In einem neuen Video propagiert die FPÖ völlig absurde Verschwörungserzählungen. Einschlägige Codes sind dabei. Mit diesen Angriffen wird die FPÖ wohl auch in den Wahlkampf gehen. Ihr solltet sie kennen.

In diesem ebenso bizarren Video der FPÖ ist alles drinnen, was die Verschwörungsszene seit Jahren an Schwachsinn verbreitet. Da ist etwa die Rede von einem nur „angeblich menschengemachten“ Klimawandel. Kindergärten seien Ausdruck einer „menschenfeindlichen Entwicklung“. Und Klaus Schwab, der Gründer der wirtschaftlichen Lobbyorganisation World Economic Forum (WEF), sei „ein Strippenzieher im Hintergrund“ und Kopf einer weltweiten „globalistischen Krake“. Es sind Codes, die aus dem Antisemitismus seit vielen Jahren bekannt sind.

Screenshot: FPÖ TV

Es ist ein völlig absurdes Video, das die FPÖ am 23. Mai auf YouTube veröffentlicht hat. Der Titel: „Mit euch gegen das System. Die Freiheit und ihre Unterdrücker.“ Auf knapp 40 Minuten holt „FPÖ TV“ dann zum verschwörungserzählerischen Rundumschlag aus. Abgearbeitet wird dabei so ziemlich alles, was die einschlägige Szene seit Jahren trommelt.

Da ist alles drinnen, was die Verschwörungsszene liebt

Thema im Video sind etwa die Verharmlosung der Klimakrise, die Ukraine, das WEF, die Weltgesundheitsorganisation, Migration, Gender, der „Transhumanismus“ – und immer wieder die Corona-Pandemie. Der Leitsatz: Schuld an so gut wie allen Übeln der Welt wären angebliche „globalistische Eliten“, die im Hintergrund die Welt regieren würden.

Das Schlagwort von den „Globalisten“ ist in den letzten Jahren in der extrem rechten Szene zunehmend populär geworden. Laut einschlägigen Verschwörungserzählungen handelt es sich dabei um eine angeblich geheim agierende Weltelite. Es sind Propagandaslogans, die wohl nicht zufällig an die antisemitischen Bilder von den „heimatlosen Juden“ erinnern.

Weinerliche Opferrolle

Das Video beginnt reichlich weinerlich. Es gäbe „nur eine zulässige Meinung“, das sei „die Meinung der Mächtigen“, die „vor Kritik mit allen Mitteln geschützt“ werden müsse. Die genannten Beispiele: „Corona, Ukraine, Klima“. Bereits hier fällt die Bildsprache auf, die auch im weiteren Verlauf des Videos sehr wichtig werden wird. Denn parallel zu dieser Behauptung werden anonyme Silhouetten von Personen geblendet, die offenbar gerade etwas besprechen oder planen.

Wahlplakat für FPÖ-Chef Herbert Kickl. Bild: Michael Bonvalot

Angeblich würden diese ungenannten „Eliten“ mit dem „Dogma der Alternativlosigkeit“ agieren. Tatsächlich aber ginge es diesen Bösewichten um „die Einengung der Meinungsfreiheit, der Pressefreiheit, der Wissenschaftsfreiheit“. In Anbetracht des Standes der Meinungs- und Pressefreiheit in FPÖ-Vorbildern wie Russland oder Ungarn braucht es eine gehörige Portion Zynismus, um so eine Ansage zu veröffentlichen.

Covid und die angeblich selbst gemachten Krisen

Worum es der FPÖ bei der angeblichen Einschränkung der „Wissenschaftsfreiheit“ geht, ist dagegen völlig klar: Zweifelhafte Aussagen zur Corona-Pandemie ziehen sich als durchgehendes Thema durch das Werbevideo: Attackiert werden dabei auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie der derzeit verhandelte Pandemievertrag.

