungen nicht mit der Regierung übereinstimmen!“. Der Anlass: ServusTV hatte ein Interview mit dem Corona-Verschwörungserzähler Sucharit Bhakdi gemacht – laut Kickl im Mai 2020 ein „beeindruckendes Interview“.

Apropos: Auch der österreichische Verschwörungsideologie Martin Rutter lobt Wegscheider auf Telegram. Der würde „soviele logische Fragen“ stellen. Der Presseclub Concordia dagegen wirft dem Sender in einer Sachverhaltsdarstellung die „Verwendung faktenwidriger Behauptungen und verschwörungstheoretischer Codes“ vor.

„Der Wegscheider“ würde hier als Speerspitze dessen fungieren, was „das restliche Programm implizit transportiert“. Eine Beschwerde der Concordia gegen ServusTV bei der Medienbehörde KommAustria geht aktuell den Weg durch die gerichtlichen Instanzen. Auf der Website von ServusTV wird „Der Wegscheider“ prominent beworben. Gleich neben den neuesten Videos zur Fußball-EM.

Immer weiter nach Rechts

Veranstaltungen mit Programmchef Wegscheider werden inzwischen auch auf der einschlägigen Ticket-Seite „Menschheitsfamilie“ beworben. So soll Wegscheider etwa auf einem „Friedensfest der Menschheitsfamilie“ Anfang Juli in Graz auftreten. Parallel dazu werden auf der Seite auch Tickets für Veranstaltungen mit dem Verschwörungsideologen und Holocaust-Verharmloser Daniele Ganser angeboten. Alles über die problematischen Behauptungen von Ganser habe ich hier für euch aufgeschrieben.

Auch einschlägig bekannte extreme Rechte und Faschist:innen bekommen bei ServusTV immer wieder eine Bühne. Unter ihnen etwa Identitären-Gesicht Martin Sellner oder der deutsche Identitären-Vordenker Götz Kubitschek. Der Form halber werden dazu auch „Gegendiskutant:innen“ eingeladen.

Auch ich bekam im April 2019 eine solche Einladung und habe abgelehnt. Wer sich dafür hergibt, dient vor allem dazu, den Diskurs nach rechts zu verschieben. Die Rechten nennen das: Die Grenzen des Sagbaren verschieben, das sogenannte „Overton-Fenster“.

Der faulste Abgeordnete arbeitet für ServusTV

Die Diskussionssendung „Der Pragmaticus“ wird dann gleich direkt von einer einschlägigen Figur aus der Szene moderiert: Vom Schweizer Roger Köppel. Auf ServusTV wird er harmlos als „Moderator“ vorgestellt. Doch Köppel war parallel zu seiner Beschäftigung bei ServusTV bis Oktober 2023 auch Parlamentsabgeordneter der extrem rechten Schweizerischen Volkspartei (SVP). Laut dem schweizerischen Blick war er übrigens der faulste Abgeordnete im Schweizer Nationalrat, Blick nennt ihn den „Schwänzer-König“.

„Der Pragmaticus“ ist allerdings weit mehr als nur eine TV-Sendung. Es ist ein professionell gemachtes Magazin, das offiziell von einer Aktiengesellschaft in Liechtenstein herausgegeben wird. Tatsächlich aber stand bei der Gründung Red Bull-Eigentümer Mateschitz Pate. Zuvor hatte er das Vorläufer-Projekt „Addendum“ eingestellen lassen.

Was nicht passt, wird abgedreht

Bei Addendum war gleich das erste Thema eindeutig gewesen: „Asyl. Ein Konzept von gestern?“, hieß es. Doch dann scheint die Redaktion die politischen Bedürfnisse von Mateschitz doch nicht ausreichend befriedigt zu haben – dem Vernehmen nach war die Redaktion zu eigenständig geworden. Die Unzufriedenheit des Milliardärs dürfte aber nicht durchgehend gewesen sein: Der ehemalige Chefredakteur Michael Fleischhacker arbeitet heute als Moderator für ServusTV.

