Das Bundesheer behauptet, bei den Corona-Terrorchats gäbe es kaum Verbindungen zum Militär. In den Chats liest sich das ganz anders: Den Bau von Bomben planten offenbar vorwiegend (Ex-)Soldat*innen.
Als bereits über den Bau von möglichst zerstörerischen und einfach zu bauenden Granaten diskutiert wird, beklagt sich User „General“: „Wieso habe ich das in meinem paar Jahre Bundesheer nicht gelernt?! Jetzt fühle ich mich benachteiligt.“ Die Antwort von A., die zuvor eine genaue Bauanleitung gepostet hatte: „Bei den Hochgebirgsjäger lernt man solche einfachen Sachen“.
A. ergänzt: „Ich will wenig Aufwand mit maximalen schaden.“ [Alle Rechtschreibfehler aus den Chats im Original.] Die gesamte Unterhaltung stammt aus einer geheimen Telegram-Gruppe, in der ich seit Anfang Mai verdeckt mitgelesen habe.
Am 14. Mai führten die Behörden dann Hausdurchsuchungen in Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, der Steiermark und Vorarlberg durch. Den Behörden wurden zuvor entsprechende Informationen übermittelt. Öffentlich wurde die Behördenaktion dann am 20. Mai mit einer Pressekonferenz von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP).
Es könnte sehr knapp gewesen sein.
In den Gruppen war zu diesem Zeitpunkt bereits offen diskutiert worden, wie Waffen gestohlen werden könnten, etwa aus Depots des Bundesheeres oder aus Kasernen. A. etwa, die laut eigener Aussage beim Jägerbataillon Vorarlberg gewesen war, schrieb über Waffendepots im Ländle, wo Maschinengewehre, Sturmgewehre, Handgranaten und Panzerabwehr-Waffen gestohlen werden könnten. Insgesamt seien dort 16 Tonnen Munition und Waffen gelagert.
Es wird auch darüber debattiert, sich in Wien mit dem automatischen „Sturmgewehr“ StG 77 zu bewegen und das fünf Magazine „reichen“ würden. Das StG 77 ist die Standardwaffe des Bundesheers.
Für den Aufmarsch am 15. Mai in Wien hatten zentrale Personen aus den Gruppen ein gemeinsames Auftreten geplant. Dabei sollte unter anderem bewaffnet gegen die Polizei vorgegangen werden. Dazu wurde ich in den Chats namentlich als Person genannt, die an diesem Tag angegriffen werden sollte.
Zusätzlich wird immer wieder mein Foto gepostet, versehen mit eindeutigen Drohungen. Am 14. Mai hatte ich erstmals vor diesen Gruppen gewarnt. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte ich darauf hingewiesen, dass sich in den Gruppen zahlreiche (ehemalige) Soldat*innen sammeln. Bezeichnend die Reaktion des Bundesheers: Dessen Sprecher, Michael Bauer, war nicht etwa empört über die Chats – sondern darüber, dass ich ein Bild des Bundesheers verwendet hat – übrigens völlig rechtmäßig und in Übereinstimmung mit der Bildlizenz.
Sie zeigen auf diesem Bild einen Soldaten des Bundesheers. Er ist durch das Abzeichen als Angehöriger des Aufklärungs-und Artilleriebataillon 4 in Allentsteig erkennbar. Ich empfehle Ihnen, das Bild zu ändern. Ich werde jedenfalls unsere Rechtsabteilung darüber informieren.
— Michael Bauer (@Bundesheerbauer) May 15, 2021
Das Bundesheer will abwiegeln
In meinem zweiten Artikel vom 20. Mai, wo ich erste Chats aus den Gruppen veröffentlicht habe, habe ich die Verbindungen zum Militär nochmals weiter ausgeführt. Meine Recherche wurde von zahlreichen Medien aufgegriffen, unter anderem vom ORF oder vom Standard. Doch nun will das Bundesheer abwiegeln.
Nur zwei der Beschuldigten rund um die Terrorchats hätten „den Grundwehrdienst abgeleistet“, einer sei „in einer zivilen Dienststelle des Bundesheers beschäftigt“. Alles andere könne man „nicht bestätigen“. So heißt es in einer Stellungnahme gegenüber der Zib1 am 21. Mai, wo ich ebenfalls interviewt wurde. Doch tatsächlich zeigt sich in den Terrorchats ein ganz anderes Bild als jenes, dass das Bundesheer gerne zeichnen würde.
