Es ist die neueste rechte Propaganda: Rohmilch statt pasteurisierter Milch. Der dubiose Kulturkampf aus den USA könnte bald auch hierzulande ankommen. Finger weg, das kann gefährlich sein!

Im ländlichen Raum war es früher die Norm: Die Milch kam direkt von der Kuh in den Haushalt. Doch dabei gab es schon immer ein Problem: Diese sogenannte Rohmilch war nicht abgekocht, um Bakterien abzutöten. Sie konnte deshalb gefährliche Bakterien enthalten, etwa Salmonellen, E.coli, oder Listerien. Rohmilch war lange Zeit sogar ein zentraler Überträger für Tuberkulose.

Ende des 19. Jahrhunderts wurde endlich eine Lösung für dieses Problem gefunden: Die Pasteurisierung. Benannt ist das Verfahren nach dem französischen Chemiker Louis Pasteur. Dabei wird Milch erhitzt, so werden gefährliche Mikroorganismen abgetötet. Eine gute und kluge Idee. Wissenschaftlicher Fortschritt, gesundheitliche Verbesserungen für die Masse der Bevölkerung? Du ahnst bereits, was jetzt kommt.

Verschwörungs-Propaganda für Rohmilch

Extreme Rechte und verschwörungsideologische Gruppen trommeln in den letzten Jahren immer lauter ihr neuestes Propaganda-Thema: Sie propagieren Rohmilch statt pasteurisierter Milch. Ein gefährlicher Unfug. „Noch vor fünfzig Jahren wusste jedes Kind, dass man sich durch rohe Milch ansteckt“, warnte die FAZ bereits vor über zehn Jahren. Doch das kümmert die einschlägige Szene wenig.

Aus guten Gründen wird Milch pasteurisiert. Bild: Didgeman

„Wenn Milch, dann Rohmilch“, fordert eine Person etwa auf dem Corona-Telegram-Kanal „Impfschäden“. Herausgegeben wird dieser Kanal vom Kärntner Verschwörungsideologen Martin Rutter, der in Österreich zahlreiche Corona-Aufmärsche organisiert hatte. Auf einem weiteren Kanal heißt es, Pasteurisierung zerstöre „die heilende Wirkung“ von Milch. Welche „heilende Wirkung“ Milch haben solle, wird leider nicht verraten.

Außerdem hätten ja vielleicht „die Rockefellers die Pasteurisierung eingeführt und die Milchindustrie zu beherrschen“. Beleg für diesen Verschwörungs-Schwachsinn gibt es natürlich ebenfalls keinen. Der betreffende Kanal wird übrigens von einem Vertrauten von Nazi-Gesicht Gottfried Küssel herausgegeben.

Warnungen werden ignoriert

Und nachdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Ende April wegen Krankheitsgefahr explizit vor dem Verzehr von Rohmilch warnte, heißt es auf dem deutschen Verschwörungskanal „Kulturstudio“ nur zynisch: „Man warnt mal wieder“. Dabei war die Warnung der WHO mehr als berechtigt.

Denn kurz zuvor war in den USA das Vogelgrippe-Virus H5N1 auch bei Kühen entdeckt worden. Als Reaktion hatte die WHO dringend dazu geraten, nur pasteurisierte Milch zu konsumieren, in der Bakterien und Viren abgetötet wurden, und den Verzehr von Rohmilch zu vermeiden. „Das Virus wurde in Milch nachgewiesen, und seine mögliche Rolle bei der Übertragung wird derzeit untersucht“, fügte die WHO hinzu. Doch immer mehr extremen Rechten scheint das alles egal zu sein.

Kulturkampf mit Rohmilch

Schon länger erfreute sich Rohmilch vor allem in esoterischen und alternativen Milieus einer gewissen Beliebtheit. Fälschlich wurde dieser Trend dabei oft als Teil der Bio-Welle missverstanden. Apropos: Wenn es dir möglich ist, kauf Deine Milch doch Bio und damit mit weniger Tierleid. Oder versuch mal Alternativen wie Soja- oder Hafermilch. Doch nachdem Rohmilch früher als eher „alternativer“ Trend galt, hat sich jetzt die extreme Rechte auf das dubiose Thema gesetzt.

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Ein wesentlicher Ausgangspunkt sind dabei rechte Gruppen aus den USA. „Rohmilch hat bei rechtsgerichteten Amerikanern dramatisch an Popularität gewonnen“, berichtet „The Week“ etwa im März 2024. Vor allem bei US-Republikanern würde Rohmilch immer mehr an Zulauf gewinnen. Der Journalist Marc Novicoff schreibt in Politico, Rohmilch sei inzwischen ein „Signal des konservativen Kulturkampfs“ und Liebling der republikanischen Landesparlamente in den USA.

