Beschäftigte im Krankenhaus Nord erheben schwere Vorwürfe. Trotz Corona würden Standard-Operationen weiter durchgeführt. ÄrztInnen seien trotz Covid-19-Verdacht erst nach massiven Protesten der Belegschaft getestet worden.

„Erst, als wir uns geweigert haben, unter diesen Bedingungen weiter zu arbeiten, wurden die vier Ärzte zum Schnelltest ins AKH geschickt“, erzählt mir die diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin M. (der Name ist auf Wunsch der Kollegin geändert).

„Es hieß, das KH Nord solle so lange wie möglich Covid-frei bleiben“, berichtet M. Doch obwohl dann in der Belegschaft bekannt geworden sei, dass einer der Ärzte auf einem Ärztekongress in Zürs am Arlberg war, sei nichts geschehen – Auf diesem Kongress haben sich mehrere ÄrzInnen angesteckt, Zürs steht inzwischen unter Quarantäne.

PflegerInnen machen Gefährderanzeige

„Auch drei weitere Chirurgen waren in Risiko-Gebieten gewesen, aber es wurde überhaupt nichts unternommen“, sagt die Krankenpflegerin. Erst nach massiven Protesten der Belegschaft seien dann Tests durchgeführt worden. Inzwischen würde auch eine Gefährderanzeige der Gruppe bei der Generaldirektion des Krankenanstaltenverbunds (KAV) aufliegen.

Bild: Michael Bonvalot, Krankenhaus Wien-Nord

Ein weiterer Kollege aus dem Krankenhaus Nord, der sich unabhängig von M. bei mir gemeldet hat, bestätigt diese Darstellung: „Der Arzt musste regelrecht gezwungen werden, den Operationssaal und das Krankenhaus zu verlassen, obwohl er ein eindeutiger Verdachtsfall war“, so P., der seinen echten Namen aus Sorge um Probleme nicht nennen möchte.

Birgit Wachet vom KAV sagt zu den Vorwürfen, dass die vier Ärzte täglich getestet worden seien, als Tirol als Risiko-Gebiet eingestuft wurde. Die Inkubationszeit sei mittlerweile bei allen vorüber, alle Tests seien negativ gewesen. „Die Vorgehensweise ist völlig korrekt und den Vorgaben entsprechend“, so Wachet. Zur Frage, ob eine Gefährderanzeige der Kolleginnen vorliegt, äußert sie sich trotz konkreter Frage nicht.

Wachet sagt, dass es „auch innerhalb der Teams zu unterschiedlichen Meinungen kommen kann bzw. in diesem konkreten Fall verschiedene Positionen gibt“. Dem KAV sei es jedenfalls „wichtig, immer auch das Personal zu schützen, was auch in diesem Fall geschehen ist.“

Fährt das Krankenhaus Nord trotz Corona weiter Normalbetrieb?

Beide KollegInnen kritisieren auch das aktuelle Operation-Management scharf. P. sagt, dass sowohl auf der Herzchirurgie wie auf der Orthopädie weiter Operationen durchgeführt würden, die nicht erforderlich wären. „Die Herzchirurgie arbeitet immer noch auf Hochdruck“, so P. Es seien auch Herz-Operationen gemacht worden, „die auf jeden Fall bis nach dem Höhepunkt der Pandemie verschoben werden könnten.“

KAV-Sprecherin Wachet sagt dazu, dass „Operationen, bei denen mit einem kurzen Intensivaufenthalt zu rechnen ist und Operationen, die lebensnotwenig sind“, weiterhin durchgeführt würden, um die Versorgung von Menschen mit Herzerkrankungen aufrecht zu halten.

Operationen binden Ressourcen

„Wir wissen nie, ob ein Intensiv-Aufenthalt kurz wird oder ausgeweitet werden muss. Es kann immer Komplikationen geben“, sagt P. zu dieser Stellungnahme. Er weist auch darauf hin, „dass alle HerzpatientInnen ohnehin aus Risikogruppen kommen“.

