Eine AfD-Aktivistin und Identitäre leugnet den Holocaust und wünscht sich Massenmorde. Sie fordert das bei Aktionen der neofaschistischen Identitären in Wien – und an einschlägigen Treffpunkten der Szene. Die Wiener Hintergründe zur RTL-Reportage!

Es sind erschreckende Aussagen. Und sie sind buchstäblich massenmörderisch. Es seien „keine sechs Millionen“ Jüdinnen und Juden im Holocaust ermordet worden, behauptet die junge Frau auf einer Party der Identitären in Wien. Sondern „höchstens 175 000 vergaste Juden. Höchstens!“ Eine wahnwitzige Lüge.

Aber die Identitären-Anhängerin und Aktivistin der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) hat auch kein Problem mit den tatsächlich ermordeten sechs Millionen Menschen. Denn dann sagt sie zum Holocaust wörtlich: „Also ich finds halt auch geil, dass es stattgefunden hat. Das muss ich ehrlich sagen.“

Sie verbreitet also einerseits in Wien die klassische Holocaust-Lüge der Neonazis. Und gleichzeitig unterstützt sie diesen millionenfachen Massenmord sogar ausdrücklich.

Österreich ist das Zentrum der Identitären

Nach Angaben der AfD ist die Frau inzwischen nicht mehr Mitglied der JA. Nach den ersten journalistischen Anfragen wurde die Verbindung ganz schnell gelöst. Zumindest offiziell. Über mehrere Monate hat das Magazin „RTL Extra“ undercover in der Gruppe Identitäre recherchiert. Eigentlich sollte es vor allem um Deutschland und die Verbindungen der faschistischen Truppe zur AfD gehen.

Doch tatsächlich spielt dann Wien in der Dokumentation, die am 27. August erstmals ausgestrahlt wurde, eine wesentliche Rolle. Das ist kein Zufall. Denn Wien ist das Zentrum der Identitären für den gesamten deutschsprachigen Raum. Und gleichzeitig ist Österreich durch die Stärke der FPÖ auch ein Vorbild für die AfD. Schon die ersten Sequenzen in der Doku zeigen die einschlägige Bedeutung Wiens. Da schleusen sich die beiden Journalistinnen erstmals in Berlin in die Szene ein.

Einladung nach Wien

Und schon am Beginn werden sie gefragt: „Mit Martin Sellner, IB, habt ihr euch schon intensiver beschäftigt oder so noch gar nicht?“ „IB“, also Identitäre Bewegung, so nennt sich die Truppe selbst. Mit dem Begriff Bewegung soll Größe vorgespielt werden. Ein wenig großspurig – immerhin hat die Gruppe laut diesem Anwerber in Berlin nicht einmal zehn Mitglieder.

Und Identitären-Gesicht Sellner, der aus dem wohlhabenden Wiener Speckgürtel stammt, ist in Deutschland das zentrale Aushängeschild der rechten Truppe. Das sagt auch der Anwerber den beiden Journalistinnen: Er würde Ihnen „empfehlen“, sich Sellner „anzugucken“, denn: „Die IB richtet sich viel nach ihm“, er sei der „größte Theorie-Vorsprecher“. Tatsächlich sind Sellners Ergüsse übrigens zumeist vor allem ziemlich langatmig.

Und als die beiden Journalistinnen tiefer in die Berliner Gruppe eintauchen, werden sie auch bald zu einem ersten internationalen Treffen eingeladen: Einem Aufmarsch der Identitären in der Wiener Innenstadt im Sommer 2024.

Wo in Wien die Holocaust-Leugnerin Party macht

In Wien kann die neofaschistische Gruppe auch auf wichtige Räume und Gebäude zurückgreifen – oft mit engen Verbindungen zu FPÖ und Burschenschaften. Das gilt auch für die Veranstaltung, wo die AfD-Aktivistin ihre widerliche Holocaustleugnung abgesondert hat. Im Beitrag auf RTL wird keine Adresse erwähnt. Doch aus den Bildern ist klar erkennbar, wo diese Party rund um einen Aufmarsch der Identitären in Wien tatsächlich stattgefunden hatte.

