Von „Wettermanipulation“ und „Geoengineering“ über „HAARP“ bis zum Ausbruch des Vulkans Hunga Tonga. So versucht die Verschwörungsszene, die Klimakrise zu leugnen. Mit diesen Fakten könnt ihr die Lügen widerlegen.
Fantasie haben sie ja. Über Jahre hatte die Verschwörungsszene schlicht behauptet, es gäbe gar keinen Klimawandel. Doch nun haben die einschlägigen Figuren ein Problem: Der Klimawandel ist inzwischen so offensichtlich, dass dieser Unfug einfach nicht mehr funktioniert. Deshalb sind sie nun auf neue Lügen umgestiegen – die oft gar nicht so einfach zu durchschauen sind.
Entweder wird behauptet, dass der Klimawandel ein natürliches Phänomen wäre und nicht menschengemacht. Das ist selbstverständlich purer Unsinn. Und es ist auch bereits so oft und so eindeutig widerlegt, dass es an dieser Stelle nicht nochmals wiederholt werden muss. Doch die Szene verbreitet auch noch andere Behauptungen.
Teile von Österreich saufen im Hochwasser ab. Währenddessen postet der Verschwörungserzähler und FPÖ-Fan abstrusen Schwachsinn über "Wetternanipulation" – alles, nur nicht die Klimakrise. Finanziert wird sein Müll auch mit Steuergeld der ÖVP-FPÖ-Regierung in Niederösterreich. 🤦🏽♀️ pic.twitter.com/9grgzCWHXo
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) September 15, 2024
Da geht bis zu einer angeblichen geheimen Weltregierung, die das Wetter absichtlich manipulieren würde. Der Antisemitismus wartet dabei immer schon um die nächste Ecke. Und manchmal werden inzwischen sogar faktisch richtige Argumente gebracht – die aber bewusst manipulativ gedreht werden.
Das sind die größten Lügen der Klimaleugner:innen. Und so könnt ihr sie widerlegen.
Ist HAARP wirklich der „ultimative Todesstrahl“?
Wer einmal einen wirklich irrwitzigen Nachmittag verbringen will, muss einfach nur den Begriff „HAARP“ in die Telegram-Suche eingeben. Als es im August 2024 enorm heiß war, wären angebliche Angriffe auf „HAARP Anlagen“ in „NATO Kasernen“ dafür verantwortlich. Zumindest, wenn wir den Ausführungen eines besonders abstrusen österreichischen Verschwörungerzählers folgen würden (was grundsätzlich keine sonderlich gute Idee wäre).
Die Verschwörungsplattform AUF1 faselt trotz Überschwemmungen von "Klima Hysterie". Jetzt lässt sie über die Verantwortung für die aktuellen Unwetter abstimmen. Die Ergebnisse sind völlig irrwitzig. Zur Erinnerung: Der rechte AUF1- Schwachsinn wird mit FPÖ- Inseraten finanziert. pic.twitter.com/ltK4j89688
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) September 16, 2024
Und zum Hochwasser im September 2024 heißt es dann auf dem Telegram-Kanal „Der Schandstaat“: „Das ist kein natürlicher sintflutartiger Regenfall. Er wird von HAARP gesteuert!!!“ Der Fantasy-Autor Terry Pratchett ließ eine seiner Figuren übrigens einmal sagen: Mehrere Ausrufezeichen seien „ein sicheres Zeichen für einen kranken Geist“.
Die abstrusen „HAARP“-Behauptungen werden bei „Schandstaat“ dann auch noch antisemitisch aufgeladen. Denn „gesteuert“ würde das alles angeblich von einer vermeintlichen „zionistischen Weltregierung“.
In dieser Tonart geht es in der Verschwörungs-Szene weiter. HAARP sei wahlweise eine gigantische „Energiewaffe“, ein System zur Beeinflussung des Wetters inklusive „künstliche Stürme, Dürren oder Überschwemmungen, Tornados, Erdbeben“ oder ein Projekt zur Gedankenbeeinflussung („Mindcontrol“). Und auch, wenn heute irgendwo auf diesem Planeten die Erde bebt, sind Verweise auf HAARP oft nicht weit. Sogar als der „ultimative Todesstrahl“ muss HAARP herhalten. Doch was ist HAARP denn nun eigentlich?
