Bildreportage: An der Bucht zwischen Dikili und Çandarli beginnt für tausende Menschen der letzte Abschnitt ihrer Flucht nach Europa. Wir folgen dem Pfad zum Wasser. 

[Text und Bilder: Michael Bonvalot und Tanja Boukal] Eine Kurve auf der hochgelegenen Küstenstraße. Das Auto fährt langsam, unser Kontakt meint, wir sollten genauer hinsehen. Dann sehen wir einen kleinen Pfad, er schlängelt sich die Felsen hinunter zum Meer. Genau an dieser Bucht beginnt für tausende Menschen der letzte Abschnitt ihrer Flucht nach Europa.

Wir folgen zu Fuß dem Pfad zum Wasser. An den Feuerstellen, die überall zu sehen sind, haben sich die Menschen wohl notdürftig gewärmt. Immer noch kann es hier in der Nacht empfindlich kalt werden.

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Überall liegt Kleidung verstreut, dazwischen sehen wir einzelne Schuhe, zerdrückte Wasserflaschen und leere Medikamenten-Schachteln.
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Die zurückgebliebenen Gegenstände lassen vermuten, dass hier auch sehr viele Kinder auf die Überfahrt warten. Gebrauchte Windeln, Baby-Handschuhe, ein Fläschchen.
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Unser Kontakt sagt uns, dass die Eltern ihren Kindern oft erzählen, dass sie hier auf Urlaub seien und nun eine Bootsfahrt beginnen würden – die Kinder sollen sich keine Sorgen machen. Tatsächlich aber ist die Überfahrt lebensgefährlich. Schwimmflügel und Schwimmreifen mögen vielleicht vor dem Untergehen schützen, doch im kalten Wasser gibt es dennoch kaum Überlebenschancen.
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Wir sehen auch sehr viele Verpackungen für Schlauchboot-Flickzeug, wir sehen Verpackungen von Pumpen und von Kompressoren. Die Schlauchboote werden allerdings oft völlig überfüllt zu Wasser gelassen – obwohl die Menschen viel Geld für eine angeblich sichere Passage bezahlen müssen.

Wer protestiert, wird von den Schleppern bedroht, wie uns unser Kontakt, ein örtlicher Flüchtlings-Helfer, berichtet. Er hätte etwa gesehen, wie die Ruder der Boote als Knüppel verwendet wurden.

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Die griechische Insel Lesbos ist rund 15 Kilometer entfernt, ihre Lichter spiegeln sich gut sichtbar im Abendlicht. Doch der Schein trügt: Lesbos ist viel weiter entfernt als von hier aus wirkt. Was aussieht wie die Hafenzeile von Lesbos mit ihren erleuchteten Lokalen ist tatsächlich der Flughafen mit seinen starken Scheinwerfern.

Dazu machen die Windverhältnisse und die Strömungen die Fahrt buchstäblich lebensgefährlich. Allein am Küstenabschnitt zwischen der Türkei und den griechischen Inseln Lesbos, Samos und Chios sind bereits tausende Menschen ertrunken – genaue Zahlen werden wir wohl niemals erfahren.

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Schließlich kommen wir am Wasser an. Beim ersten Mal, als wir die Bucht am Abend besuchen, ist das Wasser noch klar. Doch am nächsten Morgen, als wir wiederkommen, treibt überall in der Bucht Kleidung im Wasser. Es scheint, als hätte die Strömung diese Kleidung angespült.
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Ob die Kleidung bereits vor der Abfahrt zurückgelassen wurde oder ob es ein verzweifelter Versuch war, das Boot leichter zu machen? Was aus diesen Menschen wurde? Ob sie die Überfahrt auf dem Boot überlebt haben?

Wir wissen es nicht. Wir können nur für sie hoffen.

Bericht für FM4: Kleidung treibt in der Bucht von Dikili

Video: Kleidung treibt in der Bucht von Dikili

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