FPÖ, AfD, Neonazis und die Verschwörungsszene – alle gemeinsam attackieren sie jetzt die Windkraft. So wollen sie die Klimakrise verharmlosen. Es gibt bereits erste Terroranschläge.

Neuaigen ist ein beschaulicher kleiner Ort. Gerade einmal rund 40 Kilometer westlich von Wien im niederösterreichischen Weinviertel. Der Ort ist hübsch gelegen, es gibt ein barockes Schloss, gleich daneben beginnt die Aulandschaft der Donau. Doch am 8. September 2024 wird diese Ruhe brutal gestört.

Denn für diesen Tag rufen Windkraft-Gegner:innen aus ganz Österreich zu einer Versammlung in der kleinen Gemeinde auf. Unter ihnen: Wortführer der Verschwörungsszene, einschlägig bekannte Politiker:innen und bekannte Neonazis.

Einer von ihnen ist Martin Rutter. Er ist eine bekannte Figur in der Szene: Bei der Veranstaltung in Neuaigen, wo auch eine Reporterin von standpunkt.press anwesend ist, kennen ihn offensichtlich viele. Kein Wunder, der Verschwörungserzähler war für die Anmeldung der meisten großen Corona-Aufmärsche in Wien verantwortlich – die bezeichnende Ausnahme sind jene Aufmärsche, die die FPÖ gleich offiziell selbst organisiert hatte.

Von Putin zur Windkraft

Zuletzt wurde auf solchen Aufmärschen immer wieder Propaganda für das russische Putin-Regime gemacht. Inzwischen kassiert der Verschwörungserzähler laut profil sogar offizielle Förderungen des Landes Niederösterreich. Die Landesregierung wird von ÖVP und FPÖ gestellt. Und nun folgt die Windkraft als neuestes Szene-Thema.

Beim Anti-Windkraft-Treffen in Neuaigen war Rechtsaußen-Mann Rutter ursprünglich sogar als Redner angekündigt – nach ersten Medienberichten wurde das Programm mit Rutters Namen dann allerdings schnell aus dem Telegram-Kanal der Veranstalter:innen gelöscht. Ein weiterer angekündigter Redner kommt dann gleich direkt von der FPÖ: Es ist der niederösterreichische Landtagsabgeordnete Dieter Dorner.

Ein Who is Who der Verschwörungsszene

Dennoch beklagen sich die Veranstalter:innen. Mit rechtsextremen Gruppen hätten sie „nichts zu tun“, wie sie auf Telegram schreiben. Alles über die rechte Parallelwelt Telegram habe ich für Dich aufgeschrieben. Mit einer anderen Rednerliste wäre diese Behauptung allerdings eventuell etwas glaubwürdiger.

Direkt oberhalb der vermeintlichen Rechtsextremismus-Distanzierung findet sich auf dem Telegram-Kanal der Gruppe dann übrigens auch noch ein Artikel der FPÖ-nahen Plattform „Der Status“. Es ist ein reiner Werbeartikel über den FPÖ-EU-Abgeordneten Gerald Hauser. Der darf sich darin ausführlich über Windkraft und „Globalisten“ beklagen.

„Globalisten“, es ist ein Code, der auch von antisemitischen Propaganda-Kanälen seit vielen Jahren verwendet wird. Hauser kann in der FPÖ übrigens als Verbindungsmann zur Verschwörungsszene gelten: Auch bei den rechten Corona-Aufmärschen war er ein gern gesehener Gast.

Mit Kuhglocken gegen Windkraft

Vor Ort ist in Neuaigen auch Joachim Aigner, Bundesobmann der zerfallenden Corona-Partei MFG (Menschen, Freiheit, Grundrechte). Der läuft dann auch noch mit Kuhglocken bei einem Auftritt der sogenannten „Freiheitstrychlern“ mit – einer dubiosen Truppe, die ebenfalls schon von den Corona-Aufmärschen bekannt ist. Es ist eindeutig: Im Weinviertel vernetzt sich vor allem die Schwurbler:innen- und Verschwörungsszene.

