Katholische Fundis und Rechte marschierten bisher genau am Tag der Regenbogenparade am Wiener Stephansplatz. Damit ist nun offenbar Schluss. Die Rechten dürften die rechtzeitige Anmeldung vergessen haben.
„Wir haben ihnen den Marsch geklaut.“ So kündigen die linken Veranstalter:innen für Samstag eine Demo am Wiener Stephansplatz an. Und es ist eine ganz besondere Demonstration: Denn über Jahre hatten katholische und extreme Rechte genau am Tag der Regenbogen dort einen fundamentalistischen Aufmarsch organisiert.
Für diese Kreise sind die Selbstbestimmung über den eigenen Körper sowie gleiche Rechte für alle Menschen undenkbar. Die Rechtsaußen-Plattform „katholisches.info“ verteigt sich gar zur Behauptung, die Regenbogenfahne sei zum „antichristlichen Kampfsymbol geworden, das wider das Kreuz“ stünde.
Mit diesem Fundi-„Marsch für die Familie“ ist nun zumindest am Stephansplatz offenbar Schluss: Bisher hatten die Fundis ihren Aufmarsch dem Vernehmen nach immer sehr frühzeitig angemeldet – oder „angezeigt“, wie es im Amtsdeutsch korrekt heißt. Doch diesmal dürften die Fundis vergessen haben, ihren Aufmarsch rechtzeitig bei der Versammlungsbehörde anzuzeigen. Und deshalb konnte nun exakt am Stephansplatz eine „linke“ Demo angezeigt werden.
„Jahrelang vorbereitet“
Laut den Veranstalter:innen der neuen, queeren Demo sei das „jahrelang vorbereitet“ worden, wie mir einer der Organisatoren erzählt: Letztes Jahr sei dann der Anmelder des Fundi-Aufmarschs verstorben, daraufhin hätten sie nochmals eine eigene Demoanzeige nachgelegt. Auch die Seite der Fundis ist inzwischen offline. Das könnte auch noch auf eine weitere Möglichkeit hinweisen: Dass die Fundis nun aufgegeben haben. Auch auf den einschlägigen Portalen findet sich bisher kein Aufruf.
Die Landespolizeidirektion Wien bestätigt auf meine Anfrage, dass am Stephansplatz in diesem Jahr ausschließlich eine „Proud2bPride“-Demo angezeigt wäre. Darüberhinaus wäre auch insgesamt keine „offensichtliche Gegendemonstration gegen die Regenbogenparade“ angezeigt, so Polizeisprecherin Barbara Gass.
Ursprünglich war für Samstag auch ein Aufmarsch der antisemitischen Corona-Truppe „Fairdenken“ am Heldenplatz geplant, also direkt neben der Regenbogenparade. Dieser Aufmarsch wurde inzwischen aber offiziell abgesagt. Mit reichlich weinerlicher Begründung übrigens: Die Aufmärsche der Truppe seien „sehr geschrumpft“ und es würden „viel weniger Teilnehmer“ kommen. Da noch dazu parallel ein Festival am Heldenplatz stattfinden würde, wäre ein Aufmarsch nicht möglich.
„Bunt und nicht braun“
In diesem Jahr soll nun im Herzen von Wien unter dem Motto „Proud2bPride + Für Leiwand gegen (M)arsch“ demonstriert werden. „Kommt vorbei, macht mit und lasst uns eine neue Tradition in Wien starten, um die Welt mehr Leiwand und weniger (M)arsch zu machen“, heißt es in einem der Aufrufe zur Demo. Die neue Veranstaltung solle „bunt und nicht braun“ werden. Und die Veranstalter:innen wünschen sich: „Bringt gute Laune, Much Love und Herzlichkeit mit!“
Es wäre ein enormer Bruch mit den Gruppen, die in den vergangenen Jahren am Tag der Regenbogenparade den Stephansplatz prägten: Einschlägige Figuren, meist Männer, marschierten dort mit Schildern wie „Abtreibung ist Mord“ auf. Begleitet wurden sie von bekannten extremen Rechten und Personen mit Neonazi-Symbolik.
So waren etwa im Jahre 2022 mehrere Personen mit Sonnenbrillen der FPÖ-Jugendorganisation „Freiheitliche Jugend“ am Aufmarsch beteiligt. Letztlich nicht weiter verwunderlich, sprach doch auch die FPÖ-Politikerin Ursula Stenzel (ehemals ÖVP) bereits bei der Fundi-Veranstaltung.