In klassisch verschwörungsideologischer Manier heißt es dazu: „Die Chancen, die sich aus den Krisen ergeben“ würden „natürlich umso größer, wenn man die Krisen selbst macht oder ausruft“. Und damit alle verstehen, was gemeint ist, wird dazu eine Videosequenz eingespielt, wo gerade Masken produziert werden.

Und noch ein weiteres Thema zieht sich durch das gesamte Video: Die weinerliche Opferrolle der extremen Rechten. Denn die angeblichen „Globalisten“ würden eigentlich bereits die Welt beherrschen, nur die FPÖ stünde den anonymen „Herrschenden“ noch im Weg.

Die FPÖ und die Weltverschwörung

Weiter geht es mit einem kurzen Rückblick zur Geschichte der FPÖ. Und der ist, gelinde gesagt, bemerkenswert. Zu Beginn wird nochmals das Schlagwort von der „globalistischen Agenda“ bemüht: Vier Parteien im österreichischen Parlament würden „an den Fällen der internationalen Puppenspieler zappeln“. Erneut also das Spiel mit der angeblichen Weltverschwörung.

Es sind Codes, die aus der Verschwörungsszene seit Jahren propagiert werden: Einmal sind die Freimaurer diese vermeintliche geheime Weltregierung, dann das WEF, dann die Bilderberger, dann die „Trilaterale Kommission“. Oder doch alle gemeinsam? Der Antisemitismus jedenfalls schwingt so gut wie immer mit.

Tatsächlich ist der globale Kapitalismus natürlich wesentlich komplexer: Es gibt unterschiedlichste und einander widersprechende Interessen verschiedener Branchen, Kapitalfraktionen, Konzerne und Unternehmen. Doch hier geht es natürlich ohnehin nicht um ein tatsächliches Verständnis der Funktionsweise des Kapitalismus – sondern vielmehr um plumpe Propaganda. Jedenfalls, so heißt es im Video, wäre die FPÖ das „Hassobjekt des Systems“.

Das „System“ und Ibiza

Und dieses ungenannte System wurde immer wieder „feige und hinterhältige Anschläge auf die FPÖ“ verüben. Mit dem Ziel, die extrem rechten Wähler:innen zu verunsichern und sie zurück in die „Klauen“ des „Systems“ zu treiben. Erneut also die weinerliche Opferrolle. Skurrilerweise wird dazu ein Bild aus dem Ibiza-Videos eingeblendet. Ibiza wird hier also als „Anschlag“ auf die FPÖ dargestellt. Eine reichlich bizarre Interpretation der tatsächlichen Geschehnisse.

Bild: Michael Bonvalot

Und was in der gesamten „System -Story ebenfalls dezent unter den Tisch gekehrt wird: Dass die FPÖ gegenwärtig in drei von neun Bundesländern an der Regierung beteiligt ist. Und zuletzt bis 2019 sogar selbst in der Bundesregierung saß. Wenn wir also schon den Begriff eines diffusen „Systems“ bemühen wollen, dann ist eines klar: Die FPÖ ist seit Jahrzehnten ein zentraler Bestandteil davon.

Die FPÖ will aus dem Haider-Debakel lernen.

Überhaupt sind immer die anderen schuld. Sogar Ex-FPÖ-Chef Jörg Haider, der sich schwer alkoholisiert und durch eigenes Verschulden bei einem Autounfall getötet hat, wird dazu bemüht. Dafür, dass Haider selbst nicht der ersten schwarz-blauen Regierung im Jahr 2000 angehört hatte, wäre der „enorme Druck aus Brüssel“ wohl mitverantwortlich gewesen. Es wäre ein „schwerer Schlag und der Keim einer existenziellen Krise der FPÖ“ gewesen. Diese Aussage ist aus zwei Gründen bemerkenswert.

Zum einen ist das auch eine strategische Ansage der Kickl-FPÖ. Die Truppe rund um Parteichef Herbert Kickl hat offenbar ihre Schlussfolgerungen aus den damaligen Ereignissen gezogen: Eine Regierungsbeteiligung, wo die Parteispitze nicht in der Regierung vertreten ist, führt zwangsläufig zu verschiedenen Machtzentren – und damit zu Problemen. Mit einer solchen (durchaus korrekten) Analyse ist kaum zu erwarten, dass die FPÖ nach den Wahlen im Herbst eine Regierungsbeteiligung ohne Kickl akzeptieren würde.