Am Addendum-Nachfolger „Pragmaticus“ hält nach dem Tod von Mateschitz sein Sohn Mark eine Beteiligung von mindestens 50 Prozent. Der Rest kommt laut Firmenimpressum vor allem vom hochadeligen Prinzen Michael von Liechtenstein. Wie hoch die durchgerechnete Beteiligung des Mateschitz-Clans heute tatsächlich ist? Das bleibt unklar. Eine Anfrage dazu hat Pragmaticus nicht beantwortet.

Die politische Linie ist eindeutig

Einerseits ist Pragmaticus strikt neoliberal, so darf etwa Kolumnist Christian Ortner im September 2023 „Her mit der 42-Stunden-Woche“ fordern. Nur einen Monat später heißt es dann auf der Titelseite: „Du sollst nicht gendern“. Die geschlechtergerechte Sprache ist seit vielen Jahren ein besonderes Reizthema für alle Fraktionen der Rechten. Der Pragmaticus bedient es.

Das Magazin erscheint jeden Monat auf rund 80 Seiten, dazu gibt es regelmäßig TV- und Plakatwerbung für den Pragmaticus. Rund um die Fußball-EM etwa auch auf dem Konkurrenz-Sender ATV. Fremd-Werbung gibt es in der Zeitschrift dagegen keine. Das Projekt muss Unsummen verschlingen. Woher die kommen? Das bleibt offen.

Das jeweilige Monatsthema des Magazins wird dann mit Moderator Köppel auch auf ServusTV bearbeitet. Bereits in der Einleitung zur Pragmaticus-Sendung über das Gendern im Oktober 2023 wird auf eine Umfrage verwiesen. Danach würden angeblich 80 Prozent der Bevölkerung die geschlechtergerechte Sprache ablehnen. Die Umfrage wurde, wie praktisch, von Pragmaticus gleich selbst in Auftrag gegeben. Auch so etwas ist enorm teuer.

Überall Dosen

Werbung für Pragmaticus wird auf ServusTV übrigens auch rund um die Fußball-EM ausgespielt. Etwa in der Pause des Viertelfinal-Krachers Portugal gegen Frankreich – hohe Reichweiten sind da garantiert. Und dann kommt wieder der Sport. Parallel zur EM wird auf der Startseite von servustv.com auch ein Bericht über die Tour de France gezeigt. Auf dem Foto: Sieben Radfahrer. Auf der Brust haben sie jeweils ein perfekt ins Bild gesetztes Red Bull-Logo.

Ende Dezember 2023 hatte der Konzern offiziell bekannt gegeben, dass er die Mehrheit am erfolgreichen Radteam „Bora-Hansgrohe“ übernehmen würde. Wieviel der Konzern für die Anteile bezahlt hat? Das will Teammanager Ralph Denk gegenüber dem Fachmagazin „Radsport News“ ebenso wenig verraten wie den Beitrag, den der Dosenkonzern zum Jahresbudget der Radsport-Mannschaft beitragen soll.

Überall Dosen. Bild: Damian Konietzny

Auch die neuesten „Highlights“ zum Grand Prix von Österreich sind auf der Startseite von ServusTV zu finden. Kein Wunder, der Sender hält die Übertragungsrechte für die Formel 1 – übrigens genauso wie Übertragungsrechte für den MotoGP. Gefahren wird der Grand Prix von Österreich am früheren „Österreichring“ im steirischen Spielberg. Der heißt inzwischen allerdings ganz offiziell „Red Bull Ring“. Und als Favorit ins Rennen ging der Niederländer Max Verstappen, er fährt für das Team Red Bull. Da bleibt alles in der Familie.

Konzern-Marketing statt Fernsehen

Doch keine erfolgreiche Werbung ohne die entsprechenden Bilder. Und da kommt ServusTV im Spiel – eine weitere Abteilung des Konzerns. Ich hatte mehrere Male versucht, einen Tag lang alle Red Bull-Logos zu zählen, die auf ServusTV präsentiert werden. Ich habe das schnell aufgegeben: Ich bin mit dem Zählen einfach nicht nachgekommen.

