Gegen genau diese Polizisten hatte ich eine Maßnahmenbeschwerde vor Gericht eingeleitet – nachdem er mich bei einem rechten Corona-Aufmarsch mit Gewalt an der Berichterstattung gehindert hatte.

Die Stimmung ist aggressiv, als am 10. September 2022 extreme Rechte aus der Corona-Szene über die Wiener Ringstraße marschieren. Wie so oft. Ich berichte live vor Ort – und fast unmittelbar nach meinem Eintreffen beginnt es mit ersten Beschimpfungen. Immer näher rücken mir einschlägig bekannte Personen aus der Szene. Weiter berichten kann ich überhaupt nur noch, weil mein mehrköpfiges Sicherheitsteam einen Schutzkreis gegen die zunehmend größer werdende Gruppe von Provokateur:innen bildet.

Die zahlreich vorhandenen Polizist:innen, die nur wenige Meter entfernt stehen, sehen zwar sehr interessiert zu. Für ein Einschreiten sehen sie aber keinerlei Veranlassung. Etwas, was ich übrigens regelmäßig erlebe. Schließlich taucht doch eine größere Gruppe von Beamt:innen einer Spezialeinheit auf, der Wiener Einsatzeinheit.

Stattdessen klagt der Polizist nun mich

Doch zu meiner Überraschung nehmen diese Polizist:innen nun stattdessen mich ins Visier. Ich werde von den rund 15 Polizist:innen mit laufenden Stößen an den Rand der Ringstraße gedrängt. Unter dem Jubeln und Gröhlen der Personen aus der rechten Corona-Szene. Der abstruse Vorwurf der Polizei: Ich hätte den Aufmarsch der Rechten gestört. Zahlreiche Videos halten die Szene fest.

Und um genau diese Videos wird es nun auch vor Gericht gehen. Denn der Polizist, der diese Amtshandlung angeführt hat, klagt mich nun vor dem Handelsgericht Wien. Mit dem enorm hohen Streitwert von 12.400 Euro. Der Vorwurf des Polizisten: Ich hätte Videos retweetet, auf denen er erkennbar gewesen sei. Das stimmt. Doch was würde es bedeuten, wenn so etwas künftig nicht mehr möglich wäre?

Ich hatte Videos retweetet, bei denen eine Amtshandlung während einer öffentlichen Versammlung zu sehen war. Einer Versammlung mit mindestens mehreren hundert Teilnehmer:innen auf der Wiener Ringstraße. Die behauptete Grundlage für die Amtshandlung – eine angebliche Störung des rechten Aufmarschs durch mich – wurde in weiterer Folge sogar seitens der Landespolizeidirektion Wien zurückgezogen (dazu später mehr). Mit einer erfolgreichen Klage würde also verhindert, dass diese sehr problematische Amtshandlung in vollem Ausmaß öffentlich sichtbar wird. Doch das widerspricht der Pressefreiheit und der Rolle der Presse als „Public Watchdog“ – als „Wachhund der Öffentlichkeit“.

Die Forderung des Polizisten würde die Berichterstattung von Demonstrationen fast unmöglich machen

Dazu hatte der Anwalt des Polizisten in seinem ersten Schreiben an mich auch verlangt, dass ich eine sogenannte Unterlassungserklärung unterschreiben solle. Inhalt: Ich solle mich verpflichten, künftig weder Video- noch Bildmaterial, auf welchem der Polizist „eindeutig zu erkennen/identifizieren ist, der Öffentlichkeit verfügbar zu machen oder auf sonstige Weise zu verbreiten“. So heißt es in dem Text. Doch was würde es bedeuten, so etwas zu unterschreiben?

Real ist es unmöglich, Großaufnahmen von Demonstrationen zu machen und dabei rechtssicher zu verhindern, dass irgendwo im Hintergrund ein bestimmter Polizist zu sehen ist. Dazu könnte jemand, etwa während einer Live-Berichterstattung, sogar absichtlich ins Bild laufen. Damit wäre also jede weitere Berichterstattung von Demonstrationen in Wien schwierig bis unmöglich. Und nachdem die Wiener Einsatzeinheit auch außerhalb der Bundeshauptstadt bei Demonstrationen eingesetzt werden kann, betrifft das real ganz Österreich. Unmöglich also, so etwas als Journalist zu unterschreiben.

Unterstützt von meiner Medienrechtsanwältin Maria Windhager habe ich dieser Aufforderung also widersprochen. Kurz danach folgte die Klage des Polizisten, die nun am 14.04. am Wiener Handelsgericht verhandelt wird. Es ist übrigens kein Einzelfall: Relativ kurz nach der Klage, die bei mir eingetroffen ist, hat auch eine Wiener Fotografin eine sehr ähnliche Unterlassungsaufforderung eines anderen Polizisten bekommen. Es macht die Vorgehensweise noch bedenklicher.

