Milliardenschwere Investoren erobern den Fußball – und ändern das Spiel für immer. Traditionsvereine sind nur noch Filialen von „Multiple-Club Ownerships“. Auch bekannte Klubs in Österreich und Deutschland sind betroffen.
- Zuletzt aktualisiert im Oktober 2024
Der 20. September 2018 wird später vielleicht als Wendepunkt in die Geschichte des internationalen Fußballs eingehen. Denn an diesem Tag treffen in der Gruppenphase der Euro League erstmals Red Bull Salzburg und RB Leipzig aufeinander. Im Klartext: Zwei Filialen desselben Konzerns. Salzburg gewinnt – doch der Sport ist an diesem Tag Nebensache. Denn es ist ein neuer negativer Höhepunkt im sogenannten modernen Fußball.
Davor wurde noch ein wenig am Regelwerk geschraubt: Die Leipziger Filiale hieß von Beginn an offiziell „Rasenballsport“ und nicht „Red Bull“. Und die Salzburger Filiale gehört offiziell nicht mehr dem Dosen-Konzern – der ist nur der Hauptsponsor. Damit durften beide Vereine auch gleichzeitig an Wettbewerben des europäischen Fußballverbandes UEFA teilnehmen.
Laut UEFA wäre dafür entscheidend, dass niemand „Kontrolle über oder entscheidenden Einfluss auf mehr als einen Klub“ habe. Doch die Regelung besteht offensichtlich aus sehr weichem Gummi. Denn die tatsächlichen Machtverhältnisse bei den Dosen-Vereinen sind wohl klar.
„Die größte Bedrohung für den Fußball“
Der Getränkekonzern mit Sitz in Salzburg hat inzwischen eine ganze Gruppe von Vereinen aufgebaut, eine sogenannte „Multiple-Club Ownership“, kurz MCO. Dabei kaufen sich internationale Investoren in verschiedenen Ländern Fußball-Vereine zusammen – die einzelnen Klubs werden zur Filiale und müssen sich der Konzern-Strategie fügen.
Immer mehr solche Konstrukte drängen in den Markt. Das Geld dafür kommt in vielen Fällen aus den Öl-Diktaturen im arabischen Raum. Die Autokraten kaufen sich den Fußball. „Multi-Club Ownership ist derzeit die größte Bedrohung für den Fußball“, sagt Ronan Evain vom Fanbündnis „Football Supporters Europe“ zur Sportschau.
Tendenz? Rasant steigend
Und Fanvertreter Evain könnte mit seiner düsteren Prognose Recht haben. Die britischen Sportjournalisten Nick Harris und Steve Menary schreiben im Februar 2024, dass inzwischen bereits bis zu 350 Klubs Teil einer MCO seien. Rund 12.000 Spieler könnten schon bei einer MCO unter Vertrag stehen. Tendenz? Rasant steigend.
In Deutschland sind Investoren bereits an mindestens 9 von 18 Bundesligisten beteiligt. Darunter an Bayern München, Borussia Dortmund, Werder Bremen und Eintracht Frankfurt. Dazu kommen die Konzernteams Bayer Leverkusen und VfL Wolfsburg. Und natürlich das Konstrukt RB Leipzig.
Der Schwerpunkt liegt auf Westeuropa. Warum? „Im europäischen Fußball gibt es noch viel mehr leichte Ziele“, sagt Jamie Dinan, der Gründer des Hedgefonds York Capital, letztes Jahr gegenüber der Financial Times (€ Paywall). Auch diese Aussage zeigt: MCOs könnten dafür sorgen, dass sich das Gesicht des Fußballs für immer verändert. Und nicht zum Besseren. Gefährdet sind sowohl der faire sportliche Wettbewerb wie die traditionellen Vereinsstrukturen.
