Tausende Jobs im Bildungswesen könnten gefährdet sein – und dazu die Betreuung von zehntausenden Kindern. Kampfmaßnahmen sind geplant.

Mit einer nun bekannt gewordenen Novelle will die Bundesregierung eine Reihe von Schulgesetzen umschreiben. Dadurch würden alleine in Wien 2.300 Jobs in der Freizeitpädagogik schlagartig in Frage gestellt, glaubt der Betriebsrat bei „Bildung im Mittelpunkt“ (BiM). BiM betreut freizeitpädagogisch Kinder an über 140 Wiener Volksschule. Ähnliche Angebote gibt es in allen österreichischen Bundesländern. Alleine in Wien werden nach eigenen Angaben rund 35.000 Kinder von BiM betreut.

Die Angebote sind jedoch lokal sehr unterschiedlich gestaltet. Teilweise läuft die Nachmittagsbetreuung über Vereine, teilweise direkt über die Gemeinden oder eben über stadteigene GmbHs, wie im Fall der Stadt Wien.

Mit ihrer Novelle plant die Bundesregierung scheinbar eine Vereinheitlichung dieses Fleckerlteppichs. Das Berufsbild der „Freizeitpädagogin“ soll dabei zur Gänze abgeschafft werden. Sie sollen durch so genannte „Assistenzpädagog:innen“ ersetzt werden. „Für die Kolleg:innen bedeutet das weniger Geld im Monat, schlechtere Ausbildung und massiv ausgeweitete Aufgaben“, so BiM-Betriebsrat David Lang gegenüber standpunkt.press.

Was heißt das nun konkret? Schauen wir zunächst auf die Ausbildung der „Assistenzpädagog:innen“. Bislang durchlaufen angehende Freizeitpädagog:innen eine zweisemestrige Berufsausbildung an einer pädagogischen Hochschule. Dort sammeln sie 60 sogenannte ECTS-Punkte. Das ist ein Punktesystem, mit dem europaweit Studiengänge systematisiert werden. Je mehr ECTS-Punkte ein Studium abverlangt, desto länger wird eine Studentin oder ein Student dafür brauchen. Laut der geplanten Novelle werden zukünftig für die Ausbildung einer Assistenzpädagogin nur mehr 30 ECTS-Punkte veranschlagt. Das bedeutet also: Eine Halbierung gegenüber dem derzeit gültigen Modell. Und damit auch eine viel schlechtere Ausbildung der künftigen Freizeitpädagog:innen, die die Kinder betreuen.

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Schlechtere Ausbildung, weniger Geld

Während die Berufsausbildung für die Assistenzpädagog:innen zurückgeschraubt wird, werden andernorts Zugangshürden errichtet. Laut Novelle sollen zukünftig nur mehr Maturant:innen diese Ausbildung an einer pädagogischen Hochschule beginnen dürfen. Die Ausbildung für das Berufsbild „Freizeitpädagog:in“ dagegen stand auch Menschen ohne Matura-Abschluss offen. Offen scheint außerdem, ob zukünftig auch ausländische Schul- und Bildungsabschlüsse für den Beginn einer Ausbildung als „Assistenzpädagog:in“ anerkannt werden. Für angehende Freizeitpädagog:innen ist das bislang der Fall. BiM-Betriebsratsvorsitzende Selma Schacht bezeichnet diese Pläne als „Schmalspurausbildung“. Die „völlig unsinnigen Einstiegshürden“ seien, so Schacht, „nicht nur schlecht für die Beschäftigten, sondern werden sich negativ auf die Kinder auswirken.“

Der BiM-Betriebsrat befürchtet jetzt, dass die Bundesregierung die Novelle noch diesen Sommer beschließen und bis September 2024 umsetzen lassen möchte. Völlig unklar scheint dabei zu sein, was dann mit den tausenden derzeit in der österreichischen Freizeitpädagogik arbeitenden Menschen passieren wird. Das betrifft nicht nur diejenigen, die als Pädagog:innen die Nachmittagsbetreuung organisieren. So beschäftigt BiM in Wien auch über 50 Arbeitskräfte in der Firmenzentrale. Sie könnten im schlimmsten Fall ihre Arbeit verlieren, sollte BiM aufgelöst werden.

Durch die Neuorganisierung der Nachmittagsbetreuung wird außerdem massiv in die Gehälter der betroffenen Beschäftigten eingegriffen: Bislang gilt für Freizeitpädagog:innen der Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft Österreich. Sobald die neue Novelle in Kraft tritt, soll aber ein neues Gehaltsschema für Assistenzpädagog:innen zur Anwendung kommen, wie aus der Novelle hervorgeht. Hier fürchtet der BiM-Betriebsrat Gehaltskürzungen von bis zu 19 Prozent. Außerdem soll die Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulage wegfallen. Völlig in den Sternen steht laut Betriebsrat außerdem, welche Auswirkungen die Neuregelung auf bestehende Betriebsvereinbarungen und andere arbeitsrechtliche Aspekte hat, wie zum Beispiel der Anrechnung von Vordienstleistungen.

Arbeitszeitverlängerung droht

Unter anderem könnte den Beschäftigten sogar eine Arbeitszeitverlängerung ins Haus stehen. So gilt im derzeit gültigen Kollektivvertrag die 37-Stundenwoche. Jede darüber hinaus geleistete Arbeitsstunde wird zusätzlich bezahlt. Der öffentliche Dienst dagegen sieht die 40-Stundenwoche vor. Das könnte längere Arbeitszeiten bei geringerem Lohn bedeuten. „Schon jetzt können viele Planstellen in dem Bereich nicht oder viel zu spät nachbesetzt werden“, kritisiert Betriebsrat Lang. „Der Job in der Freizeitbetreuung ist sehr anstrengend. Das sind ähnliche Probleme wie im Sozialbereich und in der Pflege. Jetzt sollen die Arbeitsbedingungen noch unattraktiver gemacht werden.“

Letzteres zeigt sich unter anderem in den geplanten Änderungen des Berufsprofils. Bislang ging es immer auch um die Ausgestaltung eines kreativen Nachmittagsangebots, zu dem unter anderem musikalische oder sportliche Elemente gehören. Die Gesetzesnovelle scheint demgegenüber einen Schwerpunkt auf das Nachpauken von Schulstoff zu legen. Assistenzpädagog:innen sollen so den Lehrer:innen zuarbeiten. Der derzeit bestehende freizeitpädagogische Aspekt soll nach Ansicht des BiM-Betriebsrates wegfallen.

Kampfmaßnahmen werden geplant

Betriebsrat und Belegschaft wollen das nicht kampflos hinnehmen. „Am Mittwoch vormittag nahmen bereits über 1000 Beschäftigte an einer Betriebsversammlung teil“, berichtet BiM-Betriebsrat Lang. Die Stimmung bescheibt er als „wütend, kämpferisch und entschlossen“, auch wenn es natürlich auch Sorgen gebe. Am 1. Juni wollen die BiM-Beschäftigten mit einer öffentlichen Protest-Betriebsversammlung auf die Straße gehen. Und am 15. Juni soll ganztägig gestreikt werden. An diesem Tag plant dazu auch ein österreichweites Bündnis Proteste im Bildungswesen.

Für diesen Artikel wurde das österreichische Bildungsministerium um eine Stellungnahme angefragt. Diese steht derzeit noch aus.

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