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Im berüchtigten Haus der „Österreichischen Landsmannschaft“ (ÖLM), das mitten im beliebten Wiener Ausgehviertel Florianigasse liegt. Über dieses rechte Zentrum wissen nur wenige Menschen Bescheid, doch das Haus selbst werden viele Wiener:innen kennen: Denn genau in diesem Haus ist an der Florianigasse auch der „Tunnel“, ein Lokal, das in der Öffentlichkeit als alternativ gilt.

Direkt auf dem Wiener Haus das Wappen in Schwarz-Rot-Gold

Der Eingang des Eckhauses ist dann in der Fuhrmannsgasse 18a – es ist gleichzeitig die offizielle Adresse zahlreicher extrem rechter Organisationen und deutschnationaler Student:innenverbindungen. Das wird übrigens auch gar nicht versteckt.

Gleich beim Eingang haben alle diese Organisationen große Schilder. Und wer über dem „Tunnel“ nach oben blickt, sieht dort sogar ein Wappen mit der Aufschrift „Deutscher Schulverein 1880“ und den „deutschen“ Farben Schwarz-Rot-Gold. Diese deutschnationale Organisation hatte das Haus eigens als Zentrum bauen lassen. Daher auch bis heute der offizielle Name: „Schulvereinshaus“.

Ein riesiges rechtes Zentrum, mitten im achten Bezirk

Der achte Wiener Bezirk, die Josefstadt, gilt eigentlich als alternatives Zentrum. Die Grünen stellen den Bezirksvorsteher, auch linke Listen sind überdurchschnittlich stark. Die FPÖ dagegen kam bei der letzten Bezirksvertretungswahl im Oktober 2020 auf gerade einmal 3,4 Prozent. Noch vor wenigen Jahrzehnten aber war dieser Bezirk eine konservative und deutschnationale Hochburg.

Der Bezirk liegt dazu direkt hinter der Wiener Uni, deshalb war er lange Zeit auch für einschlägige Studentenverbindungen hoch attraktiv. Ein Erbe dieser Geschichte: Noch heute haben in der Josefstadt zahlreiche Burschenschaften und andere deutschnationale Schüler- und Student:innenverbindungen ihren Sitz. Hier habe ich für euch alles aufgeschrieben, was ihr über Burschenschaften wissen müsst!

Um die Dimension zu verdeutlichen: Der „Wiener Korporationsring“ (WKR), der wohl wichtigste Dachverband der Szene, hat derzeit nach eigenen Angaben in ganz Wien 20 Mitgliedsbünde. Allein sieben davon haben ihren Sitz in kleinen Bezirk Josefstadt. Eine davon sitzt sogar direkt im Schulvereinshaus, wo auch die identitäre Holocaust-Leugnerin Party macht.

Einer der wichtigsten Treffpunkte der Identitären

In diesem Haus haben inzwischen zahlreiche rechte Organisationen ihren Sitz. Da ist natürlich vor allem die „Österreichische Landsmannschaft“ selbst, dazu ihre einschlägige Zeitschrift „Der Eckart“. Doch auch mehrere deutschnationale Schüler- und Studentenverbindungen sowie die beiden „Mädelschaften“ Freya und Nike haben im Schulvereinshaus ihre „Bude“, wie das in der Szene heißt

Auffallend: Auch eine katholische Schüler-Verbindung, die Danubia, hat ihre Bude im deutschnationalen Zentrum. Hier habe ich für euch aufgedeckt, dass die katholischen Schüler-Verbindungen bis heute die Fahne des Austrofaschismus verwenden.

Besonders bedeutend für die extrem rechte Szene ist das Haus in der Fuhrmannsgasse aber wegen seines großen Veranstaltungskellers. Und den nützt die neofaschistische Gruppe Identitäre bereits seit Jahren für ihre einschlägigen Treffen. Tatsächlich hat das Haus sogar für die Gründungsgeschichte der Gruppe in Österreich eine zentrale Bedeutung.

