Das Innenministerium bestätigt, dass beim Volksstimme-Fest Schutzmaßnahmen gegen einen geplanten Anschlag ergriffen wurden. Die Organisator:innen wurden nicht gewarnt. Zu den Feindeslisten des Täters gegen Linke gibt es weiter keine Antwort.

Es ist eine höchst dubiose Geschichte. Im jüngst erschienenen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2022 findet sich auf Seite 20 ein Hinweis auf einen „geplanten Anschlag“ auf das linke Volksstimme-Fest in Wien. Der verhinderte Attentäter – der möglicherweise auch weitere Anschläge plante – sei ein „langjähriger Anhänger“ der neofaschistischen Gruppe Identitäre. Doch auf Nachfrage will das Innenministerium keine weitere Informationen herausrücken.

Der inzwischen verurteilte Mann, Rudolf P., hatte sich offenbar bereits akribisch vorbereitet: Bei einer Hausdurchsuchung wurden Waffen und Sprengmittel bei ihm gefunden, so der Verfassungsschutz. Dazu auch ein selbst angefertigtes Video, “auf welchem bereits erfolgreiche Sprengübungen mit selbstgebauten Sprengkörpern durchführt wurden”. Ebenso gefunden worden sei ein Handbuch für “Terroristen des rechten Spektrums”. Es scheint also, dass es bereits weit fortgeschrittene Vorbereitungen für Anschläge gab. Hier findet ihr meine Recherche dazu mit allen Hintergründen.

Eine Nazi-Feindesliste wurde gefunden

Und das linke Volksstimme-Fest auf der Wiener Jesuitenwiese, wo jedes Jahr zehntausende Menschen feiern, scheint nicht das einzige mögliche Ziel des Täters gewesen zu sein: Denn gefunden wurden laut Verfassungsschutz auch eine Datei mit dem Namen “Freundes- und Feindesliste” sowie Listen mit mehreren politisch links gerichteten Organisationen. Diese seien als Feinde beziehungsweise “potenzielle Ziele” geführt worden.

Der Täter, Rudolf P., wurde laut Innenministerium im Oktober 2022 wegen verschiedener Delikte rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Delikte: Nationalsozialistische Wiederbetätigung, Verstöße gegen das Waffengesetz, Verhetzung sowie Verstöße gegen das Suchtmittelgesetz. Die hohe Strafe von fünf Jahren „fest“ begründete das Oberlandesgericht Wien laut Verfassungsschutz mit der besonderen Gefährlichkeit des Täters.

Ebenfalls bedenklich in diesem Zusammenhang: Laut der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) – wie der Verfassungsschutz seit 2021 heißt – war P. bestens vernetzt mit der neofaschistischen Gruppe Identitäre. Niemand kann hier also mit Sicherheit von einem Einzeltäter sprechen. Ob und welche weiteren Ermittlungen es im Milieu dieser Gruppe gab, ist bisher ungeklärt.

Eigentlich wäre das eine enorm wichtige Information für die Öffentlichkeit und vor allem für alle potenziell Betroffen gewesen. Doch bisher gab es seitens des Innenministeriums gerade einmal eine Presseaussendung im April 2022, wo die Verurteilung von Rudolf P. am Erstgericht in Eisenstadt beiläufig in einer kurzen Notiz am Schluss abgehandelt wurde. Sonst nichts.

Auch bei der Pressekonferenz am Freitag zur Präsentation des Berichts mit Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und dem ÖVP-nahen DSN-Chef Omar Haijawi-Pirchner war der Fall kein Thema. Medial wurden danach fast ausschließlich die Aussagen von Karner und Haijawi-Pirchner aufgegriffen, nicht aber die Inhalte des Berichts. Update: Eine rühmliche Ausnahme ist Ö1, wo Haijawi-Pirchner bei einem Interview am Tag nach der Präsentation auf die Anschlagspläne angesprochen wurde [Der verlinkte Beitrag ist ab Erscheinen sieben Tage verfügbar]. Danke an Ö1-Journalist Bernt Koschuh für den Hinweis, er hat auch das Interview geführt.

Besonders bedenklich: Der geplante Anschlag war nicht nur kein Thema – offenbar wurden auch die möglichen Opfer des verhinderten rechten Attentäters nicht gewarnt. Veranstalterin des Volksstimme-Fests ist die KPÖ. In einer Stellungnahme schreibt mir Innenministeriums-Sprecher Harald Sörös, die Polizei hätte sogar“entsprechende Schutzmaßnahmen“ am Fest ergriffen.

Doch KPÖ-Sprecher Günther Hopfgartner hat davon laut eigener Aussage nichts gewusst. Er kritisiert mir gegenüber: “Wir finden es befremdlich, wenn wir solche Vorfälle über den Verfassungsschutzbericht erfahren müssen und die Behörde nicht direkt mit uns Kontakt aufnimmt.”

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Das Innenministerium will nichts dazu sagen

Ich hatte das Innenministerium weiters gefragt, ob die Personen und Organisationen gewarnt wurden, die auf der Feindesliste des Täter standen. Dazu wollte das Innenministerium keine Stellungnahme abgeben. Ich habe nun nochmals nachgefragt, eine Antwort werde ich bei Eintreffen einfügen. In der Wiener Linken jedenfalls konnte ich bisher niemanden finden, der über eine Warnung berichtet.

Es wäre nicht das erste Mal, dass das Innenministerium potentielle Opfer eines rechten Anschlags im Dunkeln stehen lässt. So war etwa jahrelang die rechte Seite „Judas Watch“ online, wo unter anderem ich als „Verräter der weißen Rasse“ genannt wurde. Im April 2020 schließlich bekam ich eine Warnung des Innenministeriums – doch davor hatte ich den Fall bereits selbst mehrmals öffentlich thematisiert.

Wie schnell es von der Hassseite zum Mord geht, zeigte sich, als der Verantwortliche endlich gefasst war: Benjamin H. wurde inzwischen gemeinsam mit seinem Bruder Philip H. (der sich als Nazi-Rapper „Mr. Bond“ nannte) rechtskräftig verurteilt. Eine der Nummern von Philip H. hatte der neonazistische Attentäter von Halle verwendet, als er zuerst in eine Synagoge eindringen wollte und im Anschluss zwei Menschen ermordete, nachdem ihm dies nicht gelang. Auch bei den Brüdern H. ging das Gericht von einer besonderen Gefährlichkeit aus, ich hatte mich dem Verfahren gegen Benjamin H. als Privatbeteiligter angeschlossen.

Und nun hat das österreichische Innenministerium möglicherweise wieder dabei versagt, die potentiellen Opfer eines rechten Anschlags zu warnen. Und will sich bisher auch nicht dazu äußern. Doch die Öffentlichkeit verdient Antworten!

Ergänzt am 17.05.2023 um den Beitrag auf Ö1

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