FPÖ-Chef Kickl spricht auf einem rechten Corona-Aufmarsch am Wiener Heldenplatz. Bild: Michael Bonvalot

Zum anderen ist diese Darstellung der FPÖ-Geschichte allerdings auch historisch verhaltensauffällig. Und das ist freundlich formuliert. Immerhin hatte sich Haider 2005 von der FPÖ abgespalten und mit dem „Bündnis Zukunft Österreich“ (BZÖ) eine konkurrierende Rechtspartei gegründet. Doch darüber fällt im Video kein Wort.

Das angebliche „Ibiza-Attentat“

Weiter geht es mit der Bundespräsidentschaftswahl 2016. Da hätte „das System“ gar „einen Vernichtungsfeldzug gegen den freiheitlichen Kandidaten“ Norbert Hofer begonnen. Bis heute werden von extrem rechten Kreisen Verschwörungserzählungen propagiert, wonach diese Wahl gefälscht worden wäre. Es ist eine Blaupause, die in den letzten Jahren international von verschiedensten Rechtsaußen-Parteien benutzt wird (Trump!).

So weit geht die FPÖ in ihrem Video offiziell nicht. Sehr wohl aber heißt es, es sei eine „mit schmutzigen Methoden beeinflusste Entscheidung“ gewesen. Die einschlägigen Fans der FPÖ werden das wohl auf ihre Weise interpretieren. Doch dann dreht die FPÖ auf.

Wahlplakat für FPÖ-Mann Norbert Hofer. Bild: Michael Bonvalot

Die Veröffentlichung des Ibiza-Videos hätte eine „aus Deutschland gesteuerte Journalistengruppe“ zu verantworten, sie hätte einen angeblich „manipulativen Zusammenschnitt“ produziert. Tatsächlich zeigen weitere Ausschnitte aus dem Video, die später veröffentlicht wurden, dass hier selbstverständlich nicht manipuliert wurde. Doch immerhin, so behauptet die FPÖ, hätte es die FPÖ in weiterer Folge geschafft, dass das im Video „gezeichnete Bild wieder halbwegs zurechtgerückt“ worden wäre. In welcher Parallelrealität das passiert sein soll, erklärt die FPÖ allerdings nicht.

Da hat die FPÖ doch was vergessen!

Stattdessen gibt es einen Angriff auf „die“ Medien. Die hätten, gesponsert von der Regierung, „gleichgeschaltete Maßnahmenpropaganda und ebenso gleichgeschaltete Bekämpfung jeder Kritik an der Corona-Politik“ veröffentlicht. Dazu bejammert die FPÖ eine „Zwangsabgabe“ für den ORF.

Was die FPÖ dabei geflissentlich verschweigt: Im Jahr 2022 etwa war der rechtsdrehende Sender ServusTV der höchstgeförderte private Einzelsender bei der Privatrundfunkförderung. Und ServusTV aus dem Hause des Dosen-Konzerns Red Bull ist bekannt für eine Corona-Berichterstattung, die immer wieder enorme Übereinstimmungen mit Positionen der FPÖ hat.

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Die Meta-Verschwörung „Great Reset“

Wenn es in den letzten Jahren einen Stern am Himmel der Verschwörungsszene gibt, dann ist es die Verschwörungserzählung vom „Great Reset“, dem „großen Umbruch“. Es ist die Metaverschwörung der Szene, wo alles andere untergebracht wird. Von der Leugnung der Klimakrise über den Rassismus bis hin zum Kampf gegen gleiche Rechte für gleichgeschlechtliche liebende Menschen.

