Die Wiener Polizei verlangt von meinem Team bis zu 3.500 Euro Strafe, nachdem ich von einem Corona-Aufmarsch berichtet hatte – mit erfundenen Vorwürfen. Ich werde mich gegen diesen Angriff auf die Pressefreiheit wehren. Und ich werde die Polizei vor Gericht bringen.

Die Landespolizeidirektion Wien startet den nächsten Frontalangriff gegen die Pressefreiheit. Schon bisher hatte die Wiener Polizei meine journalistische Berichterstattung immer wieder behindert. Eindeutig rechtswidrig, wie schon in mehreren Fällen festgestellt wurde, nachdem ich vor Gericht gegangen bin.

Doch nun haben die Attacken der Polizei eine neue Qualität erreicht: Jetzt sollen mein Team und ich offenbar finanziell mundtot gemacht werden. Mit völlig absurden und teils frei erfundenen Vorwürfe.

Vorgeworfen werden meinem Team und mir eine „Störung der öffentlichen Ordnung“ sowie ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung. Angeblich am 10. September auf der Wiener Ringstraße. Viel mehr als Zeit und Ort stimmen in den Vorhaltungen der Polizei allerdings nicht.

Attacken auf der Wiener Ringstraße

Tatsächlich war an diesem Tag auf der Ringstraße in Wien ein Aufmarsch der rechten Corona-Szene. Ich habe live vor Ort berichtet und recherchiert. Alleine kann ich von solchen Aufmärschen allerdings schon lange nicht mehr berichten: Es gab bereits zahlreiche Angriffe auf mich. Daher begleitete mich an diesem Tag, wie üblich, ein Team mit mehreren Securities. Ebenfalls mit dabei: Eine Fotografin, die Bilder für standpunkt.press macht.

Diesmal waren wir beim Haupt-Marsch auf der Ringstraße etwas später dran – ich hatte zuvor noch von einem kleineren Zumarsch des Verschwörungsideologen Martin Rutter und der neofaschistischen Gruppe Identitäre berichtet. Doch fast unmittelbar, als wir auf Höhe Schwarzenbergplatz auf die Spitze des Aufmarsches trafen, begannen die ersten Anfeindungen.

Die Polizei sieht zu

Positioniert waren wir – und das wird noch wichtig sein – knapp hinter der ersten Reihe der Polizei, also zwischen Polizei und Aufmarsch. Videos belegen das. Die erste Polizei-Reihe hatte diesmal so viel Abstand zu den ersten Marschierer:innen, dass uns das sicher erschien. In den allermeisten Fällen hätten wir uns aus Sicherheitsgründen allerdings vor der Polizei positionieren müssen, damit wir nicht angegriffen werden.

Dennoch kamen sehr schnell die ersten einschlägig bekannten Figuren auf uns zu, provozierten, beschimpften. Nicht wir bewegten uns also auf die Marschierenden zu, sondern umgekehrt. Die erste Reihe der Polizei, die unmittelbar vor uns ging, ignorierte allerdings unsere zunehmende Bedrängnis.

Mein Schutzteam blieb ruhig, machte seinen Job. Meine Kollegin und ich filmten und fotografierten. Weder sprachen wir mit den rechten Corona-Marschierer:innen, noch gab es irgendeine Kommunikation mit den Polizisten vor uns. Das alles ist mit zahlreichen Videos dokumentiert.

Unter dem Gejohle der Corona-Szene

Schließlich tauchte aber doch ein Trupp von rund fünfzehn Beamt:innen der Wiener „Einsatzeinheit“ (EE) auf. Doch statt die Pressefreiheit zu schützen, wurde nun ich vom Wortführer der Einheit mehrmals gestoßen und körperlich zurückgedrängt. Begleitet vom begeisterten Gejohle der Corona-Marschierer:innen. Auch das ist auf Video festgehalten. Schließlich wurden unter Androhung der Verhaftung auch noch unsere Identitäten festgestellt. Einzig von mir wollte niemand einen Ausweis sehen – die Beamt:innen wussten ohnehin genau, wer ich bin.

Bereits unmittelbar vor Ort hatte ich den Beamt:innen mitgeteilt, dass ich diese Amtshandlung für klar rechtswidrig halte. Ich hatte auch bereits angekündigt, dass ich eine Maßnahmenbeschwerde einleiten werde. Meinen Bericht dazu findet ihr hier!

Resultat der Amtshandlung, die rund eine halbe Stunde dauerte: Die Berichterstattung für diesen Tag war gelaufen. Die Polizei hatte die rechte Corona-Szene effektiv vor kritischer Berichterstattung geschützt.