Rechte Gesetze für die Rohmilch

Die Folge der rechten Propaganda: Immer mehr rechts-dominierte US-Landesparlamente haben seit dem Jahr 2020 Gesetze verabschiedet, mit denen der Verkauf von Rohmilch auf Bauernhöfen oder in Geschäften legalisiert wird. Das betrifft laut Politico die Bundesstaaten Iowa, Montana, North Dakota, Alaska, Georgia und Wyoming. Alle diese Staaten haben eine republikanische Mehrheit. Es passt in eine rückwärtsgewandte Agenda, die bei jeder Gelegenheit die angeblich „gute alte Zeit“ beschwört.

Ein wichtiger Teil dieses rechten Kulturkampfes auf verschiedensten Fronten: Wissenschaftliche Erkenntnisse werden schlichtweg negiert – weltweit sichtbar wurde das bei den Verschwörungserzählungen gegen Impfungen und FFP2-Masken rund um die Covid-Pandemie. Die Leugnung der menschengemachten Klimakrise gehört ebenfalls in dieses Schema. Und auch das Thema Rohmilch passt da perfekt hinein.

Abgrenzung von Wissenschaft – und Kontrollen

Denn es ist eine weitere (und erneut unglaublich dumme) Möglichkeit, sich von wissenschaftlichen Erkenntnissen abzugrenzen. So heißt es etwa auf der weit rechten Plattform „The American Conservative“, Rohmilch würde „den Geist“ eines alten, „rauen Ethos“ beschwören. So werden gefährliche Krankheiten wie Tuberkulose zum „rauen Geist“ verklärt. Und das betrifft nicht nur erwachsene Menschen, die zumindest selbst entscheiden können: Wer an diese Propaganda glaubt, könnte auch die eigenen Kinder gefährden. Und die können das nicht selbst entscheiden und durchblicken.

Als praktischer Nebeneffekt der rechten Propaganda können dann auch gleich die Kontrollen landwirtschaftliche Betriebe infrage gestellt werden. Das gefällt einem Teil der ländlichen Basis schon allein aus Profitinteressen. Einschlägige Gruppen versuchen allerdings, diesem Kulturkampf einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben. So behaupten sie etwa, dass Rohmilch gesundheitliche Vorteile hätte und Enzyme und Vitamine enthalten würde, die beim Prozess der Pasteurisierung verloren gehen würden. Doch dafür gibt es keinerlei Belege, sagt die US-amerikanische Gesundheitsorganisation CDC.

Wissenschaftler:innen warnen!

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Nachdem sich der problematische Trend zur Rohmilch aber immer weiter ausbreitet, musste die CDC Anfang Mai entschieden ausrücken. In einem ausführlichen Text mit zahlreichen wissenschaftlichen Quellen widerlegt sie die wichtigsten Missverständnisse und Vorurteile zur Rohmilch und pasteurisierter Milch.

Einige der Kernaussagen der CDC-Analyse: Rohmilch heilt weder Laktoseintoleranz noch Asthma und Allergien. Rohmilch enthält auch keine Bakterien, die für die Magen-Darm-Gesundheit nützlich sind. Auch für die Vorbeugung von Osteoporose ist Rohmilch nicht mehr oder weniger wirksam als pasteurisierte Milch. Die Nährstoffqualität von Rohmilch und pasteurisierter Milch unterscheidet sich nicht wesentlich. Und schließlich sei Rohmilch „kein immunstärkendes Nahrungsmittel und insbesondere für Kinder nicht ungefährlich“. Der Text kann hier im englischsprachigen Original gelesen werden, hier auf Deutsch in einer automatisierten Übersetzung.

Der Trend könnte überschwappen

Noch ist der Trend zur Rohmilch vor allem in der US-amerikanischen Rechten zu beobachten. Doch erste Beiträge in deutschsprachigen Gruppen lassen vermuten: Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis diese gesundheitsgefährdende rechte Propaganda auch Österreich, Deutschland und die Schweiz voll erreicht. Die Propaganda hat dabei immer auch einen finanziellen Aspekt: Wer als erster auf den neuesten Verschwörungs-Zug aufspringt, macht die meisten Klicks und damit auch das meiste Geld.

Aufklärungs-Artikel wie dieser haben damit natürlich immer ein Problem: Sie könnten einschlägige Gruppen überhaupt erst auf dumme Ideen bringen. Doch gerade, wenn die rechte Propaganda potenziell gesundheitsgefährdend wird, scheint es notwendig, so früh wie möglich zu warnen. Bevor sich dieser Trend gefährlich ausbreitet. Denn niemand sollte nur deshalb Probleme mit Salmonellen, E.coli, Listerien oder Tuberkulose bekommen, weil extreme Rechte einen neuen Verschwörungsschwachsinn verbreiten wollen.

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