Anfang der 1970er Jahre wird die Repression der US-Geheimdienste gegen John Lennon immer massiver. Er bäumt sich lange auf … doch schließlich gibt er auf. Am 8. Dezember 1980 wird Lennon ermordet. 4 und letzter Teil der Serie.
Teil 1 der Serie: Die frühen Jahre.
Teil 2: Drogen, Hare Krishna und der Vietnam-Krieg.
Teil 3: Wie John Lennon zum Working Class Hero wird
Bereits im März 1972 wird John Lennon mitgeteilt, dass sein Visum nicht erneuert und dass er abgeschoben würde. Gleichzeitig wird er rund um die Uhr abgehört. Lennon und seine Frau Yoko Ono sollen durch penetrante Beschattungen eingeschüchtert werden.
In diesem Klima der Repression gehen Lennon und Ono erneut ins Studio. Nun produzieren sie ihre sicherlich politischste Platte: „Some time in New York“. Sie singen für die inhaftierte kommunistische Black-Power-Aktivistin Angela Davis, gegen das Massaker im US-Gefängnis Attica und gegen die britische Nordirland-Politik.
Sie fassen all das in Songs, was sie in den Monaten zuvor erlebt und wofür sie gekämpft hatten. Daneben enthält die LP einen der ersten feministischen Rocksongs der Weltgeschichte, „Woman is the nigger of the world“. Inspiriert ist der Titel von einem Artikel, den Ono bereits 1969 geschrieben hatte.
Ihre Musik ist eine scharfe Anklage gegen die USA und den Imperialismus – und damit wird die Gefahr der Abschiebung noch unmittelbarer. Doch mit einer Abschiebung hätte Lennon als weißer Prominenter ohnehin noch viel Glück gehabt. Denn viele andere AktivistInnen werden in diesem Zeitraum von den US-Geheimdiensten mit ihrem sogenannten Counterintelligence Program (COINTELPRO) schlichtweg ermordet.
Dutzende AktivistInnen der Black Panther Party (BPP) werden von der Polizei buchstäblich exekutiert – unter ihnen vielversprechende Anführer wie Fred Hampton, der gemeinsam mit anderen Panthern bei einer Polizeirazzia im Schlaf ermordet wird. Die Nationalgarde schießt auch in Anti-Kriegs-Demos: Auf der Kent State Uni in Ohio ermordet sie dabei am 4. Mai 1970 vier Menschen und verletzt viele weitere schwer.
Mörderische Repression
Andere AktivistInnen werden mit dubiosen Anklagen für Jahrzehnte ins Gefängnis gesperrt, darunter etwa Mumia Abu Jamal, der bis heute in der Todeszelle sitzt. AktivistInnen des American Indian Movement (AIM) „verschwinden “ in den Reservaten, ihre Leichen werden später oder niemals gefunden. AIM-Aktivist Leonard Peltier sitzt seit inzwischen über 40 Jahren mit dubiosen Vorwürfen im Gefängnis.
Und schließlich ist bis heute nicht restlos geklärt, ob es eine Beteiligung geheimer Dienste an der Ermordung der schwarzen Aktivisten Martin Luther King und Malcolm X gab. (Für alle, die mehr über diese Phase der US-Geschichte wissen wollen, empfehle ich die Bücher „Die Wut des Panthers“ von Oliver Demmy und „Lakota Woman“ von Crow Dog).
Ein scharfer Einschnitt
Trotz aller politischen Aktivitäten der Linken wird im November 1972 US-Präsident Richard Nixon erneut gewählt (später wird er über den Watergate-Skandal stürzen). Für Lennon bedeutet das einen Bruch und eine gigantische Desillusionierung. Sein bitteres Fazit: „Hier sind wir – das ist also die Revolution: Jerry Rubin [sein Freund von den Yippies], John und Yoko und ihre Hilfskräfte.“
Es ist der Beginn seiner Abwendung vom Aktivismus. Zwar nimmt Lennon auch noch 1973 an Aktionen teil, vor allem aber beschäftigt ihn der Kampf gegen seine eigene Abschiebung – wobei er weiterhin die politische Komponente dieses Kampfes stark herausstreicht. Doch insgesamt ist Lennon politisch müde … wie so viele, die ihre Hoffnungen in den Aufbruch von 1968 gesetzt hatten und deren Atem dann zu kurz wurde.