Die ganze Versammlung steht dabei unter dem Motto „Warum wir auf Windenergie verzichten können“, der Aufruf soll von einer Gruppe namens „Windpark Wagram – Nein danke“ stammen. Die Gruppe behauptet, dass sie 2023 einen Windpark mit 40 Windrädern in Großweikersdorf verhindert hätte – einem Ort ganz in der Nähe von Neuaigen. Ob das so stimmt, ist allerdings unklar.

Laut meinbezirk.at hat das Land Niederösterreich das Vorhaben selbst gestoppt, weil die Lage ungünstig sei. Doch gleichzeitig ist bezeichnend, von wem der Windpark-Stopp ausdrücklich gelobt wurde.

Der blaue „Hitler-Gruß-Andi“ gegen Windkraft

„Wir brauchen keine Windräder am Wagram“, tönte es damals vom niederösterreichischen FPÖ-Landesparteisekretär Andreas Bors. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Bors erstmals 2014 bekannt, als die Bezirksblätter ein Foto von ihm veröffentlichten, wo er den Hitlergruß zeigte.

Jetzt Journalismus mit Meinung und Haltung unterstützen! 

Zuerst behauptete der FPÖ-Mann zur Rechtfertigung, er hätte doch nur „Rapid-Lieder“ gesungen. Später erklärte Bors dem Kurier, ihn hätte in dieser Zeit „besonders das Schulfach Politische Bildung“ interessiert. Genützt hat es anscheinend wenig. Kurz musste der FPÖ-Mann nach dem Auftauchen des einschlägigen Fotos seine politische Karriere unterbrechen. Doch bald ging es für ihn in der FPÖ weiter steil nach rechts oben.

Im Jänner 2023 konnte die Boulevard-Plattform Ö24 schließlich vermelden: “’Hitler-Gruß-Andi“ zieht für FP in den NÖ-Landtag“. Dass gerade der FPÖ-Mann sich gegen Windkraft engagiert, ist natürlich kein Zufall. Im Gegenteil, diese Verschwörungserzählung ist inzwischen die Linie in vielen Parteien der internationalen extremen Rechten.

„Ich habe Wind nie verstanden“

Windräder wären schuld daran, dass „Wale in nie zuvor gesehener Zahl sterben“. Diesen absoluten Schwachsinn verbreitet Donald Trump bei einem Auftritt im September 2023. Und das ist nicht die erste irrwitzige Aussage des Ex-US-Präsidenten über Windräder.

Im Dezember 2019 etwa hatte Trump – damals noch Präsident – bei einer Rede ernsthaft behauptet, dass Windräder eine „enorme Menge von Abgasen in die Atmosphäre spuken“ würden. Auch das ist natürlich Unsinn. Doch der Wahnsinn wird zum politischen Programm. Im Mai 2024 verspricht Trump: Wenn er erneut Präsident werden sollten, würde er Offshore-Windkraftprojekte „am ersten Tag“ seiner Amtszeit mit sofortiger Wirkung stoppen.

In der Vergangenheit hatte der Republikaner dabei zumindest noch einen letzten Rest an Selbsterkenntnis: Denn bei seiner Rede im Dezember 2019 sagte Trump auch: „Ich habe Wind nie verstanden“. Doch das ist seiner Basis offensichtlich völlig egal. Und es ist nicht nur die USA. Auch in Europa nimmt der rechte Kampf gegen die erneuerbare Windenergie immer mehr an Fahrt auf.

Die FPÖ hetzt gegen Windenergie

Die FPÖ etwa setzt für die EU-Wahl im Juni 2024 groß auf Propaganda gegen Windkraft. Auf ihrem zentralen Wahlplakat sind Windräder in düsterem Schwarz-Weiß über Häuserruinen zu sehen. Daneben prangt der Slogan „Öko-Kommunismus“. Das könnte zwar auch eine linke Forderung sein – doch es ist eher nicht davon auszugehen, dass die FPÖ das positiv gemeint hat.

