Sie begehen in der Ukraine brutalste Kriegsverbrechen. Sie zeigen ganz offen ihre Nazi-Symbole. Und dennoch weiß kaum jemand etwas über sie: Die zahlreichen Nazis, die für Russland und für Putin kämpfen.
- Von Michael Bonvalot, Mitarbeit und Übersetzungen aus dem Russischen: Viktoria Kowalenko
Als der ukrainische Soldat tot ist, ritzt der Mann ein Hakenkreuz in sein Gesicht. Dazu schneidet er Toten die Ohren ab und macht Selfies mit verbrannten Körpern im Hintergrund. Er, das ist Alexei Miltschakow, der Führer der russischen Söldnertruppe „Rusitsch“. Die einflussreiche paramilitärische Nazi-Truppe kämpft heute in der Ukraine.
Der Bericht über die Totenschändung erscheint 2018 beim polnischen TV-Sender Belsat. Er wirkt plausibel: Andere Berichte zeichnen ein ähnliches Bild. In sozialen Medien präsentierte sich der heute 32-jährige Miltschakow schon in seiner Jugend als Fan von Adolf Hitler und ließ sich mit einer Hakenkreuz-Fahne fotografieren.
In einem TV-Interview sagt er selbst ganz offen: „Ich bin ein Nazi.“ Den Geruch von brennendem Menschenfleisch würde er „großartig“ finden. Abgeschnittene Ohren und Eingeweide seien seine „Trophäen“.
Die Wagner-Neonazis sind an vorderster Front
Neonazis sind ganz vorne mit dabei, als Russland den Krieg auf die Ukraine beginnt. Bereits kurz nach dem Einmarsch im Februar 2022 gibt es erste Berichte, dass Spezialkommandos der Wagner-Gruppe rund um Kiew aktiv geworden wären. Eines ihrer Ziele: Die Ermordung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskjy und seiner Regierung. Die Söldner-Gruppe Wagner und die Nazis von Rusitsch sind eng miteinander verbündet.
Bei der Wagner-Truppe zeigt sich der ideologische Hintergrund bereits im Namen: Benannt ist sie nach dem deutschen Komponisten und Antisemiten Richard Wagner, der von Hitler äußerst geschätzt wurde. Der Gründer dieser Truppe: Der russische Neonazi Dmitri Utkin. Als Funkrufzeichen wählte er den Namen Wagner, daher auch der Name der Einheit.
Hakenkreuze, Runen und SS
Es gibt ein sehr bezeichnendes Foto, das laut „The Times“ mit höchster Wahrscheinlichkeit Utkin zeigt. Am Hals hat er eindeutig ein SS-Abzeichen tätowiert.
Dazu berichtet der Journalist Joshua Yaffa von „The New Yorker“: „Ein ehemaliger Wagner-Kämpfer erzählte mir, dass Utkin seine Untergebenen mit ‚Heil!‘ begrüßte und auf dem Übungsgelände der Einheit eine Feldmütze der Wehrmacht trug.“
Es ist plausibel: Ein Foto, das Lenta.ru 2020 veröffentlichte, zeigt mutmaßliche Wagner-Kämpfer in Syrien. Die Anweisungen gibt ein Mann, der gut erkennbar eine Mütze der Wehrmacht trägt. In Libyen hat die Wagner-Gruppe mutmaßlich Hakenkreuze und SS-Abzeichen hinterlassen.
Fahrzeuge der Gruppe sind mit Runen markiert, die auch die Neonazi-Szene verwendet. Dass diese Russen als Slawen in den Augen der Nazis selbst „Untermenschen“ gewesen wären, ist offenbar irrelevant.
Wagner ist weiter aktiv – und heißt jetzt wie die Wehrmacht
Spätestens mit der Beteiligung am russischen Angriff auf die Ukraine wird Wagner auch international berühmt-berüchtigt. Die Söldnertruppe, die für Russland auch in Syrien und mehreren Staaten Afrikas die Drecksarbeit erledigt, heuert immer mehr Söldner an. Schließlich kommt es zum offenen Machtkampf.
Ein Wagner-Putsch im Juni 2023 scheitert. Wagner-Gründer Utkin und das bekannteste Gesicht der Gruppe, Pawel Prigoschin, kommen anschließend auf dubiose Weise bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Offiziell wird die Truppe danach von der russischen Regierung aufgelöst. Doch tatsächlich ist sie weiterhin hoch aktiv.
