Ein identitärer Kader der ersten Stunde soll parlamentarischer Mitarbeiter der FPÖ werden. In der Vergangenheit war er im Rahmen einer Auseinandersetzung mit Antifaschist:innen mit einem „Totschläger“ zu sehen.
Er ist schon ganz früh und ganz vorne mit dabei: Der langjährige Identitären-Kader Fabian Rusnjak. Meist hatte er die Kamera in der Hand und dokumentierte die Aktionen der Gruppe – doch früher zeigte Rusnjak sich auch offen gewaltbereit. Intern spielte und spielt Rusnjak ebenfalls eine wichtige Rolle bei den Identitären.
So hat er etwa die Kontrolle über wichtige Finanzmittel und über das Zentralorgan der neofaschistischen Gruppe. Und nun soll genau dieser Fabian Rusnjak parlamentarischer Mitarbeiter der FPÖ werden. Das berichtete zuerst die Journalistin Nina Horaczek. Damit könnte die neofaschistische Gruppe direkten Zugang ins Parlament bekommen. Rusnjaks neuer Chef, der Salzburger FPÖ-Abgeordnete Sebastian Schwaighofer, will dazu nicht sagen.
Mit dem „Totschläger“
Einer breiteren Öffentlichkeit wird Rusnjak erstmals im Jänner 2016 bekannt. Am 17. Jänner 2016 organisiert die Gruppe Identitäre in Graz einen Aufmarsch gegen geflüchtete Menschen. Im Anschluss kommt es zu einer heftigen Auseinandersetzung mit antifaschistischen Gegendemonstrant:innen, die sich am Heimweg befinden.
Ein betroffener Antifaschist erzählt mir damals: „Einer hatte einen Totschläger“, ein weiterer hätte einen Gürtel geschwungen, zumindest einer hätte einen Zahnschutz gehabt. Und: „Der Großteil hatte sich vermummt.” Zahlreiche Fotos, die mir von dieser Auseinandersetzung vorliegen, belegen diese Darstellung. Und sie zeigen Rusnjak mitten im Geschehen – er ist der Identitäre mit dem sogenannten Totschläger.
Das ist ein Stock, der oft wie ein Teleskop ausgefahren werden kann. Vorne ist eine federnde Kugel, die auch auf den Fotos aus Graz zu erkennen ist. Kurz: Dieser Stock ist extrem gefährlich – der Begriff „Totschläger“ kommt nicht von ungefähr. An dieser Stelle wird ausdrücklich festgehalten, dass Rusnjak damit keinerlei strafbares Verhalten unterstellt wird.
Gemeinsam mit Rusnjak sind weitere bekannte identitäre Kader an der Auseinandersetzung beteiligt, auch sie sind auf den Fotos zweifelsfrei zu identifizieren. Und es ist möglicherweise nicht die erste Attacke an diesem Tag: Der Grazer Photograph Peter Palme berichtet mir damals, dass er schon während der Kundgebung von einem Identitären von hinten geschlagen worden sei.
Mit der Kamera im Hintergrund
Ende August 2016 organisiert die Gruppe Identitäre dann eine Mini-Kundgebung in der Wiener Innenstadt. Es wird ein übler Flop: Trotz Unterstützung aus Niederösterreich, der Steiermark, Salzburg und Tirol kommen nur knapp 60 Personen. Identitären-Gesicht Martin Sellner versucht in seinen Ansprachen sogar wiederholt, die niedrige Teilnehmer:innenzahl mit einem gleichzeitig stattfindenden Fußballspiel des SK Rapid zu rechtfertigen. Meinen Bericht von dieser Mini-Kundgebung findet ihr hier.
Doch vor Ort fällt mir auch Fabian Rusnjak auf. Er soll wohl mit der Kamera den Flop irgendwie noch ins rechte Licht rücken. Es ist eine Rolle, die der Identitären-Kader offensichtlich gerne spielt: Lieber hinter der Kamera als davor. Immer wieder sehe ich ihn in den nächsten Jahren mit der Kamera in der Hand. Und auch intern spielt Rusnjak bei den Identitären (mindestens) zu diesem Zeitpunkt zweifellos eine wesentliche Rolle.