Direkt von der Einsatzleitung 

Laut Polizei sei die Anweisung zur Amtshandlung gegen uns direkt von der Einsatzleitung gekommen. Und das macht die Sache besonders pikant: Die meisten hohen Polizeioffizier:innen in Wien sprechen mich mit Namen an, wenn sie mich auf Demonstrationen sehen.

Es ist reichlich weltfremd, dass die Einsatzleitung nicht genau wusste, wer ich bin – und dass ich Journalist bin. Auch für die Polizisten, die die Amtshandlung durchführten, gibt es keine Entschuldigung: Ich trug den Presseausweis offen um den Hals und wies mehrmals darauf hin, dass ich Journalist bin. Auch das ist auf Videos zu sehen und zu hören. Bei den Identitätsfeststellungen waren dann sogar mehrere Polizist:innen anwesend, die mich mit Namen ansprachen.

Was wirft uns die Polizei vor?

Doch statt sich für diese Amtshandlung gegen die Pressefreiheit zu entschuldigen, legt die Wiener Polizei jetzt noch nach. Alle Personen aus meinem Schutzteam sowie unsere Fotografin haben inzwischen bereits Strafverfügungen erhalten: 300 Euro pro Person wegen einer angeblichen Störung der öffentlichen Ordnung, 200 Euro pro Person wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung.

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Einzig meine Strafverfügung ist noch nicht eingetroffen. Doch die Anzeige wurde mir bereits über meinem Anwalt Clemens Lahner übermittelt. Auch eine „Aufforderung zur Rechtfertigung“ ist bereits bei meinem Anwalt eingetroffen Und was behauptet die Polizei gleichlautend in allen Strafverfügungen?

„Sie haben eine angemeldete und friedlich verlaufende Demonstration gestört und behindert, indem sie (…) am Parkring unmittelbar vor den Exekutivbeamten (welche vor der Demonstrationsspitze gingen um etwaige gefährliche Angriffe zu verhindern und einen ruhigen und ordnungsgemäßen Verlauf der Veranstaltung zu gewährleisten) in geringem Abstand rückwärts vorhergingen“.

Journalist:innen, die filmen. Offenbar ein Verbrechen.

Eine Person aus der Gruppe, das wäre dann wohl ich, hätte „eine Kamera bzw. Handy in Richtung der Exekutivbeamten und der dahinter marschieren Demonstranten gehalten“. Dadurch sei es zu einer „Verdichtung des Abstands“ gekommen. Schließlich hätte eine Person aus unserer Gruppe „ständig auf die Exekutivbeamten“ eingeredet.

Noch absurder ist dann nur die Tatbeschreibung in der Anzeige gegen mich. Es hätte einen Funkspruch gegeben, dass „die Störer“ – offenbar also mein Team und ich – Beamt:innen bedrängen würden. Teilnehmer:innen der Demonstration hätten bereits „eine Menschenkette gebildet“, um sich von uns zu schützen. Völliger Unsinn, wie alle vorhandenen Videos belegen. Dazu hätte ich Demonstrant:innen gefilmt. Welche Überraschung, ich bin Journalist.

FFP-2-Maske als Vermummung?

Zum Drüberstreuen wird in meiner Anzeige den Personen in meinem Schutzteam auch noch eine Vermummung vorgeworfen – weil sie FFP2 Masken trugen, wie in den Anzeigen explizit vermerkt ist. Mitten in der Pandemie. Diese Anzeige haben wir allerdings noch nicht bekommen. Ob das noch kommt oder ob dieser abstruse Vorwurf sogar der Polizei zu dumm war? Wir müssen es abwarten!

Und wie sieht es mit den anderen Behauptungen der Polizei aus? Die Fakten: Weder sind wir zu Beginn vor der Polizei gegangen, noch gab es dadurch eine Verdichtung des Abstandes. Und schließlich hat auch niemand auf Exekutivbeamt:innen eingeredet. Das alles ist durch zahlreiche Videos belegt.

Polizei und Wirklichkeit

Die Polizei verwechselt offensichtlich bewusst Ursache und Wirkung: Erst, als die Einsatzeinheit unmittelbar hinter uns auftauchte, gingen wir naturgemäß vor ihnen. Und erst dann kam es auch zu einer Kommunikation. Die Polizei schaffte sich also ihre „Störung der Ordnung“ schlichtweg selbst. Und will jetzt dafür pro Person 300 Euro kassieren.