„Nur ehemalige Soldaten“
Vernetzt haben sich die Corona-Aktivist*innen in den Gruppen „AUT Bund“ und „AUT Wien“, zwei – vermeintlich – geheimen Gruppen auf der Social Media Plattform Telegram. (Hier könnt ihr alles darüber lesen, wie sich extreme Rechte auf Telegram vernetzen.) Die beiden Gruppen sind miteinander verbunden. Und – ganz im Gegensatz zur Darstellung des Bundesheeres – handelt es sich sogar exklusiv um Gruppen für ehemalige oder noch aktive Soldat*innen.
„Diese Gruppe ist geschlossen und es dürfen nur ehemalige Soldaten und innen rein“, heißt es etwa. Unmittelbar davor wird diskutiert, ob Menschen eher mit Seilen oder mit Schneeketten aufgehängt werden sollen – oder ob sie besser durch die Straßen geschleift werden sollten.
Auch die Agitationsbilder, die zur Bewerbung dienen sollen, sprechen eine eindeutige Sprache. „Hast Du gedient? Dann komm!!“, heißt es etwa auf einem Bild, wo für den Aufmarsch am 15. Mai in Wien geworben wird. Daneben der Slogan des Bundesheeres „Schutz und Hilfe“, dahinter ein Militärhubschrauber.
Relativ früh heißt es dann auch, es solle abgestimmt werden, wer „gedient“ hätte. Ergebnis zu diesem Zeitpunkt: 76 Prozent sagen, sie wären beim Militär gewesen. In der Gruppe bleiben dürfen nur jene, die abgestimmt haben. Danach wird die Gruppe gesäubert.
Wer nicht gedient hat, fliegt raus
Einige Tage später ist mehr als die Hälfte der Mitglieder verschwunden. Kommentar dazu: In der Gruppe „AUT Bund“ sollten nur „Ehemalige“ bleiben dürfen. „Der Rest soll in die anderen Gruppen“, schreibt User „General“. Eine Frau, mutmaßlich eine der Administrator*innen, schreibt, sie sei nun die einzige „nicht gediente“.
Immer wieder berichten Personen in der Gruppe auch ganz konkret, in welchen Bundesheer-Einheiten sie gewesen wären. Und einige Personen beschreiben sich dabei ganz eindeutig selbst als ehemalige Berufssoldat*innen. Unter ihnen etwa „General“.
Spezialkurs zum Umgang mit Sprengmittel
Er ist derjenige, der bedauert hatte, dass er in seinen „paar Jahre Bundesheer nicht gelernt“ hätte, möglichst schwer verletzende Granaten zu bauen. Mit dieser Dienstlänge, „ein paar Jahre“, wäre „General“ eindeutig ein Berufssoldat. Beim Bau von Granaten hat „General“ zwar Schwächen. Doch andererseits hätte er in Tirol einen sogenannten CIED-Kurs absolviert, wie er schreibt. Dabei handelt es sich um einen Spezialkurs zum Umgang mit improvisierten Sprengmitteln.
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Dann ist da noch J., der in der Gruppe enorm aktiv ist. Bei einer Diskussion über die Bewaffnung für künftige Corona-Aufmärsche rühmt sich J., er wäre noch nie „zu einer Schiesserei mit einem Messer“ gekommen. Er selbst hätte bereits zwei Pistolen der Firma Glock zu Hause.
Kosovo, Zypern, Panzer
Über sich selbst berichtet der Mann, dass er vier Monate als Freiwilliger im Kosovo gewesen wäre. Auch das geht nur als Berufssoldat. Launig berichtet er, wie er und seine Truppe einst mit einem Schützenpanzer durch das niederösterreichische Waldviertel gefahren wären.
Ein weiterer Mann schreibt, er wäre zuerst „bei der Garde“ in Wien gewesen und dann Panzerfahrer. Auch das deutet auf einen Berufssoldaten hin. Ein anderer postet gleich seine Erinnerungsmedaille vom Einsatz beim österreichischen UN-Bataillon in Zypern – was ebenfalls nur für Berufssoldaten möglich war.
Brisant: Auch ein einschlägiger Kamerad aus Deutschland meldet sich zu Wort. Er hätte „bei der Luftwaffe gedient 12Jahre“ und würde in Deutschland gerade ein „gleichartiges Netzwerk“ aufbauen. Nun sucht er Kontakte nach Österreich.
