Anfang der 1970er Jahre wird der weltberühmte Beatles-Sänger zum linken Aktivisten und Revolutionär. Teil 2 der neuen Serie: Lennon wird politisch – doch davor besucht er Traumwelten aus Drogen und Hare Krishna.

Teil 1 der Serie: Die frühen Jahre

Die enorme Politisierung der 1960er Jahre geht an den Beatles nicht spurlos vorbei. Der Vietnam-Krieg, das Aufbegehren der Jugend, soziale Auseinandersetzungen, Rassismus, die BürgerInnenrechtsbewegung in den USA, … all das politisiert eine ganze Generation. Und die Beatles sind Teil dieser Generation.

Im August 1966 äußern sich die Beatles erstmals öffentlich politisch, sie erklären ihre Opposition gegen den Vietnam-Krieg. Lennon wird später im Interview mit der britischen trotzkistischen Zeitschrift „Roter Maulwurf“ (Red Mole) erzählen, dass George Harrison und er schon zuvor während verschiedener Touren in den USA auf ein Statement gedrängt hätten. Doch Manager Epstein hätte Druck gemacht, nichts zu Vietnam zu sagen.

Ein Statement gegen den Vietnam-Krieg

Schließlich setzen sich Lennon und Harrison durch: Die Beatles erklären öffentlich, dass sie den Krieg ablehnen würden und die USA sich aus Vietnam zurückziehen sollten. „Zu dieser Zeit war es ziemlich radikal, das zu tun, vor allem für die ‚Fab Four'“, sagt Lennon später dem Maulwurf. Stolz merkte er an: „Es war die erste Gelegenheit wo ich persönlich die Fahne ein wenig schwenkte.“

Im September 1966 spielt Lennon dann eine Nebenrolle in Richard Lesters Antikriegsfilm „Wie ich den Krieg gewann“. Bereits zuvor hatten die Beatles weniger bekannte politische Statements gesetzt. So hatte die Band bereits 1964 erklärt, nicht in Florida zu spielen, solange dort schwarze AmerikanerInnen keine freie Platzwahl hätten.

Ihre Verträge für die US-Tour 1965 beinhalteten dann, dass sie nicht vor „separiertem“ Publikum spielen würden, heißt es in „The Beatles“, einer gezeichneten Geschichte der Beatles aus dem Wiener Bahoe-Verlag. Doch vorerst zeigt sich das neu erwachte Aufbegehren der Beatles vor allem in steigendem Drogenkonsum …

Tausend Trips und die Liebe

„Lucy In The Sky With Diamonds“ als Code für LSD oder „A Day In The Life“ sind Zeugen dieser Phase: „Ich muss tausend Trips gehabt haben … Ich habe es einfach die ganze Zeit gegessen“, erzählt Lennon später.

Auch die Musik der Beatles verändert sich in dieser Zeit zusehends, sie wird abwechslungsreicher, komplexer. Die Gruppe kam aus dem Rock ’n‘ Roll, nun singt sie als „Sergeant Pepper´s Lonely Hearts Club Band“ psychodelische Liedern wie „I Am The Walrus“ oder produziert den ebenso innovativen wie völlig drogigen Film „Yellow Submarine“.

Brauchst du wirklich nicht mehr als Liebe?

Gleichzeitig schaffen die Beatles mit „All You Need Is Love“ im Jahr 1967 eine erste politische Hymne. Das Lied ist sicherlich als Statement gegen den Krieg gedacht, es beginnt sogar mit den Klängen der französischen Marseillaise. Doch gleichzeitig ist es auch eine Hymne für den eher unpolitischen Teil der Bewegung – für jene, für die mehr Drogen und befreite Sexualität bereits die erfolgreiche Revolution bedeuten.

„It´s easy – All you need is Love“, singen die Beatles – während der Vietnam-Krieg bereits mit aller Brutalität tobt, während die Menschen in Vietnam, Laos und Kambodscha sowie die zwangsverpflichteten US-SoldatInnen die strategischen Interessen des US-Imperialismus mit ihrem Leben bezahlen.