Bild: Michael Bonvalot

Im Mai 2024 hatte die FPÖ sogar eigens ein bizarres Verschwörungsvideo veröffentlicht, wo etwa die Rede von einem nur „angeblich menschengemachten“ Klimawandel ist. Und globale Probleme wie „Klimawandel, Seuchen, Kriege, soziale Unruhen“? Das seien doch nur von „den Linken verkündeten Apokalypsen“. Alles über dieses Verschwörungsvideo habe ich hier für euch aufgeschrieben. In ein ähnliches Horn stieß auch schon ÖVP-Bundeskanzler Nehammer.

Es gäbe „keinen wissenschaftlichen Beweis“ für die „Untergangsapokalypse“, die zur Klimakrise gezeichnet werde. Das behauptete der Kanzler im März 2023 in einer programmatischen „Rede zur Zukunft der Nation“. Es ist natürlich falsch. Tatsächlich zeigen alle Studien zur menschengemachten Klimakrise, dass enorme Verwerfungen auf uns zukommen werden. Hier habe ich für Dich aufgeschrieben, welche Städte und Weltregionen bald im Meer versinken werden.

Die Propaganda von AfD und Co zeigt Wirkung

In Deutschland schwadroniert AfD-Chefin Alice Weidel derweil über eine angebliche „grüne Windkraft-Lobby“ und fordert „einen sofortigen Stopp des Windkraft-Ausbaus“. Einschlägige Verschwörungsplattformen wie AUF1 oder Report24 liefern dazu die unsinnigen Artikel, die dann über die Kanäle der Szene ausgespielt werden.

Auf AUF1 etwa ist die Rede von „zerstörerischen Windparks“. Auf Report24 wird ernsthaft behauptet, Windkraftwerke seien „schlecht für die Umwelt“. Und die Horror-Propaganda dürfte Wirkung zeigen.

Laut einer Studie vom Frühjahr 2024 sind bereits 51 Prozent der AfD-Anhänger:innen in Ostdeutschland gegen den Windkraftausbau. Immer offensiver blasen in Österreich und Deutschland extrem rechte Parteien, Neonazis und die Verschwörungsszene zum Angriff gegen erneuerbare Energien. Und dieser Angriff wird zunehmend gefährlich.

Neonazis gegen Windkraft

Sie nennen sich „Corona-Querfront“ und geben sich scheinbar überparteilich. Nach außen wird der Anschein erweckt, als wäre die Gruppe während der rechts-dominierten Corona-Mobilisierungen aufgebaut worden. Doch tatsächlich ist es nicht anderes als ein Rekrutierungsprojekt der Neonazi-Gruppe „Alpen Donau“ – einer Truppe rund um das mehrfach verurteilte Neonazi-Gesicht Gottfried Küssel.

Während der großen Corona-Aufmärsche in Wien konnte ich die Gruppe samt Küssel mehrmals mit einem eigenen Banner beobachten. Dazu wurden übrigens auch gern Symbole des Burgenlands mitgetragen – dem Schwerpunkt-Gebiet der Gruppe. In der burgenländischen Landeshauptstadt Eisenstadt organisierte die Truppe während der Pandemie sogar dutzende Klein-Kundgebungen. Doch nun hat die Szene ein Problem: Corona zieht nicht mehr. Die Windkraft kommt da als neue Verschwörungserzählung offenbar gerade recht.

Küssel und die Windkraft

Fast täglich verschickt der Telegram-Kanal „Corona-Querfront“ in den Tagen vor der Veranstaltung in Neuaigen die Einladung zur Anti-Windkraft-Vernetzung. Immer wieder wird das Plakat auf dem Kanal der Gruppe neu gepostet. Und die einschlägige Agenda wird dabei gar nicht mehr versteckt.

Screenshot: Telegram

Am 6. September 2024 etwa wird das Windkraft-Treffen um 14:31 Uhr via Telegram verschickt. Exakt in derselben Minute geht auch eine Einladung zu einer Veranstaltung ins einschlägige Lokal Limnos / SigaSiga raus. Stargast in Ternitz im südlichen Niederösterreich: Neonazi Gottfried Küssel.

