Vier rechte Männer wollen Präsident werden. Warum so viele, wer sind die Kandidaten – und wie hässlich wird dieser Wahlkampf?
„Mein rechter, rechter Platz ist leer“, lautet ein alter Kinderreim. Das Problem wird es bei der Bundespräsidentschaftswahl 2022 in Österreich eher nicht geben. Denn insgesamt vier (extrem) rechte Männer haben es auf den Stimmzettel geschafft:
Für die FPÖ geht der Burschenschafter Walter Rosenkranz ins Rennen, die Corona-Partei MFG will mit ihrem Obmann Michael Brunner Stimmen holen. Dann sind da die unabhängigen Rechten Gerald Grosz und Tassilo Wallentin. Die beiden dürfen sich der Zuneigung der großen Boulevard-Mediengruppen Österreich (Grosz) und Krone (Wallentin) erfreuen.
Österreich wählte 2016 fast zur Hälfte rechtsextrem
Das rechte Gedränge bei der Bundespräsidentschaftswahl hat eine gewisse Logik: 2016 hatte sich der jetzige Amtsinhaber Alexander Van der Bellen von den Grünen in der Stichwahl nur knapp gegen den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer durchgesetzt. Zur Erinnerung: Beim – danach aufgehobenen und später wiederholten – zweiten Wahlgang waren es gerade einmal 50,35 Prozent für Van der Bellen. 49,65 Prozent wählten Hofer.
Nur rund 31.000 Stimmen trennten also 2016 die beiden Kandidaten – es war eines der besten, wenn nicht das beste Ergebnis für einen Rechtsextremen in Westeuropa nach 1945. Platz ist in Österreich rechtsaußen also genug vorhanden. Dazu werden heuer weder die ÖVP noch die SPÖ Kandidat*innen ins Rennen schicken.
Dominic Wlazny, besser bekannt als „Marco Pogo“, könnte zwar einen links angehauchten Achtungserfolg schaffen. Doch es ist sehr unwahrscheinlich, dass Wlazny mehr Stimmen bekommt als der bestgereihte Rechtsaußen-Kandidat.
Und ob Wlazny der rechten Front im Wahlkampf etwas entgegensetzen kann, bleibt offen. Sein Auftritt, wo er seine Kandidatur bekannt gab, war inhaltlich jedenfalls noch reichlich dünn. Dort wollte er sich nicht einmal festlegen, ob er politisch links oder rechts stehen würde („juckt mich relativ wenig“). Politisch ist er – vor allem für viele von Van der Bellen und den Grünen enttäuschte Sozialdemokrat*innen – wohl vor allem eine Projektionsfläche. Wenn er inhaltlich punkten will, wird er sich noch deutlich steigern müssen.
Die FPÖ gerät unter Druck
Damit ist wohl fast sicher, dass einer der rechten Kandidaten zum ersten Herausforderer wird – und es eventuell sogar in die Stichwahl schafft. Wer das wird, ist derzeit noch offen. Die FPÖ hat natürlich aufgrund ihrer Größe, Infrastruktur und finanziellen Möglichkeiten die besten Voraussetzungen.
Doch der FPÖ-Kandidat und deutschnationale Burschenschafter Rosenkranz wirkt derzeit noch schwach und farblos. (Hier könnt ihr alles über Walter Rosenkranz lesen!) Vor allem Wallentin könnte mit Unterstützung der Krone und von Milliardär Frank Stronach reingrätschen. Dazu versinkt die FPÖ aktuell in parteiinternen Querelen. Ausgangspunkt sind Gerüchte, dass Parteichef und Ex-Innenminister Herbert Kickl die Führung der Wiener Landesgruppe wegputschen wollte.
Jetzt Journalismus mit Meinung und Haltung unterstützen!
Und wenn Rosenkranz ein schlechtes Ergebnis einfährt, könnte es auch für Kickl ungemütlich werden. Die Gefahr sehen übrigens auch offene Neofaschist*innen: So gibt etwa die neofaschistische Gruppe Identitäre ihre Unterstützungserklärungen für Rosenkranz ab. Begründung von Homöopathen-Sohn und Identitären-Gesicht Martin Sellner auf Telegram: „Wenn er [Rosenkranz] „schlecht abschneidet, steigt der Druck auf den Parteichef [Kickl].“
Warum kandidieren die alle?
Die FPÖ wird wohl kaum in der Lage sein, ihr Fast-50-Prozent-Ergebnis von 2016 zu wiederholen. Und damit wird Platz frei. Die Folge: Auch andere einschlägige Kräfte wollen sich ihr Stück vom Aufmerksamkeits-Kuchen holen. So kandidiert heuer auch die Corona-Partei „Menschen – Freiheit – Grundrechte“ (MFG) und schickt ihren Obmann ins Rennen, den Rechtsanwalt Michael Brunner. (Hier könnt ihr alles über Michael Brunner lesen!)