Ich habe auch einmal mit einem bekannten österreichischen Medienwissenschaftler über den Sender diskutiert. Seine These: Es handelt sich bei ServusTV gar nicht um ein Medium im klassischen Sinne. Sondern ausschließlich um ein Marketing-Instrument.

Hier werden unglaubliche Summen verbrannt

Allein in die Übertragungsrechte für die Fußball-EM 2024 hat ServusTV etliche Millionen Euro gepumpt. Offiziell werden keine Zahlen genannt, doch der Medien-Branchendienst „Horizont“ berichtet (€ Paywall) von rund 15 Millionen Euro. Der Konzern-Sender soll den öffentlich-rechtlichen ORF bei der Versteigerung der Rechte sogar „um das Doppelte überboten haben“, wie Eingeweihte sagen.

Dazu sollen nochmals rund 2 Millionen Euro an Produktionskosten kommen. Eine gigantische Summe – mit Werbung kann ServusTV das niemals wieder hereinspielen, das kann sich nicht rechnen. Woher kommt also das Geld?

Im Schatten entsteht ein riesiges Medienimperium

Finanziert wird ServusTV zum überwiegenden Teil mit Millionenbeträgen des Salzburger Dosenkonzerns. Das „Red Bull Media House“ ist inzwischen – weitgehend unbeachtet von der breiteren Öffentlichkeit – zum zweitgrößten Medienkonzern des Landes aufgestiegen. Nur noch der ORF ist größer.

Zum Portfolio gehören etwa die Zeitschriften „Servus in Stadt und Land“, „Red Bulletin“, „Terra Mater“, „Bergwelten“ oder „Die Bühne“. Mit der Verlagsgruppe Benevento/Ecowing wurde dazu eines der größten Verlagshäuser in Österreich aufgebaut. Und dann gibt es auch noch eine eigene Sparte für „TV & Film“. In dieser Abteilung sind etwa die firmeneigenen „Red Bull Studios“ mit Büros in Salzburg, London und Los Angeles. Und auch der Sender ServusTV.

Das Büro von Red Bull Media House und ServusTV in Wien-Leopoldstadt. Bild: Michael Bonvalot

Nach den letzten verfügbaren Zahlen aus dem Jahr 2021 machte die gesamte Mediensparte des Konzerns einen geschätzten Umsatz von über 518 Millionen Euro, wie der Medienjournalist Harald Fidler berichtet. Den „Marktumsatz“ allerdings schätzt Fidler für das Jahr 2021 auf gerade einmal 65 Millionen Euro. Der Rest – und damit mehr als 85 Prozent des gesamten Umsatzes – soll aus Zuzahlungen des Dosenkonzerns stammen.

Geld ist abgeschafft

Und auch beim Begriff „Marktumsatz“ ist reichlich Vorsicht geboten. Da sind wohl einerseits Millionen an diversen Presseförderungen enthalten. Und dann ist da noch die Frage, wie die zahlreichen gegenseitigen Werbeeinschaltungen der verschiedenen Konzern-Medien oder die Werbung für Red Bull verrechnet werden. Denn es ist enorm auffällig, wie viel Werbung für Red Bull und andere Produkte des Konzerns auf ServusTV geschalten wird. Besonders deutlich wird das aktuell auf servustv.com.

Bevor im Stream die verschiedenen Spiele der EM beginnen, gibt es Werbeeinschaltungen. Besonders intensiv ausgepielt werden Werbespots für „Die Bühne“ sowie „Bergwelten“ – zwei Blätter aus dem eigenen Konzern. Es ist finanziell also offensichtlich nicht einmal nötig, solche prominenten Werbeplätze extern zu verkaufen. Da ist eindeutig das Geld abgeschafft.

Dass das auch nach dem Tod von Konzerngründer Mateschitz weiterhin so bleibt, dafür soll dem Vernehmen nach eine Stiftungslösung sorgen. Nur wenige Monate vor seinem Tod ließ er laut Trend noch rasch eine „Kunst und Kultur DM Privatstiftung“ aufsetzen.

