Wiener PolizistInnen hatten mich daran gehindert, die Verhaftung eines Antifaschisten zu dokumentieren. Zur Verteidigung der Pressefreiheit bin ich vor Gericht gegangen – und habe gewonnen.

Es ist ein armseliges Häuflein extremer Rechter, das am 7. März 2020 vor dem antisemitischen Lueger-Denkmal in Wien aufmarschiert. Unter ihnen sind einschlägig bekannte Figuren wie etwa Identitären-Gesicht Martin Sellner oder Ex-Plüschtier Georg Nagel. Der hatte etwa nach dem Terroranschlag in Wien versucht hatte, die Wiener Bevölkerung mit Maschinengewehrsalven aus einem Lautsprecherwagen zu verängstigen.

Zum Denkmal selbst können die Rechten an diesem Samstag allerdings über lange Zeit nicht – der Platz ist von AntifaschistInnen blockiert. Die Rechten wirken frustriert, gelangweilt. Doch schließlich beginnt die anwesende Polizei, den Platz vor dem Denkmal für die Rechten frei zu räumen. Dabei werden mehrere AntifaschistInnen von der Polizei abgeführt.

Festnahmen dürfen gefilmt werden

Nachdem bekannt ist, dass es bei solchen Verhaftungen immer wieder zu Übergriffen kommt, tue ich meinen Job: Ich filme, ich fotografiere, ich dokumentiere. Selbstverständlich wahre ich dabei immer die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen: Auf allen Veröffentlichungen mache ich die betroffenen Menschen unkenntlich. Es ist auch erlaubt, solche Amtshandlungen der Polizei zu dokumentieren und zu filmen. Ihr müsst nur darauf achten, die Amtshandlung nicht zu behindern und euch nicht in Gefahr zu bringen.

Einzig bei der Veröffentlichung ist Vorsicht geboten: Hier müsst ihr auf die Persönlichkeitsrechte achten und Gesichter eventuell verpixeln – sonst könntet ihr rechtliche Probleme bekommen. Doch mehrere Polizistinnen haben offensichtlich etwas dagegen, dass ich ihre Arbeit dokumentiere. Bereits bei einer ersten Festnahme stellt sich mir ein Hundeführer mit seinem Polizeihund entgegen.

Er will offensichtlich verhindern, dass ich die Amtshandlung beobachten kann. Zweimal springt mich dann sogar der Polizeihund an – der Hundeführer verhindert den Angriff nicht. Was bei diesem Aufmarsch sonst noch alles passiert ist, könnt ihr hier lesen.

Mit Gewalt an der Arbeit gehindert

Bei einer weiteren Verhaftung drückt mich dann ein Polizist mehrmals mit Gewalt immer weiter von der Verhaftung weg. Obwohl ich mich klar als Journalist zu erkennen gebe. Obwohl ich um meinen Hals offen meinen Presseausweis trage. Obwohl ich darauf hinweise, dass es mein Recht ist, die Amtshandlung zu dokumentieren.

Es ist ein klarer Angriff auf die Pressefreiheit. Konkret bin hier zwar ich betroffen – doch die Verhinderung der Dokumentation von Amtshandlungen ist ein immer wiederkehrendes Problem mit der Wiener Polizei. Genau deshalb habe ich am Landesverwaltungsgericht Wien eine sogenannte Maßnahmenbeschwerde gegen den Polizisten eingeleitet, vertreten von Nora Pentz von der Rechtsanwaltskanzlei Clemens Lahner.

Rechtskräftig gewonnen

Die Verhandlung fand am 4. September statt, inzwischen ist das Urteil rechtskräftig, es ist keine Revision mehr möglich. Das Ergebnis: Ich habe auf ganzer Linie gewonnen. Wie sich der Polizist allerdings vor Gericht verteidigt hat, kann und darf an dieser Stelle nicht vorenthalten werden.

Denn in seiner ersten Aussage vor Gericht behauptete der Revierinspektor, dass ihm zu Beginn gar nicht bewusst gewesen wäre, dass ich Journalist sei. Mein Presseausweis sei „anfänglich unter einer Jacke“ gesteckt. Dass ich Journalist sei, hätte er erst „nach Beendigung der Maßnahme“ erfahren. Wenn er gewusst hätte, dass ich Journalist bin, hätte er „keine Körperkraft angewandt“, so der Revierinspektor wörtlich in seiner Rechtfertigung.

Dubiose Aussagen

Das Problem des Revierinspektors: Es gibt ein Video, das die gesamte Szene festhält. Dieses Video wird dann auch im Gerichtssaal vorgespielt. Gut zu erkennen: Ich trage den Presseausweis die ganze Zeit oberhalb der Jacke. Ebenfalls gut zu erkennen ist, dass ich den Polizisten und seine Kollegen mehrmals darauf hinweise, dass ich Journalist bin. Und nochmals: Auch wenn ich kein Journalist wäre, dürfte ich die Verhaftung dokumentieren.

Eine weitere Befragung des Revierinspektors zu diesen Widersprüchen bringt keine zusätzlichen Erkenntnisse. Ein Verfahren wegen falscher Zeugenaussage gegen den Polizisten wird seitens des Gerichts nicht eingeleitet.