Es muss auch künftig möglich sein, problematische Amtshandlungen zu zeigen

Geklagt wurde ich durch den Polizisten nach dem Paragraf 78 Urhebergesetz, also dem „Bildnisschutz“: Ich hätte seine „berechtigten Interessen“ verletzt. In einem Schriftsatz seines Anwalts zur Klage heißt es gar, es wäre meinerseits eine „Prangerwirkung“ erzielt worden. An dieser Stelle nochmals zur Erinnerung: Es handelt sich hier nicht einmal um meine eigenen Videos. Ich hatte schlicht bereits veröffentlichte Videos retweetet.

Vertreten von Anwältin Windhager werde ich vor Gericht dagegen halten. Wir werden dabei auch erklären, warum wir es für wichtig halten, solche Amtshandlungen zu dokumentieren. Denn nachdem mich der Polizist zuerst abgedrängt hatte, wurde es an diesem 10. September nur noch absurder – und das konnte ich nicht zuletzt auf Basis der veröffentlichten Videoaufnahmen beweisen.

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Denn nachdem wir nun von der Ringstraße abgedrängt worden waren, wurden wir sogar eingekesselt. Die Herausgabe unserer Identität wurde verlangt. Bei mir wäre das übrigens reichlich unnötig gewesen: Ich trug meinen Presseausweis mit meinem Namen offen um den Hals – und hatte den die Polizist:innen bereits zu Beginn mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass ich Journalist bin. Und sie mich gerade ohne rechtliche Begründung an der Arbeit hindern. Auch das ist in den Videos gut dokumentiert. Dazu sprachen mich kurz danach hinzukommende höherrangige Polizist:innen ohnehin mit Namen an, weil sie mich kennen.

Drohung mit Festnahme

Doch auch meine Fotografin und mein Sicherheitsteam sollten ihre Identitäten bekannt geben. Ich widersprach aus prinzipiellen Gründen – ich hielte und halte die gesamte Amtshandlung für rechtswidrig, was ich auch dem Polizisten sagte. Erst als die Polizei sogar mit Verhaftung drohte, wurden die Identitäten unter Protest bekanntgegeben. Mehr als eine halbe Stunde dauerte die Amtshandlung – die weitere Berichterstattung vom rechten Aufmarsch wurde durch die Polizei damit effektiv unmöglich gemacht.

Bereits während der Amtshandlung kündigte ich an, dass ich eine Maßnahmenbeschwerde beim Verwaltungsgericht Wien einbringen werde. Das hat offenbar auch der amtshandelnde Polizist wahrgenommen: In seiner Anzeige, die ich mittels Akteneinsicht erhalten habe, wird diese Ankündigung explizit festgehalten. Und nun klagt mich genau dieser Polizist, weil ich seine Amtshandlung öffentlich gezeigt hatte. Ob es eine Retourkutsche ist? Das muss dahingestellt bleiben.

Übrigens dürfte irgendwann während der Amtshandlung auch irgendjemandem im Polizeiapparat gedämmert sein, dass es hier ein Problem gibt: Denn knapp nach Ende der Amtshandlung kam ein Funkspruch, dass die Amtshandlung sofort zu beenden sei. Das habe ich mittels Akteneinsicht herausgefunden. Von wem der Funkspruch gekommen ist? Das lässt sich angeblich heute nicht mehr nachvollziehen. Behauptet die Polizei.

Anzeige wegen Gehens auf der Straße

Einige Tage später dann der nächste juristische Schlag: Mein gesamtes Team und ich erhalten Anzeigen. Wegen einer angeblichen Störung der öffentlichen Ordnung sowie eines Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung. Wir wären auf der Straße gegangen. Während einer politischen Versammlung. Auf der komplett gesperrten Ringstraße.

Strafhöhe insgesamt für die sieben Fälle: 3500 Euro. Die sechs Leute aus meinem Team bekommen übrigens eine Strafverfügung. Bei mir wird stattdessen sogar noch ein ordentliches Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet. Dieses rechtlich komplett abstruse Vorgehen der Polizei ruft enorme öffentliche Kritik aus. Zu Wort melden sich etwa der Presseclub Concordia, Reporter ohne Grenzen oder Amnesty International. Auch der Standard berichtet mehrmals.