Von den Identitären zu Putin

Denn im Mai 2014 hatte die Gruppe ihre erste Pressekonferenz in Österreich in der Fuhrmannsgasse 18a abgehalten, wie FM4 damals berichtete. In dieser Zeit war das ÖLM-Haus ohnehin regelmäßiger Treffpunkt für Veranstaltungen der einschlägigen Truppe.

Etwa im November 2014, wo der damalige Identitären-Sprecher Alexander Markovics als Referent für eine Veranstaltung der Identitären angekündigt war. Markovics trennte sich übrigens später von der Gruppe – inzwischen ist er „Generalsekretär“ der Russland-treuen Organisation „Suworow Institut“ in Wien. Seine damalige Nummer 2 am Flugblatt zeigt dagegen die Kontinuitäten.

Mini-Aufmarsch der neofaschistischen Gruppe Identitäre am 28.08.2016 in Wien. Markovics im karierten Hemd in der Mitte, Sellner am Mikro, gelangweiltes Publikum. Bild: Michael Bonvalot

Angekündigt für den Vortrag wurde damals das heutige Identitären-Gesicht Sellner. Doch in den folgenden Jahren nützten die Neofaschist:innen das Schulvereinshaus zumindest für öffentliche Veranstaltungen kaum noch. Jüngst allerdings hat sich das wieder sehr eindeutig geändert.

Identitären-Gesicht Kubitschek und AfD-Mann Krah in der Fuhrmannsgasse

So wollte die einschlägige Truppe für Dezember letzten Jahres sogar einen echten Kracher aus Deutschland organisieren. Da hätte der EU-Spitzenkandidat der AfD, Maximilian Krah, in Wien referieren sollen. Krah gilt sogar innerhalb der AfD als rechtsaußen. Gleichzeitig gingen Sicherheitsbehörden im Mai 2024 dem Verdacht nach, ob er Geheimdienstgeld aus China erhalten hätte. Für Krah gilt die Unschuldsvermutung.

Eingeladen wurde Krah von der Identitären-Vorfeldorganisation „Die Österreicher“ (D05). Hier habe ich für euch alle Tarnnamen und Vorfeld-Organisationen der Gruppe aufgeschrieben. Offiziell war in der Einladung als Ort zwar nur „Raum Wien“ angekündigt.

Doch dann wurde der Vortrag kurzfristig abgesagt, nachdem Krah „unerwartet krank“ wurde, wie es hieß. Das eher lahme Ersatzprogramm: Martin Sellner, D05-Aushängeschild Jakob Gunacker sowie die Identitären-Kader Philipp Huemer und Gernot Schmidt („Leiter der Wiener Aktionsgruppe“). Und da wurde dann auch der Ort des Treffens bekannt gegeben: Das Schulvereinshaus in der Fuhrmannsgasse 18a.

Nachgeholt wurde die Veranstaltung dann im Jänner 2024. Angekündigt war diesmal nicht nur Krah, sondern auch Götz Kubitschek, der wichtigste ideologische Stichwortgeber der Identitären. Diesmal offiziell organisiert von der Österreichischen Landsmannschaft. Und damit wieder im Schulvereinshaus in der Josefstadt.

Kampftraining für den Ernstfall in der Wiener „Rautenklause“

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Doch neben dem Schulvereinshaus zeigt die RTL-Doku noch ein zweites einschlägiges Zentrum in Wien. Die Doku belegt, wie dort interne Kampftrainings der Truppe stattfinden. Zwischen den Kämpfen brüllt Identitäre-Gesicht Sellner herum. Er peitscht seine Jünger gegen „die Antifa“ auf und fordert: „Verteidigt die Städte“. Es ist offensichtlich: Hier geht es nicht um Sport. Hier geht es um die Vorbereitung für den faschistischen Ernstfall.

Das Identitären-Zentrum in der Ramperstorffergasse. Bild: Michael Bonvalot

Wieder findet die interne Veranstaltung rund um den Sommer-Aufmarsch der Identitären in Wien statt. Und wieder wird der Ort in der Doku nicht eingeordnet. Doch die Bilder geben auch hier Aufschluss.

