In einer Reha-Einrichtung der AUVA möchte ein Patient seine Covid-Impfung auffrischen lassen. Eine Ärztin empfiehlt ihm stattdessen die rechte Verschwörungsplattform AUF1. Und es ist nicht der einzige Fall.

„Eine leitende Ärztin empfiehlt ihrem Patienten, sich auf einer völkischen Verschwörungs-Webseite zu einem Gesundheitsthema zu informieren.“ Dominik Melchior* ist immer noch entsetzt, als wir miteinander sprechen. Vor rund einem Jahr war er nach einem schweren Unfall im Rehabilitationszentrum Bad Häring. Die Einrichtung in Tirol gehört der Allgemeinen Versicherungsanstalt (AUVA), die von den Arbeiterkammern und den Wirtschaftskammern verwaltet wird.

Seit seiner ersten Covid-Impfung seien damals rund sechs Monate vergangen gewesen, wie er erzählt. „Deshalb wollte ich mich gleich während der Reha wieder impfen lassen.“ Praktisch wäre gewesen, dass die AUVA für die Patient:innen einen Impfbus organisiert hatte. Doch was dann passiert sei, damit hätte er nicht gerechnet.

„Als ich mich auf meiner Station für die Impfung anmelden wollte, führte die Stationsärztin ungefragt mehrere Gespräche mit mir, in denen sie mir von der Impfung abgeraten hat“, erzählt Melchior. Der Name der Ärztin ist der Redaktion bekannt. Auf seine Frage, ob die Ärztin Ivermectin zur Behandlung von Covid verabreichen würde, hätte sie dies bejaht.

Eine Behandlung, die tödlich enden kann

Tatsächlich gibt es keine ausreichenden medizinischen Belege, dass Ivermectin gegen Covid wirksam ist. Empfohlen wird es vor allem in rechten verschwörungsideologischen Kreisen, etwa von FPÖ-Chef Herbert Kickl oder dem Milieu des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump.

In Oberösterreich sind im November 2021 zwei Personen gestorben, nachdem sie ihre Covid-Infektion mit Ivermectin behandeln wollten. Die US-Gesundheitsbehörde FDA hatte über Ivermectin – das auch als Entwurmungsmittel für Tiere verwendet wird – geschrieben: „Du bist kein Pferd. Du bist keine Kuh. Ernsthaft, ihr alle. Stoppt es.“

Ärztin empfiehlt die Verschwörungsideolog:innen von AUF1

Dann sei es sogar noch übler geworden. „Bei einem Mittagessen kam die Ärztin zu mir und schrieb mir zwei Web-Links auf meinen Speiseplan“, erzählt Melchior. Ein Foto des Speiseplans mit den handschriftlichen Links liegt mir vor. Vorgeschlagen hätte die Ärztin einerseits „respekt.plus“. Es ist eine einschlägige Plattform der­ Corona-Szene, die unter anderem mit Anti-Impf-Propaganda vor Schulen auffällt.

Bild: Privat

Noch brisanter aber die andere mutmaßliche Empfehlung der Ärztin. Auf dem Speiseplan findet sich der handschriftliche Link „auf1.tv“. Und bei AUF1 handelt es sich um die derzeit einflussreichste extrem rechte und verschwörungsideologische Plattform in Österreich. Gründer Stefan Magnet war einst Kader der Rechtsaußen-Truppe „Bund freier Jugend“ in Oberösterreich, in den letzten Jahren machte er gute Geschäfte mit der FPÖ.

Woher das Geld zum Aufbau der Plattform samt Fernsehstudios in Österreich und Berlin stammt, ist unklar. Bekannt ist aber: Als die FPÖ 2016 in Moskau ein Freundschaftsabkommen mit der Putin-Partei „Einiges Russland“ abgeschlossen hat, soll auch Magnet mit vor Ort gewesen sein.

Das berichtete im Nachgang der damalige Krone-Innenpolitik-Chef Claus Pándi. Ebenfalls nachweisbar ist, dass Magnet kräftig Corona-Hilfen kassiert hat. Hier könnt ihr meine Recherche zu Magnet lesen.