Die Verschwörungsszene springt voll auf

Werbung für das Event in Neuaigen kommt auch von der einschlägigen Gruppe „SGB Media“. „SGB“ steht übrigens für „St. Georgsbund“.Diese dubiose Truppe will sich ein journalistisches Gewand geben. Berichtet wurde in der Vergangenheit vor allem von rechts-dominierten Corona-Aufmärschen – oder auch von Veranstaltungen mit Nazi Küssel. Einer der Aktivisten von SGB-Media, Christian Mondre, sitzt gleichzeitig auch im Organisationskomitee für die Veranstaltung in Neuaigen. Wie klein doch die Welt ist.

Und auch die Gruppe „direktdemokratisch“ des Verschwörungserzählers Martin Rutter macht kräftig Werbung. Die Themen sind bei Rutter allerdings ohnehin austauschbar. Da geht es offensichtlich nur noch darum, die eigene Basis mit immer absurderen Geschichten bei der Stange zu halten.

Satanische Rituale, Chemtrails und Angelina Jolie

Du kannst das folgende Banner mit einem Klick auf das X wegdrücken und weiterlesen! Oder Du kannst davor noch Journalismus mit Meinung und Haltung unterstützen!

Denn inzwischen bespielt der Verschwörungserzähler auf seinen zahlreichen Telegram-Kanälen so ziemlich alles, was für Aufsehen sorgen könnte. Natürlich ist da immer noch die Pandemie. Doch es gibt auch Berichte über angebliche geheime „Weltherrscher“ oder über „satanische Rituale“. Die Hollywood-Schauspielerin Angelina Jolie etwa, die sei heimliches Mitglied des „Ordens der Illuminaten“.

Auch für die Leugnung der menschengemachten Klimakrise gibt es einen eigenen Rutter-Kanal: „Chemtrails und das Klima“. Das wird dann etwa debattiert, ob die angebliche geheime Weltregierung „Wetter als Waffe“ einsetzen würde.

Es ist der neueste Trick der Szene: Zuerst hatten sie die menschengemachten Klimakrise geleugnet. Nachdem das einfach nicht mehr funktioniert, wird nun verzweifelt nach neuen Pseudo-Erklärungen und Verschwörungen gesucht. Alles, nur nicht die Wissenschaft.

Kickl und der Wahlbetrug

Laufende Telegram-Werbung gibt es bei Rutter auch für FPÖ-Chef Herbert Kickl. Den hat der Verschwörungserzähler offenbar fest ins Herz geschlossen und behauptet, „nur noch ein groß angelegter Wahlbetrug“ könne einen „Systemwechsel“ mit Kickl an der Spitze verhindern. Das Playbook für diesen Unsinn stammt offensichtlich von Donald Trump.

Dazwischen kommt dann laufend Werbung für dubiose Produkte, die Rutter verkauft – unter anderem ist er übrigens auch selbst im Stromgeschäft aktiv und verkauft hochriskante Stromverträge. Hier könnt ihr meine Recherche dazu lesen. Ob hier ein Hintergrund für Rutters Propaganda gegen Windkraft zu finden ist? Immerhin könnte Windkraft ja Konkurrenz bedeuten.

Report24: Ein Herz für die Kohle-Industrie

Auch für die Verschwörungsplattform „Report24“ ist Windkraft eines der beliebtesten Hassobjekte. Eine Suche auf der Plattform bringt allein zwischen Jänner und August 2024 über 40 Artikel mit dem Begriff „Windkraft“. Über die tatsächlich extrem umweltschädlichen Kohlekraftwerke gibt es dagegen gerade einmal einen Artikel.

Und da wird dann ernsthaft behauptet, dass die Abschaltung der gesundheitsgefährdenden Kohlekraftwerke „der Energiesicherheit Deutschlands“ schaden würde. Die Kohle-Industrie wird sich bei dieser Propaganda sicherlich die Hände reiben. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Intellektuell schwierig

Ähnlich sieht es auch auf anderen Plattformen der Szene aus. Auf der Plattform AUF1 etwa darf ein Rudolf Hammer unwidersprochen behaupten, dass es „keine schädlichere Art der Energiegewinnung“ geben würde, „als mit Windrädern“. Warum der Mann bei AUF1 als angeblicher Experte aufgeführt wird, ist allerdings reichlich unklar. Laut Beschreibung ist er Mikrobiologe – offensichtlich relativ weit entfernt von einer Expertise zum Thema Windkraft.