Immer mehr Dosen kommen auf den Markt
Inzwischen besitzt der Salzburger Getränke-Konzern mit Red Bull Salzburg und FC Liefering bereits zwei Männer-Teams in Österreich, dazu gibt es seit 2022 eine enge Kooperation mit der Wiener Vienna. Jüngst ist der Konzern auch noch beim FC Bergheim eingestiegen. Die Herren aus der kleinen Salzburger Gemeinde spielen zwar nur unterklassig, doch die Frauenmannschaft kickt in der höchsten österreichischen Spielklasse.
Ein deutlicher Hinweis, dass der Konzern künftig auch im Frauenfußball eine Rolle spielen möchte. Immerhin ist das ein großer neuer Markt. Wie der Bullen-Sender ServusTV den Sport für rechte Propaganda benutzt, habe ich hier für Dich aufgeschrieben. Das aktuelle Filetstück des Konzerns ist aber sicherlich RB Leipzig, der Verein spielt sehr erfolgreich in der deutschen Bundesliga. Dazu kommen in den USA die New York Red Bulls sowie Red Bull Bragantino in Brasiliens erster Liga. Das Projekt Red Bull Ghana dagegen wurde offiziell beendet – doch es ist eventuell kein Zufall, dass sich die Vienna nun gerade in Ghana nach neuen Spielern umsieht.
Erst Ende Mai 2024 ist der Getränke-Konzern dazu auch noch beim englischen Traditionsverein Leeds United eingestiegen, wie der Club in einer Aussendung bekannt gab (die inzwischen gelöscht wurde). Der Konzern wird auch Brustsponsor auf den Trikots der ersten Männer- und Frauenmannschaft von Leeds. Dazu prangt das Getränke-Logo inzwischen bereits groß auf der Vereinshomepage. Über die Premier League werden künftig wohl auch verstärkt internationale Märkte bespielt werden, etwa die USA und Asien, wo die englische Liga sehr populär ist.
RB kauft sich in Japan, Italien und Frankreich ein – und verpflichtet Jürgen Klopp
Im August 2024 hat sich der Dosenkonzern dann auch noch in Japan eingekauft und den Drittligisten Omiya Ardija aus dem Großraum Tokio übernommen. „Wir freuen uns sehr, einen Verein in Asien zu haben und unser Fußballportfolio in dieser strategisch wichtigen Region erweitern zu können“, wird Red Bull-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff in einer Aussendung des japanischen Clubs zitiert. Im September 2024 folgt der Einstieg in die italienische Liga.
Vorerst für ein Jahr soll das Dosen-Imperium den Spitzenclub Torino FC aus der Seria A sponsern, wie der Club zuerst erklärt. Doch laut italienischen Medien sollen die Salzburger planen, den Klub zu übernehmen. Nur einen Monat später wird bekannt, dass RB gemeinsam mit dem französischen Milliardär Bernard Arnault auch den derzeitigen Zweitligisten Paris FC übernehmen will. Der Aufbau des Fußball-Imperiums geht also Schlag auf Schlag – bald geht sich eine eigene internationale Liga aus. Und als Sahnehäubchen verkündete der Konzern im Oktober 2024 auch noch die Verpflichtung des international populären deutschen Trainers Jürgen Klopp als „Head of Global Soccer“ – also als strategischen Planer für alle Fußball-Aktivitäten.
Vereine werden zur Werbefläche
Die Synergien all dieser Zukäufe und strategischen Allianzen sind offensichtlich. Fußballerisch können junge Spieler in Vereinen des eigenen Konzerns langsam aufgebaut werden, es gibt internationales Scouting sowie gegenseitige Transfers und Leihen. Wo der einzelne Verein gerade in der internen Hierarchie steht und welche Spieler er bekommt? Das bestimmt die Konzernzentrale.
Und schließlich und vor allem sind alle Vereine Werbefläche für den Dosenverkauf. Und genau das ist auch der eigentliche Zweck des Engagements von Red Bull im Sport.