Aus Sicht der MFG macht der Antritt absolut Sinn. So bekommt sie Öffentlichkeit und kann dadurch ihre Strukturen aufbauen und stärken. Das gleiche gilt für kleine Rechtsaußen-Trupps wie die „EU-Austrittspartei“ – deren Obmann Robert Marschall es allerdings im rechten Gedrängel nicht geschafft hat, die 6000 Unterstützungserklärungen zusammen zu bringen.
Die Motivationen von Medienfiguren wie Grosz und Wallentin sind schwieriger zu durchleuchten. Hier dürfte einerseits das Ego rechter Männer eine Rolle spielen. Der gescheiterte Ex-FPÖ- und Ex-BZÖ-Mann Grosz will möglicherweise nochmals das Gefühl seiner eigenen (scheinbaren) Relevanz genießen. (Hier könnt ihr alles über Gerald Grosz lesen!) Das war ihm in den letzten Jahren wohl abhandengekommen. Die Beweggründe von Rechtsanwalt und Krone-Kolumnist Wallentin bleiben etwas unklarer. (Hier könnt ihr alles über Tassilo Wallentin lesen!)
Geld wird bei Wallentin jedenfalls wenig Rolle spielen: Der rechte Milliardär und gescheiterte Ex-Politiker Frank Stronach hat bereits angekündigt, Wallentin zu unterstützen. „Sowohl ideell wie auch materiell“, wie Stronachs Anwalt, der Ex-FPÖ-Abgeordnete Michael Krüger, gegenüber der APA ankündigte.
Möglicherweise wird hier im Hintergrund auch der Boden für den Aufbei einer neuen Rechts-Partei aufbereitet, nachdem Stronach daran einst gescheitert war. Gleichzeitig könnten sowohl bei Grosz wie bei Wallentin auch die ökonomischen Interessen des Boulevards von Ö24 und Krone eine gewisse Rolle spielen.
Das Corona-Pferd reiten
Auf der Corona-Welle werden wohl die meisten rechten Kandidaten surfen. Das Thema Corona spielt derzeit allerdings nur mehr wenig Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung. Doch vor allem für FPÖ und MFG gilt es, dieses Pferd zu reiten, solange es noch zuckt.
Einzig Wallentin könnte sich hier etwas zurückhalten: Ursprünglich gab es offenbar Gespräche, ob er als Unabhängiger für die FPÖ antritt. Doch laut Ö24 seien diese Pläne daran gescheitert, dass er die Corona-Linie der FPÖ nicht mittragen wollte – wobei gleichzeitig Ö24 nicht unbedingt als vertrauenswürdige Quelle gelten kann. Gut möglich, dass da mögliche Partei-Pläne von Stronach weit relevanter waren.
Die Rechten kannibalisieren sich gegenseitig
Mehrere einschlägige Figuren sind daran gescheitert, die notwendigen 6000 Unterstützungserklärungen schaffen. Unter ihnen der Ex-FPÖ-Mann und Corona-Marsch-Organisator Thomas Schaurecker, der Corona-Schwurbler Johann Schutte sowie Robert Marschall von der „EU-Austrittspartei“. Dass es nicht alle auf den Stimmzettel geschafft haben, ist bei diesem Gedränge rechts außen allerdings auch nicht unbedingt verwunderlich.
Aufkommende Panik im Lager der Schwurbler*innen. pic.twitter.com/mzXLaEn7Z3
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) August 26, 2022
Vor allem für Grosz und Walletin ist die Präsenz im Boulevard ein enormer Vorteil. Das haben bereits die ersten Tage gezeigt: Ö24-Mann Grosz spielt für den Fellner-Konzern als rechter Balkon-Muppet auch ökonomisch eine gewisse Rolle – er bringt Klicks und damit Werbeeinnahmen. Wolfgang Fellner wird wohl nicht darauf verzichten, die Kuh zu unterstützen, um sie dann im Wahlkampf zu melken.
Der Boulevard steigt ein
Und es ist zumindest auffällig, dass Krone-Schreiber Wallentin erst sehr spät in den Wahlkampf eingestiegen ist – unter anderem, nachdem Grosz vom Konkurrenzboulevard Ö24 seine Kandidatur bekannt gegeben hatte. Passend dazu hatte Wallentin seine Kandidatur auch gleich via Hausblatt Krone verkündet.