Die in Afrika stationierten Wagner-Einheiten etwa werden einfach in das russische Verteidigungsministerium eingegliedert. Dazu bekommen sie auch einen neuen Namen: Afrikanski Korpus, deutsch: Afrikakorps. Deutlicher geht es nicht. Genauso hießen die Wehrmachtsverbände, die während des Zweiten Weltkriegs in Afrika operierten. Zur Erinnerung: Es geht hier um eine Einheit des russischen Staates. Es ist also ein Name, den das extrem rechte Putin-Regime bewusst gewählt hat.
Und auch die Nähe zu Wagner ist weiterhin eindeutig: Noch Ende Dezember 2023 wird auf dem offiziellen Telegram-Kanal der Gruppe ein Bild veröffentlicht, das mutmaßlich Prigoschin zeigt. Dazu der Hinweis, dass bei der Rekrutierung ehemalige Wagner-Kämpfer „Vorteile und Vorrang“ hätten. Es wäre im Afrikakorps auch weiter erlaubt, Wagner-Symbole zu verwenden.
Nazis, die Nazis entnazifizieren wollen?
Der neue Wehrmachts-Name der Truppe zeigt gleichzeitig auch, wieviel von einem angeblichen Kriegsziel Russlands zu halten ist. Laut Präsident Wladimir Putin wolle Russland die Ukraine ja angeblich „entnazifizieren“. Auf denselben Zug will absurderweise auch das Afrikakorps aufspringen.
Als die französische Zeitung Le Monde Ende Dezember 2023 auf den neuen Namen der Truppe hinweist, will die Einheit über ihren Telegram-Kanal kontern: Schnell werden einige Bilder veröffentlicht, die ukrainische Einheiten mit Neonazi-Symbolen zeigen. Solche Bilder gibt es tatsächlich zuhauf und sie zeigen eine enorm problematische Realität.
Zahlreiche ukrainische Eliteverbände wie die Bataillone Asow, Aidar oder Karpatska Sich wurden von Neonazis gegründet. Doch welche Kritik daran will eine russische Einheit anbringen, die sich selbst wie die Wehrmacht nennt? Offene Neonazis sind als angebliche Verfechter der „Entnazifizierung“ wohl bestenfalls lächerlich.
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Aktiv ist Wagner weiterhin nicht nur in Afrika. Das zeigt etwa der einflussreiche Telegram-Kanal „Grey Zone“, das Sprachrohr der Gruppe. Grey Zone hat aktuell rund 530.000 Abonnent:innen, eine beachtliche Zahl. In Russland, der Ukraine und anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion ist Telegram enorm populär, auch staatliche Stellen kommunizieren über die Plattform.
Wagner kämpft weiter in der Ukraine – und veröffentlicht ein Hitler-Bild
Und weiterhin werden auf Telegram auch täglich Postings von „Grey Zone“ veröffentlicht – darunter viele mit Kriegsbildern aus der Ukraine. Ideologisch hält sich der Kanal zurück. Meistens. Doch hin und wieder kommen sie, die einschlägigen Postings.
Ende Oktober 2023 etwa bringt Grey Zone eine zweideutig-eindeutige Botschaft. Der Kanal veröffentlicht einen Tweet des Politikers Afnan Khan. Der Pakistani hatte mit Bezug auf den Gaza-Krieg eine Abbildung von Hitler gepostet und dazu geschrieben: „Wenigstens weiß die Welt jetzt, warum er getan hat, was er getan hat.“
„Waffen SS World tour“
Grey Zone versucht danach offensichtlich, die Botschaft über die Bande zu spielen. Im Text heißt es nur, „ein wahrer Albtraum“ hätte auf Twitter begonnen, nachdem Khan seinen Tweet abgesetzt hätte. Eine eindeutige Zustimmung wird damit vermieden. Doch das Publikum weiß offensichtlich, was erwartet wird.
Nachdem das Bild veröffentlicht wird, folgten über 670 Kommentare. Eine Auswahl: „Adolf hat es in dem Sinn vermasselt, dass er nicht alle Juden in Krematorien verbrannt hat“. „Waffen SS World tour“. Oder einfach nur erhobene Daumen. Nicht alle Kommentare sind positiv. Einige weisen etwa darauf hin, dass Hitler nicht nur Jüdinnen und Juden ermordet hätte, sondern auch Millionen von Bürger:innen der Sowjetunion. Doch die Botschaft ist angebracht. Kurz danach folgt dann eine weitere eindeutige Positionierung.