Auch die FPÖ steigt in ihrem Video voll auf dieses Thema ein. Vielleicht kurz vorneweg, worum es tatsächlich geht: Das World Economic Forum (WEF) ist ein wirtschaftlicher Lobbyverein mit regelmäßigen Treffen. Nicht wahnsinnig wichtig, doch sicherlich mit einer gewissen Bedeutung als internationales Diskussionsforum. Und der Gründer des WEF, Klaus Schwab, hatte im Juli 2020 gemeinsam mit Co-Autor Thierry Malleret ein Buch veröffentlicht. Der Titel: „Covid-19: Der große Umbruch“.

Traum und Wirklichkeit

Seitdem wird dieses Buch in der Verschwörungsszene zum ultimativen Bösen erklärt. Ich vermute allerdings, dass es kaum jemand aus dieser Szene jemals tatsächlich in der Hand gehabt hat. Ich habe es gelesen: Es ist – mit Verlaub – bestenfalls ein wenig schnarchig.

Propaganda gegen einen angeblichen „Great Reset“ bei einem Corona-Aufmarsch auf der Ringstraße in Wien. Bild: Michael Bonvalot

Beschrieben werden mögliche Folgen der Pandemie, die Klimakrise und verschiedene soziale Problemlagen. Im Wesentlichen ist es eine Denkschrift, wie der Kapitalismus sich aufstellen müsse, um diese multiplen Krisen zu überstehen. Alles nicht wahnsinnig originell und auch nicht wahnsinnig überzeugend. Doch in der Verschwörungsszene wurde das Schlagwort vom „Great Reset“ zum Fanal.

Und am Ende sind die Linken schuld

Kaum ein rechter Aufmarsch in den letzten Jahren, ohne dass irgendwo Schilder und Slogans gegen den angeblichen „Great Reset“ mitgeführt wurden. Und auch die FPÖ steigt in ihrem Video voll auf diese Verschwörungserzählung ein: „Die Strippenzieher im Hintergrund“ (schon wieder!) hätten „Corona nicht als Krise, sondern als Chance“ gesehen. Behauptet wird unter Bezug auf den einschlägigen Autor Werner Reichel, dass Schwabs Vision eine „Neue Weltordnung“ wäre, „in der alles von einer linken Obrigkeit bzw. einer globalistischen Elite geplant, gesteuert und kontrolliert“ würde.

Mordaufrufe gegen Klaus Schwab auf einer Hauswand in Wien-Landstraße. Bild: Michael Bonvalot

In dieser absurden Tonalität geht es weiter: Staaten und „überstaatliche Institutionen“ würden dabei „von Aktivisten, also demokratisch nicht legitimierten linken Vorfeldorganisationen“ unterstützt. Und diese würden dann „mehr oder weniger alle menschlichen Tätigkeiten von der Wirtschaft, dem Zusammenleben bis hin zum Privatleben jedes einzelnen Bürgers“ bestimmen. Und globale Probleme wie „Klimawandel, Seuchen, Kriege, soziale Unruhen“? Das seien doch nur „von Schwab und den Linken verkündeten Apokalypsen“.

Karl Marx und die Krake

Und dann muss auch noch Karl Marx herhalten. Denn laut dem FPÖ-Video hätten Schwabs Ideen, „ähnlich wie die eines Karl Marx, das Potenzial die Welt nachhaltig zu schädigen“. Marx würde sich bei diesem Vergleich mit dem Wirtschaftslobbyisten Schwab vermutlich im Grabe umdrehen.

Und dann wird Schwab bei der FPÖ auch noch zum personifizierten Weltherrscher. Wörtlich heißt es im Video: „Denn Schwab ist mit den Mächtigen bestens vernetzt. Er ist mit den internationalen Eliten auf Du und Du. Viele meinen sogar, er sei der Kopf dieser globalistischen Krake. Was er vor sich hin fantasiert, das wird zur Realität, bevor die meisten Menschen überhaupt davon Notiz genommen haben.“

Das Bild der „Krake“ hatten bereits die Nazis für ihre antisemitische Propaganda verwendet und bis heute wird es regelmäßig als Symbol in einschlägigen Kreisen verwendet. Übrigens taucht die Krake auch als wiederholtes Thema in den James-Bond-Filmen auf – ebenfalls als Logo einer unfassbar mächtigen und global agierenden Geheimorganisation namens „Spectre“. Und bei der FPÖ wird Schwab nun offenbar auch ganz persönlich zum Weltenlenker.