3000 Staubsauger
Beginnen wir mit dem Begriff: HAARP, das steht für „High Frequency Active Auroral Research Program“, übersetzt bedeutet das: „Forschungsprogramm zur hochfrequenten Sonnenaktivität“. Dabei handelt es sich um eine Anlage im US-Bundesstaat Alaska, die mittels Kurzwellensendeanlagen das Magnetfeld der Erde erforscht. Das Projekt dürfte anfänglich durchaus auch militärische Aspekte gehabt haben, etwa die Frage, ob sich dadurch die Fähigkeit verbessern ließe, „feindlichen“ Funkverkehr lahmzulegen. 2014 stieg das US-Militär allerdings aus der Finanzierung aus und die Anlage sollte endgültig stillgelegt werden.
Doch stattdessen übernahm die Universität Alaska in Fairbanks, deshalb ist die Forschungseinrichtung inzwischen ausschließlich zivil. Die Anlage ist auch nicht so supergeheim, wie die Verschwörungsszene behauptet. Im Gegenteil: Es gibt sogar offene Schulungsangebote für Studierende und Lehrkräfte und Tage der offenen Tür.
Ich habe über all diese Behauptungen im Frühjahr 2023 mit dem bekannten österreichischen Physiker und Wissenschaftspublizisten Florian Aigner gesprochen. Er erklärt: „In der HAARP-Anlage können rund 3,6 Megawatt Strom erzeugt werden. Das klingt im ersten Moment nach ziemlich viel, entspricht aber tatsächlich nur der Leistung von rund 3000 Staubsauger. Eine Naturkatastrophe oder gar ein Erdbeben könnten damit selbstverständlich nicht ausgelöst werden.“
„Keine Radioantenne im Gehirn“
Und es gäbe auch „keinen auch nur ansatzweise plausiblen Mechanismus, über den elektromagnetische Wellen der HAARP-Anlage die Erdkruste maßgeblich beeinflussen könnten“, so Aigner. Doch wie ist das mit der Manipulation der Gedanken durch HAARP?
Auch hier gibt Aigner Entwarnung: „Natürlich spielen elektrische Vorgänge in unserem Gehirn eine Rolle“, erklärt der Physiker. Doch so, wie die Verschwörungserzählungen das behaupten, würde unser Gehirn einfach nicht funktionieren: „Diese Wellen können uns genauso wenig beeinflussen wie beispielsweise der Wechselstrom in unseren Stromleitungen. Denn wir haben einfach keine Radioantenne im Gehirn.“
Die Bodenversiegelung, die Kanalisation und das Hochwasser
Spätestens im Frühjahr 2024 taucht in der Szene der Klimaleugner:innen eine Grafik auf, die seitdem bei jedem Hochwasser massenhaft verbreitet wird. Die Grafik selbst beschreibt anschaulich und korrekt ein sehr reales Problem: Die Bodenversiegelung. Auch ich habe diese Grafik bereits veröffentlicht.
Über Jahrzehnte wurde mitten in die Hochwasser-Gebiete gebaut, Flüsse wurden brutal kanalisiert. Das rächt sich jetzt. Entweder werden endlich große Gebiete renaturiert – oder wir werden in der Klimakrise immer öfter mit den Folgen von heftigen Überschwemmungen kämpfen müssen. pic.twitter.com/o6utD1a09l
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) September 16, 2024
Doch die Verschwörungsszene versucht einen Trick: Es wäre angeblich gar nicht die menschengemachte Klimakrise für zunehmende Extremwetter-Ereignisse verantwortlich. Sondern ausschließlich die Bodenversiegelung. Alternativ wird auch manchmal die angeblich mangelhafte Kanalisation erwähnt. Diese Ausrede versuchte etwa die FPÖ, nachdem es im August 2024 Überschwemmungen in Wien gegeben hatte. Tatsächlich ist das Wiener Kanalnetz sogar sehr gut aufgestellt. Doch was hier versucht wird ist offensichtlich: Es ist ein Ablenkungsmanöver.
Der Vorsitzende der FPÖ in Wien-Döbling, Klemens Resch, behauptet nun in einer Aussendung: Jetzt soll das Kanalnetz an den Überschwemmungen schuld sein und nicht die menschengemachte Klimakrise. Alles, nur nicht die Klimakrise. Immer neue Ausreden. https://t.co/At9hsNbjeI
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) August 19, 2024
Denn selbstverständlich ist die Bodenversiegelung gerade bei Überschwemmungen ein enormes Problem und Renaturierungen sind dringend notwendig. Und selbstverständlich können Kanalnetze schlecht gewartet sein oder einfach überlastet werden. Doch das ändert nichts an der menschengemachten Klimakrise.