Uniformen – und ein Milizoffizier
Ein Mann stellt sich dann sogar als aktiver Milizoffizier vor. Seine Begrüßung in der Gruppe: „Guten Abend! Bin hierher geschickt worden um die Veteranen zu unterstützen.“ Auf seinem Profilbild posiert er stolz in Uniform und gibt an, er wäre Oberleutnant der Reserve. Er ist nicht der einzige, der Bilder von sich in Uniform zeigt: Mindestens noch ein weiterer Mann sowie eine Frau präsentieren in der Gruppe Bilder in Bundesheer-Uniform.
Auch die Sprache in der Gruppe ist eindeutig: Immer wieder werden militärinterne Begriffe verwendet. A. etwa schreibt, sie wäre „bei den „Spittaler Muhlitreiber“ gewesen. „Mulitreiber“ (ohne h), so werden beim Heer die Gebirgsjäger-Einheiten genannt. Im Kärntner Spittal an der Drau ist das Jägerbataillon 26 stationiert, A. nennt es „Spittalingrad“.
Bombenbau und Guerilla-Kampf
Dieses Bataillon ist speziell für den Gebirgskampf ausgerüstet und geschult. Laut A. hätte sie dort Bombenbau und Guerilla-Kampftaktiken gelernt. Dazu wäre sie auch beim Jägerbataillon Vorarlberg „im Dienst“ gewesen – und zuletzt im Mai 2020 bei der Teilmobilmachung der Miliz.
Dazu kommen zahlreiche weitere Personen, die verschiedene konkrete Einheiten nennen, wo sie Dienst gemacht hätten. Darunter sind etwa das Jägerbataillon 4 in Wien, das Jägerbataillon 8 in Salzburg oder das Panzergrenadierbataillon 13 im oberösterreichischen Ried im Innkreis.
Wie viel militärischer Hintergrund steckt nun tatsächlich in den Terrorchats?
Aktuell wird aufgrund der Terrorchats gegen mehrere Personen ermittelt. Anzeigen gibt es laut Innenministerium gegen sieben Personen wegen Verdachts auf verbrecherisches Komplott sowie gegen eine Person nach dem NS-Verbotsgesetz. Vom Verteidigungsministerium wird gegenüber dem Standard dementiert, dass sich ehemalige oder aktive Berufssoldaten unter den Einvernommenen befinden, es seien auch keine ehemaligen oder aktiven Milizsoldaten darunter.
Laut Bundesheer hätten, wie eingangs erwähnt, nur zwei der Beschuldigten den Grundwehrdienst abgeleistet, einer sei in einer zivilen Dienststelle des Bundesheers beschäftigt. Wer nun tatsächlich beschuldigt ist, ist öffentlich nicht bekannt. Rein theoretisch wäre es also möglich, dass unter den sieben Beschuldigten tatsächlich nur drei mit Bundesheer-Hintergrund sind.
Doch faktisch waren vor allem Personen in den Gruppen besonders aktiv, die über ihren militärischen Hintergrund berichten. Ob die Aussage des Bundesheers also realistisch ist, steht auf einem anderen Blatt.
Das Militär als rechte Brutstätte
Doch das tatsächliche Problem reicht ohnehin weit tiefer. In den beiden Gruppen „AUT Bund und „AUT Wien“ waren offenbar zahlreiche ehemalige Soldat*innen versammelt. Sogar ein Ausbildungscamp war bereits angedacht. Lauten Widerspruch zu den immer eindeutigeren Terrorplänen gab es nicht. Und das ist kein Zufall.
Die Aufdeckung immer neuer Skandale bei der deutschen Bundeswehr zeigt sehr gut, dass gerade das Militär eine Brutstätte rechtsterroristischer Strukturen ist. Auch der größte deutsche Skandal rund um das 2018 aufgeflogene „Hannibal“-Netzwerk führt nicht zuletzt nach Österreich – immerhin unterhielt das Netzwerk auf Telegram offenbar sogar eine eigene Österreich-Gruppe.
Im November 2019 warnten dann sogar Mitarbeiter des Militärischen Abwehramtes vor geheimen rechten Terrorzellen rund um das österreichische Bundesheer. Hier habe ich für euch alles dazu aufgeschrieben. Und nun wurden die nächsten Terrorpläne bekannt. Es könnte nur eine Frage sein, bis diese Situation explodiert. Buchstäblich.
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