Dennoch tourt der Mann mit seinem Thema durch die einschlägige Szene. Die Nazi-Corona-Querfront etwa bewirbt im November 2023 einen seiner Vorträge in Wien. Der großspurige Titel: „Akademie des Widerstands“. Der Vortrag sollte laut der mir vorliegenden Einladung übrigens in einem der Lokale der Centimeter-Kette stattfinden. Vermutlich kein Zufall: Die Kette ist bekannt dafür, dass sich rechte Figuren dort sehr wohl fühlen. Eigentümer Heinz Pollischansky, der auch die Stiegl Ambulanz im Alten AKH betreibt, trat noch 2015 in Wien sogar selbst zur Wahl an – gemeinsam mit den Resten der gescheiterten FPÖ-Abspaltung BZÖ.

Doch zurück zu Hammer! Von dem gibt es auch einen ausführlichen Leserbrief auf meinbezirk.at. Ein wörtliches Zitat daraus: „Windräder bedeuten den Tod unserer Zivilisation.“ Sagen wir so: Da wird es dann intellektuell schon schwierig.

ServusTV ist mitten drin

Doch trotz all der Propaganda im Vorfeld ist die Veranstaltung in Neuaigen im September 2024 dennoch nicht sehr massenwirksam: Eine Reporterin von standpunkt.press zählt vor Ort gerade einmal rund hundert Personen. Wie viele Anti-Windkraft-Gruppen dabei den Weg ins Weinviertel gefunden haben, ist unklar. Vor Ort nimmt die Reporterin gerade einmal ein halbes Dutzend Gruppen wahr: eine Handvoll aus Niederösterreich, eine aus Oberösterreich und eine aus Kärnten.

Die MFG dagegen schreibt über „unzählige Bürgerinitiativen“. Das allerdings kann natürlich auch Anzeichen einer groben Mathematik-Schwäche sein. Doch für die mediale Verbreitung sorgt dann das rechtsdrehende ServusTV. Der Privatsender bringt in der Nachrichtensendung „Servus am Abend“ eigens einen ausführlichen Bericht zum dubiosen Event.

ServusTV sorgt in Neuaigen für die Propaganda. Bild: standpunkt.press

Kein Wunder, schon bei den Corona-Aufmärschen war ServusTV nie weit, wenn sich die Verschwörungsszene traf. Meine ausführliche Recherche über ServusTV könnt ihr hier lesen. Und schon in der Einleitung zum Beitrag wird die Schlagseite deutlich: Windräder „spalten nach wie vor ein ganzes Land“, wird etwa behauptet.

Im Bericht darf dann der – schwer gescheiterte – Bundespräsidentschaftskandidat Peter Schütte dramatisch behaupten, dass Windräder „aus sehr vielen chemischen und metallischen Produkten gefertigt“ würden. Und durch die Bewegung der Windräder würde angeblich ein gefährlicher Abrieb entstehen. Eigentlich müssten solche Behauptungen faktisch eingeordnet werden – was ServusTV natürlich nicht macht. Holen wir das also an dieser Stelle nach.

Werden sie bald gegen Schuhe protestieren?

Für 2023 geht das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) in Deutschland von maximal 1395 Tonnen Materialabtrag durch Mikroplastik aus. Das klingt erst mal viel. Doch der Abrieb von Reifen liegt laut IWES bei mehr als 100.000 Tonnen jährlich. Und sogar Schuhsohlen sorgen für einen jährlichen Abrieb von über 9000 Tonnen.

Wenn Schutte also tatsächlich ein Problem mit dem Abrieb hat, sollte er sich wohl gegen Autos engagieren. Oder gegen Schuhe. Ob Fakten Schutte erschüttern werden, ist aber ohnehin fragwürdig. Immerhin ist er auch ein großer Fan des Schweizer Verschwörungserzählers Daniele Ganser. Alles über Ganser habe ich hier für euch aufgeschrieben.