Wie ein Vulkanausbruch zur „Klimalüge“ wird
Es war einer der stärksten jemals gemessenen Vulkanausbrüche. Am 14. Jänner 2022 brach der Vulkan Hunga Tonga im Inselstaat Tonga im Pazifik aus. Die Eruptionssäule stieg laut einer Studie bis auf 57 Kilometer in den Himmel – höher als jede andere jemals aufgezeichnete Vulkanwolke. Anfang 2023 wurde dann eine weitere Studie veröffentlicht, die für Jubel in der Klimaleugnungs-Szene sorgte.
Denn laut dieser Studie wäre es möglich, dass der Ausbruch des Hunga Tonga das Weltklima vorübergehend um 1,5 Grad erwärmen könne. Die rechte Verschwörungsszene-Szene spielt das Thema seitdem auf und ab. Auf der österreichischen Plattform „Report24“ heißt es etwa, dass der bedeutsame Ausbruch nur von angeblichen „Klimafanatikern“ ignoriert würde.
Die Verschwörungs-Szene springt auf
Die schweizerische „Weltwoche“ beklagt derweil, dass „die Forschung“ trotz Hunga Tonga bei der „fixen Idee“ bleiben würde, dass der menschengemachte CO2-Ausstoß für die globale Erwärmung verantwortlich wäre. Verbreitet wird dieser Artikel dann unter anderem auf einem der Telegram-Kanäle des österreichischen Verschwörungserzählers Martin Rutter. Der Kanal hat den bezeichnenden Namen „Die Klimalüge“.
Die „Weltwoche“ ist kein unbeschriebenes Blatt: Chefredakteur Roger Köppel war bis vor kurzem Abgeordneter der extrem rechten SVP in der Schweizer Bundesversammlung und ist gleichzeitig Moderator beim rechtsdrehenden Red-Bull-Privatsender „ServusTV“. Alles über die politische Schlagseite von ServusTV habe ich hier für euch aufgeschrieben.
Und schließlich behauptet auch noch die deutsche Rechts-Plattform „Tichys Einblick“, dass die „außergewöhnliche Erwärmung der letzten Jahre“ wesentlich auf den Ausbruch des Hunga Tonga zurückzuführen wäre. Was steckt also dahinter?
Der Wikipedia-Artikel wäre eigentlich die Lösung, nicht das Problem
Die verschiedenen Artikel der Szene-Plattformen zum Vulkanausbruch sind dabei gar nicht so breitenwirksam. Meistens wird seitens der Szene einfach nur der Wikipedia-Artikel zum Ausbruch verbreitet. In diesem Artikel ist auch die Studie zur möglichen Erwärmung des Klimas erwähnt, er wurde auch immer wieder unter meine Beiträge zur Klimakrise gepostet. Nun ist es selbstverständlich tatsächlich möglich, dass Naturereignisse das Weltklima vorübergehend beeinflusst.
Es ändert aber nichts an der menschengemachten Klimakrise. Und grundsätzlich ist das jederzeit veränderbare Wikipedia auch keine Quelle, sondern bestenfalls eine Sammlung von Quellen. Doch diese spezielle Erzählung hat noch ein weiteres Problem.
Denn tatsächlich gibt es inzwischen mehrere jüngere Studien zum Einfluss des Tonga-Ausbruchs auf das Weltklima (ihr findet sie hier, hier und hier). Und die kommen zum Schluss, dass der Vulkanausbruch das globale Klima sogar abgekühlt haben könnte. Das steht übrigens auch im Wikipedia Artikel, gleich im folgenden Absatz. Es reicht eben nicht, Links zu verschicken. Der Text sollte vor dem Posten schon auch gelesen werden.
Der Hochwasser-Bericht des Weltklimarats wird bewusst missverstanden
„Für alle instrumentalisierer:innen des #hochwassers“. Triumphierend postet der konservative deutsche Journalist Ulf Poschardt diese Zeilen während des großen Hochwassers im September 2024 auf Twitter. Denn laut einem Report des Weltklimarats (IPCC) wäre doch gar nicht belegt, ob der Klimawandel für das Hochwasser verantwortlich ist.
Poschardt bezieht sich dabei auf den umstrittenen Wissenschaftsjournalisten Axel Bojanowski, der aus dem IPCC-Report zitiert hatte. Diese Behauptung wurde danach weit verbreitet, auch unter meinen Postings zum Hochwasser wurde es mehrmals gepostet. Doch was steht denn nun tatsächlich in diesem IPCC-Report, der hier nachgelesen werden kann?