Der Mann mit dem Geld
So war Rusnjak etwa von 2012 bis 2015 Kassier des Identitären-Trägervereins „zur Erhaltung und Förderung der kulturellen Identität“. Obmann dieses bis heute existierenden Vereins ist Martin Sellner. Und inzwischen heißt der Verein auch ganz offen „Identitäre Bewegung“ – die „kulturelle Identität“ ist nur noch der Untertitel.
Zur zeitlichen Einordnung: Erstmals tritt die Gruppe Identitäre im Februar 2013 öffentlich bei einer Störaktion gegen geflüchtete Menschen in der Wiener Votivkirche auf. Doch Rusnjak ist bereits ab 2012 Vereinskassier, also noch vor dem ersten Auftritt. Er ist somit ohne Zweifel von Anfang an mit dabei. Die rechte Besetzung der Votivkirche wird übrigens ebenfalls zum Flop.
Ursprünglich hatten die neun Männer nach eigenen Angaben eine langfristige Besetzung geplant. Doch nach wenigen Stunden geben sie auf – und ziehen sich in Folge äußerst schnell vor den zahlreichen Antifaschist:innen zurück, die sich inzwischen vor der Kirche versammeln. Als ich damals vor Ort ankomme, ist von den Rechten bereits nichts mehr zu sehen.
Rückzug aus der Öffentlichkeit
Nach 2015 scheint Rusnjak dann beim identitären Trägerverein nicht mehr als Kassier auf. Und auch nach außen ist er bald nur mehr wenig sichtbar – es befördert Spekulationen, ob er sich zeitweilig zurückgezogen hätte. Was sicher ist: 2018 stehen zahlreiche Kader und Aktive der Gruppe in Graz vor Gericht.
Sie werden fast durchgehend freigesprochen, doch rund um diesen Prozess gibt es eine ganze Reihe von Rückzügen. Einige ziehen sich nur taktisch aus der Öffentlichkeit zurück, andere tatsächlich aus der Organisation. Intern wird damals gejammert, dass die Strukturen weitgehend zusammengebrochen wären.
Sellner ist höchst frustriert
Es dürfte ein bekanntes Problem der Gruppe Identitäre sein. So schreibt Sellner bereits im August 2016 frustiert: „die gleichgültig, unfähigkeit und lethargie mit der man in pol Arbeit im eigenen Lager konfrontiert ist entsetzt mich immer wieder neu.“ Und „die Leute“ hätten „einfach keine Disziplin, keine Verlässlichkeit & keine Eigeniniative“. Strukturen würden offenbar teils bereits „nach wenigen Wochen von selbst“ zerfallen. Es klingt verzweifelt.
Verstärkt tritt Fabian Rusnjak in der Öffentlichkeit dann erst wieder rund um die rechts dominierten Corona-Aufmärsche in Wien auf. Ich sehe ihn dort bei mehreren Aufmärschen – immer wieder auch im Block der Identitären. Und intern bestehen die Verbindungen offensichtlich ohnehin weiter.
Zeichnungsberechtigt für das Zentralorgan der Identitären
Denn Rusnjak ist bis heute Kassier eines weiteren Vereins. Und dieser „Verein für kritische Aufklärung, Informationsvielfalt und Meinungsfreiheit“ gibt das Identitären-Zentralorgan „Heimatkurier“ heraus. Die Vereinsadresse ist ebenfalls eindeutig.
Es ist die Anschrift der oberösterreichischen Identitären-Zentrale in Steyregg bei Linz. Hier findet ihr meine Vorort-Reportage aus Steyregg. Laut Vereinsregister ist Rusnjak für den Trägerverein von Heimatkurier sogar alleine zeichnungsberechtigt.
Diesen Verein führt er gemeinsam mit Philipp Huemer, einen weiteren führenden Identitären der ersten Stunde. Huemer hat inzwischen beim rechten Verschwörungssender AUF1 angedockt, bis August war offiziell „Chefredakteur“ bei „Heimatkurier“ gewesen. Huemer war in der Vergangenheit auch gemeinsam mit Sellner „Co-Sprecher“ der Identitären in Österreich.
