Ausgerechnet am Koloman-Wallisch-Platz in Kapfenberg startete die FPÖ ihren Wahlkampf zur Bundespräsidentschaft. An einem Platz, der dem Gedenken an einen ermordeten Februar-Kämpfer gewidmet ist, begannen Norbert Hofer und die FPÖ ihren Kampf um die Hofburg. Eine Verteidigung.
Wir schreiben den 12. Februar 1934. Der Aufstand gegen den österreichischen Faschismus hat begonnen, in vielen Städten des Landes wird gekämpft. Bruck an der Mur im obersteirischen Industriegebiet steht schnell unter der Kontrolle des Schutzbundes, der sozialdemokratischen Parteimiliz.
Angeführt wird der Aufstand in Bruck von Koloman Wallisch, Landesparteisekretär der sozialdemokratischen Partei und Abgeordneter zum Nationalrat. Erst als das Bundesheer mit schwerem Gerät anrückt, müssen sich die 300 bis 400 Kämpfer im bis zu zwei Meter hohen Schnee in die nahe gelegenen Berge und in Richtung der jugoslawischen Grenze zurückziehen.
Flucht und Ermordung
Die tagelange Flucht der Gruppe hat Michael Scharang in seinem berührenden Film „Die Kameraden des Koloman Wallisch“ nachgezeichnet. Im Zuge von Gefechten nach dem Verrat eines Schutzbund-Kommandanten löst sich die Gruppe fast völlig auf.
Wallisch wird durch Verrat gefasst und am 19. Februar 1934 am Würgegalgen in Leoben erhängt. In Leoben soll sich zuerst niemand gefunden haben, der den Galgen errichten wollte, daher wurden Strafgefangene dazu gezwungen. Wallisch wurde in einem anonymen Grab auf dem Zentralfriedhof von Leoben begraben, der sich bald zu einer regelrechten Pilgerstätte entwickelte.
Kampf für die Räterepublik in Ungarn
Koloman Wallisch, geboren 1889 im ungarischen Teil der Habsburger-Monarchie, engagierte sich bereits früh in der ArbeiterInnenbewegung. Wallisch wurde Maurer, im Alter von 16 Jahren trat er der Gewerkschaft und bald auch der Sozialdemokratischen Partei bei.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs kehrte er ins Banat zurück, wo er aufgewachsen war. Wallisch organisierte einen ArbeiterInnenrat, baute eine lokale Rote Armee auf und kämpfte für die ungarische Räterepublik, die im März 1919 nach dem Vorbild der russischen Bolschewiki ausgerufen worden war.
In Szeged, der heute drittgrößten Stadt Ungarns, wurde ein Revolutionäres Exekutivkomitee (REK) gegründet, dem auch Wallisch angehörte. Die ersten Maßnahmen betrafen die Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrung und Kleidung, die Enteignung großer Betriebe sowie die Sozialversicherung für die arbeitende Bevölkerung.
Österreichs Sozialdemokratie sieht zu
Die ungarische Räterepublik blieb allerdings isoliert und wurde von verschiedenen Seiten angegriffen. Im August konnten tschechoslowakische und rumänische Truppen Budapest einnehmen. Die österreichische Sozialdemokratie, die nach dem Ersten Weltkrieg über enorme Waffenvorräte verfügte, beließ es trotz großer Sympathiedemonstrationen und sogar einem Generalstreik bei Solidaritäts-Erklärungen.
Wie die Stimmung im Österreich jener Tage war, zeigt ein Fall aus Salzburg. Am Tag nach dem Generalstreik im Juli 1919 wurde die bürgerliche Salzburger Volkszeitung, die sich gegen den Streik ausgesprochen hatte, von Mitgliedern des Salzburger ArbeiterInnenrates besetzt. Sie musste daraufhin eine Entschuldigungserklärung auf der Titelseite sowie auf 20.000 Flugblättern drucken und 10.000 Kronen „Sühnegeld“ an die Armen der Stadt Salzburg verteilen. (Hautmann, Geschichte der Rätebewegung in Österreich, 1987)
Flucht nach Österrreich
Nach der militärischen Niederlage der ungarischen Räterepublik im August 1919 ermordeten die konterrevolutionären Truppen mehrere tausend Menschen. Auch vier Mitstreiter von Wallisch wurden gehängt. Wallisch flüchtete vor dem „Weißen Terror“ zuerst nach Jugoslawien, später weiter nach Österreich und wurde in der Sozialdemokratischen Partei (SDAP) aktiv.
Wallisch trat in der Partei immer wieder für einen entschlossenen Kurs gegen den stärker werdenden Faschismus ein. Nach dem Justizpalastbrand 1927, wo die Polizei 84 Menschen tötete, übernahm in Bruck ein Arbeiter-Exekutiv-Ausschuss mit Wallisch an der Spitze sogar kurzfristig die Macht.
„Erheiterung in ernsten Zeiten“ und Selbstmordgedanken bei Wallisch
Als die Austrofaschisten im März 1933, also kurz nach der Machtergreifung der Nazis in Deutschland, auch in Österreich das Parlament auflöste, verstanden Teile der sozialdemokratischen Führung nicht, dass hier die letzten Schritte hin zum Faschismus gesetzt wurde. So schrieb die Arbeiterzeitung, dass diese „kuriosen Ideen zur Erheiterung in diesen ernsten Zeiten“ beitragen würden. (Reisberg, Februar 1934, 1974). Weit realistischer schätzte Wallisch die Lage ein.