Was steht wirklich im IPCC-Report?
Sehen wir uns zuerst die Passage an, die Bojanowski zitiert. Auf Seite 1569 finden wir tatsächlich die Passage: „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Vertrauen in den menschlichen Einfluss auf die Veränderungen der Hochwasserstände von Flüssen auf globaler Ebene gering ist.“ Entscheidend ist allerdings die Begründung: Es gäbe, so der IPCC, „nur eine begrenzte Anzahl von Studien“ für Veränderungen auf globaler Ebene und diese Studien kämen zu unterschiedlichen Schlüssen.
Faktisch geht es also schlicht darum, dass nach Ansicht des IPCC einfach noch Studien fehlen, damit die globale Situation ausreichend belegt ist. Noch viel wichtiger ist allerdings, dass es im Report auch noch weitere Passagen zu diesem Thema gibt.
Und die werden seitens der Szene dann nicht mehr zitiert. Kein Zufall, denn das würde wohl nicht mehr zu Erzählung passen. Denn nur wenige Seiten davor, auf Seite 1517, widmet sich der IPCC-Report dem Thema Flut sogar sehr ausführlich. Und da heißt es dann ganz klar: „Häufigkeit und Intensität starker Niederschlagsereignisse haben wahrscheinlich auf globaler Ebene über den meisten Landregionen mit guter Beobachtungsabdeckung zugenommen.“ Das Wort „wahrscheinlich“ sollte dabei nicht irritieren, Wissenschaftler:innen formulieren grundsätzlich äußerst vorsichtig.
IPCC: Der Mensch als „Haupttreiber“
Die menschliche Verantwortung wird im IPCC-Report ebenfalls deutlich beschrieben: „Der menschliche Einfluss, insbesondere Treibhausgasemissionen, ist wahrscheinlich der Haupttreiber der beobachteten globalen Zunahme starker Niederschläge über Landregionen. Es ist wahrscheinlich, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel zur beobachteten Intensivierung starker Niederschläge auf kontinentaler Ebene in Nordamerika, Europa und Asien beigetragen hat.“
Starke Niederschläge würden „mit zunehmender globaler Erwärmung im Allgemeinen häufiger und intensiver“. Es sei sogar „praktisch sicher“, dass „Starkniederschlagsereignisse“ auf globaler Ebene „häufiger und intensiver“ werden. Und damit würden auch Sturzfluten und Hochwasser-Ereignisse zunehmen, weil die Regenfluten „die Kapazität natürlicher und künstlicher Entwässerungssysteme überschreiten“. Tatsächlich wird im IPCC-Report also exakt das beschrieben und vorhergesagt, was wir bei den großen Hochwasser-Ereignisse der letzten Jahre erleben.
Die bösen Chemtrails – sind nicht wahnsinnig logisch
Es muss ein bizarres Schauspiel gewesen sein: Im August 2013 versammeln sich am Berliner Alexanderplatz rund 300 Personen zu einem „Marsch gegen Chemtrails und Geoengineering“. Und gerade, als die Kundgebung beginnt, werden über dem „Alex“ im Herzen von Berlin zwei Kondensstreifen sichtbar, wie der Journalist Jörn Hasselmann danach berichtet.
Eine Frau glaubt, den Grund dafür zu kennen: „Die“ würden immer wieder von München nach Rostock und zurückfliegen, um Gift zu sprühen. Wer mit „Die“ gemeint, bleibt offen. Auch die vermeintliche Erklärung eines Mannes bringt keinen weiteren Erkenntnisgewinn: „Das ist beschlossen von der Organisation, die das beschließt.“
Wir Normalsterblichen – typisch Schlafschafe – würden diese „Chemtrails“ schlicht und ergreifend als die Kondensstreifen von Flugzeugen erkennen. Doch da hätten wir die Rechnung natürlich ohne die Erwachten gemacht! Denn in der Verschwörungs-Szene werden diese Kondensstreifen zu Gift, das angeblich aus Flugzeugen oder Hubschraubern gesprüht wird. Jetzt ist das alles nicht wahnsinnig logisch. Warum sollten die Personen in diesem Flugzeugen über Jahre hinweg ihre eigenen Kinder, Eltern, Verwandten, Freund:innen vergiften? Und wenn diese Leute schon so kaltherzig wären: Warum sind wir dann eigentlich noch nicht alle vergiftet?