Veröffentlicht wird ein Posting mit angeblichen Straftaten, die von Menschen mit Migrationshintergrund begangen worden wären. Dazu wird ein eigener Kanal beworben. Dessen Ziel laut Grey Zone: „Einfluss auf die Migrationspolitik des Staates zu nehmen.“
Das Abzeichen ist ein doppeltes Hakenkreuz
Auch die Wagner-Freund:innen der bereits erwähnten Nazi-Truppe Rusitsch sind auf Telegram vertreten. Über 150.000 Menschen folgen ihrem Kanal. Und weiter werden dort so gut wie täglich Berichte von Kämpfen in der Ukraine veröffentlicht.
Ideologische Unklarheiten gibt es bei Rusitsch keine. Bereits als offizielles Abzeichen verwendet Rusitsch das sogenannte „Kolovrat“. Es ist ein doppeltes Hakenkreuz, das vor allem unter slawischen extremen Rechten populär ist – etwa in Russland, der Ukraine oder Serbien. Es sieht sehr ähnlich aus wie die „Schwarze Sonne“, die die SS verwendet hatte. Die Kolovrat-Version von Rusitsch ist dazu in den Farben Schwarz-Weiß-Gold gehalten, den Farben des Zaren-Regimes.
Auch der australische Massenmörder B.T., der 2019 bei einem Anschlag auf zwei Moscheen in Christchurch (Neuseeland) 51 Menschen ermordete, trug ein Kolovrat und eine schwarze Sonne. Dazu trug er übrigens auch Parolen mit Bezug auf den Kampf zwischen den Habsburgern und dem Osmanischen Reich („Vienna 1683“).
Davor war der Attentäter auch noch selbst in Österreich gewesen und hatte Geld für die neofaschistische Gruppe Identitäre und deren österreichisches Führungsgesicht gespendet.
Wotan und der „Schamane“ im US-Kapitol
Als weiteres Symbol verwendet Rusitsch regelmäßig den sogenannten „Wotansknoten“ oder „Valknut“. Woher dabei der Wind weht, ist eindeutig. So hat Denis Puschilin, Oberhaupt der von Russland besetzten Region Donezk, im April 2022 auf Telegram ein Video einer Ordensverleihung veröffentlicht. Der Soldat, der den Orden erhält, trägt gut sichtbar nicht nur einen Valknut-Knoten am Arm. Sondern auch einen SS-Totenkopf. Laut time.com soll es sich um einen Rusitsch-Mann handeln.
The head of the DNR, Denis Pushilin, awarding a medal to Lieutenant Colonel Timur Kurilkin for "destroying 250 Nazis" – which is ironic, considering Kurilkin has two neo-Nazi patches clearly visible on his uniform. pic.twitter.com/JPXzkzts04
— Jimmy Rushton (@JimmySecUK) April 4, 2022
Der Valknut ist auch in der internationalen Neonazi-Szene sehr beliebt. Ein Tattoo mit dem Valknut auf der Brust trägt etwa auch der berüchtigte Kapitol-Stürmer Jake Angeli (tatsächlich: Jacob Chansley) auf der Brust. Der QAnon-Verchwörungsideologe brachte es als halbnackter Schamane mit Fell zu trauriger Berühmtheit.
Jacob Chansley, AKA Jake Angeli, Arizona man makes first court appearance in for charges related to storming the U.S. Capitol. His mom says he hasn’t eaten since Friday because the detention facility won’t feed him all organic food. @abc15 pic.twitter.com/doTLFal4At
— Melissa Blasius (@MelissaBlasius) January 11, 2021
Ist da etwas gewaltig schief gegangen?
Ihren Namen hat sich die Rusitsch-Truppe aus der russischen Mythologie geborgt. Im Deutschen wird ihr Name oft mit einem doppelten „s“ geschrieben, also „Russitsch“. Eine falsche Übersetzung, die sich vermutlich auf „Russland“ bezieht. Die „Rus“ war das erste mittelalterliche Großreich im slawischen Osten, gegründet vermutlich von Wikinger:innen. Ein „Rusitsch“ ist ein Bürger der Rus. Zentrum dieses Reiches war allerdings Kiew, daher auch der vollständige Name: „Kiewer Rus“.