Die rechten Sängerknaben
Und Rusnjak und Huemer haben noch andere Gemeinsamkeiten. So waren beide über lange Zeit bei der deutschnationalen Studentenverbindung „Universitätssängerschaft Barden“ in Wien-Josefstadt angedockt. Übrigens genauso wie Sellner und weitere Kader der Gruppe.
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Der Sitz der Barden in der Wiener Albertgasse bot für mehrere Jahre einen wichtigen Unterschlupf für die Truppe – einige Kader wohnten auch auf der „Bude“. Das ist kein Zufall. Fast der gesamte Gründungskern der österreichischen Identitären kommt aus dem deutschnationalen und „verbindungsstudentischen“ Lager. Der Hintergrund: Strategische Debatten in der österreichischen Neonazi-Szene.
Gottfried Küssel und die Gründung der Identitären
Denn Anfang der 2010er Jahre beginnen Nachwuchs-Neonazis rund um den Niederösterreicher Martin Sellner mit einer strategischen Neuorientierung. Sie sehen das offensichtliche Problem der Nazi-Szene: Die Führungskader gehen mit dem österreichischen NS-Verbotsgesetz immer wieder für Jahre ins Gefängnis.
So zerschlagen die Behörden genau in dieser Zeit die Nazi-Homepage Alpen-Donau rund um Neonazi Gottfried Küssel – Küssel und einige andere gehen danach für Jahre ins Gefängnis. Sellner gilt damals als Nachwuchshoffnung der österreichischen Nazi-Szene und hatte auch selbst Hakenkreuze geklebt, darunter sogar auf die Synagoge in Baden bei Wien.
Aus österreichischen Nazis werden auf einmal „Identitäre“
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Doch beim Alpen-Donau-Verfahren gehört Sellner nicht zu den Angeklagten und es gilt die Unschuldsvermutung. Dennoch sicherlich eine einschneidende Erfahrung für den damaligen Jungnazi. Dazu erkennt die Gruppe rund um Sellner, dass die alten Nazi-Parolen in der breiteren Öffentlichkeit einfach nicht mehr ziehen und auch viele potentielle Rekruten abschrecken.
Die Gruppe – ein großer Teil von ihnen deutschnationale Burschenschafter und Verbindungsstudenten – fasst nun einen Plan: Sie werden eine neue Gruppe gründen. Sie nennen sich „identitär“ und verzichten in der Öffentlichkeit auf NS-Parolen. Abgekupfert sind die Idee und das Auftreten von einer gleichnamigen französischen Gruppe.
Die Geschichte der Identitären beginnt mit einem Mordversuch
Die Geschichte dieser Truppe beginnt 2002 mit einem Mordversuch auf den damaligen französischen Präsidenten Jacques Chirac. Der Täter ist ein rechter Aktivist, im Anschluss wird die faschistische Organisation Unité radicale (UR, Radikale Union) verboten.
Die Reaktion der Gruppe: Die Kader der UR führen die Truppe ab August 2002 einfach unter einem anderen Namen weiter. Der Name ihrer neuen Organisation: „Bloc identitaire“, also: Der „Identitäre Block“. Hier habe ich für euch aufgeschrieben, wie gefährlich die Identitären tatsächlich sind. Interessante Vorbilder für die jungen Österreicher …
Wie kommt Rusnjak zur FPÖ
Der neue Arbeitgeber von Rusnjak im österreichischen Parlament ist der Salzburger FPÖ-Neo-Abgeordnete Sebastian Schwaighofer. Der 24-jährige ist „geschäftsführender Obmann“ der FPÖ-Jugendorganisation „Freiheitliche Jugend“ (FJ) sowie Landesparteisekretär der FPÖ Salzburg. Kurz: Ein aufstrebender Nachwuchs-Kader der extrem rechten FPÖ.
FPÖ-Mann Schwaighofer und Identitären-Kader Rusnjak könnten sich nicht zuletzt aus dem Nachwuchs der FPÖ kennen. Denn dort tauchte Rusnjak schon in der Vergangenheit immer wieder auf.