Antisemitische Propaganda mit dem Symbol der Krake

Schwab und der WEF sind im Video ein durchgehendes Thema. Immer wieder wird etwa sein Foto eingeblendet, wenn der Begriff „Globalismus“ fällt. Und der fällt sehr, sehr oft. Mit Bezug auf das WEF werden auch Verlustängste gestreut.

Da fehlt doch was!

So heißt es im Video: „2017 etwa veröffentlicht das Weltwirtschaftsforum ein Video mit acht Vorhersagen für die Welt im Jahr 2030. Die erste davon lautet: ‚Ihr werdet nichts besitzen und ihr werdet glücklich sein.'“ Klingt natürlich sehr dramatisch. Dieses Zitat ist dementsprechend auch in der Verschwörungsszene sehr beliebt und wird rauf und runter gebetet. Tatsächlich aber geht das Video noch weiter.

Denn bereits im nächsten Satz des WEF-Videos folgt die Auflösung: „Was immer du möchtest, kannst du mieten und es wird von Drohnen zugestellt.“ Das Video kann bis heute hier abgerufen werden. Doch auf diese Erklärung, was hier tatsächlich gemeint war, hat die FPÖ vermutlich vergessen.

Leugnung der menschengemachten Klimakrise

Und nun folgen im Video die nächsten schweren Geschütze. „Unter dem Deckmantel des Kampfes“ gegen einen „angeblich menschengemachten Klimawandel“ würde es laut FPÖ „dem Eigentum immer mehr an den Kragen“ gehen. Damit stellt sich die FPÖ offen gegen den wissenschaftlichen Konsens zur Klimakrise. Denn selbstverständlich ist da gar nichts „angeblich“. Wir wissen, dass die Klimakrise menschengemacht ist.

Doch mit diesem Pseudoargument werden dann weitere absurde Behauptungen verbreitet. Etwa ernsthaft: „Ein eigenes Haus zu besitzen, ein sicheres Auto zu fahren, all das gilt heute als klimaschädlich.“ Belege dafür, warum gerade ein „sicheres Auto“ als klimaschädlich gelten solle, werden natürlich keine gebracht.

Die Partei der Reichen

Doch schnell wird deutlich, warum es der FPÖ eigentlich geht: Denn angeblich würde mit dem Argument der Klimakrise „die Industrie so sehr geschröpft, dass sie mehr und mehr abwandert oder die Fabriken schließt“. Wie praktisch, dass die enorm neoliberale FPÖ sich seit Jahren gegen höhere Vermögensteuern einsetzt. Und an der Regierung gemeinsam mit der ÖVP kräftig Geschenke an Österreichs Unternehmen und Industrie verteilt hat.

Apropos Reichtum: Auch für die Behauptung im Video, dass das Bargeld abgeschafft werden solle, werden natürlich keine Belege gebracht. Was dagegen in der EU tatsächlich ab 2026 geplant ist: Barzahlungen über 10.000 Euro sollen verboten werden. Eine Summe, wo wohl ohnehin so gut wie niemand mehr bar bezahlt. Es ist eine Maßnahme gegen Geldwäsche.

Auffallend jedenfalls, dass genau dieses Thema in der FPÖ enorm emotional ist – in diesem Zusammenhang sei an das Foto einer Sporttasche voller Bargeld erinnert, das angeblich im Auto von Ex-Parteichef Strache aufgenommen wurde. Strache wird damit keinerlei strafrechtlich relevantes Verhalten unterstellt und es gilt, wie immer, die Unschuldsvermutung.

