Der rechte Auf1-Gründer Stefan Magnet hat einen deutschen Journalisten vor Gericht gezerrt. Ich war für euch beim Prozess in Linz – und der war streckenweise schlichtweg absurd.

Es ist eine bizarre Situation. „Ich würde mich nie als rechtsextrem bezeichnen“, behauptet Stefan Magnet. Der Oberösterreicher ist das Gesicht und der Gründer der Verschwörungsplattform Auf1. Und über Auf1 werden buchstäblich täglich neue einschlägige Inhalte verbreitet. Egal, ob es um Rassismus geht, um Verschwörungen zur Covid-Pandemie oder um Attacken auf die LGBTI+-Community: Auf1 ist immer mit vorne dabei. Kurz: Magnet ist selbstverständlich rechtsextrem.

Magnet in jüngeren Jahren im weißen Hemd. Links von ihm mit Sonnenbrille Neonazi-Gesicht Gottfried Küssel, rechts der einschlägige Führungs-Kader Felix B. Vor ihm Ex-FPÖ-Abgeordneter Elmar Podgorschek (3.v.r.).

Möglicherweise wird die Absurdität seiner Aussage dann sogar Magnet selbst bewusst. Denn gleich darauf schiebt er nach: „Er kann mich als rechtsextrem bezeichnen, das würde ich nie klagen.“ „Er“, das ist der deutsche Journalist Lars Wienand, den Magnet vor das Linzer Landesgericht gebracht hat. Und es ist streckenweise ein schlichtweg skurriler Prozess, der am 16. Oktober unter dem Vorsitz von Richterin Corina Casagranda verhandelt wird.

Ganz weit rechts außen

Es geht um einen Tweet von Wienand, der für die deutsche Medienplattform t-online arbeitet. Wienand recherchiert dort „schwerpunktmäßig zu Extremismus, Desinformation und ausländischer Einflussnahme“, wie er mir sagt. Der Journalist hatte geschrieben, dass Magnet „als einer der Köpfe einer Neonazi-Gruppe monatelang in Haft“ gesessen sei. Sinngemäß hatte Wienand das auch in einem Artikel so veröffentlicht. Ob Magnet tatsächlich hinter Gittern saß?

„Das streite ich überhaupt nicht ab“, gibt Magnet vor Gericht zu. „Das kann man in den nächsten hundert Jahren noch behaupten.“ Er würde sich auch schwertun, es zu bestreiten. Denn tatsächlich saß Magnet im Jahr 2007 eben tatsächlich mehrere Monate in Untersuchungshaft. Übrigens gemeinsam mit Michael Scharfmüller, heute Gesicht der extrem rechten Plattform „Info Direkt“.

Michael Scharfmüller auf einem Corona-Aufmarsch in Wien – die Kamera hält er auf mich. Bild: Michael Bonvalot

Magnet und Scharfmüller waren führende Köpfe des „Bund freier Jugend“ gewesen, einer einschlägigen Truppe, die ab Anfang der 2000er Jahre vor allem in Oberösterreich Aktivitäten entwickelte. Überschneidungen gab es unter anderem zur FPÖ-Jugendorganisation „Ring freiheitlicher Jugend“.

Anklage wegen NS-Verbotsgesetz und rechtskräftiger Freispruch

Nachdem sie jahrelang wohl eher weggesehen hatten, wurden die Behörden schließlich doch aktiv. Die Staatsanwaltschaft klagte Magnet, Scharfmüller und drei weitere Kameraden nach dem Paragraf 3a des NS-Verbotsgesetzes an und warf ihnen sogar vor, dass der BFJ als „direkte Neuschöpfung der Hitler-Jugend“ gegründet worden sei. Das alles ist aktenkundig.

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Doch worum geht es Magnet dann? Wienand hatte nicht dazugeschrieben, dass es sich um eine Untersuchungshaft gehandelt hatte. Denn Magnet, Scharfmüller und Kameraden wurden vom Vorwurf der NS-Wiederbetätigung rechtskräftig freigesprochen wurden, mindestens Magnet bekam auch eine Haftentschädigung (das entsprechende Dokument liegt mir vor). Das will Magnet festgehalten wissen.

Dazu will der Auf1-Mann, vertreten vom einschlägig bekannten Anwalt Michael Schilchegger, auch noch festgehalten wissen, dass er gar kein Nazi gewesen sei. Gerade das scheint ihm sehr wichtig zu sein.