„Love is all you need“ singen die Beatles, während in den USA schwarze RevolutionärInnen einen buchstäblich lebensgefährlichen Kampf für grundlegende demokratische Rechte kämpfen. Und während sich in Ländern wie Italien, Frankreich, Japan oder der Tschechoslowakei bereits die ersten Vorboten der kommenden sozialen Explosion zeigen.

Hare Krishna und der Traum vom Fliegen

Die Beatles entdecken inzwischen nach den Drogen ein neues Spielzeug für sich. Nun ist es der Zauber fernöstlicher Heilslehren, der die Gruppe fasziniert. Anfang 1968 zieht das Quartett für mehrere Monate in die nordindische Sektenzentrale von Maharishi Mahesh Yogi, der die Beatles mit seiner „Transzendentalen Meditation“ faszinierte.

Diese bis heute existierende Sekte ist übrigens komplett verrückt: Als Mitglied soll es sogar möglich werden, das Fliegen zu erlernen („Yogisches Fliegen“). In Österreich und Deutschland tritt die Sekte bis heute als „Naturgesetzpartei“ auf.

Von Yogi lösen sich Lennon und die anderen zwar bald wieder, doch eine esoterische Schlagseite ist auch danach in den Songtexten immer wieder zu erkennen. So findet sich etwa in verschiedenen Texten das Mantra „Hare Krishna“ – der berühmte Slogan der gleichnamigen Sekte.

Ein Hit als klare Absage an die Revolution

Im August 1968 äußert sich Lennon schließlich mit dem von ihm komponierten Lied „Revolution“ offen zur 1968er-Bewegung. Und es sind nicht die Zeilen, die die vorwiegend jungen AktivistInnen der Bewegung erhofft hatten

Das Lied ist überheblich, zynisch und erteilt in klaren Worten jeder Idee einer grundlegenden gesellschaftlichen Veränderung eine eindeutige Absage „You tell me it’s the institution, You better free your mind instead“ – „Du sagst mir, es sind die Institutionen, befrei doch lieber deinen Kopf“.

„Pictures of chairman Mao“

Den damals unter jungen Linken zunehmend populären Maoismus nehmen die Beatles in ihrem Song sogar explizit aufs Korn:“ But if you go carrying pictures of chairman Mao you ain’t going to make it with anyone anyhow“ („Aber wenn ihr Bilder des Vorsitzenden Mao tragt, werdet ihr es sowieso mit niemandem schaffen.“)

Am Höhepunkt der 1968er-Bewegung ist dieses Lied eine Vernichtung. Trotz Drogen-Experimenten und länger gewordener Haare sind die Fab Four damit weiter eine verlässliche Stütze der gesellschaftlichen Eliten.

Im Sog der Bewegung

Bereits unmittelbar nach Erscheinen von „Revolution“ müssen die Beatles scharfe Kritik aus der radikalen Linken einstecken. So wirft etwa die Zeitschrift „Black Dwarf“ (Der schwarze Zwerg) den Beatles in einem offenen Brief einen Ausverkauf vor. Die Zeitschrift wird von Tariq Ali herausgegeben, einem der britischen Führer der 1968er Bewegung und prominenten Trotzkisten.

Lennon antwortet dem Black Dwarf – „zu unserer äußersten Verblüffung“, wie John Hoyland, der Autor des offenen Briefes, später sagen wird. Lennon ist überheblich („Du bist offensichtlich auf einem Zerstörungstrieb“), versucht aber auch, sich politisch zu rechtfertigen („Nenne mir eine erfolgreiche Revolution“).

Gleichzeitig erzählt dieser Briefwechsel sehr viel über das politische Klima am Ende der 1960er Jahre: Der globale Superstar Lennon liest den linksradikalen Black Dwarf nicht nur, er reagiert auch in einem Leserbrief auf dessen Kritik.

