In den vergangenen Jahren wurden in Österreich zahlreiche Spitalsbetten weggekürzt. Vor allem rechte PolitikerInnen wollten sogar noch mehr Kahlschlag.
„Österreich hat doppelt so viele Akutbetten wie der Schnitt der Staaten in der Europäischen Union“, kritisiert FPÖ-Chef Norbert Hofer am 13. Jänner 2020. Das sei ein „Misstand“ Das Corona-Virus hatte zu diesem Zeitpunkt schon begonnen, sich global auszubreiten. Es gab bereits Berichte in Zeitungen und im Fernsehen, die Apothekerkammer hatte sogar bereits Warnungen veröffentlicht.
Nicht das erste und nicht das letzte Mal, dass der FPÖ-Politiker die Anzahl der Akutbetten in Österreich angreift. Die angeblich hohe Anzahl von Akutbetten würde „den Staat jährlich 4,75 Milliarden Euro“ kosten. So wird Hofer im Anschluss an einen Auftritt in der ORF-Pressestunde auf fpoe.at zitiert. Und bereits im Mai 2016 hatte sich Hofer ähnlich geäußert: Wörtlich wollte er in einem Interview mit „pflege professionell“ einen „Abbau der Akutbetten“. FPÖ-Chef Hofer ist dabei keineswegs der einzige Politiker, der in den vergangenen Jahren einen Abbau von Spitalsbetten gefordert hat.
https://www.standpunkt.press/kuerzungen-im-gesundheitswesen-sind-toedlich-buchstaeblich-732/
In die gleiche Kerbe schlagen die Neos. Im Dezember 2015 verschickte der Parlamentsklub der Neos eine Presseaussendung mit der Überschrift: „Überzählige Spitalsbetten kosten jeden Erwerbstätigen rund 1.200 Euro“. Damit würden „finanzielle Mittel verschwendet“ – der damalige und aktuelle Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker sei darüber „verärgert“.
Was sind eigentlich Akutbetten?
Akutbetten, das sind „Betten, die für nicht geplante Aufnahmen bereitgehalten werden“, erklärt S., ein Spitalsarzt aus Salzburg. „Der Begriff Akutbetten beschreibt alles mit. Vom einfachen Spitalsbett im 4-Bettzimmer über eigene Betten für SchlaganfallpatientInnen bis zum Intensivbett.“ Es sind also Betten für Krisenzeiten. Krisenzeiten wie die aktuelle Corona-Krise.
Bei den Zahlen geht es allerdings nicht um die Betten selbst, wie Arzt S. erklärt: „Der Punkt ist der Personalabbau, der mit dem Abbau von Betten verbunden ist.“ Nach der Anzahl der Betten würde sich der Personalspiegel richten: „Das betrifft insbesondere die Pflege, aber auch Putzpersonal, Küchenpersonal und alle anderen, die im Spital beschäftigt sind“, so der Spitalsarzt.
Rechnungshof will Kürzungen
Die Zahlen über die angeblich überzähligen Spitalsbetten, die immer wieder zitiert werden, stammen vom österreichischen Rechnungshof. Der hatte 2015 behauptet, dass es in Österreich „Überkapazitäten im stationären Bereich“ geben würde. Würde die Anzahl der Akutbetten abgebaut, könnten 4,75 Milliarden Euro gespart werden, so der Rechnungshof.
Der Rechnungshof ist die Kontrollbehörde der Republik. Offiziell unabhängig – aber keineswegs unpolitisch. Die Präsidentin oder der Präsident wird von der jeweiligen Regierung bestimmt und von der Mehrheit des Parlaments gewählt. Das zeigt sich auch an Josef Moser, dem Präsidenten des Rechnungshofs, als die angeblich zu hohen Spitalsbetten kritisiert wurden.
Seinen Job bekam Moser im Jahr 2004, also unter Schwarz-Blau I. Bevor er zum Rechnungshof-Präsidenten wurde, war Moser unter anderem Direktor des Parlamentsklubs der FPÖ, also ein hochrangiger FPÖ-Funktionär. Die PräsidentInnen des Rechnungshofs werden für zwölf Jahre gewählt, 2016 war hier also Schluss für Moser. Politisch hatte er danach aber noch lange nicht genug.