Die Unterschriftensammlung hat er dann auch mit einem dreiseitigen Inserat in der Krone organisiert. Kostenpunkt laut Listenpreis: Rund 110.000 Euro. Bezahlt laut Wallentin von Milliardär Stronach. Und weil der Boulevard in Österreich funktioniert, wie der Boulevard eben funktioniert, bekam der rechte Milliardär in der „Krone bunt“ direkt auf den Seiten vor dem Wallentin-Inserat ein dreiseitiges streichelweiches Interview. Der Einfachheit wurde das Interview von Edda Graf geführt.
Heute arbeitet sie für die Krone – einst war sie selbst noch Pressesprecherin im Magna-Konzern von Franz Stronach (und davor der FPÖ). Bei der Krone bleibt alles in der Familie. Am 4. September legte die Sonntags-Krone dann nochmals nach: Mit einem Zweiseiten-Porträt von Wallentin samt Hundeschmuse-Bild.
Schon wieder zwei Seiten in der „Krone bunt“ über Tassilo Wallentin. Schmusefoto mit Dackel inklusive. pic.twitter.com/HtRTHhXnEg
— Martin Thür (@MartinThuer) September 4, 2022
Welchen Wahlkampf können wir erwarten?
Amtsinhaber Van der Bellen hat bereits angekündigt, sich TV-Duellen mit anderen Kandidat*innen nicht zu stellen. Das hatte bereits sein Vorgänger, der SPÖ-Mann Heinz Fischer, vor seiner Wiederwahl so gehandhabt. Aus Sicht von Van der Bellen macht das taktisch absolut Sinn: Er kann dabei nur verlieren.
Gleichzeitig bedeutet das, dass wir im Herbst einige richtig üble TV-Duelle erleben werden. Vier weit rechte Kandidaten werden versuchen, sich gegenseitig zu übertrumpfen. Dazu müssen sie immer neue und Schlagzeilen-konforme Schlagworte produzieren. Die Rechten werden dabei vor allem auf die Energie-Krise und die Teuerung zielen – oft gepaart mit Rassismus und pro-russischen Statements. Sie werden damit diese Themen in den Schlagzeilen stark rechts besetzen. Ob „Marco-Pogo“-Wlazny hier Kontrapunkte setzen kann, wird sich zeigen müssen.
Der Boulevard wird die rechten Statements dann dankbar aufgreifen. Besonders offensichtlich ist dieser Doppelpass bei der Krone und Fellners Ö24, wo Grosz sogar trotz Kandidatur weiterhin regelmäßig auftreten kann. Damit könnten weit rechte Positionen über Wochen die Schlagzeilen dominieren. Und das allein ist bereits ein taktischer Erfolg für die Rechte im Kampf ums Meinungsklima. Die Linke wird sich in den nächsten Wochen enorm bemühen und engagieren müssen, wenn sie in diesem Wahlkampf nicht untergehen will.
Dieser Artikel erschien erstmals am 16. August und wurde am 7. September nach der Bekanntgabe der finalen Kandidatenliste umfangreich aktualisiert.
Weiterlesen: Die Serie zu den rechten Präsidentschaftskandidaten auf standpunkt.press!
Wer ist Tassilo Wallentin?
Wer ist Michael Brunner?
Wer ist Walter Rosenkranz?
_____________________
Hast Du diesen Beitrag gut gefunden? Es steckt viel Arbeit darin.
Mein Name ist Michael Bonvalot, ich bin der Herausgeber des stand.punkt. Ich hätte eine Bitte an Dich!
Die Artikel auf dieser Seite sind ohne Paywall für alle Menschen frei lesbar – und es wird hier auch niemals eine Paywall geben. Alle Menschen sollen die Inhalte auf dieser Seite lesen können, egal, wieviel Geld sie haben. Damit das möglich bleibt, brauche ich Deine Hilfe!
Wenn Du dieses Projekt gut findest, wenn Dir diese Arbeit etwas wert ist – dann bitte ich Dich um Deine Unterstützung! Besonders freue ich mich, wenn Du unsere Arbeit monatlich unterstützen möchtest. Nur so können wir planen und diese Arbeit professionell fortsetzen!
Schon ab 5 Euro im Monat kannst Du einen wichtigen Beitrag leisten – Damit noch mehr Menschen Journalismus mit Meinung und Haltung lesen können.
• Spendenkonto – monatlich/einmalig:
IBAN: AT64 1420 0200 1026 2551
BIC: BAWAATWW
Easy Bank, 1100 Wien
Kontoinhaber: Michael Bonvalot
(Bitte die Mailadresse als Verwendungszweck, damit ich Dich bei technischen Fragen erreichen kann!)
• Kreditkarte und Paypal – monatlich/einmalig: