Viele Menschen in Österreich gehen am 8. Dezember einkaufen, andere nehmen sich einen Tag Erholung. Ich war selbst Handelangestellter: Für hunderttausende Angestellte im Handel ist der fehlende Feiertag die Hölle.

Ich war damals selbst noch Handelsangestellter – und fast hätte ich an diesem Tag meinen Job verloren. Es war kurz, nachdem die damalige Bundesregierung einen bösartigen Anschlag auf die Rechte der Kolleg:innen im Handel umgesetzt hatte: Ab dem Jahr 1995 sollte der 8. Dezember für Handelsangestellte kein Feiertag mehr sein.

Im Betrieb, wo ich damals gearbeitet hatte, hatten wir eine Betriebsversammlung. Das eindeutige Ergebnis: Das Weihnachtsgeschäft ist für Handelsangestellte ohnehin unglaublich anstrengend. Wer noch nie im Handel gearbeitet hat, kann es sich kaum vorstellen.

Das Weihnachtsgeschäft ist unglaublich anstrengend

Kaum eine Minute Ruhe schon ab November und vor allem im Dezember. Gestresste und unfreundliche Kund:innen. Laufende Warenanlieferungen, die ausgepackt und einsortiert werden müssen. Der Lärm aus den Lautsprechern mit Last Christmas und Co in penetranter Dauerschleife. Und nach Betriebsschluss ein völliges Chaos im Geschäft, das bis spät abends wieder in Ordnung gebracht werden muss. Der 8. Dezember war da immer ein wichtiger Ausgleich: Ein Feiertag mitten im Weihnachtsgeschäft, wo zumindest einmal unter der Woche ein wenig Ruhe ist. Wir alle wollten deshalb unseren Feiertag behalten, die Filiale sollte geschlossen bleiben.

Genauso übrigens, wie es bis heute im Arbeitsruhegesetz vorgesehen ist. Dort heißt es wörtlich: „Der Arbeitnehmer hat das Recht, die Beschäftigung am 8. Dezember auch ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Kein Arbeitnehmer darf wegen der Weigerung, am 8. Dezember der Beschäftigung nachzugehen, benachteiligt werden.“ Soweit die Theorie.

Enormer Druck auf die Kolleg:innen

Doch als wir unseren Beschluss dem Eigentümer mitteilten, war seine Reaktion bezeichnend. Mich hatte er offenbar als „Rädelsführer“ ausgemacht und teilte mir mit: „Wenn Sie hier nicht arbeiten wollen, dann können Sie sich auch gerne einen anderen Job suchen.“ Ich bin damals dennoch am 8. Dezember nicht zur Arbeit gegangen, meinen Job habe ich nicht verloren. Doch die Filiale blieb offen. Alle anderen Kolleg:innen waren unter der Sorge vor dem Arbeitsplatzverlust eingebrochen.

Bild: Michael Bonvalot

Ich war niemandem böse, ich habe das gut verstanden. Ein sehr lieber Kollege kam etwa zu mir und erzählte mir von seinen laufenden Krediten. Er hatte einfach extreme Angst, den Job zu verlieren. Und genauso wird es vermutlich auch in vielen anderen Betrieben laufen, wenn es um die tatsächliche Freiwilligkeit der Arbeit am 8. Dezember geht.

Profite auf dem Rücken der Handelsangestellten

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Jahrhundertelang war der 8. Dezember in Österreich ein Feiertag gewesen. Generell abgeschafft wurde er dann von den Nazis – zweifellos zur Freude ihrer kapitalistischen Finanziers. Nach dem Zweiten Weltkrieg, im Jahr 1955, wurde der 8. Dezember erneut zum Feiertag erklärt. Doch für Handelsangestellte kam dann 1995 der große Bruch: Auf ihrem Rücken wurde ein weiterer Tag für den Konsum geschaffen und sie verloren ihren freien Tag. Verantwortlich dafür war die damalige rot-schwarze Bundesregierung unter Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ).

Der abgeschaffte Feiertag am 8. Dezember ist dabei nicht die einzige Verschlechterung für Handelsangestellte in den letzten Jahren. Auch die Öffnungszeiten werden immer weiter ausgedehnt – mit enormen negativen Folgen für das Sozial- und Familienleben. Dabei könnte auch anders ausreichend Zeit zum Einkaufen für alle Menschen geschaffen werden: Durch eine generelle Arbeitszeitverkürzung.

Ob die Rechnung für die Handelskonzerne aufging?

Das ist bis heute unklar. Aktuell wirkt es eher so, als würden viele Betriebe am 8. Dezember vor allem deshalb aufsperren, weil es die Konkurrenz ebenfalls tut. Doch vor allem kleinere Geschäfte außerhalb von Einkaufszentren und Einkaufsstraßen winkend dankend ab und halten geschlossen. Ein wesentlicher Grund für die Zurückhaltung sind wohl weniger soziale Überlegungen, sondern vielmehr die Lohnkosten.

Denn der 8. Dezember ist für die Beschäftigten als Feiertag zumindest nicht so schlecht bezahlt – allerdings nur, wenn die Unternehmen auch korrekt bezahlen. Und das ist keineswegs fix: Laut AK wurde in Österreich im Jahr 2022 jede vierte Überstunde nicht bezahlt. Männern werden 23 Prozent nicht abgegolten, bei Frauen – die zu einem deutlich höheren Anteil im Handel arbeiten – sind es sogar 28 Prozent!

Ein Argument für die Abschaffung des Feiertags war die angebliche Abwanderung von Kaufkraft in die Nachbarländer. Doch real wird die Anzahl jener Konsument:innen, die nur wegen der geschlossenen Geschäfte am 8. Dezember zum Einkaufen in umliegende Länder gefahren sind, wohl überschaubar gewesen sein. Wer dagegen über der Grenze eingekauft hat, weil dort beispielweise bestimmte Waren billiger waren, wird das vermutlich trotz offener Geschäfte in Österreich auch weiterhin tun. Und was die Binnennachfrage in Österreich betrifft: Menschen haben schlichtweg nicht mehr Geld, weil die Geschäfte einen weiteren Tag offen haben.

Hundertausende Menschen sind betroffen

Rund 560.000 Menschen arbeiten heute laut Wirtschaftskammer in Österreich im Handel. Das ist verdammt viel, ein Viertel aller unselbstständig Beschäftigten. Es ist eine klassische Niedriglohnbranche. Überdurchschnittlich viele Handelsbeschäftigte sind Frauen, überdurchschnittlich viele haben eine Migrationsgeschichte.

All diese Menschen hätten einen Feiertag verdient, wo sie zur Ruhe kommen können. Wo sie Zeit mit ihrer Familie, ihren Freund:innen oder auch in Ruhe alleine verbringen können. Wo sie einmal durchatmen können.

Update: Dieser Artikel wurde am 10.12. um Informationen zur Bezahlung von Überstunden in Österreich, die Argumente von Regierung und Wirtschaft für die Abschaffung des Feiertags sowie die Lohnkosten am 8.12. ergänzt. Korrektur: In einer ersten Version des Artikels stand der Hinweis, dass in Österreich 1995 eine schwarz-blau/orange Koalition an der Regierung gewesen wäre. Tatsächlich war das selbstverständlich erst 2005 der Fall, nicht 1995. Sorry!

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