Nach Morddrohungen, Angriffen und versuchter Körperverletzung: Jetzt haben Neonazis Drohungen an einer Wohnungstür hinterlassen.

„Aufs Maul“ und „Zeit zum Handeln“. Dazu ein zugeklebtes Türschloss. Diese Botschaften fanden sich jüngst auf einer Wohnungstür in Wien, die mir offensichtlich zugerechnet wird. Tatsächlich wohnt dort eine Verwandte, ich selbst war an der Adresse allerdings früher gemeldet.

Entdeckt wurde der Schaden unmittelbar nach dem letzten Aufmarsch rechter Corona-Leugner*innen in Wien am 2. Oktober. Nach dessen Ende hatten Neonazis aus dem Milieu der Gruppe Tanzbrigade die Schlusskundgebung der antifaschistischen Gegenproteste provoziert. Ich hatte das beobachtet und wurde bereits dort von den Neonazis bedroht. Mein Name wurde mir entgegen gebrüllt und dazu eine – mir unbekannte – Adresse. Und offenbar am selben Abend dann die Drohungen auf einer Wohnungstür.

Inzwischen wurden bei der Wohnung und im Stiegenhaus der Verwandten neue und umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. Die gleichen Maßnahmen wurden natürlich bei meiner tatsächlichen Wohnadresse getroffen. Deshalb und auch aus ermittlungstaktischen Gründen habe ich mit der Veröffentlichung auch einige Tage gewartet. Anzeigen wegen Sachbeschädigung sowie gefährlicher Drohung sind erfolgt.

Morddrohungen und versuchte Körperverletzungen

Es ist nicht die erste Drohung und es ist nicht der erste Angriff auf mich. Erst Anfang September wurde in Innsbruck eine Frau verurteilt, weil sie Morddrohungen gegen mich geteilt hatte. Der ursprüngliche Urheber, mutmaßlich ein Oberösterreicher, ist bis jetzt nicht angeklagt. Parallel läuft ein Verfahren wegen einer versuchten Körperverletzung in Wien.

Bei einem Corona-Aufmarsch im September hatte ein Mann eine volle Bierdose in meine Richtung geworfen, die knapp neben mir einschlug. Nicht das erste Mal, dass so etwas passiert ist.

Der mutmaßliche Täter, Aleksijevic C., stammt aus dem rechten Hooligan-Milieu. Es gilt die Unschuldsvermutung. Diese jüngsten Drohungen und Attacken sind der nächste Höhepunkt einer langen Reihe von Angriffen seit Beginn der rechtsdominierten Corona-Aufmärsche. Auf den Aufmärschen in Wien wurde ich bereits mehrmals körperlich angegriffen.

Am 10. April etwa stürmte eine Gruppe von Neonazi-Hooligans beim Hauptbahnhof auf mich zu. Zuerst die sexistische Vergewaltigungsdrohung „Bonvalot, Deine Mutter ficke ich auch noch“, dann der körperliche Angriff. Mein Sicherheitsteam konnte den Angriff abwehren.

Im Mai habe ich dann exklusiv Terror-Chats in geheimen Telegram-Gruppen von Corona-Leugner*innen aufgedeckt. Die handelnden Personen, vor allem ehemalige Soldat*innen, hatten bereits über den Bau von Bomben und das Stehlen von Waffen aus Kasernen diskutiert. Dort wurde auch nochmals deutlich, wie sehr ich im Fokus dieser Gruppen stehe:

Meinen Namen und Fotos von mir habe ich in den beiden zusammengehörenden Gruppen weit über 30 Mal gefunden. Andere Journalist*innen wurden, soweit ich es überblicken konnte, nirgends namentlich genannt. Mitte Mai sind die Behörden nach vorherigen Hinweisen mit Hausdurchsuchungen in mehreren Bundesländern gegen die Gruppe vorgegangen. Ob dabei alle handelnden Personen erfasst wurden, ist unklar.

Warum trifft es mich?

Es ist kein Zufall, dass extrem rechte Kreise mich besonders im Focus haben. Ich recherchiere seit Jahren über die extrem rechte Szene und berichte auch seit Beginn kontinuierlich von den Corona-Aufmärschen. In meinen Liveberichten und meinen Recherchen nenne ich Namen, Strukturen, Verbindungen und Hintermänner. Und das ist der Szene natürlich extrem unangenehm.

So hat es die Gruppe rund um Neonazi Gottfried Küssel etwa geschafft, rund um die Coronaaufmärsche jüngere neonazistische Hooligans an sich zu binden. Das betrifft Personen aus dem extrem rechten Umfeld innerhalb der beiden Wiener Großklubs Austria und Rapid. Und hier wiederum gibt es enge Überschneidungen mit der Gruppe Tanzbrigade, die am 2. Oktober auffällig wurde.

Die Küssel-Gruppe steht bei diesen Rekrutierungsversuchen in einem direkten Konkurrenzverhältnis zur neofaschistischen Gruppe Identitäre. Die versucht mit neuen Aktionsgruppen ebenfalls, für rechte Hooligans attraktiv zu werden. Und nachdem sowohl Neonazis wie Neofaschist*innen sich um die gleiche aktionsorientierte Zielgruppe bemühen, müssen beide natürlich immer neue Angebote zur „Action“ machen. Eine eindeutige Gefahr.

Wie im Krieg

Berichterstattung von den Aufmärschen der rechten Corona-Leugner*innen erfordert für mich inzwischen eine Ausrüstung wie in Konfliktgebieten. Ich trage einen Helm und teils auch eine ballistische Brille, die vor Splittern schützt. Dazu werde ich immer von einem mehrköpfigen Sicherheitsteam begleitet.

Ohne dieses Team wäre es inzwischen für mich real gar nicht mehr möglich, von diesen rechten Aufmärschen zu berichten. An dieser Stelle: Vielen Dank an dieser Stelle an alle Leute aus dem großartigen Team! Mit den Drohungen auf einer Wohnungstür ist nun nochmals eine neue Qualität der Gefährdung erreicht.

Bisher waren es Angriffe auf Aufmärschen und verbale Drohungen im Netz. Jetzt aber geht es um eine Wohnung, wo ein Mensch wohnt. Eine Verwandte von mir, die nun offensichtlich unmittelbar gefährdet ist. Und was ist die nächste Eskalationsstufe nach solchen Drohungen?

Es ist ein Angriff auf die Pressefreiheit!

„Aufs Maul“ – die Botschaft, die die Neonazis hinterlassen haben, ist eindeutig. Und sie soll offensichtlich einschüchtern. Doch was würde es bedeuten, sich davon einschüchtern zu lassen? Die Konsequenz wäre, dass es nicht mehr möglich wäre, Berichte über die extreme Rechte zu recherchieren und zu veröffentlichen. Und das ist völlig inakzeptabel.

Die aktuellen Drohungen treffen mich – doch sie betreffen nicht nur mich. Sie sind ein eindeutiger Angriff auf die Pressefreiheit insgesamt. Solche Angriffe sind der Versuch von Neonazis, Journalist*innen einzuschüchtern. Wenn die Drohung bei einem Journalisten Wirkung zeigt, werden sie sich den oder die nächste vornehmen. Und so würde es Schritt für Schritt immer weitergehen. Doch das wird nicht passieren.

Ich verspreche an dieser Stelle: Ich werde mich von neonazistischen Drohungen sicher nicht einschüchtern lassen. Im Gegenteil. Ich werde weiter über die extrem rechte Szene berichten. Warum? Weil das meine Aufgabe als Journalist ist. Weil es wichtig ist. Und weil es notwendig ist.

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