Der Anwalt poltert herum, Richterin: „wie im Kindergarten“

Vor Gericht behauptet Anwalt Schilcheggger gar: „Es gab die Neonazi-Gruppe nicht“ und der Vorhalt „Neonazi-Gruppe“ sei „in sich ehrenrührig“. Schilcheggger redet sich bei seinen Ausführungen so in Rage, dass sogar die Richterin immer wieder einschreiten muss. Dann beginnt Schilcheggger auch noch, auf den Tisch zu klopfen.

Anwältin Margot Rest, die Journalist Wienand vertritt, muss den Anwalt ersuchen, das zu unterlassen. Schließlich ruft auch die Richterin den Anwalt zur Ordnung: „Jetzt hören Sie einmal zu, das ist ja wie im Kindergarten!“ Für wen Schilcheggger seine Show abzieht, bleibt dabei unklar: Außer mir ist gerade noch eine einzige Person im Zuschauer:innenbereich. Und mich kennt Magnet mit Sicherheit – als ich mir etwa im August das Büro von Auf1 beim Linzer Hauptbahnhof angesehen hatte, wurde sofort die Kamera gezückt.

Doch eigentlich sollte sich Anwalt Schilchegger rechtsaußen ganz gut auskennen. Immerhin ist er seit 24. Oktober 2024 frischgebackener Nationalratsabgeordnete der FPÖ. Und auch in seiner Eigenschaft als Alter Herr der „Akademischen Burschenschaft Arminia Czernowitz zu Linz“ sollte Schilchegger über einschlägig Expertise verfügen.

Der Sitz der Burschenschaft, die „Villa Hagen“ in Linz-Urfahr war bis April 2019 übrigens gleichzeitig die Zentrale des Linzer Ablegers der neofaschistischen Gruppe Identitäre. Zwischen 2015 und 2018 war Magnet-Verteidiger Schilchegger laut der Plattform „Meine Abgeordneten“ sogar Obmann der Arminia Czernowitz. Wie klein doch die Welt ist.

Es dürfte mehr um den „Nazi“ gehen

Beim Prozess scheint es so, als würde es Magnet gar nicht so sehr um die U-Haft gehen. Sondern vor allem um den Vorhalt, dass er in einer Nazi-Gruppe aktiv gewesen wäre. Denn bereits in seinem Auftakt-Plädoyer klagt Anwalt Schilchegger, seinem Mandanten wäre eine „nationalsozialistische Gesinnung unterstellt“ worden. Und es würde „jeder Grundlage“ entbehren, dass Magnet Anführer einer Neonazigruppe gewesen wäre.

Medienrechtsanwältin Margot Rest kontert: Es sei doch unstrittig, dass Magnet beim BFJ war. Die Anwältin findet auch die damals sechs Monate Untersuchungshaft für den zuvor unbescholtenen Magnet „beachtlich“. Und dass Magnet ein Führungskader des BFJ war, steht tatsächlich außer Streit.

Magnet selbst, der sich vor Gericht nur ganz kurz zu Wort meldet, klagt übrigens, dass es in Österreich „das schärfste Verbotsgesetz auf der ganzen Welt“ gäbe. Dass Adolf Hitler – ebenso wie der BFJ – aus Oberösterreich stammt, bleibt dabei dezent unerwähnt. Damit steht also die Frage im Raum, wie Nazi der „Bund freier Jugend“ nun wirklich war.

Wie Nazi war der „Bund freier Jugend“?

Eine Antwort darauf geben Journalist Wienand und Anwältin Rest bereits in verschiedenen Schriftsätzen vor dem Prozess, die mir vorliegen. So zitieren sie etwa aus einem Gutachten des bekannten Verfassungsrechtlers Heinz Mayer aus dem Jahr 2005, auf das ich Wienand aufmerksam gemacht hatte.

Zum BFJ und dessen Mutterorganisation „Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik“ (AFP) schreibt Mayer, dass „von der AFP zu verantwortenden Publikationen seit Jahrzehnten massiv gegen die Bestimmungen des Verbotsgesetzes verstoßen“ würden. Und der frühere Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Uni Wien führt das auch aus.

„Offenkundige und verbrämte Verherrlichung nationalsozialistischer Ideen und Maßnahmen, zynische Leugnung von nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen, eine hetzerische Sprache mit deutlich aggressivem Ton gegen Ausländer, Juden und ‚Volksfremde‘ sowie eine Darstellung ‚des Deutschen‘ als Opfer“ seien „typische und stets wiederkehrende Signale“. Den BFJ hebt Mayer dabei nochmals hervor: Die Beiträge in der BFJ-Zeitschrift Jugendecho seien sogar „von besonderer Aggressivität“.