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Die Premier League ist auch in Asien und den USA sehr beliebt, Leeds ist also vor allem eine sehr interessante Werbeplattform. Deshalb könnte der Verein auch bald RB Leipzig als Nummer 1 der Red Bull-MCO ablösen. Denn hier geht es eben nicht mehr um den Sport – sondern darum, was dem Investor den meisten Gewinn verspricht.
Immer mehr Vereine in Österreich und Deutschland sind betroffen
Weit weniger bekannt als RB sind in Österreich zwei weitere MCOs: Austria Klagenfurt und Austria Lustenau. Beim Erstligisten aus der Kärntner Landeshauptstadt Klagenfurt hat aktuell Tomislav Karajica bestimmenden Einfluss. Der Hamburger Unternehmer ist Anfang 2023 dazu beim kroatischen Erstliga-Verein HNK Šibenik als Hauptgesellschafter eingestiegen.
Mit dem Engagement in Kroatien würde die Gruppe „einen weiteren Meilenstein“ auf dem Weg setzen, „ein internationales Netzwerk im Profifußball aufzubauen“, sagte Karajica damals. Dazu ist seine „SEH Sports & Entertainment Holding“ auch beim deutschen Viertligisten FC Viktoria Berlin eingestiegen, wo gleichzeitig mehrere junge Klagenfurter Spielpraxis bekommen.
Wackelt die Klagenfurter Gruppe?
Wie es hier weitergeht, ist allerdings unklar. Deutsche Medien vermeldeten im Frühjahr, dass etliche Firmen von Karajica pleite gegangen wären. Auf die Klagenfurter Austria hätte das „keine Auswirkungen“, hieß es danach zwar gegenüber der Kleinen Zeitung.
Doch die Seite der SEH Holding ist inzwischen bereits stillgelegt. Auch die aktuelle Transfer-Periode sieht bereits sehr danach aus, als wäre der Sparstrumpf angezogen worden. Und ohne Geld aus Hamburg könnten in Kärnten sehr schnell (wieder einmal) die Lichter ausgehen. Ebenfalls nicht wahnsinnig gut schaut es derzeit in Vorarlberg aus.
Abstieg in Lustenau und in Frankreich
Denn dort muss die Lustenauer Austria ab nächster Saison wieder zurück in die zweite Liga. Der Aufstieg in die höchste österreichische Spielklasse war erst 2021/22 gelungen, davor war der Vorarlberger Verein Teil der Schweizer MCO „Core Sports Capital“ geworden. Zugpferd dieser Gruppe ist Clermont Foot aus Frankreich.
Dazu ist Core auch noch beim Schweizer Drittligisten FC Biel-Bienne 1896 investiert. Die Kooperation mit dem dänischen Zweitligisten Vendyssel FF dürfte dagegen inzwischen beendet worden sein. Ein früherer Bericht über die Kooperation auf der Seite von Austria Lustenau führt inzwischen ins Leere, er ist nur noch über Sekundärquellen abrufbar.
Mit „Young Bafana“ gibt es sogar eine eigene Fußballakademie in Südafrika, von dort soll offensichtlich neuer Nachwuchs rekrutiert werden. Und dabei soll es nicht bleiben. „Wir sind ständig auf der Suche nach strategischen Partnerschaften und Beteiligungen an anderen Fußballvereinen“, heißt es von Core.
Es hat „hinten und vorne nicht zusammengepasst“
Doch das Herzstück der Gruppe, Clermont Foot aus dem zentralfranzösischen Clermont-Ferrand, ist dieses Jahr ebenso in die zweite Liga abgestiegen wie die Lustenauer. Weder in Österreich noch in Frankreich hat die MCO aktuell also so richtig gut funktioniert. Die Probleme der Vorarlberger in der vergangenen Saison zeigen gleichzeitig exemplarisch, vor welchen Schwierigkeiten Filialen in MCOs immer wieder stehen können.