Schlappe für die Wiener Polizei

Das Urteil von Richterin Elisabeth Grois ist dann eine eindeutige Schlappe für die Landespolizeidirektion Wien: Die Wegweisung ist rechtswidrig, stellt das Landesverwaltungsgericht Wien fest. Der Polizist hat sich nicht korrekt verhalten, ich hätte die Amtshandlung dokumentieren dürfen.

Meine Rechtsvertreterin Nora Pentz erklärt dazu: „Die Polizei darf in der Regel dann wegweisen, wenn durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung gestört wird, wie es im Gesetz heißt.“ Journalistische Arbeit aber ist kein rücksichtsloses Verhalten, wie Pentz betont, „sondern grundrechtlich geschützt.“ Und, so die Juristin: „Auch für eine Wegweisung wegen Selbstgefährdung braucht es konkrete Anhaltspunkte.“

Schwache Beschwerdemöglichkeiten

Einerseits ist der Sieg vor Gericht natürlich eine gute Nachricht. Doch gleichzeitig zeigt dieses Verfahren wiederum die Schwächen der sogenannten Maßnahmenbeschwerden. Da ich gewonnen habe, werden zumindest meine Anwaltskosten ersetzt. Üblicherweise müssen aber die Betroffenen solche Kosten zuerst einmal vorstrecken.

Die gesamte Arbeitszeit dagegen, die ich in das Verfahren stecken musste, wird nicht abgegolten. Viele Menschen müssen sich für das Verfahren und Rechtsanwaltstermine tageweise frei nehmen. Dazu kommt das hohe Prozessrisiko.

Keine Folgen für die Polizei

Im Fall einer verlorenen Maßnahmenbeschwerde müssen einerseits die eigenen Anwaltskosten bezahlt werden. Es gibt zwar keine Anwaltspflicht bei solchen Beschwerden, doch die Chancen auf einen Sieg sind natürlich mit anwaltlicher Vertretung deutlich besser. Zusätzlich müssen im Fall eines verlorenen Prozesses je Beschwerdepunkt rund 900 Euro an die Polizei gezahlt werden – und zumeist geht es in einem Fall um zwei bis drei Beschwerdepunkte. Da kommen also schnell einige tausend Euro zusammen.

Für die PolizistInnen dagegen hat eine verlorene Maßnahmenbeschwerde keine nach außen bekannten Folgen. Wenn ihre Amtshandlung als rechtswidrig erkannt wird, zahlt die Kosten der Staat – also letztlich die SteuerzahlerInnen. Eine persönliche Verantwortung gibt es nicht. Es gibt auch keine Erkenntnisse darüber, dass verlorene Maßnahmenbeschwerden irgendwie in die Schulung der Polizei einfließen würden. An diesen beiden Punkten müsste dringend eingesetzt werden, damit nicht immer wieder die gleichen Themengebiete vor Gericht landen müssen.

Weitere gewonnene Beschwerde nach möglichen Racial Profiling

Auch eine weitere Maßnahmenbeschwerde habe ich übrigens jüngst gewonnen: Am 23. Juni 2020 wollten PolizistInnen im Wiener Stadtpark meinen Ausweis kontrollieren, nachdem ich einen Fall von möglichem Racial Profiling beobachtet hatte – also eine Ausweiskontrolle aufgrund der Herkunft oder Hautfarbe.

Gegen die Ausweiskontrolle gegen mich bin ich ebenfalls vor Gericht gegangen, auch hier vertreten von der Kanzlei Lahner. Denn es gibt klare gesetzliche Grundlagen, wann die Polizei einen Ausweis kontrollieren darf. „Weil ich das sage“, gehört nicht dazu.

Die Polizei braucht einen Grund, wenn sie Deinen Ausweis sehen will

Juristin Pentz erklärt, dass es als Argument auch nicht ausreichen würde, dass sich an einem Ort statistisch häufig Straftaten ereignen: „Es muss zum Zeitpunkt der Ausweiskontrolle aktuell einen konkreten Verdacht geben, der aufgeklärt werden soll.“ Wann die Polizei deinen Ausweis kontrollieren darf, habe ich hier für dich aufgeschrieben. Bei dieser Beschwerde hat dann sogar die Polizei von sich aus auf die Durchführung einer Verhandlung verzichtet.

Zu eindeutig war hier die Sachlage, vermutlich wollten sie sich die Peinlichkeit vor Gericht ersparen. Hier hat mir das Gericht ebenfalls vollinhaltlich Recht gegeben, auch dieses Urteil ist inzwischen rechtskräftig.

Willst Du meine Arbeit unterstützen?

Bei diesen beiden Prozessen hatte ich zwar keine Anwaltskosten, weil ich sie gewonnen habe. Bisher habe ich übrigens alle meine Prozesse nach rechtswidrigen Maßnahmen der Polizei gewinnen, einen Fall führe ich gerade bis zum Verwaltungsgerichtshof.

Doch solche Proteste bedeuten in der Vorbereitung enorm viel Arbeitszeit. Dazu gibt es immer ein Prozessrisiko, wenn ich verliere. Und ich werde leider vermutlich auch in Zukunft weiter gegen die Polizei vor Gericht gehen müssen, um die Pressefreiheit durchzusetzen.

Ich freue mich sehr, wenn Du meine Arbeit unterstützen möchtest! Damit die Polizei lernt, dass Gesetze auch für sie gelten.

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