Und die nächste Meta-Verschwörung

Im nächsten Abschnitt des Videos folgt der Auftritt der zweiten großen Meta-Verschwörung neben dem „Great Reset“: Der „Agenda 2030“. Worum es dabei eigentlich geht: 2015 haben die Mitgliedsstaaten der UNO eine Agenda mit 17 „nachhaltigen Entwicklungszielen“ beschlossen. Im englischen Original „Sustainable Development Goals“ oder kurz SDGs. Im Einzelnen können die Ziele hier nachgelesen werden. Tatsächlich handelt es sich letztlich um wenig mehr als eine Sammlung unverbindlicher Schönwetter-Aussagen. Denn Konsequenzen bei Nicht-Umsetzung gibt es keine.

Doch Fakten kümmern die Verschwörungsszene natürlich wenig. Im Video der FPÖ werden die SDGs ins Groteske überhöht. Sie wären „mehr als ein politisches Programm“ und würden „unter dem Eindruck des politisch und medial immer intensiver verbreiteten Klimawahns eine geradezu zivilreligiöse Stellung“ einnehmen“. Und dann wird es sogar noch schräger: Die Agenda 2030 wäre sogar „die Bibel der Globalisten“ und die 17 SDGs würden „die Rolle der zehn Gebote“ einnehmen.

Irgendwas mit Gender und Maschinen-Menschen

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Für die FPÖ die perfekte Überleitung zum nächsten rechten Lieblingsthema: Die angebliche „Genderideologie“, die im Video mit dem sogenannten „Transhumanismus“ verknüpft wird. Der einschlägige Slogan vom „Transhumanismus“ hat zwar reichlich wenig mit dem Begriff „Transgender“ zu tun – aber wen kümmern schon solche Kleinigkeiten? Was nicht passt, wird passend gemacht.

Tatsächlich ist „Transhumanismus“ ein Schlagwort, das seit einigen Jahren vor allem Fond extrem rechten Verschwörungssender AUF1 propagiert wird. Dabei geht es darum, dass Menschen künftig angeblich zu Maschinen umgeformt würden. Auffällig ist im Video der FPÖ, dass gerade in diesem Abschnitt immer wieder das Logo der einschlägigen Plattform AUF1 eingeblendet wird.

Und dann wird es richtig steil. Denn angeblich würden „die Jünger des Globalismus selbst Gott spielen“ wollen. Dazu würden Sie gerne „den Menschen mit der Maschine verschmelzen“. „Genderideologie und Transhumanismus“ seien „die Schlagworte, unter denen diese gesellschaftsersetzenden und zutiefst menschenfeindlichen Entwicklungen vorangetrieben werden“. Was allerdings eine angebliche Verschmelzung von Mensch und Maschine mit der Genderdebatte zu tun haben soll, könnte wohl nicht einmal die Medienabteilung der FPÖ erklären. Aber klingt vermutlich gut in den Ohren der Fans.

Gefährliche Propaganda gegen gleichgeschlechtlich liebende Menschen

Und das ist der Auftakt für tatsächliche Widerlichkeiten, die dann im Video folgen. „Die Genderideologie“ käme „den Globalisten gerade recht, um die Menschen ihrem traditionellen Umfeld zu entreißen“. Hier werden mit der Propaganda gegen gleichgeschlechtlich liebende Menschen absurde Ängste geschürt. Erst im Oktober 2022 hatte ein Nazi in Bratislava zwei junge Männer vor einer LGBTI-Bar erschossen. Meinen Bericht aus Bratislava könnt ihr hier lesen.

Dazu behauptet die FPÖ auch, dass Familien „zum Auslaufmodell werden“. Tatsächlich hat die Möglichkeit für gleichgeschlechtlich liebende Menschen, Kinder zu adoptieren, sich eingetragen zu verpartnern und zu heiraten, erst zahlreiche neue Familien geschaffen.

Die FPÖ gegen Kindergärten

Dann folgt auch noch ein Frontalangriff der FPÖ gegen Kindergärten und Schulen. „Um die kommenden Generationen mit diesem wirren Gedankengut besser zu indoktrinieren“ sollten Kinder angeblich „immer früher der elterlichen Fürsorge entzogen und in staatliche Betreuungseinrichtungen gesteckt werden“, wird im Video behauptet.