Der Kader stand wohl erst sehr kurzfristig fest, dazu konnten einige Leih-Spieler aus Frankreich die Erwartungen überhaupt nicht erfüllen. Torhüter Domenik Schierl stellte nach dem Abstieg auf Sky nüchtern fest: „Wir hatten einen Kader, der von der Qualität hinten und vorne nicht zusammengepasst hat.“
Die 50+1-Regel als letzte Hürde
In Österreich und Deutschland stehen Investoren aktuell aber noch vor einem Problem: Der sogenannten 50+1-Regel. Das bedeutet: Investoren dürfen offiziell nicht die Mehrheit an Vereinen übernehmen. In der Praxis wird das alles nicht so heiß gegessen wie gekocht, das Beispiel Red Bull ist bezeichnend.
In Deutschland gibt es sogar ganz offizielle Ausnahmeregelungen: Für die beiden Werksteams Bayer Leverkusen und VfL Wolfsburg sowie für die TSG Hoffenheim. Bayer gehört dem gleichnamigen Chemie-Konzern, der VfL dem Volkswagen-Konzern. Und bei der TSG hat der IT-Milliardär Dietmar Hopp das Sagen, er ist Begründer des Softwarekonzerns SAP.
Dazu kommen Vereine wie Bayern München. Beim deutschen Rekordmeister halten die drei Sponsoren Adidas, Allianz und Audi (Volkswagen) substantielle Anteile. Doch zahlreichen Konzernen und MCOs reicht auch das nicht mehr. Sie wollen erreichen, dass die Regelung insgesamt fällt. Dann könnten Vereine auch in Österreich und Deutschland zur Gänze und ganz offiziell aufgekauft werden.
Bei der Wiener Austria war es knapp
Auch die traditionsreichen Veilchen aus Wien wären wohl fast Teil einer MCO geworden. Immer wieder gab es in den vergangenen Jahren Gespräche mit Ivan Bravo und seiner sogenannten Bravo-Gruppe. Wer da aller beteiligt ist, ist ein wenig unklar. Doch eindeutig sind die engen Verbindungen zur Öl-Diktatur Katar, wo auch Bravos „Aspire Academy“ ihren Sitz hat.
In der katarischen Hauptstadt Doha wäre bereits verhandelt worden, ob sich die Austria der MCO von Bravo anschließt. Das sagte der ehemalige Austria-Manager Markus Kraeschmer im Mai in einem langen Podcast-Interview mit der Fachzeitschrift Sportsbusiness. Das sei aber „letztlich daran gescheitert“, dass die Gruppe dann auch „mehr Rechte im Nachwuchs“ sowie „Zugriff auf die Akademie“ wollte. Dafür hätte die Bravo-Gruppe dann „zu wenig geboten“, so Kraetschmer. Dem Vernehmen nach war auch die 50+1-Regel in Investorengesprächen immer wieder ein Thema.
Inzwischen ist eine Gruppe rund um den ehemaligen Bundesliga-Spieler und späteren Fußball-Manager Jürgen Werner bei den Violetten eingestiegen. Beteiligt sind etwa Unternehmer Raimund Harreither, der österreichische Milliardär Martin Schlaff sowie das Familienunternehmen von Ex-Austria Spieler David Alaba. Derzeit sieht es allerdings so aus, dass die bisherigen Investments nicht reichen, um die Schuldenkrise der Violetten zu lösen. Doch der Hauptstadtklub ist in Österreich wohl zu groß, um unterzugehen.
Der sagenhafte Aufstieg der Manchester City Group
Die international erfolgreichste MCO ist inzwischen zweifellos die „City Football Group“, Herzstück der Gruppe ist Manchester City aus der englischen Premier League. Der Verein aus dem Industrieviertel im englischen Nordwesten stand viele Jahre im Schatten des Stadtrivalen Manchester United.
Doch zuletzt gewann Man City zwischen den Saisonen 20/21 und 23/24 viermal in Folge die englische Meisterschaft. Ein Kunststück, das zuvor noch keinem Klub gelungen war. 2023 konnte Man City sogar erstmals die Champions League gewinnen. Doch auch die City Football Group hat einen politisch sehr dreckigen Hintergrund.