ÖVPler gegen „Überangebot an Akutbetten“
Der ehemals tiefblaue Moser wechselte kurzerhand die Partei und wurde 2017 unter Schwarz-Blau II Justizminister auf einem ÖVP-Ticket. Sein Mandat als Abgeordneter der ÖVP hat er erst im Februar 2020 niedergelegt. (Seine Nachfolgerin als Rechnungshof-Präsidentin, Margit Kraker, ist übrigens ebenfalls eine hochrangige ehemalige ÖVP-Funktionärin.)
Dass sich Moser nach der FPÖ auch bei der ÖVP wohl fühlte, ist auch in Bezug auf die Spitalsbetten kein Zufall. „Es wird notwendig sein, Akutbetten in den Spitälern zu reduzieren“, behauptete etwa Hans Jörg Schelling im November 2010. Das „Überangebot an Akutbetten“ müsse abgebaut werden. Zu diesem Zeitpunkt war Schelling Präsident des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger – Zwischen 2014 und 2017 war er dann Finanzminister für die ÖVP.
In die gleiche Kerbe schlug bereits 2010 der damalige ÖVP-Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka. Mit den Ländern müsse über den Abbau von teuren Akutbetten gesprochen werden, zitierte ihn damals die Presse. Es sind allerdings keineswegs nur ÖVP, FPÖ und Neos, die in der Vergangenheit bei den Betten kürzen wollten.
Und SPÖ und Grüne?
Als etwa 2010 Lopatka vor die Kameras trat, war SPÖ-Finanzstaatssekretär Andreas Schieder an seiner Seite. Österreich hätte im internationalen Vergleich zu teure Spitalsbetten, meinte Schieder und bezog sich dabei unter anderem auf Kürzungs-Vorschläge einer „Expertengruppe“: Es könne Geld gespart werden, wenn die angeblich hohe Zahl der Akutbetten in Österreich auf das in der EU übliche Niveau zurückgeschraubt würde.
Wie aus solchen Forderungen Taten werden, zeigte dann etwa die Salzburger Landesregierung. Der „Abbau von Überkapazitäten bei Akutbetten“ steht wörtlich im aktuellen Koalitionsvertrag von ÖVP, Grünen und Neos, die in Salzburg seit 2018 eine gemeinsame Regierung bilden.
Und diese Pläne sollten dann auch umgesetzt werden: Die Anzahl der Akutbetten in den Salzburger Spitälern solle von 3129 auf 2904 reduziert werden, berichtet salzburg24 im Mai 2019. Damit würde es zu einer „enormen Leistungsverdichtung“ kommen, so Landeshauptmann-Stellvertreter Christian Stöckl von der ÖVP. Das Salzburger Krankenhaus Tamsweg verlor bereits 2014 alle Akutbetten und die Intensivstation.
In ganz Österreich werden seit Jahren Betten abgebaut
Doch es ist nicht nur das Land Salzburg, die Reduktion der Akutbetten betrifft ganz Österreich. Auf den Seiten der OECD, des Zusammenschlusses der reichsten Industriestaaten, gibt es etwa Statistiken für die Spitalsbetten der Mitgliedstaaten. Zahlen für Österreich sind bei der Gesamtzahl der Betten ab 1985 verfügbar, bei den Akutbetten ab 1988. Über den Großteil dieser Zeit regierten SPÖ-Bundeskanzler.
Und die Zahlen haben es in sich: So hat es in Österreich im Jahr im Jahr 1985 noch 9,9 Spitalsbetten pro 1000 EinwohnerInnen gegeben. Im Jahr 2017 waren es nur noch 7,4 Betten. Sogar noch drastischer ist der Abbau bei den Akutbetten. 1988 gab es noch 8,4 Akutbetten je 1000 EinwohnerInnen – 2017 waren es nur noch 5,5.
Es ist eine Frage der (Um-)Verteilung
Die Corona-Krise zeigt, wie wichtig es ist, dass ein Gesundheitssystem nicht aus dem letzten Loch pfeift, sondern auch Ressourcen für außergewöhnliche Situationen hat. Hier darf nicht gekürzt werden, damit Unternehmen noch mehr Geld scheffeln können – wie das etwa bei den schwarz-blauen Kürzungsplänen für die Unfallversicherungsanstalt AUVA der Fall war.
Allein die 100 reichsten Familien in Österreich besitzen rund ein Viertel des gesamten Vermögens. Geld für ein gut ausgebautes Gesundheitssystem im Sinne der Mehrheit der Bevölkerung wäre also genug vorhanden. Es ist eine Frage der Verteilung.
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