Die neofaschistische Gruppe „Identitäre“ konnte am Samstag durch die Wiener Innenstadt marschieren, bei der Abschlusskundgebung sprach FPÖ-Stenzel. Die Rolle der Polizei ist fragwürdig. Hier könnt ihr lesen, was an diesem Tag passiert ist.

Mit Fackeln und Bannern marschierten am Samstagabend rund 300 bis 400 Rechtsextreme durch die Wiener Innenstadt. Bewacht und beschützt wurden sie von der Wiener Polizei. Aufgerufen hatte die neofaschistische Gruppe „Identitäre Bewegung“ (IB).

FPÖ-Stenzel und ihre „Freunde“

Bei der Abschlusskundgebung sprach dann unter anderem die hochrangige FPÖ-Politikerin Ursula Stenzel. Die nicht-amtsführende Wiener Stadträtin sprach die Teilnehmer der neofaschistischen Kundgebung dabei als ihre „Freunde“ an. Sie zeigte damit einmal mehr und exemplarisch, wie das tatsächliche Verhältnis der FPÖ zu den neofaschistischen Identitären ist. Update: Die Rede kann hier nachgehört werden.

Anwesend sollen laut einer Durchsage am Lautsprecherwagen neben ÖsterreicherInnen unter anderem Personen aus Deutschland, Ungarn, Polen und Dänemark gewesen sein. Der gesamte Aufmarsch vermittelte dabei das Bild einer internen Mobilisierung der IB und ihrer internationalen Kameraden. Gedacht weniger dafür, tatsächlich Personen von außen zu mobilisieren sondern eher dafür, Bilder für die Medien zu produzieren und intern Zusammenhalt zu vermitteln.

„Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda“

Größere antifaschistische Proteste gab es erst bei der Abschlusskundgebung am Karl-Lueger-Platz bei der Ringstraße. Der gewählte Abschluss-Ort ist dabei vermutlich kein Zufall, der Platz ist immerhin bis heute nach dem antisemitischen Wiener Bürgermeister Karl Lueger benannt.

Einige Dutzend AntifaschistInnen riefen unter anderem „Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda“ und „Wiener Polizisten schützen die Faschisten“. Die Polizei ging sofort mit der Hundestaffel gegen diese AntifaschistInnen vor und drängte sie vom Aufmarschplatz der extremen Rechten ab. Verhaftungen sind bisher keine bekannt.

Doch kein Kahlenberg

Eigentlich – oder angeblich – hätte der Aufmarsch der „Identitären“ am Wiener Kahlenberg stattfinden sollen. Es ist ein Ausflugsberg am Rande der Stadt. Bereits in den letzten beiden Jahren ist die Gruppe dort im Dunkeln und unter Ausschluss der Öffentlichkeit durch menschenleere Waldstücke gezogen.

Im Jahr 2016 wurde ein Aufmarsch-Versuch am Wiener Gürtel sehr schnell beendet, nachdem antifaschistische Blockaden und Demonstrationen sich den FaschistInnen in den Weg stellten. Danach schien die Gruppe die Lust an Aufmärschen im Wiener Stadtgebiet verloren zu haben und wählte stattdessen den Kahlenberg als neues Marsch-Ziel.

Nicht ohne Widerstand

Doch auch die Aufmärsche am Kahlenberg fanden in den letzten Jahren nicht ohne antifaschistischen Widerstand statt. Die Polizei erwies sich dabei als sehr hilfreich und sperrte den gesamten Ausflugsberg großräumig ab. Wegen der Einschränkung der journalistischen Berichterstattung beim Aufmarsch 2017 durch die Polizei habe ich selbst vor dem Verwaltungsgericht Wien Beschwerde erhoben. Der Fall ist inzwischen bereits beim Obersten Gericht, beim Verwaltungsgerichtshof.

Auch 2019 riefen linke AntifaschistInnen zu Protesten gegen den geplanten neofaschistischen Marsch auf. Die beiden Bündnisse „Offensive gegen Rechts“ und „Plattform radikale Linke“ einigten sich auf eine gemeinsame Mobilisierung.

Blockaden und Ablenkung

„Unser Ziel ist es mit Mitteln des zivilen Ungehorsams die Anreise der Faschist*innen zu blockieren und somit ihren Aufmarsch zu verhindern oder zu beeinträchtigen“, hieß es im gemeinsamen Aufruf der beiden Bündnisse. Entsprechend wurden im Vorfeld zwei Blockadepunkte festgelegt, einer sollte den Zugang zum Kahlenberg von der Wiener Seite blockieren, einer von der niederösterreichischen Seite. Gegen 17:00 Uhr waren beide große Zufahrten auf den Berg von AntifaschistInnen blockiert.