Gleich ganz oben einsteigen
Das Geld für den sagenhaften Aufstieg von Man City kommt vor allem von der „Abu Dhabi United Group“, sie besitzt die große Mehrheit an der City Group. Es ist eine Firma im Besitz des Königshauses der Öldiktatur Abu Dhabi, einem der Teilstaaten der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Weitere, kleinere, Anteilseigner kommen aus den USA und aus China.
Und Man City ist nur das Aushängeschild dieser MCO. In den USA spielt der New York City FC in der Major League Soccer, der obersten Spielklasse. Diesen Verein hat die City-Group gleich selbst gegründet. Besonders praktisch: Der Klub konnte direkt ganz oben starten. Das liegt am sogenannten „Franchise-System“ im US-Sport, wo sich Investoren direkt in eine Liga einkaufen können.
Wer zahlt, bestimmt. Sogar den Vereinsnamen
In Australien spielt der Melbourne City FC für die „Citizens“. Als die City Group den Verein aufkaufte, hieß der Klub noch „Melbourne Heart“. Doch dann wurde im Sinne des Konzerns umbenannt. Ein Schicksal, das an die Salzburger Austria erinnert. Auch die wurde vom Dosenkonzern nach der Übernahme im Jahr 2005 einfach in „Red Bull“ umbenannt. Fans, die das nicht akzeptieren wollten, gründeten den Traditionsverein daraufhin im Salzburger Unterhaus neu.
An dieser Stelle ein kurzer Einschub für Leser:innen aus Deutschland und der Schweiz: Nein, in Österreich heißen nicht alle Klubs „Austria“. In diesem Artikel kommen nur zufällig so ziemlich alle Vereine mit diesem Namen zusammen.
Wie das City-System funktioniert
Ein weiteres Filetstück der City-Gruppe ist der FC Girona aus Spanien – in der abgelaufenen Spielsaison belegte der Verein aus Katalonien bereits den beachtlichen dritten Platz in der spanischen Primera División. Ein beeindruckender Aufstieg für einen Klub, der erst in der Saison 2022/23 (erneut) in die oberste spanische Spielklasse aufgestiegen war. Das Geld aus Abu Dhabi wird nicht geschadet haben.
Die Hierarchie in der MCO ist allerdings klar. So war etwa der brasilianische Flügelspieler Sávio in der Saison 2023/24 einer der wichtigsten Spieler von Girona. Prompt wechselte er zum Saisonende nach Manchester. Sávio zeigt gleichzeitig, wie das System funktioniert: Die City Group hatte ihn zuerst in der französischen Filiale aufgebaut, beim Zweitligisten ES Troyes AC. Dann ging es zu Girona und nun folgt City.
Ebenfalls Teil der City-Gruppe ist der traditionsreiche italienische Club Palermo FC. Dort spielte als junger Stürmer auch der spätere italienische Weltmeister Luca Toni. In Japan ist die Gruppe bei den Yokohama Marinos investiert, einem der erfolgreichsten Fußballvereine des Landes. Der chinesische Ableger ist der Shenzhen Peng City FC, der in der Super League spielt, der höchsten Spielklasse.
Die größte Fußball-Gruppe der Welt entsteht
Dazu kommen weitere Vereine in Belgien (Lommel SK), Indien (Mumbai City FC) und Uruguay (Montevideo City Torque). Südamerika dürfte für die City-MCO überhaupt ein interessantes Pflaster sein: Im Mai 2023 etwa wurde der traditionsreiche EC Bahia aus Brasilien übernommen. Und auch hier dürfte Geld nicht gestunken haben: Während es 2023 nur für den enttäuschenden 16. Platz in der obersten Spielklasse gereicht hat, wurde der EC Bahia 2024 bereits Zweiter.