In einer Verquerung der historischen Fakten wollen russische Nationalist:innen dadurch heute ihren Anspruch auf die Ukraine begründen. Tatsächlich müsste es dann wohl eher umgekehrt sein: Die Regierung in Kiew könnte in dieser Logik jederzeit Ansprüche auf große Teile von Russland erheben.
„Faschist und Schlächter aus Sankt Petersburg“
Der Einsatz von Rusitsch-Gründer Miltschakow in der Ukraine wird anfänglich sogar in Russland kritisch gesehen. „Ein Faschist und Schlächter aus Sankt Petersburg ist ausgezogen, um für die Aufständischen zu kämpfen“, schreibt im Juli 2014 die zweitgrößte russische Tageszeitung „Moskowski Komsomolez“. Doch bald zeigt die Nazi-Truppe ihren Nutzen für das russische Regime.
Sie kämpft einerseits im Osten der Ukraine, in Donezk und Luhansk. Es sind Regionen, die Russland bereits seit 2014 besetzt hält. Laut einem Bericht des deutschen Bundesnachrichtendienstes, aus dem der Spiegel zitiert, sei Rusitsch für seine „besondere Brutalität bekannt“ gewesen. Die faschistische Einheit habe den Ruf gehabt, „niemals Gefangene zu machen“.
Hitler-Gruß in Syrien
Gleichzeitig wird Rusitsch für Russland als Söldner-Gruppe auch international aktiv, ähnlich wie ihre Wagner-Verbündeten. Mutmaßlich etwa in Syrien: Ein Bild des offiziellen Rusitsch-Kanals auf Instagram zeigt einen Soldaten im syrischen Palmyra. Die Hand hat er zum Hitler-Gruß gehoben (was im dazu geposteten Text ironisch bestritten wird). Es handelt sich mutmaßlich um Jan Petrowski, damals stellvertretender Kommandant von Rusitsch.
Aktuell herrscht allerdings Unruhe rund um Petrowski, der auch unter dem Namen Voislav Torden auftritt: Im Juli 2023 wurde er in Finnland festgenommen. Seine Nazi-Freunde haben das eher nicht so gut aufgenommen. Kurz danach forderte Rusitsch via Telegram vom Kreml, sich für die Freilassung von Petrowski einzusetzen: „Wenn ein Land seine Bürger nicht schützt, warum sollen die Bürger dann das Land schützen?“.
Wenn Russland die Freilassung des damals 36-jährigen Nazis nicht durchsetzen könne, würden sie aufhören, zu kämpfen. Bewirkt hat die leere Drohung nichts: Petrowski sitzt in Finnland weiter in U-Haft. Und Rusitsch macht weiter die Drecksarbeit für den Kreml.
Kriegsgefangene in der Ukraine sollen ermordet werden – und ihre Angehörigen erpresst
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Sie verwenden nicht nur Nazi-Symbole, sie verhalten sich auch so. Im Oktober 2022 veröffentlicht der britische Guardian einen Bericht über Rusitsch. Zuvor hatte die Truppe über ihren Telegram-Kanal eine Nachricht veröffentlichen lassen. Es ging um die „Entsorgung von Kriegsgefangenen aus den Streitkräften der Ukraine“. Zu den Kernpunkten gehörten Anweisungen zur Ermordung von Kriegsgefangenen nach dem Verhör.
Die Gefangennahme ukrainische Soldaten solle auch nicht an das russische Militärkommando gemeldet werden. Falls ein Report nötig sei, solle gesagt werden, dass der Gefangene bereits verwundet oder tot sei. Schließlich wurde auch erklärt, dass Familien von Ermordeten dazu gezwungen werden sollten, Lösegeld an Rusitsch zu bezahlen – damit sie die Koordinaten der Gräber erfahren würden.
An dieser Brutalität hat sich offensichtlich bis heute nichts geändert. Im Jänner 2024 veröffentlicht die Gruppe auf Telegram das Bild eines abgeschnittenen Kopfes mit einem zynischen Scherz über die Shampoo-Marke „Head and Shoulders“ (Kopf und Schultern).