Von der „Zwangsimpfung“ zur Klimaleugnung
Dazu müsste es, wie bei all den anderen großen Verschwörungserzählungen, unglaublich viele Mitwisser:innen geben. Doch alle halten dicht. Obwohl diese Leute ja, wenn sie nicht gerade selbst in der Luft sind, sogar selbst vergiftet werden. Das klappt also einfach nicht.
Selbst die dümmsten Schwurbler:innen können die Klimakrise nicht mehr leugnen. Auf einmal entdecken sie die Bodenversiegelung (zumindest die!). Doch sie behaupten auch, dass das Wetter mit "Geoengineering" manipuliert würde. Die nächste Verschwörungserzählung. Von dumm zu dümmer.
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) August 18, 2024
Der Unsinn wird dennoch immer wieder neu aufgepeppt: So kursierte in der Verschwörungsszene etwa die Erzählung, dass Teilnehmer:innen an Corona-Aufmärschen über Sprühvorrichtungen aus Hubschraubern zwangsgeimpft würden. Es ist nichts anderes als eine neue Version der Chemtrail-Verschwörung.
Dass eine Verschwörungserzählung in diesen Kreisen niemals allein kommt, zeigt dann etwa die deutsche Facebook-Seite „Global MARCH Against Chemtrails and Geoengineering – Berlin“. Im September 2024 hatte die Seite immerhin rund 4.400 Abonnent:innen. Da werden die „Chemtrails“ dann mit dem „Geoengineering“ verbunden. Und das ist gleichzeitig die neueste Erfindung der Klimaleugner:innen.
Was Geoengineering ist – und was die Szene daraus macht
Tatsächlich ist der Begriff „Geoengineering“ eine Sammelbezeichnung für technische Maßnahmen, um die Folgen der Klimakrise abzumildern. Doch wer an Chemtrails glaubt und daran, dass die menschengemachte Klimakrise nur ein Konstrukt der „Lügenpresse“ wäre, bastelt sich eine ganz eigene Welt zusammen. Und so wird in der Szene inzwischen behauptet, dass angebliche geheime Mächte nun mittels „Chemtrails“ und „Geoengineering“ das Wetter künstlich verändern würden.
Gut sichtbar wird das etwa auf dem Telegram-Kanal von Identitären-Gesicht Martin Sellner. Dort schreibt ein User etwa zum Hochwasser im September 2024 verschwörerisch: Das „Geoengineering“ hätte „kreisrunde Wetterereignisse“ geschaffen. Dazu postet er eine Karte von „Kachelmann Wetter“, wo tatsächlich seltsame, kreisrunde Artefakte zu sehen sind. Ich habe dazu bei Kachelmann Wetter nachgefragt, die tatsächliche Lösung des Rätsels ist wesentlich banaler.
Die Lösung: Einfach fragen
„Das ist, weil wir von Austrocontrol nur furchtbare von denen berechnete Kompositbilder bekommen“, schreibt mir Meteorologe Jürgen Kachelmann. Die Austrocontrol ist die österreichische Flugsicherung. Kachelmann verweist dazu auf eine Reddit-Seite, wo das Problem in englischer Sprache beschrieben wird. Kurz zusammengefasst: Es liegt einfach nur an der Radardarstellung.
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Nun gibt es tatsächlich bereits seit vielen Jahren verschiedene Methoden, um das Wetter künstlich zu verändern. Meist geht es dabei darum, Wolken mit verschiedenen Chemikalien zu versetzen. Diese Methode wird auch in unseren Breiten seit Jahrzehnten zur Hagelabwehr eingesetzt. Dazu sollen solche Chemikalien auch dafür sorgen, dass Wolken abregnen. In großem Ausmaß setzen etwa Länder wie China, Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate auf solche Technologien.
