Dieses Video zeigt, wie ein Wiener-Linien-Mitarbeiter gegen einen am Boden liegenden Menschen tritt. Dann tritt er auch noch dessen Brille weg. Die Wiener Linien wollen den Vorfall „lückenlos“ aufklären.
„Der Mann hat beeinträchtigt gewirkt und ist am Boden gelegen. Ich hatte eigentlich erwartet, dass der Wiener Linien-Mann die Rettung holt. Doch dann hat er den wehrlosen Mann stattdessen getreten.“ Georg Prinz ist immer noch erschütternd und wütend, wenn er an die Situation denkt.
Wien, Bahnhof Meidling. Am Mittwoch, dem 27. Juli sei er gegen Mittag die Rolltreppe hochgefahren, als er die Szene sah, erzählt der 27-jährige Prinz. Die Metadaten der Videos, die er mir zur Verfügung gestellt hat, unterstützen diese Angaben. Dann hätte er gesehen, wie der Wiener-Linien-Mann den am Boden liegenden Mann demütigte.
Die drei Videos, die mir vorliegen, zeigen, was Prinz berichtet. Im ersten Video ist zu sehen, wie der Wiener-Linien-Mann über dem beeinträchtigten Menschen steht, ihn mehrmals laut mit dem Wort „Ausse“ auffordert, die Station zu verlassen. Der Mann wirkt nicht so, als würde ihm das leicht fallen. Er könnte unter Einfluss von Alkohol oder Drogen stehen, er könnte aber auch krank sein oder ein Problem mit der Hitze haben. Wir wissen es nicht.
„Für mich hat der Mann eher so gewirkt, als würde er Hilfe brauchen“, sagt Prinz. „Ich habe mich sehr gewundert, warum der Wiener-Linien-Mann mit der Polizei gedroht hat und nicht die Rettung geholt.“ Er hätte die Szene gesehen und sei sich sofort bewusst gewesen, dass er das auf Video festhalten müsse. „Falls etwas passiert“, wie er erzählt. Kurz danach habe er dann die Kamera wieder abgedreht – er hätte gedacht, die Situation sei vorbei. Doch dann hätte der Wiener-Linien-Mann den am Boden liegenden Mann getreten.
„Mit dem Fuß gegen das Bein und den Schuh“, sagt er. Darauf hätte er die Kamera wieder eingeschaltet. Auf dem zweiten Clip ist zu sehen, wie der Mann am Boden sitzt. Ebenfalls zu sehen ist, wie der Wiener-Linien-Mann mit dem Fuß gegen den Fuß des Mannes tritt. Nicht fest, nicht verletzend. Doch die Szene wirkt sehr demütigend. „Der Tritt davor war fester“, sagt Prinz.
Danach sei der beeinträchtige Mann langsam aufgestanden, beide seien die paar Meter zum Ausgang. „Ich habe dann die Kamera wieder ausgeschalten. Ich dachte, es ist endgültig vorbei“, erzählt Prinz. Er sei dann bei einem anderen Ausgang raus. „Doch auf einmal habe ich Schreie gehört.“ Er habe gesehen, wie der Wiener-Linien-Mitarbeiter den Mann gestoßen habe. Da habe er die Kamera das dritte Mal eingeschalten. Auf dem dritten Clip zu sehen ist, wie der Mann taumelt. Ob das die Folge des Stoßes ist, könne er nicht mit Sicherheit sagen, sagt Prinz. Auf ihn wirkte es so.
Auf dem Video zu sehen ist, wie der Wiener-Linien-Mitarbeiter dann noch die Brille des Mannes mehrmals mit den Füßen wegtritt. „Spätestens da war für mich jede Verhältnismäßigkeit vorbei“, sagt Prinz. „Ich habe das als reine Demütigung empfunden. Das war nicht die Durchsetzung der Hausordnung, das war Machtausübung.“
Die Wiener Linien haben die drei Videos von mir zur Verfügung gestellt bekommen. Wiener-Linien-Sprecherin Andrea Zefferer reagiert mit folgendem Statement: „Wir wurden von diesem Vorfall in Kenntnis gesetzt und haben umgehend mit der Aufarbeitung begonnen. Gewalt hat bei den Wiener Linien keinen Platz. Wir entschuldigen uns für das unangemessene Verhalten des Mitarbeiters und versichern, dass solche Vorfälle bei den Wiener Linien lückenlos aufgeklärt werden.“
In einem weiteren Statement schreibt Zefferer, dass „das direkte Gespräch mit dem Kollegen gesucht und über den Vorfall gesprochen“ worden sei. Gegenüber dem Mitarbeiter sei inzwischen eine Verwarnung ausgesprochen worden. Das Angebot an die Wiener Linien für ein Statement des Mitarbeiters selbst wurde nicht angenommen.
Georg Prinz erzählt auch, warum er sofort mit der Kamera dokumentiert hätte: „Ich bin Tierschutzaktivist und arbeite beim Verein gegen Tierfabriken. Ich weiß genau, wie wichtig es ist, Übergriffe zu dokumentieren, damit sie auch belegt werden können.“ Ob er in diesem Fall nicht das Gefühl gehabt hätte, dass es besser gewesen wäre, einzugreifen, den Wiener-Linien-Mann zu beruhigen?
Prinz überlegt länger. Dann sagt er: „Das ist immer eine sehr schwierige Frage. Einerseits gibt es da natürlich immer ein gewisses Ohnmachtsgefühl. Das könnte aber klarerweise überwunden werden. Doch gleichzeitig halte ich es auch für sehr wichtig, solche Fälle zu dokumentieren. Damit sich nicht nur im Einzelfall etwas ändert, sondern durch die Öffentlichkeit endlich strukturelle Veränderungen beginnen.“
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