Ungarns extrem rechter Premier Orbán und Deutschlands Ex-SPD-Kanzler Schröder treten gemeinsam in Wien auf. Auf Einladung einer weit rechten Zeitschrift. Der Kreml reibt sich die Hände.
Was haben Viktor Orbán, Gerhard Schröder und die Schweizer Zeitschrift Weltwoche gemeinsam? So könnte eigentlich ein Witz beginnen. Das Problem: Es gibt keine Pointe. Oder sie ist nur im Moskauer Kreml bekannt.
Bilder der Titelcollage: Michael Bonvalot, Kremlin.ru (Lizenz), Alan Santos/PR (Lizenz)
Der schweizer „Schwänzer-König“ als Moderator
Am 31. Oktober jedenfalls wollen der ungarische Rechtsaußen-Premier Orbán und der sozialdemokratische Ex-Kanzler Schröder in den Wiener Sofiensälen auftreten. Die Veranstaltung nennt sich „Frieden in Europa“, veranstaltet von der einschlägigen Schweizer Zeitschrift Weltwoche. Den Moderator für den „geopolitischen Abend“ gibt Weltwoche-Herausgeber Roger Köppel. In Österreich ist er Eingeweihten vor allem als Moderator beim rechtsdrehenden ServusTV bekannt. Meine Recherche über die politische Schlagseite von ServusTV könnt ihr hier lesen.
Doch Köppel war parallel zu seiner Beschäftigung bei ServusTV bis Oktober 2023 auch noch Parlamentsabgeordneter der extrem rechten Schweizerischen Volkspartei (SVP). Laut dem schweizerischen Blick war er übrigens der faulste Abgeordnete im Schweizer Nationalrat, Blick nennt ihn den “Schwänzer-König”.
Auftritt FPÖ
Wo Orbán ist, sind seine österreichischen Verbündeten von der FPÖ niemals weit. Und tatsächlich empfängt der neugewählte blaue Nationalratspräsident Walter Rosenkranz den ungarischen Rechtsaußen gleich als seinen ersten offiziellen Gast. Wie weit rechts Burschenschafter Rosenkranz steht, habe ich hier für euch aufgeschrieben.
Ebenfalls auf der Agenda: Ein Treffen mit FPÖ-Chef Herbert Kickl. Letztendlich erwartet, immerhin sind die FPÖ und die Orbán-Partei FIDESZ enge ideologische Verbündete.
Die Antwort liegt im Osten
Doch was haben Orbán, Schröder und die Weltwoche gemeinsam? Die Antwort darauf könnte weit im Osten Europas liegen. Ungarns Premierminister Viktor Orbán gilt bereits seit Jahren als Moskauer U-Boot in der EU und der NATO. Erst am 30. Oktober veröffentlichte die US-Botschaft in Budapest ein Statement, das es in dieser Form wohl noch selten gegeben hat.
Ungarn hatte davor eine Politik der wirtschaftlichen Neutralität angekündigt – unter den gegenwärtigen Verhältnissen eine klare Hinwendung an Russland und China. Besonders beachtlich, da Ungarn immerhin der drittgrößte Nettoempfänger im EU-Haushalt ist, wie die letzten verfügbaren Zahlen aus dem Jahr 2023 zeigen.
Als Reaktion trafen sich die in Ungarn akkreditierten Botschafter und Verteidigungsattachés der NATO-Mitgliedsstaaten in der US-Botschaft in Budapest. Im Anschluss wurde ein offizielles Statement veröffentlicht, wo US-Botschafter David Pressman die „wachsende Abhängigkeit“ Ungarns von Moskau und Peking kritisierte. Diese hätte „Auswirkungen auf die Sicherheit der Vereinigten Staaten und die euro-atlantischen Interessen“. Und dann folgt noch eine besondere Klatsche.
Eine Ohrfeige für Orbán
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„Die Tatsache, dass eine Diskussion über die Neutralitätspolitik eines Verbündeten notwendig war, spricht für sich“, wird Pressman zitiert. Nun ist es sicherlich nicht unironisch, dass sich die USA über globale Abhängigkeiten beklagen. Doch das ändert gleichzeitig nichts daran, dass ein solches Statement in weniger diplomatischen Worten bedeutet: Die Scheiße ist am Dampfen.
Und tatsächlich zeigt sich bereits Jahren, wie sich Ungarn immer enger an Moskau und Beijing anlehnt. So verzögert und boykottiert Ungarn etwa immer wieder Sanktionen gegen Russland im Zuge des Ukraine-Kriegs.
Im Gegenzug gibt es Gas aus Russland – noch im April 2023 wurden sogar neue Lieferverträge abgeschlossen. Wenn also Orbán in Wien über „Frieden in Europa“ sinniert, dürfen wir davon ausgehen, dass sich Putin bereits die Hände reibt
China zahlt kräftig ein, österreichische Konzerne hängen drin
Damit Ungarn auf Linie bleibt, wird kräftig eingezahlt. Dafür sorgen unter anderem Investitionen von Russlands größtem Verbündeten China. So errichtet der führende chinesische Elektroautomobilhersteller BYD aktuell ein riesiges Werk im südungarischen Szeged. Indirekt hängen da übrigens auch österreichische Konzerne drin.