Ebenfalls gerne am Podium: Georg Nagel, der einst schwer gescheiterte Sprecher des österreichischen Ablegers von Pegida. Später fiel Nagel unter anderem auf, nachdem er kurz nach dem Terroranschlag 2020 in Wien mit einem LKW durch die Stadt fuhr und Maschinengewehr-Geräusche abspielte.
So sieht heute Berichterstattung von extrem rechten Aufmärschen aus. Hier der Fundi-Aufmarsch gegen die #viennapride, der rechtsextreme Georg Nagel und andere attackieren mich. Polizisten sehen zu, lachen. Schließlich schreiten Polizisten drei Mal ein – immer gegen mich. #w1106 pic.twitter.com/GZ6YZR9nVl
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) June 12, 2022
Nagel, der mich bei meiner Berichterstattung regelmäßig attackierte, starb im März 2023, was einige Verwerfungen unter extrem rechten Medienplattformen auslöste. Die einen warfen den anderen vor, für Nagels Tod verantwortlich zu sein. Der Tod von Nagel könnte auch der Grund dafür sein, dass der Marsch 2024 nicht angemeldet wurde, er trat jahrelang als Veranstalter auf.
Burschenschafter Nagel hatte mindestens zeitweise ein Naheverhältnis zur neofaschistischen Gruppe Identitäre. Und auch deren Kader konnte ich vor Ort immer wieder dokumentieren. 2023 provozierte dann auch ein einschlägig bekannter Mann mit einer Kappe der deutschen Neonazi-Partei „III. Weg“.
Kurz: Diese Aufmärsche zeigten gleichzeitig auch die enorm wichtige Klammerfunktion des Thema LGBTI+ für die gesamte Rechte. Egal, ob rechte Katholik:innen, Fundamentalist:innen aus ÖVP und FPÖ, Identitäre oder Neonazis: Wenn es gegen gleichgeschlechtlich liebende Menschen und gegen Abtreibungen geht, finden sie alle zusammen
Der Fundi-Aufmarsch löste in den vergangenen Jahren immer wieder auch enorme Proteste aus. Zahlenmäßig mehrfach überlegene Linke und Queere stellten sich den Fundis regelmäßig unter dem Motto „Marsch fürn Arsch“ in den Weg. Sowohl am Stephansplatz wie danach auf der Marschroute der Rechten wurde demonstriert und blockiert.
Immer wieder führte auch das auch zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei, die den rechten Marsch offenbar mit allen Mitteln durchsetzen wollte. 2022 setzte die Polizei dabei sogar mehrmals Pfefferspray ein, wie ich vor Ort dokumentieren konnte.
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Doch 2024 soll ein ganz anderes Bild den Stephansplatz prägen – nun wollen dort Menschen für gleiche Rechte für gleichgeschlechtliche liebende Menschen auf die Straße gehen. Ab 12 Uhr soll es losgehen, zeitlich also ein Auftakt zur Regenbogenparade. Ein weiterer Aufruf ist für 13 Uhr angesetzt. Angekündigt wird der „Marsch fürn Arsch“ als eine „kämpferisch queere Demonstration“.
Die große Wiener Pride, zu der wieder hunderttausende Menschen erwartet werden, ist zwar offiziell ebenfalls bereits ab 12:00 Uhr am Rathausplatz angekündigt. Danach wird der Zug – wie in jedem Jahr – „andersrum“, also gegen die Fahrtrichtung, um die Ringstraße führen. Doch erfahrungsgemäß ist immer erst etwas später am Ring so richtig viel los.
Auf der Proud2bPride-Demo am Stephansplatz soll davor „noch eine Runde spaziert werden“, wie es heißt. Auf genau der Route, die „sonst ewiggestrige Berufsempörte nehmen“. 2024 soll das ganz anders werden. Der Wunsch der Veranstalter:innen: „In diesem Jahr weht auch vor dem Stephansdom im Herzen Wiens die Regenbogenflagge!“
Aktualisiert um ein Statement der Veranstalter:innen zur Vorbereitung der Demo sowie um weitere Infos zu Georg Nagel und zum abgesagten Fairdenken-Aufmarsch. Stellungnahme der Landespolizeidirektion Wien eingefügt.
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