So veröffentlichte der Ring freiheitlicher Studenten (RfS) 2018 Fotos von einem „Stammtisch“ mit dem Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp. Am Foto im Hintergrund gut zu erkennen: die identitären Kader Rusnjak und Huemer.
Die Identitären füllen die blauen Reihen
Im Parlament wird Rusnjak nicht der einzige Mitarbeiter mit Hintergrund bei der Gruppe Identitäre sein. Auch Neo-Abgeordneter Maximilian Weinzierl hat sich einen einschlägigen Mitarbeiter besorgt, berichtet Nina Horaczek. Für ihn soll künftig Andreas Hinteregger als Referent arbeiten. Und der marschierte in der Vergangenheit schon mal vermummt mit Identitären samt weißem Schlauchschal auf einem Corona-Aufmarsch. Auch Weinzierl will dazu nichts sagen.
Hinteregger beteiligte sich auch an der identitären Tarnorganisation „Aktion 451“, die vor allem auf Unis (und damit wohl in der burschenschaftlichen Szene) rekrutieren will. Alle Tarnnamen der Gruppe Identitäre habe ich hier für euch geschrieben. Dass Hinteregger nun allerdings genau für den Wiener Blauen Weinzierl arbeiten soll, ist auffällig.
Die FPÖ-Jugend und die Identitären verschmelzen
Denn Weinzierl ist gleichzeitig Bundesobmann der Freiheitlichen Jugend. Sprich: Sowohl FJ-„Bundesobmann“ Weinzierl wie der „geschäftsführende Bundesobmann“ Schwaighofer sitzen nun für die FPÖ im Parlament. Und beide FJ-Obmänner holen sich identitäre Kader als Mitarbeiter ins Parlament.
Ideologisch passt das offenbar: So hatte die FJ schon im August 2023 ein Video veröffentlicht, das zahlreiche Verschwörungsmythen der äußersten Rechten reproduziert. Von der antisemitischen Verschwörungserzählung „Great Reset“ über Anspielungen zur LGBTI+-Community bis zum Brand der Pariser Kirche Notre Dame. Hier habe ich für Dich aufgeschrieben, wie Du Verschwörungserzählungen und Fake News erkennst.
Propagiert werden im Video dagegen Bücher des französischen Faschisten Alain de Benoist sowie des ehemaligen faschistischen Diktators von Portugal, António Salazar. Der Unterschied zwischen FJ und Identitären ist inzwischen wohl primär organisatorisch. Als Parlamentsmitarbeiter könnten Identitäre dann übrigens auf einschlägige Bekannte treffen.
Finanzielle Bauchlandung
Unter ihnen ist etwa Bernadette Conrads. Früher stand sie bei Aufmärschen der Identitären in der ersten Reihe, inzwischen schreibt sie für die einschlägige Plattform „Der Status“ – die unter anderem mit Inseraten der FPÖ finanziert wird. Hier habe ich für euch aufgeschrieben, wie und über welche Banken sich die rechte Szene finanziert.
Die Wege dürfen dabei nicht weit sein: Conrads arbeitete zumindest in der Vergangenheit für die FPÖ im Parlament. Die vergangenen Medienaktivitäten der Identitären-Demonstrantin waren dabei nicht so glücklich.
Vor ihrer Mitarbeit beim „Status“ firmierte Conrads als „Chefredakteurin „der FPÖ-nahen Plattform Wochenblick. Die musste allerdings im Dezember 2022 aus finanziellen Gründen eingestellt werden. Und im Jänner 2024 wurde dann ein Konkursverfahren gegen die Firma „Medien24 GmbH“ eröffnet, die frühere Medieninhaberin des Wochenblick. Zumindest Conrads dürfte dabei weich gefallen sein.
Zugriff auf hoch sensible Informationen
Und nun folgen ihr andere Identitäre direkt ins Parlament, einer von ihnen war in der Vergangenheit nachweislich gewaltbereit. Damit haben diese Figuren Zugriff auf Informationen direkt aus dem innersten Machtzirkel der Republik.
Und das ist eine sehr gefährliche Entwicklung.
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