Hinhacken auf den ORF

Vor dem Spiel Österreich vs. Türkei hat ServusTV-Nachrichten Moderator Hans Martin Paar sich dann noch ein besonderes Sahnehäubchen einfallen lassen. Extra betont er mit einem offensichtlichen Seitenhieb auf den ORF, dass das Spiel auf ServusTV „gratis, also ganz ohne monatliche Gebühr oder Abgaben“ zu sehen sei. In Anbetracht der finanziellen Verhältnisse wirkt das nur noch zynisch.

Bild: Karl Gruber, CC BY-SA 4.0 Lizenz

Denn einerseits wird die Medienförderung für das „Red Bull Media House“ aus Steuermitteln bezahlt. Und andererseits lässt sich der Multimilliarden-Konzern Red Bull die Berichterstattung von ServusTV und Co mutmaßlich jedes Jahr viele Millionen Euro kosten. Nun kuschelt auch der ORF viel zu sehr mit den großen Sportverbänden. Doch ServusTV ist vor allem eine Dauer-Werbesendung für die konzerneigenen Getränke.

Wieviel lässt sich Red Bull diese Berichterstattung kosten?

Der Red Bull-Konzern selbst möchte allerdings nicht, dass irgendjemand erfährt, um welche Summen es hier geht. Für diese Recherche hatte ich auch eine umfangreiche Anfrage an das Red Bull Media House gestellt: Wie ServusTV den Ankauf solcher Übertragungsrechte finanziert? Warum ServusTV das macht? Wie hoch die Umsätze des Red Bull Media House sind? Wieviel davon aus Zuzahlungen des Konzerns stammt und wieviel aus der Medienförderung? Die lapidare Antwort von Seiten des Red Bull Media House: „Zu Umsatzergebnissen und Zahlen geben wir grundsätzlich keine Auskunft.“

Doch was jedenfalls offensichtlich ist: Ohne die jährlichen Millionenbeträge, die Red Bull an ServusTV auszahlt, wären enorm teure Übertragungsrechte für Fußball oder die Formel 1 niemals finanzierbar. Die große Frage also ist: Warum macht das der Salzburger Dosenkonzern?

Todesflüge(l)

Der Getränkekonzern Red Bull betreibt bereits seit vielen Jahren ein enorm aufwändiges Sportmarketing. Das vordergründige Ziel ist klar: Die Positionierung und der Aufbau der eigenen Marke. Am Anfang wurden vor allem trendige Extrem-Sportarten gefördert. Immer wieder kamen dabei auch Sportler:innen ums Leben.

Der Werbeslogan „Red Bull verleiht Flügel“ bekam etwa 2009 eine äußerst zynische Bedeutung, als der Schweizer Basejumper Ueli Gegenschatz bei einem Werbeauftritt für den Dosen-Sender in Zürich abstürzte und danach starb. Gegenschatz hätte mit seinem Sprung laut 20min.ch die Telekom-Marke Red Bull Mobile lancieren sollen.

Der Extrem-Skifahrer Shane McConkey verunglückte ebenfalls 2009 bei Dreharbeiten für einen Red Bull-Film. Der Film „McConkey“ wurde vom Konzern dennoch veröffentlicht. Das offensichtliche Problem für die Sportler:innen: Sie müssen immer brutaler liefern, sonst werden sie durch andere ersetzt, die noch mehr riskieren. Überlebt hat dagegen der Österreicher Felix Baumgartner – seinen Sprung aus der Stratosphäre machte der Konzern zu einem weltweiten Medienevent.

Der ORF und viele andere Medien spielten brav mit. Der Salzburger passt übrigens auch perfekt ins politische Bild, immer wieder fällt er mit einschlägig rechten Äußerungen auf. So wünschte er sich etwa nur wenige Wochen nach seinem Sprung eine „gemäßigte Diktatur“ durch ein „paar Leute aus der Privatwirtschaft“.

Ein Fußballerbein wäscht das andere

Inzwischen stellt sich der Konzern sportlich breiter auf, gefördert werden nun auch massentaugliche Sportarten wie Fußball, Skifahren und Formel 1. Das Red Bull Media House nennt es den „Eintritt in den Sport-Massenmarkt“ ab dem Jahr 2004. Im Fußball wurde sogar eine eigene internationale Gruppe aufgebaut, eine sogenannte Multiple Club Ownership (MCO).