Dort würden dann die Kinder von quasi überall lauernden „Dragqeens maximal verwirrt und in ihrer Entwicklung gestört“. Gemeinhin heißen solche „Betreuungseinrichtungen“ Kindergärten und später Schulen. Üblicherweise warten dort eigentlich Kindergarten- und Hortpädagog:innen sowie Lehrer:innen auf die Kinder. Doch auch hier sollte die Absurdität der Behauptung nicht über die Gefährlichkeit der Angriffe für die betroffenen Menschen hinwegtäuschen.

Dazu versteckt sich hier auch ein breiter gesellschaftlicher Angriff: Kindergärten und Tagesstätten sind für viele Eltern extrem wichtig, damit sie arbeiten gehen können und nicht ein Elternteil zu Hause bei den Kindern bleiben muss. Real ist dieser Elternteil dann meistens die Frau – mit allen problematischen Folgen wie niedrigen Einkommen, weiblicher Altersarmut und Abhängigkeit vom Mann. Ob die FPÖ mit dieser Propaganda darüber hinwegtäuschen möchte, dass es in den Bundesländern, wo sie mitregiert (Niederösterreich, Oberösterreich und Salzburg) immer noch viel zu wenige Kindergartenplätze vor allem für kleine Kinder gibt?

Jetzt darf der Parteichef ran

Nach rund 35 Minuten darf im Video zum Abschluss dann auch Parteichef Kickl ran. In einer kurzen Propagandarede darf er erklären, wofür die FPÖ „Politik machen“ und „kämpfen“ würde. Abgearbeitet werden dabei von Kickl klassisch konservative Leitbegriffe wie Familie, Eigentum und Leistung. Die Sequenz könnte genauso von der ÖVP stammen. Sogar der Propagandaslogan von der „Normalität“ wird 1:1 von der ÖVP verwendet.

Dennoch wird zum Schluss nochmals behauptet, dass ein möglicher Wahlsieg der FPÖ „für das System eine tatsächliche Krise“ wäre. Wieder wird mit dem diffusen Begriff des Systems gearbeitet. Dass aber gerade Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer mit der letzten ÖVP-FPÖ-Regierung zwischen 2017 und 2019 äußerst zufrieden waren, wird geflissentlich verschwiegen. Doch vielleicht steckt hier auch schon ein eine gehörige Portion Absicherung drinnen.

Denn in dieser Schlusssequenz heißt es auch: Es würden in den kommenden Monaten „erneut Skandale konstruiert werden, man wird mit allen Mitteln arbeiten, bis tief hinein ins Privatleben“. Eine auffällige Stelle. Ob sich die FPÖ hier bereits für mögliche Enthüllungen absichern will?

Dieses Video ist gefährlich

So bizarr und teils unfreiwillig komisch dieses Video wirkt, so gefährlich ist es gleichzeitig. Wissenschaftsfeindliche Parolen werden in der nächsten Pandemie die Eindämmung des Virus massiv erschweren. Und eine nächste Pandemie wird kommen, dafür sorgen Klimakrise und Massentierhaltung.

Die Frage ist nicht ob, sondern wann (die Hintergründe dazu habe ich hier für euch aufgeschrieben). Dazu baut die FPÖ ein Spiel mit der Angst auf. Vor angeblich dunklen und „globalistischen Mächten“. Die einschlägigen Untertöne sind offensichtlich.

Dazu die Leugnung der menschengemachten Klimakrise, die Angriffe auf gleichgeschlechtlich liebende Menschen, die abstrusen Attacken gegen Kindergärten: All das hat reale Auswirkungen. Auf betroffene Menschen – und im Fall der Klimakrise sogar auf die Zukunft der gesamten Menschheit. Wer diese Zukunft bewahren will, wird spätestens hier laut und deutlich widersprechen müssen.

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