Ob es wirklich funktioniert? Das weiß niemand so genau
Wie das funktionieren soll, erklärte der deutsche Meteorologe Frank Böttcher einmal bei NTV: Mit Raketen oder per Flugzeug werden Kondensationskeime in eine Wolke geschossen. Das sind „mikroskopisch kleine Teilchen, an denen sich Wasser festsetzt“, so Böttcher. Und er erklärt: „Wenn man mehr von diesen Kondensationskeimen wie Silberjodid hineingibt, besteht die Hoffnung, dass sich an dieser Stelle tatsächlich mehr Wassertröpfchen bilden, die Wolken größer werden und es regnet. Das funktioniert natürlich nicht, wenn keine Wolke da ist.“ Und vor allem, so der Meteorologe: „Ob das überhaupt funktioniert, ist strittig.“
Ähnlich äußert sich auch Professor Manfred Wendisch, Leiter der Arbeitsgruppe Atmosphärische Strahlung der Uni Leipzig, gegenüber der Tagesschau: „Die Flieger impfen die Wolken und fliegen heim. Wenn es nicht hagelt ist das schön, doch kann keiner nachweisen, dass es wirklich an der Impfung lag. Vielleicht wäre es auch ohne trocken geblieben. Ich glaube, hier kann der Wunsch der Vater des Gedankens sein“. Denn dazu, ob diese Wetterbeeinflussung wirklich funktioniert, gäbe es „keine belastbaren statistischen Untersuchungen“.
Das müssten alle Menschen sehen
Vor allem aber ist es gänzlich undenkbar, dass mit dieser Methode große Hochwasser ausgelöst werden können. Das zeigt sich schon an einem ganz einfachen Beispiel: Im August 2008 wollte China die Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele ohne Regen feiern können, obwohl schwere Unwetter vorhergesagt waren.
Um dieses lokale Unwetter abzuwehren, wurden an mehreren Stellen außerhalb der Hauptstadt Beijing mehr als 1000 Raketen in die Regenwolken gefeuert. Für ein großes überregionales Hochwasser wären also wohl mindestens zehntausende Raketen und/oder zahlreiche Flugzeug-Einsätze erforderlich gewesen. Völlig undenkbar, dass das niemand bemerken würde. Und dann gibt es noch ein wesentlich simpleres Problem bei dieser Verschwörungserzählung.
Es gibt reale Gefahren
Die „Wolkenimpfungen“ könnten sogar, falls sie funktionieren, ausschließlich eines verändern: Sie könnten bereits vorhandene Wolken zum Abregnen bringen. Wolken herzaubern können Sie keine. Doch große Mengen von schweren Regenwolken, die ein Hochwasser auslösen könnten, regnen in jedem Fall irgendwann ab. Daran kann keine Rakete und kein Flugzeug etwas ändern.
Unproblematisch sind die Versuche zur Wettermanipulation dennoch nicht. Davor warnt auch Meteorologe Böttcher: „Wenn ich Wolken abregnen lasse, könnte ich Gebiete austrocknen und dafür sorgen, dass es in bestimmten Regionen kein Wasser mehr gibt. Andersherum könnte ich ein Starkregenereignis als Waffe einsetzen.“ Doch das ist offensichtlich etwas ganz anderes als die wirren Behauptungen der Verschwörungs-Szene.
Die „Magnetstürme“? „Dummer Blödsinn“
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Apropos „wirr“. Rund um das große Hochwasser im September 2024 ist dann auch noch eine weitere Story dazugekommen: Die „Magnetstürme“ der Sonne. Ausgelöst wurde diese Story unter anderem von Ursula Stenzel, einer bekannten Wiener FPÖ-Politikerin. Stenzel, die früher für die ÖVP im EU-Parlament saß, behauptete zum Hochwasser auf Twitter: „Die Klimaideologen helfen in so einer Situation auch nicht. Die Sonne mit ihren Magnetstürmen läßt sich davon leider nicht beeindrucken!“
Der Meteorologe Jörg Kachelmann hat für Stenzels Behauptung eine vernichtende Replik: „Die Behauptung, dass die ‚Sonne mit ihren Magnetstürmen‘ irgendeinen Zusammenhang mit dem Wetter der letzten Tage hätte, ist frei erfundener, außerordentlich dummer und letztendlich auch bösartiger Blödsinn.“
Der rechte Krieg gegen die Windkraft
Wo die Klimakrise verharmlost oder geleugnet wird, ist der Krieg gegen Windräder nicht weit. So verbreitete etwa Donald Trump Trump bei einem Auftritt im September 2023 den absoluten Schwachsinn, wonach Windräder schuld daran wären, dass “Wale in nie zuvor gesehener Zahl sterben”. Und es war nicht die erste irrwitzige Aussage des Ex-US-Präsidenten über Windräder. Im Dezember 2019 etwa hatte Trump – damals noch Präsident – bei einer Rede ernsthaft behauptet, dass Windräder eine “enorme Menge von Abgasen in die Atmosphäre spuken” würden. Auch das ist natürlich Unsinn.