Die Russische imperiale Bewegung bildet deutsche Neonazis aus
Gute Verbindungen hat Rusitsch zu einer weiteren einschlägigen Truppe: Der ultranationalistischen „Russischen imperialen Bewegung“ (RIB). Es ist eine monarchistische Bewegung, die sich in der Tradition der faschistischen „Schwarzhunderter“ sieht. Die waren Anfang des 20. Jahrhunderts in Russland für antisemitische Pogrome und den Terror gegen Linke verantwortlich gewesen. Mit der „Reichslegion“ hat die RIB auch eine eigene paramilitärische Truppe, die ebenfalls bereits seit 2014 auf russischer Seite in der Ukraine kämpft.
Nur einen Tag nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine im Februar 2022 schrieb Reichslegion-Chef Denis Gariejew laut Spiegel auf Telegram: „Ganz ohne Zweifel sprechen wir uns für die Liquidierung des separatistischen Gebildes Ukraine aus.“ (Paywall €) Laut dem deutschen Bundesnachrichtendienst wurden dann ab März 2022 Kämpfer, „vor allem Personen mit Militärerfahrung“, angeworben.
Die Ausbildung für die Reichslegion erfolgt im organisationseigenen Ausbildungszentrum in St. Petersburg. Es gibt Hinweise, dass Rusitsch und die RIB sich ihre Ausbildungsstätten teilen.
Aufmarsch von katholischen Fundamentalist:innen und extremen Rechten am Wiener Stephansplatz. Die Lage ist bereits angespannt, Griffe auf Kameraobjektive, ein Typ mit Kappe der Neonazi-Truppe III Weg muss von meiner Security gestoppt werden.#ViennaPride #w1706 pic.twitter.com/Plbhj9DRoV
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) June 17, 2023
Auch deutsche Neonazis der NPD/Heimat-Jugendorganisation Junge Nationalisten und der Neonazi-Kleinstpartei Dritter Weg sollen laut dem Bundesinnenministerium bereits an Ausbildungslagern der RIB teilgenommen haben. Der „Dritte Weg“ ist übrigens inzwischen eng mit der österreichischen Alpen-Donau-Gruppe rund um Neonazi-Gesicht Gottfried Küssel verbündet.
Kinder, die mit Drohnen üben
Die Tradition der faschistischen Schwarzhunderter hält auch eine weitere Gruppe aufrecht: die „Russische Bruderschaft“. Über 190.000 Personen folgen der Organisation auf Telegram. Auf dem Hauptkanal wird einerseits rechte Propaganda gegen die LGBTI+-Community verbreitet. Andererseits gibt es Bilder und Videos von Schießtrainings und vermummten Bewaffneten. Auf dem News-Kanal der Gruppe werden dazu Bilder und Videos von Kindern gezeigt, die bereits mit Drohnen trainieren.
Im gleichen Posting: Bilder von Soldaten, schweren Waffen und einer Wagner-Fahne. Auf einen weiteren Kanal der Russischen Bruderschaft werden Bilder und Zitate von bekannten Führern der faschistischen „Schwarzhunderter“ veröffentlicht.
Heiden. Orthodoxe und Eurasier
Die Washington Post nennt bereits 2014 in einem Artikel noch zahlreiche weitere rechte Gruppen, die für Russland in der Ukraine kämpfen: Die Eurasische Jugend, inspiriert vom faschistischen und neo-eurasischen Geopolitiker Alexander Dugin; die inzwischen verbotene „Bewegung gegen illegale Einwanderung“ unter der Führung von Alexander Below; die Gruppe „Sputnik und Pogrom“ oder die nationalsozialistische Slawische Union von Dmitri Djomuschkin. (€ Paywall)
Ist das etwa eine russische Fahne im Hintergrund bei FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker?https://t.co/A7XrzSXqVV pic.twitter.com/ajzhdzH3I1
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) December 22, 2023
Dazu kommt etwa das „Bataillon der slawischen Vereinigung und Wiederbelebung Svarožić“. Es ist eine neo-heidnische Truppe, benannt nach dem gleichnamigen slawischen Gott Svarožić. Oder die wirren „Nationalbolschewisten“. Sie beziehen sich gleichzeitig auf den Stalinismus und den Faschismus – gerade in Russland mit seinen Millionen von Weltkriegsopfern völlig abstrus.