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Ein weiterer Arzt „informiert“ ungefragt

Und das wäre nicht der einzige Fall gewesen. Einige Tage später wollte Melchior ein Arztgespräch mit dem zuständigen Stationsarzt führen. „Wenig überraschend wollte ich eigentlich Informationen im Zusammenhang mit meinem Unfall“, wie er erzählt. Stattdessen sei er eine halbe Stunde ungefragt über Corona „informiert“ worden.

Wie diese Information ablief? „Zum Beispiel wurde ich über die Wirksamkeit von Ivermectin, die Unwirksamkeit von Lockdowns und das Fehlverhalten der WHO bei Covid aufgeklärt. Aufgeklärt natürlich unter Anführungszeichen.“ Erst nach vielfachem Bitten um ein Gespräch zu seinen Verletzungsbildern sei der Arzt dem nachgekommen. Auch der Name dieses Arztes ist der Redaktion bekannt.

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Es soll weitere Fälle geben

Das Gespräch hätte schließlich damit geendet, dass der Arzt ihm Papiere übergeben hätte, die angeblich negative Impf-Wirkungen belegen würden. Fotos liegen mir vor. Und Melchior sei nicht der einzige gewesen, wo Ärztinnen der Reha-Einrichtung eine Indoktrination versucht hätten: „Mir wurde von solchen Gesprächen auch von anderen Patient:innen berichtet“, berichtet er.

Schließlich hätte er sich an den Primar in Bad Häring gewandt, der nach seinem Eindruck „sehr besorgt“ reagiert hätte. Doch was danach passierte, das wisse er nicht. Der Vorfall würde ihm bis heute keine Ruhe lassen, deshalb habe er sich jetzt an mich gewendet.

AUVA: „Intensive Einzelgespräche“

Auf meine umfangreiche Anfrage bestätigt die AUVA, dass die Vorfälle bekannt seien. Laut AUVA-Sprecher Christoph Luke hätte der Primar in Bad Häring „umgehend intensive Einzelgespräche mit den betroffenen Mediziner:innen geführt“. Die AUVA erklärt, dass es „in keinster Weise“ der Unternehmensphilosophie entsprechen würde, „Patient:innen fragwürdige Informationen wie die von Ihnen angeführten Links und Dokumente zu übermitteln“.

Ich hatte auch angefragt, ob der AUVA weitere Fälle bekannt sind. Darauf gab es keine Antwort. Ebenfalls gefragt hatte ich, ob es Konsequenzen für die beiden Ärzt:innen gibt.

Reicht die „Einsicht“?

Antwort der AUVA: Die Ärzt:innen seien „auf ihr nicht den Vorgaben und Empfehlungen der AUVA entsprechendes Verhalten und die möglichen dienstlichen Folgen hingewiesen“ worden, so Sprecher Luke. Sie hätten sich „diesbezüglich einsichtig“ gezeigt. Weitere Konsequenzen außer der „Einsicht“ und den Hinweisen werden von der AUVA nicht genannt. Auf mein Ersuchen um eine Stellungnahme der angesprochenen Mediziner:innen haben weder die beiden Ärzt:innen noch die AUVA reagiert.

Die Arbeiterkammer als einer der Träger der AUVA sagt auf meine Anfrage, dass über dienstrechtliche Konsequenzen nur der Dienstgeber entscheiden könne – das wäre die Anstaltsleitung oder letztlich die Direktion der AUVA. Die AK würde VertreterInnen in die Selbstverwaltung der AUVA entsenden.

Den Vorsitz im Verwaltungsrat führe per Gesetz aber immer ein Dienstgebervertreter. „Die Möglichkeiten der AK, auf so einen Vorfall zu reagieren, wäre es innerhalb dieses Gremiums auf den Vorfall aufmerksam zu machen“, so Wolfgang Panhölzl von der AK Abteilung Sozialversicherung. Er kündigt an: „Wir werden jedenfalls die von uns entsendeten Vertreter:innen über den Vorfall informieren.“

Für Ex-Patient Melchior steht fest, dass die beiden Ärzt:innen Ansichten propagiert hätten, „die vollkommen konträr zu den anerkannten Behandlungsmethoden stehen.“ Dazu käme auch noch die Verbreitung von rechts-völkischer Ideologie. „Das steht wohl in einem deutlichen Widerspruch zum ärztlichen Verhaltenscodex.“

*Der Name wurde auf Wunsch des ehemaligen Patienten geändert. Der echte Name sowie bestätigende Patientenunterlagen liegen der Redaktion vor.

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