Am Kahlenberg selbst waren bereits seit dem frühen Nachmittag bekannte Kader der Gruppe gut sichtbar präsent. Ebenso vor Ort war ein Pritschenbus, offensichtlich gedacht als Demo-Wagen. Um 17:53 Uhr allerdings verließen der Bus und die weiteren offensichtlich den Identitären zuordenbaren Autos den Parkplatz Kahlenberg und fuhren über eine kleine und offenbar nicht blockierte Seitenstraße ab.

Neuer Treffpunkt: Innenstadt

Kurz danach, um 18:14 Uhr, gaben die NeofaschistInnen über Telegram bekannt, dass der Aufmarschtreffpunkt in die Wiener Innenstadt verlegt worden sei. Neuer Sammelpunkt sei nun die Mölkerbastei direkt gegenüber der Universität Wien. Im Anschluss marschierten die TeilnehmerInnen über die Freyung, den zentralen Wiener Stephansplatz und die Wollzeile zur Abschlusskundgebung am Karl-Lueger-Platz bei der Ringstraße.

Eine Polizeisprecherin erklärte mir gegenüber am Telefon, dass es Attacken auf NeofaschistInnen gegeben hätte und dies der Grund für die Verlegung sei. Diese Erklärung ist mindestens fragwürdig.

Fragwürdige Rolle der Polizei

Zum einen gibt es zumindest bisher (Stand Sonntag 13:00 Uhr) keine Presseaussendung der Polizei mit weiteren Hinweisen zu einem solchen Vorfall. Zum zweiten wäre es gänzlich ungewöhnlich, dass aufgrund solcher Vorfälle eine gesamte Marschroute verändert wird. Und zum dritten könnte es Attacken natürlich genauso in der Wiener Innenstadt geben wie am Kahlenberg.

Auf ihren Telegram-Kanälen schreiben die NeofaschistInnen hingegen, dass bereits im Vorfeld eine alternative Route in der Wiener Innenstadt angemeldet worden sei. Die Strategie sei „geplant“ gewesen, schreibt etwa IB-Sprecher Martin Sellner in einem Kommentar.

„Geplante“ Strategie

Für eine im Vorfeld geplante Strategie spricht auch, dass es offenbar einen internen Treffpunkt in der Wiener Innenstadt gegeben hat, der nur Eingeweihten bekannt gewesen ist. Am Kahlenberg fanden sich dann kaum Personen ein. Der Erfolg dieser Strategie zeigt allerdings auch, dass es den FaschistInnen offenbar nicht gelungen ist, über ihre eigenen engen Zirkel hinaus zu mobilisieren.

Die AntifaschistInnen am Kahlenberg stellte diese Strategie naturgemäß vor große Probleme. Sie waren noch mitten auf dem Kahlenberg, während sich die FaschistInnen bereits in der Wiener Innenstadt versammelten. Dennoch wurde auch der Marsch in der Innenstadt immer wieder von kleinen Gruppen zumindest verbal gestört, die unter anderem „Nazis raus“ skandierten.

Polizei drängt AntifaschistInnen ab

Größere Proteste gab es allerdings erst bei der Abschluss-Kundgebung am Lueger-Platz. Die TeilnehmerInnen der Blockade der „Plattform radikale Linke“ hatten es aus Niederösterreich zu diesem Zeitpunkt offenbar zum großen Teil in die Wiener Innenstadt geschafft. Die TeilnehmerInnen der „Offensive gegen Rechts“ schafften es hingegen bis auf einzelne Personen nicht bis zur Abschlusskundgebung.

Als die rund 50 AntifaschistInnen begannen, Parolen gegen die FaschistInnen zu rufen, wurde die Polizei sofort und aggressiv aktiv. So wurde unter anderem unmittelbar die Hundestaffel aufgezogen, die Situation wirkte so, als würde die Polizei einen Kessel vorbereiten.

Polizeitaktisch nachvollziehbare Gründe für dieses aggressive Vorgehen waren kaum erkennbar. Schließlich wurden die AntifaschistInnen mit Hunden und Spezialeinheiten Richtung Stadtpark getrieben.

Feier der FaschistInnen im Centimeter

Die FaschistInnen konnten abschließend noch in einem Lokal der Wiener Centimeter-Kette in der Lenaugasse feiern, beschützt von starken Polizeikräften. Die Ortswahl ist dabei vermutlich ebenso wenig ein Zufall wie beim Lueger-Platz.

Der Eigentümer der Kette, Heinz Pollischansky, dem auch die Stiegl-Ambulanz im Alten AKH und die Bar „Falco´s“ gehört, trat unter anderem 2015 für die rechte Liste WWW zu den Wiener Gemeinderatswahlen an. Involviert war dort unter anderem die FPÖ-Abspaltung BZÖ. Im Frühjahr 2019 nominierte die FPÖ den Rauchverbotsgegner Pollischansky dann als ihren Experten zum Thema NichtraucherInnen-Schutz.

Beschützt wurden die FaschistInnen bei ihrer Abschlussfeier im Centimeter – wie schon während des gesamten Tages – von starken Polizeikräften.

 

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