In der Szene der Corona-LeugnerInnen gibt es jetzt sogar eine offene Spaltung um die Frage der Gewaltanwendung. In einschlägigen Gruppen wird zur Stürmung des ORF aufgerufen. Die Szene radikalisiert sich immer schneller!

XL-Demo, XXL-Demo, XXL-Megademo. Und nun gar „die Mutter aller Demos“. Während die Mobilisierungen der Corona-LeugnerInnen und extremen Rechten in Wien seit Wochen durchgehend kleiner werden, werden gleichzeitig die Aufrufe immer schriller. Für kommenden Samstag ist nun ein neuer Aufmarsch in Wien geplant. Ab 13 Uhr wollen sich die einschlägig bekannten Kreise im  Schweizergarten treffen, einem weitläufigen Park direkt neben dem Hauptbahnhof.

Gleichzeitig gibt es in der Szene heftige Spaltungstendenzen. Eines der wichtigsten Gesichter der Aufmärsche, Alexander Ehrlich, erklärte am Mittwoch öffentlich, er würde nicht am Marsch am Samstag teilnehmen. Grund sind offenbar Differenzen in der Frage der Gewaltanwendung.

„Stürmung vom ORF wäre gut!“

Auf Telegram erklärt Ehrlich in einem Video, er sei „an den Vorbereitungen zum 10. April nicht beteiligt“, er werde „diesmal auch nicht informieren oder berichterstatten“. Schriftlich folgt dann eine beachtliche Erklärung Ehrlichs mit folgenden Zeilen: „Es ist wichtig, dass wir bedingungslos friedlich bleiben. Leider kann sich eine Einzelmeinung manchmal in Entscheidungsfindungsprozessen nicht durchsetzen.“ Erklärend dazu postet Ehrlich einen Kommentar einer anderen Person mit dem Aufruf: „Stürmung vom ORF wäre gut!“

Das Statement von Ehrlich ist äußerst beunruhigend. Denn es deutet darauf hin, dass es innerhalb der Führungsgruppe der Corona-LeugnerInnen offenbar Kräfte gibt, die die Frage der Gewaltanwendung anders sehen als Ehrlich. Und dass sich diese Kräfte inzwischen so eindeutig durchgesetzt haben, dass sich Ehrlich absetzen will.

Die Szene spaltet sich immer weiter

Sein Video und sein Statement hat Ehrlich am 7. April veröffentlicht. Inzwischen geht es in der Szene rund. Die Spaltungstendenzen werden immer sichtbarer. Am Donnerstag beklagt sich Ehrlich etwa, dass nun interne Besprechungen veröffentlicht würden: „Wenn jemand, mit dem ich in einem 1:1 Chat halbfertige und unreife Überlegungen austausche, solche Gedankennotizen, Protokolle oder Entwürfe dann entgegen meiner eigenen Entscheidung veröffentlicht und groß in den Kanälen und Gruppen herumschickt, ist das nicht in Ordnung und schadet der Bewegung“, so der Busunternehmer.

Es ist nicht die erste Spaltung in der Szene: Auch die weit rechte Verschwörungsideologin Jennifer Klauninger, die zu Beginn der Aufmärsche eine zentrale Rolle spielte, wurde inzwischen an den Rand gedrückt. Die Spaltungen scheinen dabei aber primär taktisch und persönlich bedingt, weniger ideologisch. So hat auch Ehrlich faktisch wenig Berührungsängste zur extremen Rechten.

So trat er etwa am 6. März 2021 als Redner bei der Corona-Kundgebung der rechtsextremen FPÖ im Wiener Prater auf. Am Rande dieser Kundgebung versuchten einschlägig rechte Hooligans, AntifaschistInnen anzugreifen. Hier habe ich hier für euch einen ausführlichen Bericht zu den Ereignissen am 6. März aufgeschrieben.

Gute Geschäfte mit der Verschwörungsideologie

Der Reiseunternehmer Ehrlich ist gleichzeitig Gründer von Honk for Hope (Hupen für Hoffnung). Worum es ihm bei seinem „Engagement“ tatsächlich geht, zeigt bereits der Name seiner Truppe. Denn ganz offiziell heißt der Verein: „#honkforhope zur Förderung der Interessen des Busreisegewerbes“. Ehrlich karrt mit seinen Bussen die TeilnehmerInnen zu verschiedenen Corona-Aufmärsche – und macht damit wohl richtig gutes Geld.

Gleichzeitig sind solche Busfahrten mutmaßlich Superspreader-Events. In einer internen Email etwa schreibt Ehrlich laut der deutschen Tageszeitung Welt: „Auf die Maskenpflicht im Reisebus weisen wir hin, die Busfahrer kontrollieren aber weder medizinische Atteste, noch die ‚Essens-Aufnahme‘. Heißt, vermutlich wird niemand eine Maske tragen.“

Mobilisierung zum Hauptbahnhof am Samstag

Trotz des Rückzugs von Ehrlich mobilisiert der Rest der Szene weiter für Samstag in Wien. Der Aufruf dazu wird in einschlägigen Gruppen auf Telegram verbreitet und stammt von Hannes Brejcha, einem der zentralen Gesichter der Mobilisierungen. Treffpunkt sei „Samstag 13 Uhr neben den [sic!] Hauptbahnhof, vis a vis vom Belvedere ist es fantastisch etwas ‚ Sport ‚ zu machen“. (Alle Fehler im Original.)