Dazu kommen auch noch zahlreiche strategische Partnerschaften, etwa mit dem Traditionsverein Bolivar aus der bolivianischen Hauptstadt La Paz. Der ist allerdings gleichzeitig auch noch mit einem zweiten Verein verbandelt: Mit dem US-Klub Inter Miami aus der Major League Soccer. Bei diesem Verein spielt inzwischen unter anderem Lionel Messi, der lange Zeit wohl beste Spieler der Welt. Inter Miami gehört einem Konsortium unter Führung des ehemaligen Spielers David Beckham.
Wenn der Konzern gegen sich selbst spielt
Das bereits erwähnte Spiel zwischen RB Salzburg und RB Leipzig war somit zweifellos nur der Auftakt. Das Problem wird in den kommenden Jahren sehr schnell und sehr viel größer werden. So spielten 2023 bereits sechs Vereine in europäischen Bewerbern, obwohl jeweils zwei von ihnen die selben Mehrheitseigentümer hatten.
Zum einen der AC Mailand aus Italien und der französische Pokalsieger FC Toulouse, beide gehören mehrheitlich RedBird Capital. Dazu hat die Gruppe auch noch eine Minderheitsbeteiligung am FC Liverpool. Offiziell hat RedBird seinen Sitz in den USA – doch über die Partnerschaft mit den Vereinigten Arabischen Emiraten fließen auch hier Dollars aus der Öl-Diktatur in den Fußball.
„Gewisse Änderungen“
Ebenfalls miteinander verbunden waren Brighton & Hove Albion aus England und Royale Union Saint-Gilloise aus Belgien. Beide Klubs gehörten damals mehrheitlich dem englischen Pokerspieler Tony Bloom – inzwischen hat Bloom die Mehrheit in Belgien allerdings offiziell aufgegeben. Die Begründung: Es hätten „gewisse Änderungen vorgenommen werden“ müssen, damit die UEFA-Wettbewerbsbestimmungen eingehalten werden.
Und schließlich sind auch Aston Villa aus England und Vitória Guimaraes aus Portugal geschäftlich miteinander verbunden. Beide hatten sich für die Conference League qualifiziert, an beiden hält die amerikanisch-ägyptische Gruppe „V Sports“ Anteile. Weitere Partnerschaften gibt es mit Vereinen in Ägypten, Japan und Spanien.
Weltberühmte Vereine sind nur noch „Marken“ im „Portfolio“
Immer mehr Klub-Eigentümer:innen gehen inzwischen weltweit einkaufen. Dem US-Konsortium BlueCo etwa gehört inzwischen nicht nur der FC Chelsea aus London, sondern auch Racing Straßburg aus der ersten französischen Liga. Die Besitzer des AFC Bournemouth aus der Premier League kauften sich im Jänner 2023 beim französischen Erstligisten FC Lorient ein, wie die Sportschau berichtet.
Und hinter dem Berliner Hertha BSC steht mittlerweile die US-Gruppe 777 Partners. Weitere Mitglieder dieser MCO: Der FC Sevilla aus Spanien, Standard Lüttich aus Belgien, der italienische FC Genua, Vasco da Gama aus Brasilien, der australische Melboune Victory FC sowie Red Star Paris. Die einzelnen Vereine werden übrigens auf der Seite der MCO als „Marken“ im „Portfolio“ bezeichnet.
Wenn die MCO ins Wanken gerät, purzeln die Töchter
Die Vorteile von MCOs für die Eigentümer:innen sind klar: Einerseits sind da die sportlichen Synergien und Vorteile, also das Verschieben von Spielen im eigenen Netzwerk. Und dann bedeuten mehr Vereine natürlich auch mehr potentielle Profite.
