Die extremen Rechten, die am Samstag in Wien eine Regenbogen-Fahne zerrissen hatten, konnten am Montag auch noch die LGBTIQ-Protestdemo stören. Unter Polizeischutz.
Mindestens tausend Menschen haben am Montagabend am Wiener Platz der Menschenrechte gegen Homophobie protestiert. Die Kundgebung unter einem Meer aus Regenbogenfahnen war eine prompte und starke Antwort auf die extrem rechten Provokationen am Wochenende.
Am Samstag hatten extreme Rechte bei einem Corona-Aufmarsch am Karlsplatz auf offener Bühne eine Regenbogen-Fahne zerrissen und dabei unter dem Gejohle der ZuseherInnen die Worte „Ihr seid kein Teil unserer Gesellschaft“ in die Menge gebrüllt.
Doch diese extremen Rechten hatten am Samstag offenbar noch nicht genug. Bereits im Vorfeld war klar, dass sie auch die Protest-Demo der LGBTIQ-Bewegung und ihrer FreundInnen am Montag stören wollten. In einem Video diskutierte die einschlägig rechtsextreme Jennifer Klauninger, die die Fahne zerrissen hatte, mit ihrem Kameraden Martin Rütter über die Demo am Montag: „Boxvereine“ wollten sie mobilisieren, diese sollten mit Schirmen kommen.
Extreme Rechte rufen jetzt dazu auf, die heutige Wiener LGBTI-Demo nach der Zerstörung einer Regenbogen-Fahne zu stören. "Boxvereine" sollen mit "Schirmen" kommen.
▶️ Die einzig mögliche Reaktion:
▶️ Heute, 7.9., 19h, Platz der Menschenrechte, Wien.
▶️ Alle hin. https://t.co/LJniDxNMHh— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) September 7, 2020
Eine klare Ansage zur militanten Störung und Provokation der LGBTIQ-Demo also. Für die Polizei in diesem Fall aber offenbar kein Grund zum Einschreiten und zur Vorsicht. Stattdessen wurden die extrem rechten Corona-LeugnerInnen rund um Klauninger am Montag zuerst unter Polizeischutz an der gesamten Demonstration vorbei geleitet. Das berichteten mir vor Ort mehrere AugenzeugInnen. Kurz danach kam ich ebenfalls dazu.
Da konnte sich die Gruppe von rund zehn Personen, umringt und geschützt von Polizei, bereits knapp hinter der Bühne positionieren. Und dort konnten sie dann nochmals mehr als eine halbe Stunde unter Polizeischutz stehen und provozieren. Um sie herum zahlreiche lautstarke AntifaschistInnen, die den Rechten mit Rufen wie „Nazis Raus“ oder „Alerta Antifascista“ klar machten, dass sie nicht willkommen seien.
Der für den Polizeischutz der Rechten verantwortliche Offizier erklärte auf meine Frage zur rechtlichen Grundlage, dass es sich hier ebenfalls um „Versammlungsteilnehmer“ handeln würde. Ich wies ihn darauf hin, dass diese Personen doch ganz offensichtlich nicht zur LGBTIQ-Kundgebung gehören würden sondern dagegen provozieren – immerhin erhielten sie gerade Polizeischutz.
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Reaktion des Offiziers: Das wisse er einfach nicht – während um uns herum wütende AntifaschistInnen lautstark gegen die Rechten protestierten. Schließlich erklärte der Offizier, er hätte „keine Zeit, um zu diskutieren“.
Eine klare Ansage der Versammlungsleitung, dass diese Personen am Rand der Kundgebung nicht erwünscht sind, hätte hier sicherlich für Klarheit sorgen können und die Polizei unter Druck gebracht. Eine unrühmliche Rolle spielten in diesem Zusammenhang auch manche Medien.
So holten sich etwa JournalistInnen von Puls4 ein Interview mit Klauninger, während diese von Polizei umringt war. Damit halfen sie den extrem rechten ProvokateurInnen dabei, ein wesentliches Ziel zu erreichen: Ihre Positionen zu verbreiten.
Geschützt von einem Aufgebot der Polizei können extreme Rechte die #LGBTIQ Kundgebung in Wien stören! Es sind die gleichen, die am Samstag eine Regenbogen-Fahne zerrissen hatten. Polizisten schützen Rechtsextreme – Medien fallen auf die Provo rein und holen sich Interviews.🤦♀️🤦♀️🤦♀️ pic.twitter.com/NzJB9EeGiP
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) September 7, 2020
Trotz des Missklangs war die LGBTIQ-Mobilisierung sicherlich ein Erfolg. In kürzester Zeit konnten mehr als tausend Menschen mobilisiert werden, um ein klares Zeichen der Vielfalt zu setzen. Besonders laut wurde es übrigens, als auf der Kundgebung der ÖVP-Abgeordnete Nico Marchetti das Wort ergreifen wollte.
Lautstark schallten ihm die Sprechchöre „Ganz Wien hasst die ÖVP“ entgegen, nach kurzer Zeit verschwand Marchetti von der Bühne. In Anbetracht der konsequenten Verweigerung der ÖVP für die Zustimmung zu gleichen Rechten für LGBTIQ nur nachvollziehbar. Vielmehr unverständlich, warum ein ÖVP-Abgeordneter überhaupt eine Bühne bekommen sollte.
Ein ÖVP-Vertreter will auf der #LGBTIQ Kundgebung in Wien sprechen, nachdem extreme Rechte am Samstag eine Regenbogen-Fahne zerrissen hatten. Die Antwort ist lautstark und eindeutig. pic.twitter.com/a89C1XJXJK
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) September 7, 2020
Doch über die Mobilisierung sollte die Rolle der Polizei am Montag nicht in Vergessenheit geraten. Was wäre das übliche Prozedere der Wiener Polizei in solchen Fällen, wenn es um Linke geht? Repression, vermutlich Verhaftungen und/oder brutale Szenen vor Ort, danach wahrscheinlich Strafverfolgungen.
Genau das ist in Wien immer wieder passiert.. Die AntifaschistInnen, die im Oktober 2018 versucht hatten, eine Mini-Kundgebung der neofaschistischen Gruppe Identitäre mit Schirmen abzudecken, wurden erst im August 2020 in erster Instanz freigesprochen. Der Freispruch ist nicht rechtskräftig, weil die Staatsanwaltschaft die nächste Instanz geht. Hier könnt ihr mehr über diesen Fall lesen.
Auch bei einem Aufmarsch der Identitären und ihrer Kameraden am 7. März 2020 am Wiener Luegerplatz drängte die Polizei die protestierenden AntifaschistInnen zurück und verhaftete dabei mindestens eine Person. Dieser Antifaschist wurde danach ebenfalls mit staatlicher Repression überzogen.
Endlich verlassen die extremen Rechten die #LGBTIQ Kundgebung in Wien – nachdem sie dort fast eine Stunde unter dem Schutz der Wiener Polizei provozieren konnten. pic.twitter.com/s4tqlPSxgG
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) September 7, 2020
Er wurde gegen Widerstand gegen die Staatsgewalt angeklagt, wovon er vor Gericht dann ebenfalls freigesprochen wurde. Hier könnt ihr mehr über die Ereignisse am 7. März lesen. Trotz der Freisprüche sollten wir nicht vergessen, dass in solchen Fällen bereits die Verfahren die Strafe sind: Zeit, Nerven und viel Geld für die Verteidigung gehen in solchen Fällen drauf.
Wiederholt tönten am Montagabend die Sprechchöre über den Platz der Menschenrechte: „Wiener Polizisten schützen die Faschisten.“ Und genau das ist am Montag passiert.
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