Brejcha und Küssel. Bild: Presseservice Wien, mit freundlicher Genehmigung.

Brejcha fällt regelmäßig durch dubiose Verschwörungserzählungen auf, etwa im Zusammenhang mit einschlägigen und oft antisemitisch belegten Schlagwörtern wie „Neue Weltordnung“ oder „Great Reset“. In der Pandemie zeigte sich Brejcha dann auch sehr vertraut mit Neonazi-Führer Gottfried Küssel, wie Bilder belegen.

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Extrem rechte Kräfte mobilisieren

Verbreitet wird die Mobilisierung am Samstag aktuell über fast alle einschlägigen Gruppen auf Telegram. Besonders aktiv bei der Weiterverbreitung ist der ehemalige Kärntner Landtagsabgeordnete Martin Rutter. Bei der Nationalratswahl 2019 war er noch erfolgloser Spitzenkandidat für die FPÖ-Abspaltung BZÖ gewesen war. Das BZÖ hatte bereits zu Beginn der Pandemie auf seiner Homepage wüste Verschwörungsideologien verbreitet. Heute kontrolliert Rutter die meisten großen Telegram-Channels der Corona-LeugnerInnen.

Was dabei auffällt: Als er bei einem der letzten Aufmärsche aufgrund eines Polizeigewahrsams nicht selbst posten konnte, wurde sein Hauptkanal durchgehend mit Inhalten der neofaschistischen Gruppe Identitäre bespielt. Auch die Gruppe selbst mobilisiert übrigens bereits für den kommenden Samstag – ebenso wie fast alle anderen Player der extrem rechten, neofaschistischen und neonazistischen Szene. Dennoch werden die Aufmärsche seit Wochen durchgegehend kleiner. Verantwortlich dürfte dafür nicht zuletzt die soziale Zusammensetzung der Aufmärsche in Wien sein.

Ein enorm großer Teil der MarschiererInnen wird extra mit Bussen in die Bundeshauptstadt gekarrt. Offenbar sinkt in diesen Kreisen aber zunehmend die Bereitschaft, für einige Stunden oftmals schlecht organisierter Aufmärsche (und möglicherweise eine Anzeige wegen Nichteinhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen) stundenlang in Bussen durch halb Österreich zu fahren. Als Reaktion auf die kleiner werdenden Aufmärsche wird nun offenbar auf immer schrillere Mobilisierungsnamen gesetzt – bis hin zum jetzigen und primär absurd wirkenden „Mutter aller Demos“.

Gleichzeitig ist es ohnehin bereits seit Beginn der Pandemie der Aufmärsche augenscheinlich, dass die Märsche in Wien zwar aufgrund ihrer absoluten Größe mehr mediale Aufmerksamkeit bekommen, real aber das wirkliche Problem die Aufmärsche in den kleineren Städten und Orten sind. Zum Vergleich: Im oberösterreichischen Vöcklabruck etwa sind Mitte Jänner rund 1500 Personen marschiert – bei einer Gesamtbevölkerung von etwas über 12.000 Menschen. In Relation wären das in Wien fast 250.000 Corona-MarschiererInnen.

Werden sie diesmal den Treffpunkt finden?

Ob der Treffpunkt Wiener Hauptbahnhof den Corona-MarschiererInnen Glück bringt, darf übrigens bezweifelt werden. Denn beim letzten Aufmarsch der Szene am 21. März in Wien gab es beim  Hauptbahnhof  schon einmal enorme Verwirrung. Der Kärntner Rutter hatte in seinen Aufrufen den Hauptbahnhof fälschlich gleich bei der Ringstraße verortet.

Tatsächlich sind es vom üblichen Treffpunkt der Corona-LeugnerInnen Ecke Ring/Burgtor/Maria-Theresien-Platz rund drei Kilometer zum Hauptbahnhof. Die Folge: Zahlreiche Corona-VerharmloserInnen und extreme Rechte, die zu Fuß einen langen Marsch antreten mussten.

Antifaschistische Gegenmobilisierung

Unterdessen mobilisieren auch AntifaschistInnen für den Samstag. Unter dem Motto „Antifa heißt Fahrradfahren“ mobilisieren verschiedene linke Organisationen ab 12 Uhr zu einer Fahrrad-Demo in den Votivpark. Im Aufruf heißt es: „Am 10. April wollen wir als Antifaschist:innen nicht der extremen Rechten und ihren Mitläufer:innen die Straßen von Wien überlassen. Deshalb rufen wir zu einer Kundgebung sowie einer anschließenden Fahrraddemo auf, um kollektiv, entschlossen und dynamisch dem Aufmarsch des Grauens zu begegnen.“

Der „rechten Erzählung“ wollen sie „Solidarität und die Möglichkeit eines Endes der organisierten Traurigkeit des Kapitalismus“ entgegensetzen. Der Aufruf endet mit den Worten: „Gemeinsam gegen Nazis, Staat und Kapital“

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