Eine buchstäblich bunte Überraschung erlebte die neofaschistische Identitäre Bewegung am Mittwoch in Wien. Dutzende AntifaschistInnen machten die Kundgebung mit Regenschirmen faktisch unsichtbar. Die Polizei ging bei der Räumung brutal vor.

Wien ist für die neofaschistische Gruppe „Identitäre Bewegung“ (IB) bereits seit längerem ein hartes Pflaster. Im Juni 2016 wurde ein Aufmarsch der Gruppe bereits nach wenigen hundert Metern blockiert. Im September 2017 versucht es die Gruppe nochmals, doch diesmal am Kahlenberg, einem Ausflugsgebiet am Rande der Stadt. Doch auch dort ist sie mit Gegenprotesten konfrontiert.

http://www.bonvalot.net/der-faschistische-aufmarsch-in-wien-in-bildern-856/

In einem Versuch, wieder verstärkt in die Öffentlichkeit zu treten, kündigte die Gruppe nun an, in mehreren Städten Österreichs Kundgebungen abhalten zu wollen. „Identitäre Zonen“ nennt das die Organisation selbst. Der Begriff erinnert an die „National befreiten Zonen“ der deutschen Neonazi-Szene, die in solchen Zonen jedes Auftreten für politisch Andersdenkende verhindern wollte.

Am 11. April gab es bereits eine erste Kundgebung der Neofaschisten in der Grazer Innenstadt, die weitgehend störungsfrei über die Bühne ging. In Wien allerdings rechnete die Gruppe offenbar bereits selbst mit deutlich schwierigeren Bedingungen.

http://www.bonvalot.net/vor-gericht-warum-ich-mich-gegen-polizei-schikane-bei-rechtsextremismus-recherche-wehre-975/

Am 15. April veröffentlichte die Gruppe auf Facebook die Information, dass sie eine Kundgebung in Wien veranstalten möchte. Ein Ort wurde allerdings nicht genannt. Das würde „rechtzeitig bekannt gegeben“, schrieb die Gruppe.

Angst vor Protesten

Tatsächlich aber sollte der Ort der Kundgebung offenbar geheim gehalten werden und wurde erst veröffentlicht, als die Kundgebung schon im Gange war. Linke, linksradikale und antifaschistische Gruppen hatten allerdings im Vorfeld ebenfalls mobilisiert und standen in der Wiener Innenstadt bereit.

Als der Platz der Kundgebung, die Freyung, bekannt wurde, machten sich viele antifaschistische AktivistInnen auf den Weg. Die Besonderheit: Eine ganze Reihe von ihnen hatte Regenschirme dabei. Die Kundgebung der IB sollte um 16:00 Uhr beginnen. Der Aufbau war kaum fertig, da trafen die ersten AntifaschistInnen ein.

Überall Regenschirme

Bereits nach wenigen Minuten, gegen 16:05 Uhr, war das Grüppchen von rund 15 IB-AnhängerInnen von rund 70 AntifaschistInnen komplett umstellt. Aufschlussreich auch, wie dünn die Gruppe offenbar vor allem in Wien aufgestellt ist. Es sind immer die gleichen Gesichter. Vor allem bei Aktionen in Wien braucht es auch extra Unterstützung aus den Bundesländern.

Mit dem Rücken zur IB spannten die AntifaschistInnen dann Regenschirme auf, von der neofaschistischen Kundgebung war de facto nichts mehr zu sehen. Dazu immer wieder Sprechchöre, besonders lautstark: „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda!“

Kader der IB reagierten äußerst aggressiv, schoben Regenschirme weg, filmten in Gesichter, rempelten sich durch die Menge, pöbelten herum. Insgesamt wirkten sie weitgehend hilflos. Die AntifaschistInnen blieben bemerkenswert ruhig und zogen die diesmal gewählte Aktionsform konsequent durch.

Ein Mann wurde von einem IB-Anhänger sogar ins Gesicht geschlagen. Das Video habe ich hier veröffentlicht:

 

Trotz Protesten und meiner Nachfrage weigerte sich die unmittelbar neben dem Vorfall präsente Polizei, eine Anzeige aufzunehmen. Insgesamt schien die Polizei vor allem zu Beginn völlig überfordert. Offensichtlich hatte sie nicht mit einer antifaschistischen Intervention gerechnet und war zu Beginn nur mit wenigen Kräften vor Ort.

Zuerst erschienen dann immer neue Gruppen der Bereitschaftseinheit vor Ort. Es war offensichtlich, dass die Polizei weitere Kräfte zusammenzog. Schließlich war auch die WEGA mobilisiert, eine berüchtigte Einsatzgruppe, die unter anderem bei Demonstrationen zum Einsatz kommt. Gegen 17.50h schließlich forderte die Polizei per Lautsprecher zur Räumung des Platzes auf. Ein Polizist danach zu seinen Kollegen: „Ready to Rambo“.

Schließlich ging die Polizei vor und räumte die Freyung komplett ab. Wahllos wurden einige AntifaschistInnen fixiert und zu Boden gedrückt. Ein Muster war dabei nicht erkennbar, offenbar waren es jene, die nicht schnell genug geflüchtet waren. Besonders unschön und brutal wirkte dabei eine Verhaftung.

Ein Mann lag bereits völlig reglos am Boden und schrie immer wieder laut vor Schmerzen. Über ihm ein Polizist. Es wirkte so, als wären ein bestimmter Griff des Polizisten oder bestimmte Schmerzpunkte für die Pein des Mannes verantwortlich. Erst nach lautstarken Protesten von Umstehenden wurde das geändert. Das Video dazu habe ich hier veröffentlicht:

 

Schließlich zog die Polizei nach der Räumung mit mehreren dutzend BeamtInnen eine Sperrkette quer über die breite Freyung. Doch auch so wurde der Infotisch der IB naturgemäß nicht unbedingt zum Attraktionspol. Die IB selbst spricht auf Facebook davon, dass die Aktion ein „voller Erfolg“ gewesen sei und von einem „wirkungslosen Blockadeversuch“. In Anbetracht der tatsächlichen Ereignisse vor Ort erinnert das an Realitätsverweigerung.

Tatsächlich war die IB mit erheblichen antifaschistischen Protesten konfrontiert, obwohl sie bis zum Beginn der Kundgebung nicht einmal deren Ort bekannt gegeben hatte. Die linken AktivistInnen hingegen zogen ihre kreative Protestform konsequent durch. Für die FaschistInnen wohl eine eindeutige Niederlage.

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