Der Konzern besitzt inzwischen mit Red Bull Salzburg und FC Liefering zwei Teams in Österreich, dazu kommt seit 2022 eine enge Kooperation mit dem Wiener Verein Vienna. Mit RB Leipzig ist der Konzern in der deutschen Bundesliga. In den USA spielen die New York Red Bulls und in Brasiliens erster Liga Red Bull Bragantino. Das Projekt Red Bull Ghana wurde offiziell beendet – doch es ist wohl kein Zufall, dass die Vienna sich nun gerade in Ghana umsieht.

Erst Ende Mai 2024 ist der Konzern auch noch beim englischen Traditionsverein Leeds United eingestiegen – damit hat sich Red Bull in die global populäre Premier League eingekauft. Zusätzlich zu einer Minderheitsbeteiligung soll das Konzern-Logo ab kommender Saison auf den Trikots der ersten Männer- und Frauenmannschaft von Leeds erscheinen. Im August 2024 kam dann noch ein Club aus Japan dazu. Hier könnt ihr meine Recherche lesen, wie solche Multiple Club Ownerships den Fußball für immer verändern werden.

Auch beim Eishockey ist der Konzern mit Teams in Österreich und Deutschland aktiv. Weitere Schwerpunkte: Skifahren, Skispringen und die Formel 1. Im Skisport gibt es etwa eine enge Kooperation mit dem österreichisch-niederländischen Spitzenfahrer Marcel Hirscher. Trotz vorherigen Rücktritts geht Hirscher – der erfolgreichste männliche Skifahrer aller Zeiten – ab der Saison 2024 sogar nochmals an den Start. Offenbar als Promotion für seine neue Skimarke, die er gemeinsam mit dem Dosenkonzern aufgebaut hat. Und in der Formel 1 fährt der Konzern sogar mit zwei Teams – erfolgreich und werbewirksam.

Konzern-Beteiligungen in solchen breitenwirksamen Sportarten zielen auf große Teile der Bevölkerung. ServusTV hat in diesem Universum eine wichtige Funktion. Die Sport-Abteilung des Konzern besitzt oder finanziert eine Vielzahl von Teams und Sportler:innen. Die Fernseh-Abteilung setzt die entsprechenden Teams und Sportler:innen dann entsprechend in Szene.

Bild: Michael Bonvalot

Im Hintergrund gibt es dann eben auch noch das „Red Bull Media House“. Unter diesem Dach ist der Großteil der Mediensparte des Konzerns zusammengeführt. Dort werden die aufwändigen Sportclips produziert, die dann vom Fernsehsender bis zum Wartezimmer der Arztpraxis ausgestrahlt werden. Das durchgehende Ziel ist klar: Das Konzern-Logo soll möglichst gut in Szene gesetzt werden.

Die politische Agenda von Dietrich Mateschitz

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Doch gerade ServusTV hat nicht nur eine sportliche Funktion – auch die politische Ausrichtung des Senders ist eindeutig. Und die wiederum folgt offensichtlich den Wünschen des 2022 verstorbenen Konzerngründers Mateschitz. Der hatte bereits 2017 in einem seiner raren Interviews seine politisch eindeutige Schlagseite offengelegt.

Im Gespräch mit der Kleinen Zeitung (€ Paywall) verteidigt er damals etwa den rechten US-Präsidenten Donald Trump und das Regime in Russland, wirft mit einschlägigen Schlagworten über ein angebliches „Meinungsdiktat“ einer „intellektuellen Elite“ um sich und beklagt sich über die Ankunft geflüchteter Menschen in den Jahren 2015 und 2016.

