Am Aufmarsch ohne Masken und Abstand waren zahlreiche einschlägig bekannte extreme Rechte beteiligt. Ein Augenzeuge berichtet von einem antisemitischen Übergriff. Die Polizei gab dem Aufmarsch Begleitschutz.

In der Wiener Innenstadt sind am Sonntag weit über tausend Corona-SchwurblerInnen aufmarschiert. Die erste zentrale Kundgebung begann um 14 Uhr am Heldenplatz, bereits davor waren kleinere Märsche angekündigt. Masken wurden bei der Kundgebung fast durchgehend nicht getragen, Sicherheitsabstände wurden nicht eingehalten. Stattdessen erklärte eine Rednerin unter dem Applaus des Publikums von der Bühne: „Ich freue mich, dass ihr keinen Abstand haltet“ und „keine Fetzen [=Masken] im Gesicht tragt“.

Im Publikum wurden währenddessen auf Schildern die üblichen Verschwörungstheorien gegen Impfungen, Masken, Tests oder 5G aufgekocht. Ebenfalls am Heldenplatz versammelt waren zahlreiche einschlägig bekannte extreme Rechte.

So wurde fast direkt neben der Bühne ein Banner der neofaschistischen Gruppe Identitäre mit der Parole „Heimatschutz statt Mundschutz“ gehisst. Absurderweise hatten die Träger des Banners selbst allerdings sehr wohl einen Mundschutz. Ebenfalls im Publikum einschlägig bekannte rechte Fußball-Milieus rund um die beiden Wiener Großklubs Austria und Rapid.

Andere Personen verharmlosten das NS-Regime und den Holocaust. Mindestens ein Mann trug einen „Judenstern“, ein anderer eine Fahne mit dem Gesicht der NS-Widerstandskämpferin Sophie Scholl. Einschlägige rechtsextreme Gruppen verteilten auch Propagandamaterial. Ebenfalls im Aufmarsch zu sehen ein Schild mit der Parole „WWG1WGA“ – Where We Go One We Go All. Dabei handelt es sich um die zentrale Parole der verschwörungstheoretischen Quanon-Bewegung.

[Du kannst das folgende Banner wegklicken und danach weiterlesen. Du kannst über das Banner auch sehr gern künftige Recherchen mit Meinung und Haltung unterstützen.]

Gegen 15 Uhr setzte sich der Marsch schließlich in Bewegung, eine Anzeige für eine Demonstration bei der Polizei lag nicht vor. Die Landespolizeidirektion Wien erklärte via Twitter, dass sie den TeilnehmerInnen „die Möglichkeit eines geordneten Abzuges“ ermöglichen wollte.

Daraus hätten sich dann in weiterer Folge zwei nicht angezeigte Demonstrationen entwickelt. Davon allerdings hätte niemand überrascht sein dürfen: Denn bereits am Heldenplatz hatten Redner von der Bühne mehrmals angekündigt, einen „Spaziergang“ unternehmen zu wollen.

Die beiden Demonstrationszüge zogen schließlich zuerst getrennt voneinander durch die Wiener Innenstadt, der eine über den Ring, der andere über den Graben zur Oper. Ich selbst habe den Aufmarsch über Graben und Kärntnerstraße beobachtet. An der Spitze marschierte dort die einschlägige extrem rechte Corona-Aktivistin Jennifer Klauninger, sie gab auch die Parolen vor.

Auffallend dabei, dass aus dem Spruch der letzten Wochen „Frieden, Freiheit, keine Diktatur“ nun „Frieden, Freiheit, Souveränität“ wurde. Es könnte auf Einflüsse der extrem rechten Reichsbürger-Bewegung hindeuten.

Schließlich vereinigten sich die beiden Demonstrationszüge gegen 16 Uhr am Ring nahe dem Stubentor und zogen wieder Richtung Heldenplatz. Kurz nach dem Zusammenschluss kam es dann zu einem mutmaßlichen antisemitischen Übergriff, wie mir ein Augenzeuge unmittelbar danach vor Ort berichtet hat.

Mutmaßlicher antisemitischer Übergriff

Eine Frau sei aus dem Aufmarsch heraus auf eine jüdische Familie mit mehreren Kindern zugekommen, dabei hätte sie Rufe wie „Jüdische Kinder“ oder „Shalom, Shalom“ von sich gegeben. Der Zeuge schritt dann nach seiner Darstellung ein und brachte die Familie zur Seite. Der Augenzeuge ist mir persönlich bekannt und absolut glaubwürdig. [Dieser Absatz wurde um am 3.2. um 21.32h nach nochmaligem Gespräch mit dem Zeugen präzisiert.]

Die Polizei war nur mit äußerst geringen Kräften vor Ort, ein Einschreiten gegen die Verstöße gegen die Corona-Maßnahmen war nicht zu erkennen. Ich selbst konnte dagegen beobachten, wie ein Beamte Klauninger fragte, wohin diese gehen wolle. Gegen 16.45h löste sich der Aufmarsch schließlich am Heldenplatz auf. Die Aufgabe der BeamtInnen vor Ort bestand zuvor offenbar vor allem darin, den Corona-SchwurblerInnen Begleitschutz zu geben und ihnen die Straßen freizumachen.

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