„Wir als Arbeiter“

Ein weiterer Hinweis auf das gesellschaftspolitische Klima sind die Passagen im Leserbrief zur Gründung von Apple, der neuen Produktionsfirma der Beatles. Lennon schreibt: „Wir haben Apple gegründet mit dem Geld, das wir als Arbeiter verdient hatten, so dass wir so weit wie möglich kontrollieren konnten, was wir produzierten. Wenn es jemals von anderen Arbeitern übernommen wird, können sie es haben, soweit es mich betrifft.“

Abschließend gibt sich Lennon gegenüber Hoyland und dem Black Dwarf versöhnlich: „Ich war/bin nicht gegen dich (…) Love, John Lennon“. Es wird auch nicht bei diesem einen Briefwechsel bleiben.

Aus der Konversation wird sich eine länger andauernde Verbindung ergeben. Tariq Ali schreibt später in seiner – auch insgesamt äußerst lesenswerten – Autobiografie „Street Fighting Years“, dass ihn Lennon danach ein oder zweimal im Monat angerufen hätte, um über die Weltlage zu diskutieren.

Erste Zweifel und the talk about destruction

Ganz sicher scheint sich Lennon ohnehin auch bereits bei der Komposition von „Revolution“ nicht mehr gewesen zu sein. Denn es gibt mehrere Versionen – und das politische Klima entwickelt sich schnell.

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So lautet eine berühmte Textzeile aus dem Song ursprünglich „But when you talk about destruction, don´t you know, that you can count me out“ („Aber wenn Du über Zerstörung sprichst, weißt Du nicht, dass ich nicht mitmache“). Doch bereits in der Studioversion im berühmten „White Album“, die zwei Monate danach aufgenommen wird, ist die Textzeile leicht verändert.

Nun heißt es: „Don´t you know, that you can count me out … in“, also „dass ich mitmache“. „Ich habe beides reingetan, weil ich nicht sicher war“, sagt Lennon später dem Roten Maulwurf. Er erzählt auch, dass ihn vor allem der Maoismus abgeschreckt habe: „Ich wollte nicht getötet werden.“

Doch insgesamt bekennt Lennon gegenüber dem Maulwurf, dass er mit dem Song einen Fehler gemacht hätte: „Ich dachte, dass ich ein hörbares Bild der Revolution male, aber ich habe einen Fehler gemacht, weißt du.“ Der Fehler sei gewesen, „dass es Anti-Revolution war.“ Sein Gesprächspartner Tariq Ali wird dazu 2006 in der Dokumentation „The U.S. vs. John Lennon“ kommentieren: „Er engagierte sich mit der Welt und die Welt hat ihn verändert.“

Straßenkampf mit Hintertüren

Ganz im Gegensatz zu Lennon marschiert Mick Jagger von den Rolling Stones bereits zu diesem Zeitpunkt mit dem Vietnam-Solidaritäts-Komitee. Mit seinem „Street fighting man“ spricht er der 68er-Bewegung weit mehr aus dem Herzen: „The time is right for fighting in the street“ – „Die Zeit ist reif, um in den Straßen zu kämpfen.“

Für sich selbst hält Jagger im gleichen Lied allerdings geschickterweise eine Hintertür offen: Im Refrain singt er, dass im verschlafenen London einfach kein Platz sei für einen Straßenkämpfer. Daher könne er quasi nichts anderes tun, als weiter in einer Rock ’n‘ Roll Band zu singen.

Inzwischen haben die Beatles nicht nur offene politische Fragen, sondern auch zunehmende persönliche Konflikte. Vor allem Lennon und McCartney gehen sich wechselseitig zunehmend auf die Nerven. Der letzte gemeinsame Auftritt erfolgt schließlich am 30. Jänner 1969. Als im April 1970 ihr letztes Album „Let It Be“ erscheint, sind die beiden Bandleader bereits seit vielen Monaten restlos zerstritten, alle vier Musiker arbeiten an Soloprojekten.

Yoko Ono als politischer Katalysator

Eine nicht zu unterschätzende Rolle bei den Konflikten dürfte Lennons Gefährtin Yoko Ono gespielt haben, die er Ende 1966 kennengelernt hatte. Aus einer einflussreichen japanischen Familie stammend, hatte sie mit ihrer Herkunft gebrochen und spielte für Lennon sicherlich die Rolle eines politischen Katalysators.