P. ergänzt: „Nach einer Operation kann es immer sein, dass ein längerer Aufenthalt auf der Intensivstation notwendig ist. Somit fehlt ein Bett.“ Die generelle Problematik der Ressourcen bestätigt auch ein Spitalsarzt aus Salzburg: „Operationen benötigen in jedem Fall personelle und andere Ressourcen, beispielsweise AnästhesistInnen und eine ausreichende Nachbetreuung.“

Welche Operationen sind aktuell notwendig?

Doch P. kritisiert auch, dass nicht nur Herz-Operationen durchgeführt würden. „Allein vergangene Woche haben wir fünf Kreuzbandoperationen durchgeführt, die sicher nicht lebensbedrohlich sind.“

Ähnlich die Darstellung von M.: „Wir arbeiten als einzige Abteilung weiter, als wäre vor der Haustür alles in Ordnung.“ Selbst im AKH sei bereits vor zwei Wochen auf akut umgestellt worden: „Das bedeutet, es werden keine geplanten Operationen mehr durchgeführt, sondern nur mehr wirklich absolut notwendige Eingriffe. Bei uns läuft das ganz normale Programm weiter.“

Ob und welche Operationen fachlich tatsächlich notwendig sind, kann unabhängig natürlich nicht überprüft werden. Zwei ÄrztInnen, die ich dazu befragt habe, sagen, dass das von außen ohne Fallkenntnis nicht seriös eingeschätzt werden könne. „Solche Fälle müssen immer individuell beurteilt werden“, so ein Salzburger Spitalsarzt.

„Bei manchen Herzproblematiken sollte das sofort gemacht werden, bei anderen kann noch gewartet werden“, sagt eine Spitalsärztin aus Wien. Im Falle der Kreuzbandoperationen sagt sie, dass im Falle eines Unfalles operiert werden solle. „Falls es aber um eine chronische Problematik geht, könnte das auch warten.“

Fehlende Schutzbekleidung

P. spricht aktuell von einem regelrechten „Schutzbekleidungsengpass“, FFP2-Maske seien im KH Nord inzwischen „versperrt wie Suchtgift“. Diese besonders gut schützenden Masken gebe es nur noch in der Zentralen Notaufnahme oder im akuten Notfall. Alle anderen KollegInnen müssten mit normalen Gesichtsmasken arbeiten, die eigene Ansteckungen nicht verhindern. „Das sind die gleichen Masten, wie sie nun auch in den Supermärkten ausgegeben werden sollen“, so P.

Auch in diesem Zusammenhang kritisiert er die derzeitigen Operationen im Krankenhaus Nord: „Kreuzbandoperationen beispielsweise brauchen zwar kein Intensivbett. Doch die derzeit dringend notwendige Schutzausrüstung wird auch bei solchen Operationen benötigt.“

Engpässe bei den Intensivbetten

„Ich mache mir Sorgen um unsere Ressourcen, denn es wird noch weit dicker kommen als jetzt“, sagt P. Bereits in der Vergangenheit hätten Intensivbetten immer wieder wegen Personalmangel nicht geöffnet werden können, aktuell seien diese Betten nur noch eingeschränkt vorhanden. Laut der Nachrichtenagentur APA waren mit Stand 27.03. bundesweit die Hälfte der Intensivbetten belegt, Wiener Zahlen werden im Bericht nicht ausgewiesen. Bei den Beatmungsgeräten sind bundesweit noch 30 Prozent verfügbar, in Wien nur noch 19 Prozent.

Die beiden Kolleginnen aus dem Krankenhaus Nord betonen beide, ihren Job sehr gern zu machen. „Mein Job macht mir sehr viel Spaß, aber ich bin stinkwütend auf die Führungskräfte“, so P. „Die aktuelle Lage ist für uns eigentlich nicht mehr tragbar“, sagt M.

Die Vorwürfe der Kollegen und des Kollegen können unabhängig nicht überprüft werden. Doch klar sollte uns allen, dass wir gerade jetzt alles tun müssen, um die KollegInnen im Gesundheitswesen zu schützen und zu unterstützen – und dass uns die Corona-Krise brutal vor Augen führt, wie notwendig ein gut ausgebautes und ausreichend finanziertes öffentliches Gesundheitswesen ist.

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