Ein Teil der Klimaleugnungs-Bewegung

Faktisch sind erneuerbare Energien ein enorm wichtiges Instrument in der Klimakrise. Gerade bei Wind ist das offensichtlich: Wind muss nicht in Bergwerken geschürft werden, es muss nicht danach gebohrt werden und er wird auch nicht ausgehen. Damit ist die ständig erneuerbare Windenergie eine zentrale Voraussetzung für den Ausstieg aus den klima- und gesundheitsfeindlichen Energieformen Öl, Gas und Kohle. Und das ist auch ein wesentlicher Grund für die rechte Propaganda gegen die Windkraft.

FPÖ-Landtagsabgeordneter Dorner am Schwurbel-Treffen der Windkraft-Gegner:innen. Bild: standpunkt.press

Denn all die Verschwörungserzählungen zur Windkraft sind untrennbar verbunden mit der Klimaleugner:innen-Szene. Die gleichen Plattformen, die die Klimakrise leugnen oder verharmlosen, schießen auch gegen die Windkraft. Die Motivation hinter all diesen Verschwörungserzählungen ist dabei in den meisten Fällen sehr eindeutig: Geld.

Der Rubel muss rollen

Tatsächlich hat die Szene ein enormes Problem: Corona funktioniert einfach nicht mehr. Doch die Spenden-Rubel müssen weiter fließen. Eventuell sogar buchstäblich. Dazu werden rund um die abstrusen Berichte auf den einschlägigen Plattformen zahlreiche Werbeanzeigen eingeblendet. Auch das bringt massig Geld. (Wie sich die einschlägige Szene finanziert, habe ich hier für Dich aufgeschrieben.) Und deshalb werden immer neue Verschwörungserzählungen erfunden. Die Themen sind dabei austauschbar. Sie müssen nur möglichst fantastisch und sensationell sein.

Wer den größten Unsinn erfindet, gewinnt die Herzen, die Hirne und vor allem die Brieftaschen der Gläubigen. Und die rechten Wahlparteien halten damit ihre Wähler:innen bei der Stange. Doch das bedeutet gleichzeitig auch: Die Parteien und Portale der Szene müssen sich gegenseitig mit immer neuem Schwachsinn übertreffen. Das betrifft auch die FPÖ und ihre Konkurrenz wie die MFG oder die Liste Petrovic. Wofür die Liste Petrovic tatsächlich steht, habe ich hier für euch aufgeschrieben.

Die FPÖ war vor Kurzem noch für die Windkraft

Besonders absurd an der FPÖ-Propaganda gegen Windkraft ist allerdings: Die Blauen wussten das bis vor wenigen Jahren selbst bereits weit besser. Noch im Jahr 2015 veröffentlichte das FPÖ-Bildungsinstitut eine Broschüre mit dem Titel „Energie und Lebensmittel – Grundlagen zur Freiheit“. Die Broschüre ist weiterhin online abrufbar. Es ist nicht irgendein kurzer Text, der mal eben herausgegeben wurde.

Die Broschüre hat 246 Seiten, die Vorworte stammen vom damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sowie vom damaligen dritten Nationalratspräsident Norbert Hofer. Der spätere Parteichef Hofer firmiert auch als Herausgeber. Und was schreibt Hofer in seinem Vorwort?

„Wenn verantwortungsvolle Politiker heute darauf hinweisen, dass wir unsere Schätze aus Wasserkraft, Geothermie, Windkraft, Biomasse und Sonnenenergie endlich zu unserem Wohl nutzen müssen, dann hat das nichts mit Ökoromantik zu tun.“ Auch im Text wird die Windenergie gelobt.