Paula Wallisch, seine Frau und Kampfgefährtin, schilderte später die Lage: „Unsere Arbeiter aber machten sich kampfbereit … Drei Tage und drei Nächte warteten sie. Ich kann nicht verschweigen, dass die Arbeiter furchtbar enttäuscht waren, als Koloman aus Wien kam und berichtete, dass wieder zu verhandeln versucht werde und dass die Bereitschaft des Schutzbundes aufgehoben werde. Es gab eine richtige Meuterei unter den empörten Schutzbündlern und mein Mann musste seine ganze Überredungskunst aufbieten, um die Erregten zu beschwichtigen. Enttäuscht und entmutigt zogen sich die Schutzbündler zurück. Auch Koloman war enttäuscht. Er trug sich sogar mit Selbstmordgedanken.“ (Reisberg, 1974).
Der Kampf beginnt
Zu Beginn des Jahres 1934 legte sich das bürgerliche Lager endgültig auf dem faschistischen Kurs fest. Am 10. Jänner erklärt der Heimwehr-Führer Starhemberg: „Unser Kampf gilt der uneingeschränkten Durchsetzung der faschistischen Ideenwelt.“ (Reisberg, 1974) Am 27. Jänner wurde die Heimwehr mobilisiert, am 30. Jänner besetzte sie Innsbruck, am 6. Februar Teile von Linz. In den folgenden Tagen begannen Massenverhaftungen und Hausdurchsuchungen. Am 8. Februar wurde für zwei Tage die Parteizentrale der SDAP besetzt.
Als am 12. Februar 1934 auch die Linzer Zentrale der Partei im Hotel „Schiff“ besetzt werden sollte, beschloss die lokale Partei-Führung den bewaffneten Widerstand. Von Linz ausgehend begann ein unkoordinierter Aufstand der oppositionellen Teile des Schutzbundes und der Partei, die den Beschwichtigungen der Parteiführung nicht mehr folgen wollten.
Unkoordinierter Aufstand
Gekämpft wurde vor allem in Wien, Linz, Steyr, St. Pölten, im Traisental, in Graz sowie in der Obersteiermark. In Bruck übernahm Wallisch den Befehl über die Truppen, er war einer der ganz wenigen führenden sozialdemokratischen FunktionärInnen, der aktiv am Kampf teilnahm.
Nach wenigen Tagen war der Kampf vorbei. Nur mehr wenige glaubten nach dem jahrelangen Zurückweichen an einen Sieg, es fehlten die Koordination und die technische und psychologische Vorbereitung auf den Kampf. Josef Buttinger, der spätere Führer der illegalen „Revolutionären Sozialisten“ (RS), zeichnete ein erschütterndes Ausmaß an Konfusion: „Zehntausende Schutzbündler, Wehrsportler, Betriebsarbeiter, Straßenbahner, Eisenbahner, Jungfrontler, Jugendliche, Mitglieder und Funktionäre liefen am Nachmittag des 12. Februar und in der darauffolgenden Nacht von einer Stelle zur anderen, um zu fragen, was nur ihre Aufgabe sei, wo sich ihr Sammelplatz befinde oder welche bewaffneten Gruppe sie sich eingliedern könnten.“ (Reisberg, 1974)
Ein Pazifist als Kommandant
Zahlreiche FührerInnen der Sozialdemokratie hatten die KämpferInnen verraten. Ein besonders übles Beispiel lieferte Eduard Korbel, Schutzbund Kommandant für den Kreis Wien-West. Er weigerte sich, den Schutzbündlern Waffen auszugeben und begründete das später vor der Polizei damit, dass er Mitglied einer pazifistischen Sekte sei.
Später wurde dann in einem Prozess sogar bekannt, dass er am 12. Februar in Wien herum fuhr, um die zentrale Kampfleitung zu finden und sie an die Polizei auszuliefern. In vielen Regionen, etwa in Kärnten oder Vorarlberg, stellte sich die sozialdemokratische Parteiführung offensiv gegen den Aufstand.
Der Menschlichkeit zum Hohn
Nach der Niederlage der Februar-Kämpfer und der Ermordung von Wallisch widmete ihm Bert Brecht die Koloman-Wallisch-Kantate:
„Im Februar vierunddreißig
Der Menschlichkeit zum Hohn
Hängten sie den Kämpfer
Gegen Hunger und Fron
Koloman Wallisch
Zimmermannssohn.“
Die FPÖ hat Kapfenberg und die Obersteiermark nicht zufällig für den Beginn ihres Wahlkampfes ausgewählt. Bis heute hat hier die SPÖ in dieser Region bei kommunalen Wahlen fast überall absolute Mehrheiten, auch die KPÖ ist in vielen Orten mit 5-10 % der Stimmen gut verankert. Der Wahl-Start in Kapfenberg ist also ein klares Signal an sozialdemokratische WählerInnen-Schichten und soll den Anspruch der FPÖ unterstreichen, nunmehr jene Partei zu sein, die die arbeitende Bevölkerung vertritt.
Die Sozialdemokratie hat darauf keine Antwort außer der weitgehenden Übernahme politischen Positionen der FPÖ. Die SPÖ hat zwar Plätze im Gedenken an Koloman Wallisch benannt, sein politisches Erbe aber ist mit der aktuellen Politik der Partei in keiner Weise vereinbar.
Eventuell sollte sie sich die letzten Worte der Koloman-Wallisch-Kantate von Bert Brecht hin und wieder in Erinnerung rufen:
„Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt
Und lässt andere kämpfen für seine Sache
Der muss sich vorsehen; denn
Wer den Kampf nicht geteilt hat
Der wird teilen die Niederlage.
Nicht einmal den Kampf vermeidet
Wer den Kampf vermeiden will; denn
Es wird kämpfen für die Sache des Feinds
Wer für seine Sache nicht gekämpft hat.“