Der Mord an einem jungen Kassierer wegen der Maskenpflicht war Terror. Rechter Terror. Wie gefährlich kann das noch werden?

Es war schon lange nicht mehr die Frage, ob geschossen wird. Es war einzig die Frage, wann der erste Corona-Leugner schießt. Und jetzt ist es passiert: Ein junger Mann in Deutschland wird ermordet, weil er auf die Maskenpflicht hingewiesen hat.

Das Opfer ist ein junger Student, 20 Jahre alt, der neben der Uni an einer Tankstelle gearbeitet hat. Der 49-jährige mutmaßliche Täter weigert sich trotz der Bitte des Verkäufers, eine Maske aufzusetzen. Wütend zieht er ab, nur um zwei Stunden später zurückzukehren und dem jungen Mann an der Kasse gezielt in den Kopf zu schießen.

Tatort ist der kleine Ort Idar-Oberstein im deutschen Bundesland Rheinland-Pfalz. Doch machen wir uns nichts vor: Der Tatort hätte überall sein können: In Wien oder in Salzburg, in München oder Berlin, in Zürich oder Genf, in Rom oder Paris.

Die Tat ist die Konsequenz der immer schnelleren Radikalisierung der Corona-Bewegung, die wir seit vielen Monaten beobachten können. Der Täter teilte in sozialen Medien sogenannte „Querdenker-Inhalte“ – wobei das Wort „Querdenker“ an sich bereits eine Themenverfehlung ist. Denn da steckt das Wort „Denken“ drin. Viel präziser: Corona-Verharmloser oder Corona-Leugner. Oder Schwurbler. Und der mutmaßliche Täter, Mario N., steht politisch offenbar weit rechts.

Der mutmaßliche Täter steht rechts

Ihm gefielen, wie die Zeit berichtet, schon vor der Pandemie weit rechte Inhalte, etwa Beiträge von AfD-Politikern sowie des CDU-Politikers und früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen. Und auf einem Twitter-Profil, das mit hoher Wahrscheinlichkeit dem mutmaßlichen Täter zuzuordnen ist, verbreitet er bereits im Herbst 2019 Gewaltaufrufe: „Gnade denen welche diese Situation heraufbeschworen haben. Oder nein, Gnade wäre unrecht“, heißt es dort etwa. Oder: „Ich freue mich auf den nächsten Krieg.“

Beides ist kein Zufall. Die Szene der Corona-Leugner*innen ist in Deutschland und Österreich von Beginn an von extremen Rechten dominiert. Sie stellen den Großteil der Organisator*innen, sie bestimmen mit ihren Symbolen das Bild auf den Aufmärschen. Und es sind – das zeigen Studien – vor allem extrem rechte Wähler*innen, die auf die Straße gehen. Dazu wird die Szene immer gewalttätiger und radikalisiert sich schnell. Reaktion auf den Mord von Idar-Oberstein in einer der größten Telegram-Gruppen der Szene in Österreich [Rechtschreibung im Original]: „Der Krieg steht nicht vor der Tür,wir sind MITTEN DRIN“.

Das war Terror

Die Tat von Idar-Oberstein erfüllt typische Merkmale eines Terroranschlags. Ein willkürliches Opfer, dem mutmaßlichen Täter offenbar unbekannt. Zufällig ausgewählt, um ein Zeichen zu setzen, wie N. selbst nach der Tat angab. Ein Zeichen, das damit nicht nur für den ermordeten jungen Mann bestimmt war. Sondern der Versuch, stellvertretend alle Menschen zu bedrohen und einzuschüchtern, die aufgrund ihres Berufs in diesen Tagen – völlig zu Recht! – auf die Maskenpflicht hinweisen: Menschen, die in Supermärkten arbeiten, in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Schulen, Kindergärten oder in Spitälern. Reden wir nicht herum: Der Mord von Idar-Oberstein war Terror. Terror von rechts.

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Wie schnell sich die Szene auch in Österreich radikalisiert, hat sich bereits im Mai gezeigt. Da hatten sich auf der sozialen Plattform Telegramm vorwiegend (Ex-)Soldat*innen in geheimen Gruppen verabredet. Wüste Gewaltfantasien wurden dort verbreitet und bereits Anleitungen zum Bau von Bomben und Schrapnellen ausgetauscht.

Ich selbst habe dort heimlich mitgelesen. Hier könnt ihr exklusiv die Chats lesen. Mitte Mai sind dann die Behörden nach vorherigen Hinweisen eingeschritten und haben Hausdurchsuchungen in mehreren Bundesländern durchgeführt, wobei auch Waffen gefunden wurden.

Gelesen habe ich in den geheimen Gruppen auch bereits Morddrohungen gegen mich selbst, Anfang September wurde deshalb eine erste Person in Innsbruck rechtskräftig verurteilt. Solche Dohungen gibt es allerdings nicht nur in sozialen Medien, ich höre sie auch regelmäßig auf den einschlägigen Aufmärschen der rechten Corona-Leugner*innen. Manchmal, bevor ich physisch angegriffen werde.

Nun will nicht jede Person, die mit dem Tod droht, auch tatsächlich jemanden umbringen. Doch wenn etwa, wie im Mai, in den geheimen Gruppen der Ex-Soldatinnen bereits darüber geschrieben wird, wie am besten Waffen aus Kasernen gestohlen werden könnten. Wenn angekündigt wird: „Jede Ratte wird der Skalp abgezogen und auf der Strassenlaterne aufhängen“.

Wenn die Frage lautet, ob Schrapnelle mit „stahlkugeln ungeglüht“ oder mit Glasscherben größere Verletzungen hervorrufen – weil nicht gewollt sei, dass die „ratten ungezeichnet weiterleben“. Oder wenn bereits überlegt wird, wie automatische Gewehre „im Rucksack“ unauffällig durch Wien befördert werden könnten. Mit „150 Schuss“. Dann gibt es ein Problem.

 

Ich warne bereits seit Monaten in Artikeln und Interviews vor der Gefahr durch die Radikalisierung der rechten Corona-Leugner*innen. Und diese Radikalisierung könnte nun nochmals enorm an Fahrt aufnehmen. Bisher waren es vor allem vollkommen irrwitzige Verschwörungserzählungen, die die einschlägigen Personen auf die Straße getrieben haben. Doch nun könnte es persönlich werden. Die Entwicklung geht ganz klar in die Richtung einer 1G-Regelung. Und die bedeutet tatsächliche Nachteile für jene, die sich freiwillig entscheiden, sich nicht impfen zu lassen.

Und das wiederum könnte jene nochmals mehr radikalisieren, die bereits jetzt enorm wütend auf der Straße sein. Der nächste Terroranschlag aus dem Milieu der rechten Corona-Leugner*innen könnte nur eine Frage der Zeit sein. Die Situation ist brandgefährlich.

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