Immer funktioniert es dann aber doch nicht: So platzte etwa die Übernahme des FC Everton aus Liverpool im Frühjahr und Sommer 2024 gleich zweimal. Neben 777 Partners hatte auch die Friedkin Group Interesse bekundet. Dieser Gruppe im Besitz von US-Milliardär Thomas „Dan“ Friedkin gehört seit 2020 auch der AS Roma. Geld wäre hier also wohl vermutlich genug vorhanden gewesen. 777 Partners dagegen soll inzwischen erhebliche finanzielle Probleme haben und sogar überlegen, alle Fußball-Beteiligungen zu verkaufen.
Ein großes Problem für die Vereine der Gruppe. Von Hertha-Interimspräsident Fabian Drescher hieß es bei der Mitgliederversammlung Ende Mai bereits, dass „alle Eventualitäten auf dem Prüfstand“ stehen würden. Wie beim Konkurs eines Konzerns könnten künftig also auch bei MCOs die Tochterfirmen mit ins Verderben gezogen werden. Nur geht es hier um traditionsreiche Fußballvereine.
Neymar und Mbappé: Wenn Diktatoren einkaufen gehen
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Viele der erfolgreichsten und populärsten Vereine der Welt gehören mittlerweile internationalen Investoren. An vorderster Front mit dabei sind immer wieder die Öl-Diktaturen aus der Golfregion. So gehört etwa der französische Serienmeister Paris Saint-Germain inzwischen der staatseigenen Qatar Holding. Erst mit dem Geld aus dem Emirat wurden millionenschwere Transfers möglich – etwa der Kauf des Brasilianers Neymar oder des Franzosen Kylian Mbappé.
Der saudische Staatsfonds PIF ist derweil in der englischen Premier League engagiert und kontrolliert dort Newcastle United. In Saudi-Arabien selbst besitzt der PIF dazu den Verein Al-Hilal aus der Hauptstadt Riad. Dort spielt inzwischen übrigens auch Neymar. Diktaturen zahlen wohl ganz gut.
Die Fernsehbilder werden gleich selbst produziert
Aber auch andere Investoren mischen mit. So gehört etwa der FC Liverpool inzwischen der US-amerikanischen Fenway Sports Group (FSG). Die besitzt unter anderem auch das US-Baseballteam Boston Red Sox sowie den NHL-Eishockeyverein Pittsburgh Penguins. Dazu zeigte die Gruppe auch Interesse am französischen Traditionsverein Girondins de Bordeaux, der schon länger in großen finanziellen Problemen steckte. Die FSG hätte „Interesse an der möglichen Übernahme“, hieß es noch Anfang Sommer 2024 in einer Erklärung. Doch die Verhandlungen liefen fest und Fenway zog schließlich zurück. Es war der letzte Strohhalm für den sechsmaligen französischen Meister (zuletzt 2009). Nun muss Girondins den bitteren Gang in die dritte Liga antreten.
Für die besten Fernsehbilder kann die Gruppe jedenfalls gleich selbst sorgen: Praktischerweise besitzt sie auch noch den US-TV-Sender New England Sports Network. Das Konzept erinnert an das Red Bull Media House. Hier habe ich mehr über die politisch höchst problematische Rolle der Red Bull-Mediengruppe für Dich aufgeschrieben.
Inter Mailand: „das beste Ergebnis für den langfristigen Wohlstand“
Der italienische Fußballmeister Inter Mailand wurde erst im Mai 2024 vom US-Fonds Oaktree übernommen. Der bisherige Eigentümer, die chinesische Industriegruppe Suning, hatte eine vereinbarte Überweisung in Höhe von 395 Millionen Euro nicht eingehalten.
Oaktree sei nun „bestrebt, das beste Ergebnis für den langfristigen Wohlstand von Inter zu erzielen“, teilte der US-Fonds in einer Erklärung mit. Nachdem es sich allerdings um einen Finanzfonds handelt, wird das tatsächliche Bestreben wohl vor allem den Aktionär:innen gelten.