Am 20. März 1969 heiraten John Lennon und Yoko Ono in Gibraltar. Ihre Flitterwochen werden zu einem medialen Ereignis. Im Bett sitzend veranstalten sie im Amsterdamer Hilton-Hotel ein weltweit beachtetes „Bed-In“, wo sie tagelang im Bett sitzen und mit JournalistInnen über den Weltfrieden sprechen.

Doch gleichzeitig sind solche Aktionen immer auch Eigenwerbung – ein Aspekt, der bei politischen KünstlerInnen niemals außer Acht gelassen werden kann. Einem Reporter, der die Kosten von 2000 Pfund pro Tag für die Suite im Hilton kritisiert, entgegnet Lennon: „Frieden muss man so verkaufen, wie man Seife verkauft.“

„Give Peace A Chance“ – Lennon driftet weiter nach links

Im Mai 1969, also nur wenige Monate nach dem Auseinanderbrechen der Beatles, nimmt Lennon gemeinsam mit Yoko Ono den Song „Give Peace A Chance“ auf. Ihre Band heißt nun offiziell Plastic Ono Band. Während der Aufnahme liegen die beiden in einem Bett in Montreal, an ihrer Seite der berühmte LSD-Papst Timothy Leary sowie eine kanadische Hare Krishna Sängertruppe.

Das Lied wird zu einer Hymne der Anti-Vietnam-Kriegsbewegung und Lennon zu einer ihrer Hauptfiguren. Politisch ist es ein Lied im Übergang. Lennon kritisiert zu Beginn verschiedene „ismen“ – eine typisch liberale (und vermeintliche) Absage an ideologische Konzeptionen, die aber gleichzeitig selbst enorm ideologisch ist. Ebenfalls immer wieder im Text das esoterische Mantra „Hare Krishna“.

Doch gleichzeitig ist „Give Peace A Chance“ in einer enorm aufgeheizten und polarisierten gesellschaftlichen Situation eine eindeutige Absage an den westlichen Imperialismus – und eine Solidarisierung mit der globalen Bewegung gegen den Vietnam-Krieg. Und bald treten Lennon und Ono mit dem Lied auf Demos vor zehntausenden Menschen auf.

Im November 1969 schließlich schickt Lennon der Queen auch seinen MBE-Orden zurück, den er 1965 erhalten hatte (mehr dazu könnt ihr ihn Teil 1 lesen): „Ihre Majestät. Aus Protest gegen die englische Einmischung in die Nigeria-Biafra-Sache, gegen unsere Unterstützung Amerikas in Vietnam und gegen das Abrutschen von ,Cold Turkey´ in den Charts sende ich ihnen diesen MBE-Orden wieder zurück. In Liebe, John Lennon.“

Zu Weihnachten 1969 schließlich wird in 12 Weltstädten die Botschaft in der jeweiligen Landessprache plakatiert: „Der Krieg ist aus! Wenn Sie wollen. John und Yoko Lennon wünschen Ihnen Fröhliche Weihnachten.“ Doch bald werden den beiden solche Botschaften nicht mehr reichen – sie werden revolutionär!

Teil 1 der Serie: Die frühen JahreDer Käfer findet den Beat – und Lennon gerät in erste Konflikte mit dem Establishment

Teil 3: Wie John Lennon zum Working Class Hero wird. Er verbündet sich mit trotzkistischen Gruppen und stellt sich auf die Seite der Untergrundorganisation IRA. Das Hausschwein Pigasus soll Präsident der USA werden. 

Teil 4: Geheimdienste, Revolution und der Rückzug ins PrivatlebenAnfang der 1970er Jahre wird die Repression der US-Geheimdienste immer massiver. Lennon bäumt sich lange auf … doch schließlich gibt er auf. Am 8. Dezember 1980 wird John Lennon ermordet. 

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Buchtipp: The Beatles. 24 Comic-ZeichnerInnen erzählen die Geschichte der Beatles. Bahoe Verlag, Wien, 2020

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