Erstmals seit Jahren wurde gestern wieder gegen den Opernball demonstriert. In den späten 1980er und frühen 1990er Jahren hatte die Opernballdemo Kultstatus.
[Erstveröffentlichung: Vice] Erstmals seit Jahren wurde gestern wieder gegen den Opernball in der Wiener Staatsoper demonstriert. In den späten 1980er und frühen 1990er Jahren hatte die Opernballdemo Kultstatus – weit über Österreich hinaus. Verantwortlich dafür war vor allem die Militanz dieser Demonstration; immer wieder kam es zu stundenlangen Straßenschlachten mit der Polizei.
Im Jahr 1989 wurde sogar ein Mercedes als Rammbock gegen die Polizeisperren eingesetzt, viele DemonstrantInnen waren mit Sturzhelmen und Knüppeln bewaffnet. Als 1990 dann Neonazis der VAPO (Volkstreue außerparlamentarische Opposition) rund um ihren Führer Gottfried Küssel die Demo angriffen, kam es ebenfalls zu harten Auseinandersetzungen, etwa am Karlsplatz und im angrenzenden Resselpark. Die Nazis wurden zurückgeschlagen – Knüppel, Tränengas und Fäuste kamen dabei zum Einsatz.
Nach 1991 verlor die Demonstration ihre Bedeutung, auch in großen Teilen der linken Szene wurde die inzwischen ritualisierte Militanz kritisch gesehen. Ein neuerliches Aufflackern gab es einzig im Jahr 2000, als rund 15.000 Menschen kurz nach der Angelobung der schwarz-blauen Regierung am Tag des Opernballs demonstrierten.
Heuer wurde erstmals seit Jahren wieder gegen den Ball demonstriert. Organisiert wurde der Protest von der Kommunistischen Jugend (KJÖ) und vom Kommunistischen StudentInnenverband (KSV). Nach Angaben der KJÖ nahmen rund 500 Menschen an der Demo teil, die Polizei spricht von 250 DemonstrantInnen.
Die meisten marxistischen und trotzkistischen Organisationen und auch die sozialdemokratischen Jugend-Strukturen haben Abordnungen geschickt, doch es ist offensichtlich, dass es keine Volllmobilisierungen sind. Einzig die autonome Szene und die Grünen lassen weitgehend aus. Insgesamt kann die Demo jedenfalls nicht an ihre Hochzeiten anschließen. Abzuwarten bleibt, ob das nächstes Jahr anders wird. Laut Veranstaltern soll die Demo auch dann wieder stattfinden.
Demonstriert wurde heuer unter dem Motto „Eat the rich! Kaviar für euch, Krise für uns“. Bereits 1989 war mit dem Slogan „Eat the rich“ demonstriert worden. Die Demo begann zirka um 19 Uhr im Wiener ArbeiterInnenbezirk Rudolfsheim-Fünfhaus und zog dann über die Mariahilfer Straße Richtung Oper.
Die Demo verlief im Unterschied zu vergangenen Jahren völlig friedlich. Abzuwarten bleibt allerdings, ob die Polizei einzelne bengalische Feuer und Vermummungen auf der Demo kriminalisieren wird. Auszuschließen ist das keineswegs, versucht doch die Polizei bereits seit einigen Monaten in Wien und Oberösterreich, sogar die Anmelder von Demos in solchen Fällen verantwortlich zu machen.
Die Motive für die Neuauflage der Demo erklärt David Lang, Bundesvorsitzender der KJÖ: „In der Oper feiern die wirtschaftlichen Eliten und ihre Handlanger aus der Politik ihren Reichtum ab. Währenddessen sind eine halbe Million Menschen arbeitslos, eine Million lebt an oder unter der Armutsgrenze. Diese Ungleichheit hat System, es heißt Kapitalismus. Dagegen wollen wir ein Zeichen setzen.“ Für ihn stellt sich auch die Frage nach der politischen Verantwortung: „Wenn wir sehen, wie hier die Superreichen unser Geld verprassen, sollten wir vielleicht noch mal überlegen, ob wirklich die Flüchtlingsfamilie schuld ist, die es irgendwie ins Land geschafft hat.“
Auch für Theresa Reimer ist der Opernball vor allem ein Symbol. „Die Reichen werden immer reicher, während die Krise auf dem Rücken der 99 Prozent ausgetragen wird. Wenn die Reichen sich abfeiern, dann gehen wir dagegen auf die Straße“, so die Aktivistin der Sozialistischen LinksPartei.
Ako Pire von der „Offensive gegen Rechts“ sagt, dass der Rechtsruck in der Gesellschaft auch soziale Ursachen hat. Deshalb sei er heute hier. Seine Antwort: „Erfolgreicher Antifaschismus braucht immer auch eine Klassenperspektive von unten.
Die TeilnehmerInnen an der heurigen Demo sind bunt gemischt. Neben zahlreichen jungen Menschen nehmen auch einige Veteranen der ersten Opernballdemos am Protest teil. So erzählt etwa D., dass sie früher an den Straßenschlachten beteiligt gewesen sei. Heute ist sie Anfang 40 und mit ihrem Kind da. „Kämpfe mit der Polizei fände ich immer noch gut, aber mit Kind geht das halt schwerer“, sagt sie lächelnd.
„Kämpfe mit der Polizei fände ich immer noch gut, aber mit Kind geht das halt schwerer“
M. erzählt von seinem persönlichen Mercedes-Erlebnis: „Wir gingen damals am späten Nachmittag in der Nähe der Oper vorbei. Wir sprachen noch darüber, dass der geparkte Mercedes dort wohl keine so kluge Idee sei. Das nächste Mal, als ich das Auto saß, wurde es gerade gegen die Polizei-Sperrgitter gerollt.“
Die Demo endet schließlich am Platz der Menschenrechte beim Museumsquartier, wo die Polizei umfangreiche Sperren Richtung Ringstraße und Oper errichtet hat. An diesem Platz steht auch das Denkmal für Marcus Omofuma, der 1999 während seiner Abschiebung starb, nachdem ihm drei Polizisten den Mund und einen Teil der Nase zugeklebt hatten.
In der Oper selbst feierten laut Veranstaltern rund 5000 Menschen bis in die frühen Morgenstunden. Eine Loge kostete für den Abend 20.500 Euro.
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