Unter den 30 Unternehmen, die eine Zusammenarbeit mit BYD anstreben, sind AVL, AT&S, MSG, die Radkersburger Metallwerke, Alplab, Voest Draht, Magna, Infineon und Mahle vertreten. Das berichtet das Industriemagazin im Juni. Wie Russland im Zuge des Ukraine-Kriegs zur Kolonie Chinas wird, habe ich hier für euch aufgeschrieben.
Schröder und Putin: ziemlich beste Freunde
Und um viel Geld geht es wohl auch für Deutschlands ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder. Der Sozialdemokrat gilt bis heute als guter Freund des extrem rechten russischen Diktators Wladimir Putin. In der im April 2024 erschienenen ARD-Doku „Außer Dienst? Die Gerhard Schröder Story“ etwa spricht Journalist Lucas Stratmann den deutschen Altkanzler auf seine „Männerfreundschaft“ mit Putin an. Schröder widerspricht nicht. Und Schröder bezeichnet Russland ernsthaft als Demokratie.
Die wirtschaftlichen Verbindungen Schröders zu Moskau werden bei dieser Einschätzung nicht schaden. So war der Sozialdemokrat nach seiner Zeit in Berlin unter anderem Aufsichtsratsvorsitzender der russisch dominierten Nord Stream 2 AG und Kontrolleur beim russischen Staatskonzern Gazprom. Ebenfalls in das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 investiert war übrigens die teilstaatliche österreichische OMV. Und auch nach China hat Schröder offenbar gute Verbindungen.
Die SPD erteilt Schröder die Absolution
Die ARD darf ihn etwa zu einem Besuch ins chinesische Wuhan begleiten. Gesponsert sei die Reise, so Schröder, von „Unternehmen, die ich dann besuche“. Aber er hätte „zu keinem chinesischen Unternehmen Beziehungen“. Der Widerspruch wird in der Doku nicht aufgelöst.
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In der zentralchinesischen Millionenmetropole wird Schröder dann wie ein Staatsmann empfangen und bekommt den Ehrentitel „Alter Freund des chinesischen Volkes“ sowie die Ehrendoktorwürde der Universität Wuhan.
Das alles ist in Anbetracht von Schröders bisherigen Auftritten nicht überraschend. Tatsächlich überraschend dagegen ist die jüngste Aussage des neuen SPD-Generalsekretärs Matthias Miersch. Der hatte erst am 29. Oktober Schröder in einem Interview mit der deutschen Zeitschrift Stern wieder zum Teil der Partei erklärt und wollte seine „Lebensleistung“ würdigen.
Die dubiose „Weltwoche“
Veranstaltet wird das Event in Wien von der Schweizer Rechtsaußen-Zeitschrift „Weltwoche“. Die versucht seit einiger Zeit verstärkt nach Deutschland und Österreich zu expandieren, für Deutschland gibt es auch bereits eine eigene Ausgabe. Altkanzler Schröder kommt da offenbar gerade recht und hat offenbar inzwischen gute Beziehungen zur rechten Schweizer Plattform aufgebaut.
Denn Wien ist nicht sein einziger Auftritt. Erst im September war eine große Lebensbeichte in Zürich angekündigt. Der Titel der Weltwoche-Veranstaltung: „Gerhard Schröder: Mein Leben“. Im Gegenzug erklärt Rechtsaußen-Herausgeber Roger Köppel dann am 16. September in einem seiner (oft reichlich langatmigen) Video-Ausführungen, warum er Gerhard Schröder bewundere.
Und wie berichtet die Weltwoche über Russland? Das zeigt sich exemplarisch sogar exakt am Tag der Veranstaltung in Wien. Zuvor hatte die „Neue Zürcher Zeitung“ den französischen Historiker Emmanuel Todd mit den Worten „Die Russen werden den Krieg gewinnen“ zitiert. Die Überschrift der Weltwoche zu diesem Bericht: „Kehrt bei der NZZ in der Berichterstattung über die Ukraine Vernunft ein?“ Lob gibt es dagegen für das Wirtschaftsbündnis BRICS, das heute vor allem von China dominiert wird.
„gegen den links-roten Mainstream“
In welche Richtung die Veranstaltung in Wien gehen wird, zeigt sich bereits auf der Seite der Weltwoche. Dort werden die Leser:innen ersucht, im Vorfeld Fragen an die Gesprächsteilnehmer einzureichen. Das Echo ist allerdings mehr als bescheiden, es gibt gerade einmal sechs Kommentare.
Doch die Stoßrichtung ist bezeichnend. Die zwei Kommentare mit der größten Zustimmung: Einerseits eine Frage an Gerhard Schröder, wieso er eigentlich noch in der SPD sei. Und dann ein Statement von User „Novembersonne“.
Er würde sich bei Orbán und Schröder für ihren Mut bedanken, „gegen den links-roten Mainstream aufzustehen“. Es sind klassische extrem rechte Worthülsen. Orbán und die Weltwoche werden das zweifellos begrüßen. Doch es sagt auch einiges über den ehemaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder. Es ist nichts Gutes.
Und der Kreml klatscht Applaus.
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