Rosenkranz verteidigt den BFJ

Der dritte Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) dagegen äußerte sich zum BFJ schon mal deutlich freundlicher. Rund um das Jahr 2008 hatte die Wiener Burschenschaft Libertas dem BFJ einen Preis “für herausragende Taten im Sinne des national-freiheitlichen Gedanken” verliehen. Nach der Preisverleihung meldete sich auch Libertas-Mitglied Rosenkranz zu Wort.

Man habe doch nur zum Druck von Flugblättern etwas beigesteuert – “und die waren wirklich harmlos”, so der heutige Nationalratspräsident. Das allerdings sagt wohl deutlich mehr über die politische Gesinnung des deutschnationalen Burschenschafters Rosenkranz aus als über den BFJ.

Neonazi? „Sicher nicht richtigstellen“

Vor Gericht allerdings wird das Gutachten des renommierten Professors Mayer wohl mehr Gewicht haben als die Verteidigung eines Rechtsaußen-Politikers. Und so geht auch Anwältin Rest in die Verhandlung: Ihr Mandant würde „sicher nicht richtigstellen“ – also widerrufen –, dass Magnet Anführer einer Neonazi-Gruppe gewesen wäre.

Gesprächsbereiter gibt sich Journalist Wienand bei der Frage nach der U-Haft. Auch Richterin Casagranda regt einen außergerichtlichen Vergleich an. Sie meint, es gäbe eine „Unschärfe“, weil im Bericht des Journalisten nicht erwähnt wurde, dass Magnet rechtskräftig freigesprochen wurde. Doch bis es zu einem Vergleich kommt, poltert der Anwalt und blaue Neo-Abgeordnete Schilcheggger weiter herum.

„Sie sind wahnsinnig beleidigend“

Schließlich reicht es Anwältin Rest. „Sie sind wahnsinnig beleidigend“, wirft sie Burschenschafter Schilchegger vor. Und auch Richterin Casagranda ruft erneut dazu auf, „respektvoll miteinander umzugehen“.

Inhaltlich kommt dagegen von Schilchegger wenig Neues. Erneut behauptet er, dass niemals bewiesen werden könne, dass Magnet Anführer einer Neonazi-Gruppe war. Das sei „sowas von falsch und irreführend“. Und auch Magnet jammert weiter: „Neonazi geht nicht, das ist Verleumdung“.

„Sie werden überrascht sein, jetzt kommt etwas Konstruktives“

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Zum Gutachten von Verfassungsrechtler Meyer äußern sich Magnet und sein Anwalt übrigens während der gesamten Verhandlung nicht. Richterin Casagranda macht diesen Tiraden schließlich mit den Worten ein Ende: „Ich kann kein Verfahren abführen, ob das eine Neonazi-Gruppe war.“ Es ist offensichtlich ein harter Schlag gegen die Prozessstrategie von Auf1-Mann Magnet.

Die rechte Propagandaplattform verbreitet regelmäßig Verschwörungserzählungen. Bild: Michael Bonvalot

Und kurz darauf rudert auch sein Anwalt Schilchegger zurück: „Sie werden überrascht sein, jetzt kommt etwas Konstruktives“, sagt er. Zumindest mit dieser Aussage liegt er keineswegs falsch. Wer die Verhandlung bis hierher verfolgt hat, muss von dieser Ankündigung tatsächlich überrascht sein.

Vergleich nach zähen Verhandlungen

Nach zähen Verhandlungen wird schließlich ein Vergleich geschlossen. Journalist Wienand wird klarstellen, dass Magnet rechtskräftig freigesprochen wurde. Der Vorwurf habe sich „als haltlos erwiesen“, dass Magnet „als einer der Köpfe einer Neonazi-Gruppe monatelang in Haft saß“. Damit kann auch Journalist Wienand gut leben.

„Magnet saß eindeutig ein halbes Jahr in U-Haft. Es ist aber auch richtig, dass er freigesprochen wurde und eine Entschädigung erhalten hat“, sagt Wienand. Und bei „seriösen“ Journalisten sei es ja der Anspruch, dass keine relevanten Informationen weggelassen werden. Der Seitenhieb ist offensichtlich.

Wienand weist gleichzeitig darauf hin: „Bei einem berechtigten Hinweis ergänze oder korrigiere ich umgehend, das geht auch viel schneller als den Weg über das Gericht zu wählen.“ Doch es sei eine bekannte Strategie, kritische Journalist:innen mit Klagen zu überziehen. Der Journalist verspricht auch: „Ich werde mich weiterhin nicht von Recherchen abhalten lassen.“

Sogar die Kosten des Verfahrens werden schließlich geteilt. Dazu wurde auch die Frage, ob der BFJ neonazistisch war, nicht im Sinne Magnets geklärt. Es ist kein guter Tag für den Rechtsextremen, der nicht rechtsextrem sein will.

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