Insgesamt 17,5 Tonnen menschlicher Überreste von NS-Opfern sind gefunden worden. Doch im Forum der Krone sind die Wissenschaftler*innen, die den Fund gemacht haben, die echten Verbrecher.

Zahlreiche Medien hatten Mitte Juli berichtet, dass nördlich von Warschau die Überreste von rund 8000 Menschen gefunden worden sind. Die Asche der Nazi-Opfer war in einem Waldgebiet in Ilowo-Osada verbraben gewesen, 150 Kilometer nördlich von Warschau und nahe dem ehemaligen NS-Konzentrationslager Soldau im früheren Ostpreußen. Die Zahl der Opfer musste dabei anhand des Gewichts der Asche berechnet werden. Zwei Kilogramm menschlicher Asche entsprechen in etwa einer Leiche, erklären die Wissenschaftler*innen, die den Fund der Öffentlichkeit vorgestellt haben.

Das KZ Soldau wurde während der NS-Besatzung Polens im Zweiten Weltkrieg gebaut. Es diente als Übergangslager, aber auch als Konzentrations- und Vernichtungslager für politische Gegner*innen des Nationalsozialismus, für Mitglieder der polnischen Elite sowie für Jüdinnen und Juden.

Auch die Krone, die größte Boulevard-Zeitung in Österreich, hat am 14. Juli eine Agentur-Meldung über diesen grausigen Fund übernommen und online veröffentlicht. Die Reaktionen im Forum der Krone sind dann regelrecht erschreckend. Beachtlich sind dabei nicht nur die Postings selbst – sondern die Zustimmung zu diesen Postings im Verhältnis zur Zustimmung, wenn jemand widerspricht.

Zwar zeigen einige User*innen ihr Mitgefühl. Doch andere relativieren den Fund, verhöhnen die Opfer – und es werden sogar die Wissenschaftler*innen, die den Fund gemacht haben, wörtlich als „Verbrecher“ und „Kaffeesudleser“ bezeichnet.

Dieser Versuch, den Fund in Frage zu stellen, ist ebenso plump wie durchschaubar. Im Artikel steht nirgends, dass es sich bei den Opfern um Jüdinnen oder Juden handeln würde.

Andere bezweifelnd die Zahl der Opfer mit dubiosen Rechnungen – es ist ein beliebter Trick sogenannter revisionistischer Kreise, also von Kreisen, die den Holocaust relativieren wollen. Dann folgt die Verhöhnung, indem die wissenschaftliche Expertise zynisch kommentiert wird. Übrigens vom gleichen User, der die Wissenschaftler*innen zuvor als „Verbrecher“ bezeichnet hatte.

Beachtlich, dass diese seltsamen Rechenspiele sowie die Behauptung, dass der Artikel eine Lüge wäre, 20 weiteren User*innen des Krone-Forums gefallen. Dabei wurde im Artikel das Gewicht der Überreste sogar explizit erklärt: „Die Zahl wird anhand des Gewichts der gefundenen Asche errechnet. Zwei Kilogramm menschlicher Asche entsprechen in etwa einer Leiche.“ Doch das kümmert die Poster*innen offenbar nicht.

Dazu ist unklar, woher die Behauptung stammt, dass polnische Medien von 15,8 Tonnen menschlicher Überreste schreiben würden. Dagegen finden sich Artikel polnischer Medien im Netz, die – genauso wie die internationalen Artikel – von 17,5 Tonnen schreiben.

Andere behaupten, Polen wolle mit der Veröffentlichung des Fundes nur Geld machen. Es ist ebenfalls eine beliebte „Argumentation“ in einschlägigen Kreisen:

Jeweils 18 User*innen finden die beiden ersten Beiträge gut. Der dritte gefällt sogar 25 Personen. Nur 7 User*innen dagegen missfällt diese Relativierung der NS-Verbrechen.

Dann folgt das klassische „Hören wir auf, über die Nazi-Verbrechen zu sprechen“. Das finden dann sogar 36 User*innen gut, nur 11 missfällt das. Über 75 Prozent drücken also ihre Zustimmung aus.

Wer dagegen die politische Agenda dieser Postings in Frage stellt, wird mit Pfeilen runter gewählt:

Hier widersprechen dann wieder über 75 Prozent – es ist ein deutlicher Hinweis auf die Stimmung im Krone-Forum.

Alle Screenshots wurden von mir am 19.07. mittags gemacht, also fünf Tage nach Veröffentlichung des Artikels. Bei jedem Screenshot ist zu sehen, dass er zum Zeitpunkt der Dokumentation zwischen zwei und vier Tagen alt ist. Es wäre also mehr als genug Zeit für das Moderationsteam der Krone gewesen, die entsprechenden Beiträge zu löschen. Dennoch sind die Beiträge auf der Seite der Krone weiter online abrufbar. Ich habe dazu auch eine Anfrage an die Krone gestellt.

Die Krone hat die Beiträge offenbar sogar im Vorfeld geprüft

Ich wollte wissen, was die Chefredaktion der Krone zu diesen Postings sagt und welche Moderationskriterien es gibt. Die Krone wollte sich nicht äußern. Doch beachtlich ist, dass laut einem Eintrag über den Postings jeder Beitrag zuerst geprüft wird und erst danach freigegeben – die Krone sieht also offenbar kein Problem dabei, diese Beiträge online zu stellen.

Dabei hätte sogar die redaktionseigene „Netiquette“ der Krone für das Forum jede Möglichkeit geboten, diese Beiträge zu löschen. Denn dort wird erklärt, was in der „krone.at-Community nicht willkommen“ sei. Unter anderem die „bewusste oder unbewusste Verbreitung von in manipulativer Absicht verbreitete Falschmeldungen“, die Verharmlosung von Gewalt und Straftaten sowie die „Verunglimpfung von Opfern, pietätlose Aussagen, Inhalte gegen die guten Sitten“.  Es wird wohl gar nicht so einfach werden, eindeutigere Beispiele zu finden als die Postings unter dem Bericht über den grausigen Fund menschlicher Überreste.

 

Im Forum selbst gibt es zu diesem Artikel insgesamt 63 Kommentare – ob weitere Kommentare gelöscht wurden, ist nicht feststellbar. Doch vermutlich haben mindestens mehrere tausend Menschen den Artikel angeklickt und gelesen. Und viele dieser Menschen haben dann auch die Kommentare gelesen. Es ist eine Politik der Krone, die jahrzehntelang zurückreicht: Nicht nur das Forum, sondern auch die Leser*innenbriefseite der Krone („Das freie Wort“) gelten als Orte, wo sich rechte Kampfposter*innen besonders wohl fühlen.

Die Krone selbst legt dann immer wieder noch eins drauf: Die Krone-Kolumnisten Michael Jeannée sowie der im Februar verstorbene Richard Nimmerrichter („Staberl“) sind so oft einschlägig aufgefallen, dass es den Rahmen dieses Artikels sprengen würde, auch nur mit der Aufzählung zu beginnen. Aktuell gibt Tassilo Wallentin den Einpeitscher – er war unter anderem als Kandidat der FPÖ bei der kommenden Bundespräsidentschaftswahl im Gespräch. Und manchmals wird es dann auch direkt parteipolitisch, etwa mit Andreas Mölzer als Kolumnisten. Der Burschenschafter ist FPÖ-Kader, Ex-FPÖ-Spitzenkandidat zur EU-Wahl und seit Kurzem auch neuer Vorsitzender des einschlägigen Kärntner Heimatdienstes.

Dem Posting eines Users im Krone-Forum ist wohl wenig hinzuzufügen:

 

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