Dabei hatte der Republikaner in dieser Rede zumindest noch einen letzten Rest an Selbsterkenntnis: Denn Trump sagte auch: “Ich habe Wind nie verstanden”. Doch das ist seiner Basis offensichtlich völlig egal. Und es ist nicht nur die USA – auch in Europa nimmt der rechte Kampf gegen die erneuerbare Windenergie immer mehr an Fahrt auf. Und er vereinigt extrem rechte Wahlparteien wie FPÖ und Afd, Neonazis und die Verschwörungsszene. Verknüpft wird das mit der Leugnung der Klimakrise.
Die Kohleindustrie freut sich
Das Motto der einschlägigen Szene: Wenn es angeblich keine Klimakrise gibt, brauchen wir auch keine erneuerbaren Energieformen. Woher der Wind weht, zeigt dann etwa ein Artikel auf der österreichischen Verschwörungsplattform „Report24“.
Dort wird regelmäßig gegen die Windkraft gehetzt. Ein Herz hat die Plattform dagegen für die Kohleindustrie. So wird etwa behauptet, dass die Abschaltung der gesundheitsgefährdenden Kohlekraftwerke “der Energiesicherheit Deutschlands” schaden würde. Was für ein Zufall. Doch so werden zumindest die Interessen klar. Meine Recherche über den rechten Krieg gegen die Windkraft könnt ihr hier lesen.
Und was ist mit dem „Klimalockdown“ und der „15-Minuten-Stadt“?
Und schließlich kann die Leugnung der Klimakrise auch noch in andere Verschwörungserzählungen eingebunden werden. Etwa die unsinnige Behauptung, dass die angebliche geheime Weltregierung nun einen „Klimalockdown“ planen würde. So fantasiert etwa Verschwörungserzähler Rutter auf Telegram über „bewusste Wettermanipulation“ und einen „Klima-Lockdown“ in Österreich.
Was macht die Verschwörungsszene, wenn die Klimakrise nicht mehr zu leugnen ist? Richtig: Sie erfindet die nächste Verschwörungserzählung. Szene-Gesicht und FPÖ-Fan Rutter fantasiert jetzt über "Klimalockdown", "Wetternanipulation" und heimliche Waffenlieferungen. Völlig gaga. pic.twitter.com/Xq1YawCIkD
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) September 14, 2024
Der Begriff „Lockdown“ ist dabei offensichtlich direkt aus der Pandemie entnommen, es ist also nicht mehr als Verschwörungs-Recycling. Und die Behauptung ist natürlich völliger Schwachsinn. Tatsächlich gibt es schlicht die offensichtlich sinnvollen Aufforderungen, bei einem Unwetter zu Hause zu bleiben.
Die große Meta-Verschwörung und die Klimakrise
Doch die Verschwörungserzählung vom „Klimalockdown“ wird auch noch mit weiteren Dummheiten der Szene verknüpft. Etwa mit der „15-Minuten-Stadt“: Laut der einschlägigen Szene würden unter diesem Motto riesige Gefängnisse geplant. Worum es bei dieser Idee tatsächlich geht: Niemand sollte in einer Stadt zu Fuß oder mit dem Fahrrad mehr als 15 Minuten brauchen, um alle wichtigen Einrichtungen des täglichen Bedarfs zu erreichen. Tatsächlich ist das also eine extrem sinnvolle Idee.
Für die Verschwörungsszene dagegen soll hinter alldem als „Meta-Verschwörung“ ein „Great Reset“ stehen, ein „großer Umbruch“. Das ist der neue heiße Scheiß der Verschwörungsszene. Die irrwitzige Behauptung kurz zusammengefasst: Kapitalistische Eliten hätten sich weltweit zu einer geheimen Weltregierung verschworen, um den Kommunismus umzusetzen. Dass sie sich damit selbst abschaffen würden? Bitte hier keine Logik, das würde nur stören. Mehr zum „Great Reset“ habe ich hier für Dich aufgeschrieben.
Warum kippen Menschen auf Verschwörungserzählungen rein?
Und was hat die Verschwörungs-Szene selbst davon? Viele Personen, die an solche Verschwörungserzählungen glauben, erleben dadurch ein Gefühl der Aufwertung. Sie verfügen nun über angeblich „geheimes Wissen“ – das übrigens nicht wahnsinnig geheim sein kann, wenn es schon jeder Depp auf Telegram weiß.
