Im neuen Verfassungsschutzbericht ist eine Bombe versteckt. Buchstäblich. Auch eine rechte Feindesliste wurde bei dem Mann gefunden, dazu Waffen und Sprengstoff.

Ein langjähriger Anhänger der neofaschistischen Gruppe Identitäre soll einen Anschlag auf das linke Wiener Volksstimme-Fest geplant haben. Das geht aus dem heute erschienenen Verfassungsschutzbericht 2022 hervor. Der Mann sei bereits ab dem Jahr 2021 am Radar des Verfassungsschutzes gewesen. Er sei im Verdacht gestanden, Tatbestände nach dem Verbotsgesetz und der Verhetzung begangen zu haben, dazu hätte es auch Hinweise auf unbefugten Waffenbesitz gegeben. Im Zuge einer daraufhin angeordneten Hausdurchsuchung konnten dann „zahlreiche Waffen, NS-Devotionalien sowie Sprengmittel sichergestellt werden“, so der Verfassungsschutz in seinem Bericht.

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Bei der Sichtung eines sichergestellten USB-Stick sei dann auch ein Ordner mit der Bezeichnung „Nationale Wehrkraft“ vorgefunden worden, so die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) – wie der Verfassungschutz seit 2021 heißt. In diesem Ordner: „detaillierte Anleitungen zum Bomben- und Waffenbau“ sowie eine Datei mit dem Namen „Freundes- und Feindesliste“. Ebenso wurden Listen mit mehreren politisch links gerichteten Organisationen gefunden, die als Feinde beziehungsweise „potenzielle Ziele“ geführt wurden. Und schließlich ergab sich auch der Hinweis auf einen geplanten Anschlag auf das Volksstimmefest in Wien.

KPÖ: Wir wussten nichts davon

Auf dem Volksstimme-Fest der KPÖ auf der Jesuitenwiese im Wiener Prater sind jährlich zehntausende Besucher:innen. Es gibt dort zahlreiche Konzerte, kulinarische Stände und auch Diskussionveranstaltungen. Es ist ein Fest für Familien und Kinder. Auf der „Initiativenstraße“ präsentieren sich dazu die meisten linken Organisationen Wiens. Ein Anschlag dort hätte zahlreiche Menschen treffen können. Die KPÖ wusste laut eigenen Angaben nichts von all dem und wurde erst von mir infomiert. KPÖ-Sprecher Günther Hopfgartner kritisiert: „Wir finden es befremdlich, wenn wir solche Vorfälle über den Verfassungsschutzbericht erfahren müssen und die Behörde nicht direkt mit uns Kontakt aufnimmt.“ Update: In einer Stellungnahme schreibt mir Innenministeriums-Sprecher Harald Sörös, die Polizei hätte sogar“entsprechende Schutzmaßnahmen“ am Fest ergriffen. Dennoch offenbar kein Kontakt mit den Veranstalter:innen.

Wie gefährlich der Mann offenbar war, zeigten dann weitere Erkenntnisse: So sei bei der Hausdurchsuchung ein selbst angefertigtes Video vorgefunden worden, „auf welchem bereits erfolgreiche Sprengübungen mit selbstgebauten Sprengkörpern durchführt wurden“. Ebenso gefunden wurde laut DSN ein Handbuch für „Terroristen des rechten Spektrums“. Und dazu, wie eingangs bereits erwähnt, „Waffen und Sprengmittel“ – also die Mittel, um Anschläge auch umzusetzen. Laut der Recherche-Gruppe „Österreich Rechtsaußen“ (ÖRA), die den Prozess gegen den Mann beobachtete, wurden auch gerahmte Portraits der Rechtsterrorist:innen Franz Fuchs, Beate Zschäpe und Anders Breivik gefunden.

Im Ordner „Nationale Wehrkraft“, den auch die DSN erwähnt, hätten sich laut ÖRA im Hauptteil Anleitungen zum sicheren Arbeiten an Terrorakten und Anschlägen befunden, dazu Vorsichtsmaßnahmen gegenüber staatlicher Überwachung, Anleitungen zur sauberen Durchführung von Bombendrohungen, zur Rohrbomben- und Handgranatenherstellung, der Herstellung von Zündern und Sprengstoff und der Erzeugung simpler biologischer Kampfstoffe. Dazu wären auch Informationen zur Manipulation von Alltagsgegenständen enthalten gewesen, um Personen zu schaden oder zu ermorden. Der Tötungsradius einer Rohrbombe – gefertigt nach den Anleitungen, die im Ordner „Nationale Wehrkraft“ abgebildet waren – hätte laut Gutachten eines*r Sachverständigen vor Gericht 15 Meter betragen.

Bereits erfolgreiche Sprengübungen

Der Verfassungsschutz zieht in seinem Bericht den Schluss, „dass der Verdächtige alle Mittel zur Umsetzung eines rechtsextrem motivierten Anschlags hatte, sich gedanklich auch damit auseinandersetzte und lediglich durch die rechtzeitig erfolgte Festnahme an der Umsetzung des Vorhabens behindert wurde“. Der Verdächtige wurde laut Behörde noch am Tag der Hausdurchsuchung festgenommen.