Mehr Elite ist kaum möglich

Lob gibt es dagegen vom Milliardär für den ÖVP-Politiker Sebastian Kurz. Der sei „intelligent, couragiert und charismatisch“ und „man“ könne „seine Standpunkte weitestgehend teilen“. Seinen eigenen Reichtum will Mateschitz dagegen herunterspielen. Als er darauf angesprochen wird, dass er selbst Flugzeuge, Hubschrauber und eine Insel in der Südsee besitzt, behauptet Mateschitz im Interview ernsthaft: „Das wird mir nur bewusst, wenn mich jemand darauf anspricht.“ Wer kennt es nicht?

Originell sind auch die Seitenhiebe von Mateschitz gegen „die Elite“. Immerhin ist er zu diesem Zeitpunkt der reichste Mann Österreichs. Sein Magazin „Pragmaticus“ gibt er gemeinsam mit einem Prinzen aus dem stinkreichen Fürstenhaus Liechtenstein heraus. Noch mehr „Elite“ wird kaum möglich sein.

Heimatleuchten: ServusTV ist Mateschitz in Bildern

Für das Interview lädt der Milliardär laut Kleine Zeitung auf seine „abgeschiedene Lieblingsalm in der Obersteiermark“ ein. Das alte Holz in den Stuben würde „von abgetragenen Bauernhöfen“ stammen, heißt es. Auch das passt perfekt zu ServusTV. Denn der Sender zeigt seine eindeutige Agenda nicht nur in den offensichtlich politischen Programmen. Die reicht weit über die Nachrichten- und Diskussionssendungen hinaus.

So sagt Mateschitz etwa, dass die „Naturregionen endlich“ wären und „kaputt“ gehen würden. An sich nicht falsch – doch der Milliardär verbindet das ideologisch eindeutig mit angeblichen „Völkerwanderungen auf dem gesamten Erdball“. Auf ServusTV gibt es dann Sendungen wie „Heimatleuchten“ oder „Hoagascht“. Der Begriff steht in Westösterreich für eine musikalische Veranstaltung oder eine Plauderei.

Ideologie in kleinen Häppchen

Diese Formate kommen vordergründig leicht daher, es wird Dialekt gesprochen, es gibt volkstümliche Musik und es werden schöne Landschaften gezeigt. Das ist angenehm und nett. Gleichzeitig wird damit aber auch enorm viel Ideologie transportiert. In kleinen, unauffälligen gut verdaubaren Häppchen.

Mit ländlicher Idylle werden reaktionäre Botschaften transportiert. Bild: Caswi

Hier wird das ländliche, das angeblich ursprüngliche und das muttersprachlich deutsche Österreich ins Bild gerückt. Apropos reaktionär: Als bei ServusTV 2016 ein Betriebsrat gegründet wurde, reagierte der Milliardär sehr schnell: Sofort drohte er, den gesamten Sender dicht zu machen. Bis die Beschäftigten die Betriebsratsgründung absagen. Zweifellos eine gute Nachricht für den Konzernchef. Denn damit kann der Sender (mit Unterstützung genau dieser Belegschaft) seine politische Funktion weiterhin erfüllen.

Sport als Eintrittsticket in die rechte Medienwelt

Anfang Juli 2024 haben bei ServusTV vermutlich die Sektkorken geknallt. Im Juni hatte der Sender den ORF erstmals bei den Marktanteilen überholt. In einer Jubelmeldung verkündet der Sender, dass allein die erste Hälfte des Spiels von Österreich gegen die Niederlande einen Marktanteil von rund 70 Prozent gehabt hätte. Dazu kommen nach Angaben des Senders 16,4 Millionen Video-Views über die Streamingplattform Servus On.

In der gleichen Presseaussendung werden auch neue „Best-Werte“ für die Servus Nachrichten sowie für „Der Wegscheider“ verkündet. Beide würden online „zu den besten Formaten neben den Sportübertragungen“ gehören. Möglicherweise unabsichtlich haben Red Bull und ServusTV damit ihre Agenda sehr treffend beschrieben: Die immens teuren Sportübertragungen sind vor allem ein Vehikel, um eine einschlägige politische Agenda an ein Millionenpublikum auszuspielen.

Ergänzt um Werbeeinschaltungen für den Pragmaticus, die Kooperation mit Marcel Hirscher sowie weitere Informationen über die Fußball-Abteilung des Konzerns.

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