Doch auch das traditionelle Christentum ist vertreten. Unter anderem durch die „Russische Orthodoxe Armee“ (ROA), die bereits ab 2014 im Donbass kämpfte. Die Gruppe mit mutmaßlich mehreren hundert Kämpfern entstand aus einem der Splitter der „Allrussischen patriotischen Bürgerbewegung ‚Russische Nationale Einheit'“ (RNU). Das war eine Neonazipartei, die in den 1990er Jahren nach verschiedenen Quellen bis zu 25.000 Mitglieder gehabt hatte, bevor sie zerfiel. Die Russische Orthodoxe Armee soll inzwischen in der „Oplot Brigade“ aufgegangen sein – und damit einer offiziellen Einheit des russischen Militärs.
Internationale Söldner: Nazis und Kanonenfutter
Und schließlich gibt es auch zahlreiche internationale Söldner, oft mit Nazi-Hintergrund. Unter ihnen etwa der italienische Hooligan Andrea Palmeri, einst Capo der rechten Kurve des früher erfolgreichen italienischen Unterhausvereins Lucchese 1905. Inzwischen hat er sich unter sein „Eisernes Kreuz“ einen russischen Doppeladler tätowieren lassen. Auch extreme Rechte aus Frankreich, Polen oder Ungarn sollen inzwischen für Russland kämpfen.
Doch die meisten internationalen Söldner kommen neben verschiedenen Ex-Sowjetrepubliken vermutlich aus Serbien. An der Front allerdings dürften sie dann selbst Opfer von Rassismus werden. So berichtet ein Mann, der nach eigenen Angaben serbischer Söldner war, Anfang 2024 in einem Interview über seine Erfahrungen: Sie wären von russischen Soldaten gedemütigt, geschlagen und als Kanonenfutter verwendet worden.
Serbian mercenary in the Russian army, Dejan Berić, complains that Russians from the 119th brigade treated other Serbs like cattle, called them gypsies, and beat a number of them. The command of the brigade sent the mercenaries into assaults without ammo and offered to collect… pic.twitter.com/xDDTgq06iE
— WarTranslated (Dmitri) (@wartranslated) January 8, 2024
Vor allem das Kanonenfutter sollte nicht verwundern: Für die russische Militärführung zählen Menschenleben insgesamt nicht viel. Das zeigen zahlreiche Berichte von Sturmangriffen, wo hunderte oder gar tausende eigene Soldaten geopfert wurden. Allein in der Schlacht um die ukrainische Stadt Awdijiwka soll Russland ab Oktober 2023 insgesamt 16.000 Soldaten verloren haben, wie der russische Militärblogger Andrej Morosow am 18. Februar 2024 schrieb. Morosow starb kurz nach Veröffentlichung dieser Informationen, angeblich war es Selbstmord.
Der Rassismus im russischen Militär
Besonders schlecht behandelt werden in der Armee allerdings Soldaten, die aus ethnischen Minderheiten in Russland stammen. Und das schon lange vor dem Krieg. Seit Kriegsbeginn gibt es nun auch besonders viele Zwangsverpflichtungen in Regionen, wo vermehrt Menschen aus Minderheiten leben. In Moskau und Sankt Petersburg dagegen wird kaum für das Militär rekrutiert.
Das hat natürlich auch mit der Furcht vor Unruhe in den wichtigen Städten zu tun. Doch es ist gleichzeitig ein Symptom für den strukturellen Rassismus der russischen Führung.
Die internationalen Freunde der russischen Diktatur: Von der FPÖ bis Trump
Russland ist der neue Liebling der globalen extremen Rechten. Einige offene Neonazis unterstützen zwar die Ukraine. Mit dem „Russischen Freiwilligenkorps“ kämpft sogar eine russische Neonazi-Truppe auf ukrainischer Seite, in Österreich wird die Ukraine von der Alpen-Donau-Gruppe unterstützt. Doch der Großteil der internationalen Rechten hat sich längst für Russland entschieden.
Die Zuneigung reicht dabei von Donald Trump über die französische „Nationale Versammlung“ von Marine Le Pen bis zur FPÖ. Die FPÖ hatte 2016 sogar einen Freundschaftsvertrag mit der Putin-Partei einiges Russland abgeschlossen. Offenlegen möchte sie die Inhalte bis heute nicht. FPÖ-Nationalratsabgeordneter Axel Kassegger spielt derweil im Parlament das pro-russische Klavier. Und auf den Straßen Wiens marschiert der rechte Verschwörungsmob mit russischen Fahnen.