Laut DSN ist der Mann ein „langjähriger Anhänger“ der neofaschistischen Gruppe Identitäre und hätte mehrere Zahlungen auf das Konto der „Identitären Bewegung Österreich“ (IBÖ) sowie IBÖ-naher Vereine durchgeführt. Ebenso konnten laut Behörde diverse Demo- und Werbeutensilien bei dem Verdächtigen sichergestellt werden. Durch diese Ermittlungen wurden dann, so der Verfassungschutz, „zahlreiche Kontakte zu Mitgliedern der IBÖ festgestellt“. Auch in einschlägigen Chatgruppen (WhatsApp und Telegram) der IBÖ sei der Verdächtige sehr aktiv gewesen.

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„Langjähriger Anhänger“ der Identitären

Der Mann wurde laut Verfassungsschutzbericht am 20. Oktober 2022 vom Oberlandesgericht Wien zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Das OLG Wien hatte damit die Strafe des Landesgerichts Eisenstadt nochmals um 1,5 Jahre erhöht und begründete das laut DSN mit der besonderen Gefährlichkeit des Täters. Die verurteilten Delikte: NS-Wiederbetätigung, Verstöße gegen das Waffengesetz, Verhetzung sowie Verstöße gegen das Suchtmittelgesetz.

Die jetzige Veröffentlichung der Behörden zeigt erneut, wie gefährlich und radikalisiert das Milieu der neofaschistischen Gruppe Identitäre ist. Das muss nicht zuletzt in Betracht gezogen werden, wenn diese Gruppe erneut aufmarschiert – wie etwa zuletzt gegen eine Kinderbuchlesung direkt vor der Türkis-Rosa-Lila-Villa in Wien. Dazu zeigt sich auch erneut, dass es trotz aller verbalen Differenzierungen im Umfeld der Gruppe offensichtlich Personen gibt, die der nationalsozialistischen Wiederbetätigung schuldig sind.

Die Recherche-Gruppe ÖRA hat den Prozess gegen den Mann in Eisenstadt beobachtet. Laut ÖRA wäre der Mann, Rudolf P., früher FPÖ-Funktionär gewesen und anschließend Funktionär der inzwischen inaktiven neonazistischen „Nationalen Volkspartei“ (NVP). Schließlich hätte er beim steirischen Zentrum der neofaschistischen Gruppe Identitäre angedockt, dem „Kulturverein Kreidfeuer“ in Markt Hartmannsdorf, rund 40 Kilometer östlich von Graz. Zwischen dem Angeklagten und führenden steirischen Kadern der Gruppe Identitäre hätte es enge Verbindungen gegeben.

Zum Kulturverein, der sich selbst auch „Kulturfestung“ nennt, wäre der Angeklagte auch gerne gereist, um dort „die alten Lieder“ zu singen. Hier findet ihr ein Interview des Radios „Von Unten“ mit ÖRA zum Prozess. Auch die Plattform „Stoppt die Rechten“ hat sich mit P. und dem Prozess gegen ihn auseinandergesetzt, deren Bericht findet ihr hier.

Offene Fragen an die Behörden

Die jetzige Veröffentlichung stellt viele Fragen an die Behörden: Wurden alle Personen gewarnt, die auf der Feindesliste des Identitären-Anhängers stehen? Wurden alle linken Organisationen gewarnt, die von dem mit Sprengstoff ausgerüsteten Mann als potentielle Ziele geführt wurden? Update: Auf eine entsprechende Anfrage hat das Innenministerium in seiner ersten Antwort an mich nicht geantwortet, eine weitere Anfrage dazu läuft. Und warum wurden die Organisator:innen des Volksstimme-Fests offenbar nicht gewarnt? Auch hier läuft eine Anfrage. Hier findet ihr meinen Artikel, wo ich auf die neuen Antworten des Innenministeriums eingehe.

Üblicherweise ziehen sich die Behörden gerne auf die Schutzbehauptung zurück, dass es sich bei rechten Attentäter:innen um Einzeltäter:innen handeln würde. Doch dieser Mann war offenbar bestens mit anderen extremen Rechten, Faschist:innen und Neonazis. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um einen potentiellen Einzeltäter handelt. Und damit kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass durch die jetzige Verurteilung die Gefahr beseitigt ist. Damit wären Warnungen jedenfalls geboten gewesen.

Kinder spielen am Volksstimme-Fest in Wien. Bild: Michael Bonvalot

Ebenfalls sehr verwunderlich ist, dass die Behörden diese extrem brisante Information einfach via Verfassungssschutzbericht an die Öffentlichkeit tragen. Warum wurde dieser geplante Anschlag nicht schon längst groß veröffentlicht? Es gab dazu gerade einmal eine dünne Presseaussendung am 05.04.2022, wo der Prozess in Eisenstadt am Ende in einem Absatz erwähnt wurde. Warum gab es keine Pressekonferenz, wie es die Behörden in anderen Fällen so gerne machen – obwohl die Suppe enorm dünn ist und im Nachgang alles zusammenbricht (Stichwort Pressekonferenz des damaligen ÖVP-Innenministers und jetzigen Bundeskanzlers Karl Nehammer zur Muslimbruderschaft)? Und warum wurde der Fall nicht zumindest in der Pressekonferenz zur Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts genannt?

Die Öffentlichkeit verdient Antworten auf diese Fragen.

Dieser Artikel wurde ergänzt (ÖRA, SdR sowie Stellungnahme und Presseaussendung des Innenministeriums). Weitere Anfragen an das Innenministerium sind gestellt und werden bei Eintreffen eingefügt.

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