Denn bei dem Keller, der gezeigt wird, handelt es sich eindeutig um die Zentrale der Identitären in der Ramperstorffergasse 31 in Wien-Margareten. Dieses Zentrum hat die Gruppe sogar angekauft und wollte es wohl geheim halten. Dann aber wurden Anrainer:innen misstrauisch – und gleichzeitig verplapperte sich ein Kader gegenüber einem Journalisten.

Sehr kurze Wege zur FPÖ

Der Weg zur FPÖ ist hier übrigens sehr kurz: Im November habe ich recherchiert und veröffentlicht, dass der stellvertretende FPÖ-Parteichef Harald Stefan sogar ganz offiziell den Notar für den Ankauf des Zentrums machte.

Auch den bis dahin geheimen Namen dieses Zentrums habe ich in meiner umfangreichen Recherche über das Zentrum in der Ramperstorffergasse erstmals aufgedeckt: Die Identitären nennen ihr Zentrum selbst „Rautenklause“ – und beziehen sich damit direkt auf den Schriftsteller und frühen Hitler-Bewunderer Ernst Jünger. Für eines seiner Bücher hatte der den Begriff „Rautenklause“ als zeitweiligen Rückzugsort geprägt. Wie passend.

Der Faschist als Namensgeber

Über die politischen Ansichten von Jünger gibt es keine Zweifel. So schrieb er bereits 1926 eine Widmung an Adolf Hitler mit dem Text “Dem nationalen Führer Adolf Hitler!” Die Bewunderung beruhte offenbar auf Gegenseitigkeit. Denn als Reaktion schrieb Hitler dem Schriftsteller: “Sehr geehrter Herr Jünger! Ihre Schriften habe ich alle gelesen. In ihnen lernte ich einen der wenigen starken Gestalter des Fronterlebnisses schätzen … Mit deutschem Gruß Adolf Hitler.”

Später entfernte sich Jünger zwar von den Nazis. Allerdings, weil er mehr Sympathien für die terroristische „Landvolkbewegung“ hatte als für die Nazis, die sich zu diesem Zeitpunkt einen legalen Anstrich gaben. Da ist der Weg nicht mehr weit zum Jahr 2024 und zu jenen, die den millionenfachen Massenmord, den Holocaust, „geil“ finden.

Sie fordert einen neuen Massenmord

Und die Lust am Massenmord ist für die extrem rechte Aktivistin offensichtlich nicht nur eine Frage der Vergangenheit. Denn bei der Party im Schulvereinshaus rund um den identitären Aufmarsch wünscht sie sich für die Zukunft sogar noch einen weiteren Massenmord. Als Einleitung erklärt sie vor der versteckten Kamera, dass 1995 ein „gutes Jahr“ gewesen sei. Ihre widerliche Begründung: ‚“95 war Srebrenica. Der Genozid an den Moslems. War sehr geil. 8888 Opfer angeblich. Es waren zwar weniger, aber geil wär’s, wenn’s so viele wären.“

Ein exhumiertes Massengrab in Srebrenica. Bild: Adam Jones – adamjones.freeservers.com, Lizenz CC BY-SA 3.0.

Im bosnischen Ort Srebrenica hatten Soldaten der serbischen Armee und Polizei sowie serbische Paramilitärs im Juli 1995 über 8000 muslimische Bosnier in einem Genozid ermordet und zahlreiche Frauen vergewaltigt sind. Und das unterstützt die JA-Aktivistin in Wien. Doch sogar das reicht der extremen Rechten noch nicht. Denn im Anschluss fordert sie wörtlich: „Das braucht auch Deutschland. Deutschland braucht ein Srebrenica 2.0.“

In der Öffentlichkeit geben sich die neofaschistischen Identitären und die extrem rechten Wahlparteien aus taktischen Gründen gerne friedlich. Doch wenn ihre Aktivist:innen glauben, dass sie unter sich sind, zeigen sie ihr wahres Gesicht. Bis hin zum Mordaufruf.

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