Das ist der Aufmarsch der Corona-Leugner*innen heute auf der Ringstraße in Wien: Eine russische Fahne und eine Fahne des deutschen Reichs, die zwei Fahnen des antisemitischen Qanon-Kults überragen. Es sind extrem rechte Aufmärsche. Nicht mehr. Nicht weniger. #w2602 pic.twitter.com/upabjxd257
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) February 26, 2022
Auch Geld fließt: So wurde etwa die Le Pen-Partei mit Millionenkrediten aus Russland unterstützt. „Wenn Sie von Russland sprechen, reden Sie von Ihrer Bank“, sagte im April 2022 durchaus treffend Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei einem TV-Duell zu seiner Gegnerin Le Pen. In Italien soll die extrem rechte Lega mit Russland ein Erdölgeschäft in die Wege geleitet haben, vermutet die Staatsanwaltschaft Mailand. Geplante Provision für die italienischen Rechten: 49 Millionen Dollar. Doch es geht natürlich nicht nur um Geld.
Putins Vorbild: Das faschistische Chile
Es gibt tiefgreifende ideologische Übereinstimmungen. Putin ist ein Diktator, genauso würde auch extreme Rechte auch in anderen Ländern gerne regieren. Dazu gibt es viele gesellschaftspolitische Gemeinsamkeiten. Etwa wenn es um die Unterdrückung der LGBTI+-Community geht, um Frauen, die zu Gebärmaschinen degradiert werden sollen oder um Rassismus. Das alles ist kein Wunder – denn auch Putin ist ein extremer Rechter.
Bereits 1993 erklärte er als stellvertretender Bürgermeister von St. Petersburg vor deutschen Wirtschaftsvertretern: Er würde die faschistische Pinochet-Diktatur in Chile als Vorbild sehen. Es ging um die brutale Durchsetzung des Neoliberalismus in Russland. Laut Putin sei Gewalt „notwendig“, wenn sie private Kapitalinvestitionen befördere oder schütze. Und nun kommt auch noch der russische Angriff auf die Ukraine dazu.
Das Z-Symbol der Fans des russischen Angriffs – ganz offen mitten im Mini-Aufmarsch der extremen Rechten am Wiener Heldenplatz.#w2302 pic.twitter.com/WzjvLTiG44
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) February 23, 2023
Das Leiden der ukrainischen Bevölkerung ist der Führung in Moskau offensichtlich völlig gleichgültig. Was die internationale extreme Rechte hier also abfeiert: Ein kriegslüsternes Regime mit einem Faschismus-Fan an der Spitze, das kein Problem mit dem Tod von hunderttausenden Menschen hat. Und das ist auch eine gefährliche Warnung für alle anderen Länder, wo extreme Rechte an die Macht kommen könnten.
Das Problem heißt Putin
Die zahlreichen Nazi-Verbände die auf russischer Seite kämpfen, sind gleichzeitig vor allem ein Symptom für ein viel größeres Problem in Russland. Dieses Problem ist die Ideologie der gesamten Staatsführung mit Präsident Putin an der Spitze – die von großen Teilen der Bevölkerung unterstützt wird. Nur zwei Tage vor dem russischen Einmarsch in der Ukraine im Februar 2022 hielt Putin eine lange Fernsehansprache. Sie war bezeichnend.
Der Diktator erwähnte in dieser Rede auch die russische Geschichte. Es sei „sehr bedauerlich“, so Putin, dass die Grundlagen des russischen Staates „nicht rechtzeitig von den abscheulichen und utopischen Fantasien der Revolution gereinigt wurden“. Denn die seien „für jeden normalen Staat absolut zerstörerisch“.
Für alle, die die russische Geschichte kennen, ist das eindeutig. Denn damit stellt sich Putin nicht nur gegen die kommunistische Oktoberrevolution von 1917. Sondern sogar gegen die bürgerlich-demokratische Februarrevolution, die einige Monate zuvor den Zaren gestürzt hatte. Im Klartext: Putin will zurück zum Zarismus. Zurück zu den faschistischen Schwarzhundertern. Zurück zu Diktatur, ethnischer Unterdrückung und dem Imperium.
Und genau hier trifft sich Putin mit den russischen Neonazi-Milizen. Sie sind seine Kettenhunde. Er hält die Leine.
Ergänzt am 21.05.2024 um weitere Informationen zur Russischen Orthodoxen Armee.
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