Eine Gruppe von mutmaßlichen Neonazi-Terroristen wurde in Deutschland festgenommen. Wichtige Spuren führen nach Österreich, wo es auch Hausdurchsuchungen gab.

Sie wollten mit Waffengewalt Gebiete in Ostdeutschland erobern und dort einen Nazi-Staat errichten. Das wirft die Bundesanwaltschaft einer Gruppe von mutmaßlichen Rechtsterroristen vor, die am Dienstagmorgen in verschiedenen Orten in Sachsen und Polen festgenommen wurde.

Titelbild: Symbolbild, Michael Bonvalot

Ermittlungen gibt es auch in Österreich: Unter den Beschuldigten befinden sich laut Spiegel auch die Brüder Jörg und Jörn S., die zur Familie eines bekannten extremen Rechten aus Österreich gehören. Jörg S., der in Polen festgenommen wurde, soll der Anführer der Gruppe gewesen sein. Bei zwei weiteren Brüdern fanden laut taz Hausdurchsuchungen statt.

Österreichisches Neonazi-Milieu

Bereits der Vater der vier Brüder, Hans Jörg S. jun., war Führungskader der österreichischen Neonazi-Gruppe VAPO (Volkstreue Außerparlamentarische Opposition) rund um Neonazi-Gesicht Gottfried Küssel gewesen. S. übersiedelte später nach Deutschland, wo er auch später immer wieder einschlägig auffällig wurde. Der Onkel, René S., tauchte in seiner Jugend ebenfalls in diesem Milieu auf. Später wechselte er allerdings zur FPÖ und arbeitete dort ab 2015 in hochrangiger Position für den späteren FPÖ-Minister Norbert Hofer.

Und auch schon der Großvater, Hans Jörg S., war ein langjähriger und hochrangiger FPÖ-Politiker. Aus rechtlichen Gründen wird der vollständige Name hier nicht genannt. Ebenfalls unter den Beschuldigten: Mehrere Politiker der AfD.

Schüsse bei der Festnahme

Bei einem der Terrorverdächtigen handelt es sich laut deutschen Medien um Kurt H., Mitglied der AfD-Jugendorganisation Jungen Alternative (JA) sowie Kreisvorstand der AfD im Landkreis Leipzig. Zudem sitzt H. im Stadtrat der sächsischen Kreissstadt Grimma. Laut Spiegel seien bei H.s Verhaftung in Grimma sogar Schüsse gefallen. Demnach habe der AfD-Politiker bei der Festnahme durch Spezialeinsatzkräfte einen Karabiner ergriffen, woraufhin Beamte der Bundespolizei zwei Warnschüsse abgegeben hätten.

Im weiteren Verlauf sei H. mit einer Wunde im Kieferbereich zu Boden gegangen. Ob es sich um eine Polizeikugel oder ein Geschoss aus H.s eigener Waffe handelte, blieb laut Ermittlern zunächst unklar. Eine kriminaltechnische Untersuchung soll Klarheit schaffen.

Hausdurchsuchungen in Wien und Niederösterreich

Insgesamt wurden bereits acht Tatverdächtige zwischen 21 und 25 Jahren festgenommen, Ermittlungen gibt es gegen sieben weitere Beschuldigte. Aktuell gibt es laut Bundesanwaltschaft richterlich angeordnete Durchsuchungen in rund 20 Objekten. Ebenfalls durchsucht werden Räumlichkeiten „von nichttatverdächtigen Personen“ in Wien und im niederösterreichischen Bezirk Krems-Land. In diesem Bezirk, vor allem in Langenlois, hatte die VAPO schon in den 1990er Jahren Wehrsportübungen organisiert.

Jetzt Journalismus mit Meinung und Haltung unterstützen! 

Die Beschuldigten sollen einer spätestens im November 2020 gegründeten Vereinigung namens „Sächsische Separatisten“ angehört haben. Die offensichtliche Abkürzung „SS“ ist wohl kein Zufall. Die Gruppe sei durch eine „rassistische, antisemitische und in Teilen apokalyptische Ideologie“ geprägt.

Die „SS“ wollte mit Waffengewalt Teile von Ostdeutschland erhoben

Die Gruppe soll geplant haben, im Zuge eines gesellschaftlichen Zusammenbruchs („Tag X“) mit Waffengewalt Gebiete in Sachsen und gegebenenfalls anderen ostdeutschen Bundesländern zu erobern. Dort wollte sie dann, so die Bundesanwaltschaft, „ein am Nationalsozialismus ausgerichtetes Staats- und Gesellschaftswesen“ errichten. Unerwünschte Menschengruppen sollten „notfalls durch ethnische Säuberungen aus der Gegend entfernt werden“. Der „Tag X“ ist eine zentrale Parole der extremen Rechten: An diesem Tag sollen gesellschaftliche Strukturen zusammenbrechen, dann soll der Nazi-Aufstand beginnen.