Wenn diese Personen ihre angeblichen Erkenntnisse dann über einschlägige Kanäle verbreiten, werden sie bestätigt und bestärkt. So finden Sie auch neue Online-Freund:innen, das kann besonders der vereinsamte Menschen sehr attraktiv sein. Und wer die absurdeste neue Verschwörungserzählung hat, fällt besonders auf. Eine Spirale des Irrsinns beginnt.
Der Rubel muss rollen
Doch es gibt auch die Verschwörungsideolog:innen, die Stars der Szene. Also jene, die den ganzen Schwachsinn produzieren. Meist handelt es sich dabei um einschlägig bekannte extreme Rechte – und die jeweilige Verschwörungserzählung ist austauschbar. Ab Frühjahr 2020 war es die Corona-Pandemie. Doch nachdem die inzwischen nicht mehr so gut funktioniert, setzen Sie jetzt auf den Klimawandel.
"Euer Wille geschehe" pic.twitter.com/LNZQK8SWGn
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) September 16, 2024
Je irrwitziger die Verschwörungserzählung, desto besser. Denn das bringt Klicks – und damit Geld. Vor allem durch die Werbung, die rund um die oft völlig wahnwitzigen Geschichten geschalten wird. Allein auf der Verschwörungsplattform „Report24“ gibt es rund um die Stories teils an die 40 (!) Werbeeinschaltungen – darunter übrigens auch mehrere fette Inserate der FPÖ. Alles über die Geldflüsse und Finanzierungen der extremen Rechten der Verschwörungsszene habe ich hier für Dich aufgeschrieben.
Gerade die Leugnung der Klimakrise hat für die Szene dabei mehrere Vorteile: Es ist ein Alleinstellungsmerkmal und damit gut geeignet, um sich selbst es angebliche „Aufdecker“ des „geheimen Wissens“ zu präsentieren. Dazu ist die Leugnung der Klimakrise auch eine bequeme Ausrede: Wenn es keine Klimakrise gibt, muss auch nichts verändert werden.
Warum macht ihr da nicht „eure eigene Recherche“?
In der Verschwörungsszene gibt es einen geflügelten Satz: „Do your own research“ – „mach Deine eigene Recherche“. Wenn die Szene-Fanatiker:innen ihren eigenen Tipp einmal ernst nehmen werden, könnten sie bereits mit ein wenig Recherche herausfinden, welchen Müll sie verbreiten. Oft reichen aber sogar bereits der gesunde Menschenverstand und die pure Logik.
Doch bei der Leugnung der menschengemachten Klimakrise treffen sich die Interessen der Verschwörungsszene und der Industrie, insbesondere der Öl- und Gaskonzerne. Die kennen die Gefahr der Klimakrise seit Jahrzehnten ganz genau. Und das ist leider keine Verschwörungserzählung, sondern bestens belegt. Meine Recherche dazu könnt ihr hier lesen.
Extreme Rechte und Profitinteressen
Um ihre Profite zu sichern, finanzieren diese Konzerne seit vielen Jahren einschlägige Gruppen zur Leugnung oder Verharmlosung der Klimakrise. Und das ist auch ein wesentlicher Grund, warum gerade die Verschwörungserzählungen zur Klimakrise so wirkmächtig und weit verbreitet sind: Da fließt richtig viel Geld hinein.
Da ist etwa die US-amerikanische Lobbygruppe „Heartland Institut“, die unter anderem von ExxonMobil hohe Summen erhalten hat, einem der größten Ölkonzerne der Welt. Bei Heartland treten auch regelmäßig einschlägig bekannte Politiker auf. Für September 2024 etwa war der FPÖ-EU-Abgeordnete Harald Vilimsky angekündigt.
Auf der Seite von Heartland heißt es unter dem Bild von Vilimsky, der würde mit der Gruppe zusammenarbeiten. Inbesondere, wenn es um Informationen ginge, „die dem Klimaalarmismus und der sinnlosen ‘grünen’ Energiepolitik in Europa entgegenwirken“. Der Satz könnte 1:1 in einer der zahlreichen Telegram-Gruppen der Verschwörungs-Szene stehen.
Wenn die Fans der Verschwörungsszene also tatsächlich „ihre eigene Recherche machen“ würden, würden sie sehr schnell sehen: Sie sind nicht mehr als die nützlichen Idiot:innen der Auto-, Öl- und Gaskonzerne.
Diese Recherche war viel Arbeit. Wieviel ist Dir guter Journalismus wert?
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