Fast noch absurder ist allerdings der zweite Vorhalt der Polizei: „Sie haben als Fußgänger den vorhandenen Gehsteig nicht benutzt“. Wohlgemerkt: Während einer angemeldeten Demonstration, die über die gesamte Breite der Ringstraße ging. Und dafür will die Polizei pro Person 200 Euro. Es wäre der Wiener Polizei dringend anzuraten, das Versammlungsgesetz zu lesen.

Die noch größere Gefahr

Mindestens genauso groß wie die aktuellen Behauptungen der Wiener Polizei ist allerdings die langfristige Gefahr, die von solchen Strafverfügungen ausgeht. Denn selbst, wenn es sich so zugetragen hätte, wie die Wiener Polizei es beschreibt – was beschreibt die Polizei denn tatsächlich?

Ein Journalist geht rückwärts vor der ersten Reihe der Polizei und macht Aufnahmen mit seiner Kamera. Wenn das in Zukunft eine Störung der öffentlichen Ordnung sein soll, bedeutet das: Gute Nacht, Pressefreiheit! Von rechten Aufmärschen zu berichten, wäre dann übrigens insgesamt kaum mehr möglich. Denn sicher geht das eben meist nur vor der ersten Reihe der Polizei.

Was will die Polizei erreichen?

Es geht inklusive mir um sieben Personen. Wenn wir davon ausgehen, dass meine Strafe genauso hoch sein wird wie jene der anderen sechs, drohen insgesamt also bis zu 3.500 Euro Strafe. Plus eventueller Anzeigen wegen der FFP-2-Masken. Völlig klar ist, dass ich für diese Strafen allein gerade stehe – es ist die Fotografin der Plattform, die ich herausgebe. Es ist mein Schutzteam, das den Kopf dafür hinhält, damit ich journalistisch berichten kann.

Doch selbstverständlich werde ich diese Strafen nicht ohne Einsprüche bezahlen. Zum einen werde ich die Polizei damit sicher nicht durchkommen lassen. Und zum anderen wäre das ein gefährlicher Präzedenzfall.

Doch wenn die Einsprüche gut werden sollen, bedeutet das Anwaltskosten. Danach wird vermutlich auch noch ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien folgen (außer die Polizei gibt sofort nach, was eher unwahrscheinlich ist). Die Anwaltskosten könnten dann bis zu 3000 Euro betragen. Und auch wenn ich vor Gericht gewinne, gibt es nur sehr geringe Chancen, diese Kosten zurückzubekommen.

Es ist ein Versuch der Einschüchterung

Übersetzt: Entweder mutmaßlich 3.500 Euro für die Strafen. Oder kaum weniger für die Anwaltskosten. In jedem Fall aber ein sehr hoher Betrag. Und dann gibt es natürlich immer noch das Risiko eines höchst verwunderlichen Gerichtsurteils. Was die Polizei hier also abzieht, ist ein klassischer SLAPP: Der Versuch der Einschüchterung durch finanzielle Drohungen.

Und es ist sicher kein Zufall, dass der Angriff meinen Team und mir gilt. Immer wieder gehe ich gegen die Polizei nach Einschränkungen der Pressefreiheit vor Gericht, immer wieder gewinne ich. Der Wiener Polizeiführung ist das ein Dorn im Auge. Erst im Mai hatte sich sogar Wiens Polizeipräsident Gerhard Pürstl in einem persönlichen Brief bei ORF-Generaldirektor Roland Weißmann über mich beklagt.

Der ORF-Report hatte mich interviewt, darüber beschwerte sich Ex-Burschenschafter Pürstl. Ich sei immerhin ein „als überaus polizeikritisch bekannter Journalist“. Eine Attacke, die ich übrigens als Kompliment betrachte.

Die Polizei darf damit nicht durchkommen

Ich werde mich von diesen Angriffen der Polizei sicher nicht einschüchtern lassen. Gegen die Strafen werde ich Einspruch erheben. Und zusätzlich werde ich auch selbst die Polizei vor Gericht bringen: In den nächsten Tagen werde ich vor dem Verwaltungsgericht Wien eine Maßnahmenbeschwerde gegen die Polizei einbringen. Vor Gericht werden wir prüfen lassen, ob es wirklich zulässig ist, dass die Polizei journalistische Berichterstattung mit Stößen beendet.

Denn was ich nicht zulassen möchte: Dass die Wiener Polizei die Pressefreiheit durch Einschüchterungen behindert. Und dass die Wiener Polizei darüber bestimmt, ob auch künftig von extrem rechten Aufmärschen berichtet werden kann. Es wäre ein fatales Zeichen.

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