So heißt es etwa ausdrücklich: „Windkraftanlagen können über ihre Lebensdauer sogar das Hundertfache der für die Herstellung aufgewendeten Energie bereitstellen.“ Oder: „Wer sich am optischen Erscheinungsbild von Windkraftanlagen stößt, sollte wissen, dass in Temelin oder Tschernobyl keine Windräder stehen.“

Doch inzwischen schreit Parteichef Kickl laut der Journalistin Nina Horaczek im Bierzelt: „Hinaus aus diesem Klima-Kommunismus, wo ja ganz bewusst die Energie verteuert wird, damit man alle einipresst in diese Wind- und in diese Solarenergie“. Es zeigt: Die 180-Grad-Wende der FPÖ bei der Windkraft hat keine sachlichen Gründe. Es geht ausschließlich darum, die eigene Basis mit Verschwörungserzählungen zu versorgen.

Wie gefährlich ist das?

Nun könnten wir das alles als harmlose Spinnerei abtun. Doch das ist es nicht. Die Leugnung der menschengemachten Klimakrise hat konkrete Folgen für die Zukunft der Menschheit. Dazu sind solche Verschwörungserzählungen auch ein Einfallstor für einschlägige Propaganda. Etwa die angebliche geheime Weltregierung, die im Hintergrund alle Fäden ziehen würde.

Dieser Unsinn trägt den Antisemitismus in sich wie die Wolke den Regen. Und es ist nie nur eine Verschwörungserzählung. Meist folgt sehr schnell das ganze Paket der extrem rechten Propaganda.

Und auch die Gefahr der Propaganda gegen Windkraft ist sehr konkret: Im Salzburger Flachgau etwa soll ein neuer Windpark entstehen. Zur Vorbereitung wurde unter anderem ein 80 Meter hoher Mast für Windmessungen errichtet. Doch im Mai 2024 wurden die Arbeiten durch einen Terroranschlag gestört: Der Mast wurde umgestürzt, ein Technik-Container sowie eine Forstmaschine angezündet. In den Container waren der oder die Täter:innen vorher eingebrochen. Der Schaden an den Messeinheiten wird auf 150.000 Euro geschätzt, dazu kommt der Schaden an der komplett ausgebrannten Forstmaschine, laut Behörden in sechsstelliger Höhe.

Terroranschläge gegen Windkraft

Nur rund drei Wochen davor gab es bereits einen ähnlichen Anschlag in Deutschland: In Lengelscheid, einer kleinen Ortschaft rund 70 Kilometer östlich von Köln, wurde ein Windmessmast ebenfalls so stark beschädigt, dass er umstürzte. Auch dort entstand hoher Sachschaden.

Dennoch wird die Propaganda gegen die Windkraft von rechten Gruppen und Parteien immer weiter aufgeheizt. Ihnen geht es um Geld und um Stimmen, gleichzeitig schaffen sie damit ein enorm gefährliches Klima. Damit wollen sie einen klimagerechten Umbau der Gesellschaft verhindern. Sie tragen die volle Verantwortung für die Folgen.

Diese Recherche war viel Arbeit. Wieviel ist Dir guter Journalismus wert?

Standpunkt.press wird ausschließlich über Deine Spenden finanziert. Schon ab fünf Euro kannst Du einen wichtigen Beitrag leisten. Und wenn Du standpunkt.press künftig monatlich unterstützt, können in Zukunft noch viel mehr Recherchen erscheinen. Vielen Dank!

• Spendenkonto – monatlich/einmalig:

IBAN: AT64 1420 0200 1026 2551
BIC: BAWAATWW
Easy Bank, 1100 Wien
Kontoinhaber: Michael Bonvalot
(Bitte die Mailadresse als Verwendungszweck, damit ich Dich bei technischen Fragen erreichen kann!)

• Kreditkarte und Paypal – monatlich/einmalig:



 

• Steady – monatlich: Klick hier für Steady!
[Steady zieht hohe Gebühren ab, Bank/Paypal ist daher besser, wenn es Dir möglich ist!]

• Patreon – monatlich: Klick hier für Patreon!
[Patreon zieht hohe Gebühren ab, Bank/Paypal ist daher besser, wenn es Dir möglich ist!]

Vielen Dank für Deine Unterstützung!

Hast Du diesen Artikel lesenwert gefunden? Schick ihn jetzt weiter!