Die 15 bis 20 mutmaßlichen Mitglieder der Gruppe hätten bereits wiederholt paramilitärische Trainings mit Kampfausrüstung durchgeführt. Dabei seien der Häuserkampf, der Umgang mit Schusswaffen, Nacht- und Gewaltmärsche sowie Patrouillengänge eingeübt worden. Überdies beschaffte sich die Gruppierung militärische Ausrüstungsgegenstände, so etwa Tarnfleckanzüge, Gefechtshelme, Gasmasken und Schutzwesten.

Terrorverdacht

Du kannst das folgende Banner mit einem Klick auf das X wegdrücken und weiterlesen! Oder Du kannst davor noch Journalismus mit Meinung und Haltung unterstützen!

Die festgenommenen Mitglieder der Gruppe sollen dringend verdächtig sein, sich in einer „inländischen terroristischen Vereinigung“ betätigt zu haben. Bei jenen Beschuldigten, die noch auf freiem Fuß sind, bestünde der Verdacht der Mitgliedschaft oder Unterstützung in Bezug auf die terroristische Vereinigung. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.

In Deutschland sind laut Behörden heute rund 450 Sicherheitskräfte und Polizeibeamt:innen im Einsatz. In Österreich werden die Maßnahmen von der Direktion Staatschutz und Nachrichtendienst (DSN, ehemals BVT) umgesetzt. Anfragen bei der DSN und der Landespolizeidirektion Wien sind gestellt, der Artikel wird bei Eintreffen entsprechend aktualisiert.

Warum werden Nazi-Anschlagspläne kaum berichtet?

Immer wieder fällt auf, dass die Behörden bereits den Besitz von IS-Propagandamaterial in großen Pressekonferenzen berichten. Der Kontrast zur Berichterstattung über extrem rechten Terror ist dabei enorm auffällig. Sichtbar wurde das etwa bei einem geplanten Anschlag auf das linke Wiener Volksstimmefest. Der Täter hatte bereits erfolgreiche Probesprengungen durchgeführt. Dazu hatte er auch eine “Feindesliste”, die er als “potenzielle Ziele” bezeichnete.

Dazu war der Täter als langjähriger Anhänger der neofaschistischen Gruppe Identitäre politisch bestens vernetzt. Im steirischen Zentrum der Gruppe, dem “Kulturverein Kreidfeuer” in Markt Hartmannsdorf, soll er regelmäßig zu Gast gewesen sein.

Doch in diesem Fall folgte keine umfangreiche Information des Innenministeriums an die Medien. Ganz im Gegenteil: Die Information über den geplanten Anschlag wurde still und heimlich im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2022 verpackt. Erst, nachdem ich das recherchiert und veröffentlicht hatte, sprangen Österreichs Medien auf. Wie die Behörden die Terror-Berichterstattung steuern, habe ich hier für euch aufgeschrieben.

Auch zum aktuellen Fall gibt es bis zum Erscheinen dieses Artikels keine Pressemeldungen seitens des Innenministeriums, des DSN oder der Landespolizeidirektionen Wien und Niederösterreich. Gleichzeitig zeigen die aktuellen Verhaftungen erneut, wie gefährlich die Neonazi-Szene in Deutschland und in Österreich ist. Regelmäßig gibt es neue Waffenfunde, hier habe ich eine regelmäßig aktualisierte Liste aller rechten Waffenfunde in Österreich für euch zur Verfügung gestellt.

Es gibt keine Entwarnung.

Aktualisiert um weitere Informationen über die Beschuldigten sowie die Schüsse bei der Festnahme von AfD-Politiker H..

Diese Recherche war viel Arbeit. Wieviel ist Dir guter Journalismus wert?

Standpunkt.press wird ausschließlich über Deine Spenden finanziert. Schon ab fünf Euro kannst Du einen wichtigen Beitrag leisten. Und wenn Du standpunkt.press künftig monatlich unterstützt, können in Zukunft noch viel mehr Recherchen erscheinen. Vielen Dank!

• Spendenkonto – monatlich/einmalig:

IBAN: AT64 1420 0200 1026 2551
BIC: BAWAATWW
Easy Bank, 1100 Wien
Kontoinhaber: Michael Bonvalot
(Bitte die Mailadresse als Verwendungszweck, damit ich Dich bei technischen Fragen erreichen kann!)

• Kreditkarte und Paypal – monatlich/einmalig:



 

• Steady – monatlich: Klick hier für Steady!
[Steady zieht hohe Gebühren ab, Bank/Paypal ist daher besser, wenn es Dir möglich ist!]

• Patreon – monatlich: Klick hier für Patreon!
[Patreon zieht hohe Gebühren ab, Bank/Paypal ist daher besser, wenn es Dir möglich ist!]

Vielen Dank für Deine Unterstützung!

Hast Du diesen Artikel lesenwert gefunden? Schick ihn jetzt weiter!