Die „Schande von Gijon“ könnte zum Regelfall werden
Eines der erbärmlichen Fußballspiele aller Zeiten war sicherlich die sogenannte „Schande von Gijon“. Bei der WM 1982 in Spanien trafen damals Österreich und Deutschland aufeinander. Die Ausgangslage: Bei einem niedrigen Sieg von Deutschland würden beide Teams weiterkommen. Nachdem Deutschland bereits früh mit 1:0 in Führung ging, schoben beide Mannschaften den Ball nur noch auf dem Platz herum. Sogar die österreichischen und deutschen TV-Kommentatoren sprachen von einer Schande.
Die Fans aus Algerien, deren Team dadurch um den Aufstieg betrogen wurde, waren empört. Danach wurden sie vom österreichischen Delegationsleiter Hans Tschak sogar noch rassistisch beschimpft: Dass die „10.000 Wüstensöhne im Stadion einen Skandal entfachen wollen“, würde zeigen, dass sie „zu wenig Schulen“ hätten. Wer hier tatsächlich mehr Schulbildung gebraucht hätte, ist allerdings offensichtlich.
Doch die Schande von Gijon könnte sich bald regelmäßig wiederholen. Was wird künftig passieren, wenn es für eine Konzern-Filiale in einer Begegnung um nichts mehr geht – doch die andere Filiale noch um das Weiterkommen in einem Bewerb spielt, der den Eigentümer:innen Millionen bringt?
Es ist nur der Beginn. Und es wird übel.
Immer mehr Kicker wandern heute bereits in sehr jungen Jahren in Ligen ab, die besser bezahlen. Besonders offensichtlich ist das in Österreich, wo die deutsche Bundesliga regelmäßig einkaufen geht. Durch die gemeinsame Sprache ist Österreich der perfekt geeignete Hinterhof.
So wechselte etwa David Alaba, der zweifellos beste österreichische Spieler der Gegenwart, bereits im Alter von 16 Jahren von der Wiener Austria zu Bayern München. Das Ausnahmetalent hatte davor die Nachwuchsmannschaften der Violetten durchlaufen. Doch dann machten die Bayern ein Angebot, das offenbar nicht abzuschlagen war.
Und im Haifischbecken der ganz großen Vereine haben die Bayern dasselbe Problem. Etwa, wenn die meist Investoren-geführten Klubs der englischen Premier League anklopfen. Das verschärft den Druck. Die Folge: Immer mehr Vereine werfen sich Investoren, Fonds und Öl-Diktaturen an den Hals. Andere werden aufgekauft, wenn sie in finanziellen Nöten sind. Und so werden die MCOs im Fußball immer größer – und immer einflussreicher.
Der erste Einstieg in Deutschland wurde verhindert
Doch es gibt auch Beispiele, wo es nicht klappt. So konnten die organisierten Fans in Deutschland erst Anfang 2024 den Einstieg eines Investors in die Bundesliga verhindern. Eine Milliarde Euro hätte der Investor aus der Private-Equity-Branche geboten. Doch die Fans machten dem Ausverkauf einen Strich durch die Rechnung: Die Parole „Wir werden kein Teil eures Deals sein“ wurde in zahlreichen Fankurven präsentiert, es flogen Tennisbälle und Schoko-Taler, teils wurde der organisierte Support eingestellt.
Ende Februar zog die Deutsche Fußball Liga (DFL) schließlich die Notbremse und stoppte den Deal. Doch niemand sollte naiv sein: Genau wie bei den immer neuen Bestrebungen, eine geschlossene Champions League aufzubauen, werden auch hier weitere Versuche folgen.
Ob die Fans überhaupt eine Chance haben, wenn sie gleichzeitig gute Spiele mit guten Spieler:innen sehen wollen? Das bleibt offen. Doch die Fan-Proteste zeigen jedenfalls, dass der moderne Fußball-Kapitalismus nicht alternativlos akzeptiert wird. Und das ist eine gute Nachricht.
Aktualisiert um neue Engagements von Red Bull in Japan, Italien und Frankreich sowie die Verpflichtung von Jürgen Klopp.
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