Als er in einem Interview über seine politischen Utopien befragt wird, gibt er zynische Antworten. So antwortet er auf die Frage, wie in seiner politischen Utopie die Regierung organisiert wäre: „Wirf eine Münze.“
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Rückzug aus der Öffentlichkeit
Lennon zieht sich nun weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück. Es erscheinen nur noch einzelne Studioaufnahmen, darunter gemeinsame Produktionen mit Elton John und David Bowie. Im November 1974 tritt Lennon bei einem Konzert von Elton John im New Yorker Madison Square Garden als Überraschungsgast zum letzten Mal öffentlich auf.
Danach ist Lennon in der Öffentlichkeit nur noch wenig präsent und äußert sich auch politisch kaum mehr. Lennon wird damit weder Teil der wachsenden Rock Against Racism-Bewegung in Großbritannien noch der Siegesfeiern nach dem Rückzug der USA aus Vietnam. Nicht einmal bei einem Konzert zur Feier des Kriegsendes direkt gegenüber seiner Wohnung in New York lässt er sich blicken.
Als Reaktion auf diesen Rückzug – aber auch auf das etwas weniger repressive Klima der Post-Nixon-Ära – erhielt er Mitte 1976 das endgültige Niederlassungsrecht in den USA. In den folgenden Jahren beschäftigte sich Lennon vor allem mit seiner Familie und seinem neugeborenen Sohn Sean.
Die Bilder, die daraus entstehen, sind aber gleichzeitig keineswegs unpolitisch: Ein Hausmann ist in den 1970er Jahren noch weit mehr als heute ein enorm radikales Role-Model.
Der Mord …
Erst 1980 begibt sich Lennon erneut ins Studio, am 12. November erscheint „Just Like Starting Over“. Als Lennon am 8. Dezember 1980 einem vermeintlichen Fan ein Autogramm gibt, weiß er nicht, dass er seinem späteren Mörder gegenübersteht.
Wenige Stunden später erschießt Mark David Chapman, ein fanatischer Christ und ebenso fanatischer enttäuschter Lennon-Fan das Objekt seiner Hassliebe. Chapman ist Mitglied der YMCA (Young Men´s Christian Associaton) und „wiedererweckter Christ“, der an die wörtliche Auslegung der Bibel glaubt.
… und was bleibt
John Lennon ist den meisten Menschen vor allem als Sänger der Beatles bekannt. Doch Lennon ist auch ein suchendes Kind seiner Zeit. Zuerst sympathisiert er mit dem unpolitischen Flügel der Hippies und ihrem Glauben an Love, Peace and Happiness, dann sucht er sein Heil in fernöstlichen Heilslehren und Drogen.
Schließlich erkennt er in diesen individuellen Antworten offensichtlich keine Lösung mehr und wendet sich – wie viele andere – den Ideen der revolutionären Linken zu. In dieser Zeit entstehen seine politisch eindrucksvollsten und stärksten Lieder.
Und ebenso wie viele andere wirft er enttäuscht das Handtuch, als er sieht, dass sein Engagement keine unmittelbaren Erfolge zeigt und dass die Reaktion stärker ist als erwartet.
Still time for a revolution!
John Lennon war ein großartiger Sänger und Komponist, den Biss zum langjährigen politischen Aktivisten hatte er offenbar nicht. Dabei wäre ihm neben seiner Persönlichkeit wohl auch seine eigene soziale Realität im Wege gestanden: Der Multimillionär Lennon war als Revolutionär wohl mehr als widersprüchlich. „Das Sein formt das Bewusstsein“, wusste schon Karl Marx.
Zurück bleiben Lieder wie „Working Class Hero“, „Power to the People“ oder „Imagine“. Und die Revolution, von der Lennon in seinem Interview mit dem Roten Maulwurf sprach, die muss wohl immer noch gemacht werden.
Teil 1 der Serie: Die frühen Jahre. Der Käfer findet den Beat – und Lennon gerät in erste Konflikte mit dem Establishment
Teil 2: Drogen, Hare Krishna und der Vietnam-Krieg. Lennon wird politisch – doch davor besucht er noch Traumwelten aus Drogen und Hare Krishna.
Teil 3: Wie John Lennon zum Working Class Hero wird. Er verbündet sich mit trotzkistischen Gruppen und stellt sich auf die Seite der Untergrundorganisation IRA. Das Hausschwein Pigasus soll Präsident der USA werden.
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Buchtipp: The Beatles. 24 Comic-ZeichnerInnen erzählen die Geschichte der Beatles. Bahoe Verlag, Wien, 2020
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