Concordia, Reporter ohne Grenzen und Amnesty protestieren

Walter Strobl, der den Rechtsdienst Journalismus beim Presseclub Concordia leitet, sagt: „Eine Strafverfügung wegen Nichtbenützung des Gehsteigs bei der Berichterstattung von einer Demonstration auf einer gesperrten Fahrbahn“, das wäre „schon ein starkes Stück, das muss einem erst einmal einfallen“. Auch Christin Edlinger von Reporter ohne Grenzen ist empört: „Es kann nicht sein, dass Journalist*innen bei Ausübung ihrer Arbeit von der Polizei mit absurden Amtshandlungen aufgehalten werden“. Sie fordert „mehr Schutz für Medienschaffende und bessere Schulung der vor Ort tätigen polizeilichen Einsatzkräfte“. Seitens der Menschenrechtsorganisation Amnesty International heißt es, das Vorgehen der Polizei sei ein “ massiver Eingriff in die Pressefreiheit!“.

Unterstützt von meinem Strafrechtsanwalt Clemens Lahner sowie dem Presseclub Concordia habe ich klarerweise Einspruch gegen alle Strafverfügungen erhoben. Besonders entscheidend: Wir konnten zahlreiche Videos vorlegen, die dokumentieren, dass die Vorwürfe schlicht keinerlei faktische Grundlage haben. Es ist einfach nicht passiert, was in den Anzeigen behauptet wird. Es zeigt sich also, wie wichtig diese Videos waren.

Begräbnis Erster Klasse

Und dann passiert etwas, was eher ungewöhnlich ist: Die Landespolizeidirektion Wien ignoriert solche Einsprüche gern. Damit wäre in nächster Instanz der Weg zum Verwaltungsgericht Wien notwendig geworden. Doch in diesem Fall gibt es ein Begräbnis Erster Klasse: Nach unseren Einsprüchen samt Video-Dokumentation zieht die Polizei ihre Strafverfügungen sofort zur Gänze zurück. Wohl eher kein ein Ruhmesblatt für die amtshandelnden Polizist:innen.

Doch was dennoch bleibt: Sehr viel vergeudete Zeit, eine verhinderte Berichterstattung und auch hohe Anwaltskosten. Ob es möglich sein wird, diese Kosten im Rahmen der Amtshaftung von der Republik Österreich zurückzubekommen, ist noch offen.

Das Innenministerium gibt falsche Auskünfte ans Parlament

Apropos Republik: Auch das Innenministerium hat sich zum Fall zu Wort gemeldet, es ist ein weiterer absurder Seitenstrang der ganzen Causa. Als Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen zum Fall behauptet Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) am 13. Dezember 2022, dass mein Verhalten und das meines Teams „zur Störung einer angezeigten und friedlichen Versammlung“ geführt hätte und „objektiv“ dazu geeignet gewesen wäre „Ärgernis zu erregen“ und auch „tatsächlich bei den Teilnehmern der Versammlung Ärgernis erregt“ hat.

Eine weitere Behauptung von Innenminister Karner: „Durch das ständige Unterschreiten des sozial üblichen Abstands zu den die Versammlung sichernden Exekutivbediensteten, in Verbindung mit Wortkonfrontationen, kam es zu einem Stören der öffentlichen Ordnung.“ Das Problem an dieser Darstellung: Bereits elf Tage vorher hatte die Landespolizeidirektion Wien die Strafverfahren vollständig eingestellt. Somit hat das ÖVP-geführte Innenministerium das Parlament – und damit die Öffentlichkeit – nachweisbar falsch informiert.

Nun stehen also in Kürze zwei Verhandlungen in dieser Causa an: Einerseits meine Maßnahmenbeschwerde gegen den Polizisten, über die bald verhandelt werden wird. Und andererseits die Klage des Polizisten gegen mich vor dem Handelsgericht Wien.

„Überaus polizeikritisch“: So kannst Du helfen!

Das Problem mit solchen Klagen: Sie bedeuten ein enormes finanzielles Risiko. Für die Maßnahmenbeschwerde und die Abwehr der absoluten Strafverfügungen gab es dankenswerterweise Unterstützung durch den Presseclub Concordia. Doch deren Budget ist begrenzt. Die Klage vor dem Handelsgericht mit Streitwert 12.400 Euro plus möglicherweise sehr hohen Anwaltskosten ist also aktuell bis jetzt in keiner Weise abgesichert. Falls Du mir dabei helfen willst, hier kannst Du mich bei dieser Klage für die Pressefreiheit unterstützen!

Es sind nicht die ersten und vermutlich auch nicht die letzten Gerichtsverfahren, die ich mit der Wiener Polizei führen werde müssen. Im Mai 2022 hat sich übrigens sogar Wiens Polizeipräsident und Ex-Burschenschafter Gerhard Pürstl in einem offenen Brief bei ORF-Generaldirektor Roland Weißmann über mich beklagt:  Ich sei ein „als überaus polizeikritisch bekannter Journalist“. Ich betrachte das als Kompliment: Alle Journalist:innen sollten den Behörden kritisch gegenüberstehen. Das ist unser Job.

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